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Orion im Fokus

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Kultbuch/Impressum

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Fotografieren bei Nacht

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Fotos: Alfred Erardi

Alfred Erardi, der Präsident der Naturfotografen Südtirol, erklärt uns, wie mit Eulenblick auf die Milchstraße tolle Bilder entstehen.

Was ist beim Fotografieren bei Nacht zu beachten?

Beginnen wir mit der fotografischen Ausrüstung. Um beim Fotografieren in der Nacht zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen, braucht es eine digitale Systemkamera mit Wechselobjektiven. Das kann eine Spiegelreflex- oder eine spiegellose Kamera sein. Diese erlauben es, Blende, Verschlusszeit und Schärfe manuell einzustellen. Da sich bei Nacht Belichtungszeiten von mehreren Sekunden bis zu vielen Minuten ergeben, sind zwei Hilfsmittel unentbehrlich: ein stabiles Stativ mit Kugelkopf und ein Fernauslöser. Beim Erwerb eines Stativs sollte man unbedingt auf Qualität achten. Mit dem Fernauslöser lässt sich der Verschluss länger als 30 Sekunden offen halten.

Beeindruckende Bilder entstehen, wenn ein markanter Berg mit dem Sternenhimmel kombiniert wird. Sollen die Sterne punktförmig abgebildet werden, darf die Belichtungszeit nicht zu lang sein. Dabei gilt folgende Faustregel, die von der verwendeten Brennweite abhängig ist: 500 dividiert durch die Brennweite ergibt die Belichtungszeit in Sekunden. Beispiel: Mit einem Weitwinkel von 16 mm Brennweite kann man bis zu 30 Sekunden belichten. Als Ausgangswerte empfehle ich, ISO 3.200 bis 6.400 bei Blende 2,8 zu verwenden. Diese Vorgangsweise wende ich beim Fotografieren der Milchstraße an. Die Milchstraße ist zwar das ganze Jahr sichtbar, lohnende Bilder entstehen aber in unseren Breitengraden nur von März bis September, weil in dieser Zeitspanne das Zentrum mit den zahlreichen Sternen für uns über dem Horizont sichtbar ist. Die Mondphase sollte nahe Neumond sein.

Wie fängt man den „wandernden“ Sternenhimmel ein?

Gerne fotografiere ich Sternbilder wie Orion oder den Großen Wagen und wende dabei lange Belichtungszeiten an. Diese reichen von 10 Minuten bis zu einer Stunde. Durch die Erdumdrehung wandern aus unserer Sicht die Sterne am Himmel weiter und hinterlassen linienförmige Spuren auf dem Sensor. Richtet man die Kamera gegen Norden, sind diese kreisförmig. Als Ausgangswerte empfehle ich ISO 100 bis 200, Blende 5,6 bis 8 und eine Belichtungszeit von etwa 25 Minuten.

Was ist die besondere Herausforderung bei der Nachtfotografie?

Das genaue Einstellen des Bildausschnittes ist bei Nacht nicht einfach. Dabei sind Spiegelreflexkameras den Spiegellosen noch überlegen. Die Schärfe auf „unendlich“ einzustellen, kann bei Nacht zur Herausforderung werden. Noch bei Tageslicht scharfstellen und den Scharfstellring mit Klebeband fixieren kann eine Hilfe sein. Gute Erfahrungen habe ich mit Weitwinkelobjektiven mit fester Brennweite und ohne Autofokus gemacht.

Schwierig wird es, wenn feuchte Luft die Vorderlinse des Objektivs beschlägt. Mulden zu meiden und Hügel mit leichtem Luftzug aufzusuchen, kann Besserung bringen.

Auch Gewitter und Blitze kann man am besten in der Nacht fotografieren. Dabei suche ich geeignete Plätze in der Nähe von Straßen auf und fotografiere aus Sicherheitsgründen nur vom Auto aus.

Wie entgeht man störenden Lichtquellen?

Um gute Bedingungen vorzufinden, muss man hoch hinaufsteigen bzw. sich von den bewohnten Gebieten mit hoher Lichtverschmutzung weit entfernen. Dabei ist natürlich vorsichtiges Bergsteigen zu beachten sowie geeignete, der Jahreszeit und den Wetterbedingungen angepasste Bekleidung und Ausrüstung unumgänglich; Grödeln oder Steigeisen können oft hilfreich sein. In der Nähe von hochgelegenen und einsamen Berghütten findet man häufig perfekte Bedingungen vor und

setzt sich dabei keiner Gefahr aus. Das Auskundschaften von geeigneten Standpunkten bei Tag reduziert das Risiko erheblich.

In der ersten Nachthälfte können Flugzeuge sehr störend wirken, nach Mitternacht sind kaum noch welche am Himmel.

Hinweisen möchte ich noch darauf, dass Tiere in der Nacht fotografieren nur soll, wer bestens über ihre Lebensweise und ihr Verhalten Bescheid weiß. Aber auch dann sollte man mit größter Vorsicht und Rücksicht vorgehen.

Was ist für dich der besondere Reiz der Nachtfotografie?

Es gibt verschiedene individuelle Möglichkeiten, zu sich selbst zu finden und sich wohl zu fühlen. Dem einen gelingt das durch Meditation, dem anderen auf Pilgerwegen oder beim Fernwandern – mir bei der Nachtfotografie. Auf einem hohen Berg in einem warmen Schlafsack zu liegen und stundenlang das Firmament zu beobachten, weckt in mir Glücksgefühle. Ich wage zu behaupten, wer das nicht mindestens einmal erlebt, versäumt im Leben etwas.

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