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Über fünf Türme musst du gehen

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Kultbuch/Impressum

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Am „SalbitschijenWestgrat“

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Daniel in der 12. Seillänge am 2. Turm

Der Salbit oder Salbitschijen ist ein 2.981 m hoher Berg in den Urner Alpen – über seinen Westgrat führt eine der ganz großen Gratklettereien in den Alpen. Dieser bietet ein Klettererlebnis der Extraklasse und traumhaft festen Granit. Hart sind auch die Fakten, die unmissverständlich aussagen, was die Kletterer hier erwartet: 12–16 Stunden Kletterzeit, 32–36 Seillängen, 1.000 m Kletterstrecke über fünf Türme und auf den Gipfel des Salbits. Angegebene Schwierigkeit: VII, A1 / VI.

In Erinnerung bleiben sein einzigartiger Charakter, die Kühnheit der Linie und die einmaligen Kletterpassagen.

Als ich vor einigen Jahren vom Südgrat aus erstmals den Westgrat sah, zweifelte ich noch, ob ich diese Route auf meine Tourenwunschliste setzen soll. Schon wenn man die Tourenbeschreibung liest, versteht man, dass man den 36 Seillängen, den etwa 1.000 Klettermetern, den fünf Abseilern, dem Pendelquergang, den anstrengenden Rissen und der exponierten, anspruchsvollen Gratkletterei mit Respekt begegnen muss.

Spontanes Abenteuer

Die Tour verläuft über eine wilde, zackige und messerscharfe Kante, überschreitet fünf Türme und führt hinauf bis zur fotogenen und berühmten Gipfelnadel des Salbits.

Nicht umsonst gehört die Begehung des Westgrates zu den beeindruckendsten langen Granittouren in den Alpen.

Als spontan eine Nachricht von Daniel kam, dass er kurzfristig einen Kletterpartner für den Salbit-Westgrat suchte, ließ ich mir diese Chance nicht entgehen. Sofort setzte ich alle Hebel in Bewegung, damit ich frei bekam und zusagen konnte.

Die Wetterprognosen verhießen Gutes und zeigten sich in diesem regenreichen Juni für zwei Tage mit einem stabilen Hoch. So fuhren wir am Montagnachmittag mit Egon und Florian in Richtung Schweiz und kamen am späten Abend in der Salbithütte an.

Neugierig suchten unsere Blicke den Salbit, der zu unserem Leid noch

vom dichten Nebel umhüllt war und unsere erste Vorfreude damit etwas dämpfte.

Beste Verhältnisse

Am nächsten Tag wurden wir mit Postkartenwetter überrascht: Die Sonne strahlte, der wolkenlos blaue Himmel über dem Salbit vervollständigte das fast schon kitschige Bild. Für uns gab

es kein Halten mehr, aber mein Bergsteigerherz war trotzdem etwas unruhig.

Die Nacht war kurz, aber schlafen konnten wir ja später. Wir beschlossen, um halb vier aufzustehen, um sechs konnten wir schon die ersten Klettermeter in Angriff nehmen, wenn auch mit gemischten Gefühlen und mit dem Gedanken, ob wir es in einem Tag auch schaffen würden; eventuell würden aber mit Steinen gesäumte Biwakplätze auch ein Übernachten ermöglichen.

Wenn auch die erste Seillänge, die schwierigste von allen, nicht ganz so locker lief, da der Fels noch kalt war, waren wir bis zum 2. Turm noch recht zügig unterwegs. Später gewannen wir eher langsam an Höhe, ständig ging es auf und ab und die Routenfindung war nicht immer einfach. Mal verlief die Route links und dann rechts der Kante

entlang, immer wieder sorgten Abseilerstrecken für Abwechslung und immer wieder waren anspruchsvolle Seillängen zu klettern.

Das Ambiente war grandios. Ein Meer aus kompaktem Granit und eine fantastische Gebirgswelt umgaben uns und ließen uns so manche Schinderei vergessen.

Mit den letzten Sonnenstrahlen erreichten wir endlich die Bohrhakenleiter, die durch eine Platte und zu einer noch luftigeren Gratkante zieht. Die letzten Seillängen hatten wir dann auch hinter uns und standen endlich müde und überglücklich am Gipfel. Klarerweise hatten wir noch Zeit für die üblichen Rituale am Gipfel und für das obligatorische Foto von der berühmten Gipfelnadel.

Letzte Sonnenstrahlen

Den Abstieg durch das mit Schnee gefüllte Couloir, das zur Hütte führt, mussten wir mit der Stirnlampe ausleuchten und Gott sei Dank hat uns der gute Hüttenwirt noch ein ausreichendes Abendessen aufbewahrt.

Es war für uns alle ein unvergesslicher Tag und ein großartiges Erlebnis. Für mich war es eine große Freude, dass ich mit den drei jungen HGlern mit am Seilende sein durfte.

Sonia Tammerle

Grandioser Ausblick am 5. Turm, das letzte Mal abseilen und noch 6 Seillängen bis zum Hauptgipfel

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