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Ein paar Worte über den Altheider Weihnachtsbrief (Henryk Grzybowski

Henryk Grzybowski Übersetzung: Katarzyna Ćmiel, Henryk Grzybowski

Als ich mich vor vielen Jahren, bezaubert von der Schönheit von Altheide, für die Geschichte dieser Ortschaft zu interessieren begann (über das immer größere Streben nach dem Kennenlernen der Geschichte meines Wohnortes schreibe ich an einer anderen Stelle), wurde für mich das Jahrbuch „Bad Altheider Weihnachtsbrief” zu einer Quelle vieler Entdeckungen und positiver Gefühle. Ich fand dort Antworten auf einige meiner Fragen: was war hier früher?, wer errichtete dieses Gebäude?, wer wohnte in diesem Haus?

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Neben der Publikation „Heimat Buch. Altheide Bad“ war das von Georg Wenzel herausgegebene Jahrbuch die Hauptinformationsquelle. So entstand die Idee, diesmal für den polnischen Leser, der die Geschichte der Region nicht kennt, das Buch Polanica Zdrój wczoraj i dziś (Polanica Zdrój gestern und heute) mit den dank dem Jahrbuch vervollständigten Informationen zu bearbeiten und zu veröffentlichen, denn seit der Herausgabe des Buches waren schon ein paar Dutzend Jahre vergangen. In das Buch wurden zahlreiche Beiträge aus dem Jahrbuch übernommen.

Als ich den „Altheider Weihnachtsbrief” las, reiste ich in der Zeit zurück, denn im Gegensatz zu den meisten Adressaten und Lesern befand ich mich in Polanica-Zdrój, das früher Heyde, Alt Heide, Altheide-Bad hieß. Als ich in dieser Zeit durch die bei den Lesern des Jahrbuches beliebte Ortschaft wanderte, spazierte ich durch die Bahnhofstraße, fuhr die Schwedeldorfer Straße oder die Höllenthalstraße entlang. Als ich am Kurhaus vorbeiging, sah ich in meiner Fantasie den spazierengehenden Georg Berlit mit dem Kommerzienrat Haase (wie auf der erhaltenen Fotografie). Bei der Post ertappte ich mich dabei, dass ich von oben herab in Richtung Bahnhof schaue und nach August Rasch (’s Raaschla), der mit dem Glatzer Landrat hier auf seinem Karren gefahren sein soll, Ausschau halte. Ich versuchte das Gasthaus Zimpel, die Leopoldshöhe oder das Kunsthaus Koppel zu lokalisieren. Im Wäldchen hinter der Skulptur des Eisbären fand ich Spuren der ersten Wandelhalle. Später konnte man noch dank der von Eberhard Scholz erarbeiteten Zusammenstellung prüfen, wo dieser und jener Autor oder Hauptperson der Erinnerungen wohnte.

In Polanica bin ich weder geboren noch aufgewachsen. Es war also die Zeit, als ich das gut beschriebene deutsche Altheide besser als das polnische Polanica kannte, die – die Welt ihrer Jugend – die Polen erst seit kurzem beschreiben. Ich kannte auch die im Jahrbuch beschriebenen Leute. In historischen Abhandlungen fand ich Informationen über historische Personen. Ich entdeckte auch, dass die Prinzen Joachim Albrecht und Friedrich Wilhelm Enkelkinder von Marianne von Oranien-Nassau aus Kamenz sind, und dass das Blockhaus in Nesselgrund das im Jahr 1791 errichtete Fort Friedrich ist. Georg Haase ist nicht nur der Brauerei- und Kurortbesitzer, sondern auch eine sehr interessante

Das Redaktionsteam des Altheider Weihnachtsbriefes vl: Henryk Grzybowski, Georg Wenzel, Eberhard Scholz anlässlich eines Grillabends in Rückers am 13.08.2012

Person, die ihrer Zeit voraus war und auf ihre Beschreibung wartete. Schließlich ging ich, der gestärkte und vom Jahrbuch gefütterte, frischgebackene und, ehrlich gesagt, von Polanica ziemlich übersättigte Regionalist einen Schritt weiter. Ich begann mich mit der Geschichte der Grafschaft und dann Schlesiens zu beschäftigen, um mit der Zeit mich zu entfalten und die Geschichte Preußens, später auch deutsche Geschichte und Kultur zu erforschen.

Es war jetzt für mich eine große Freude, in jeder Ausgabe des Jahrbuches meine Artikel zu sehen. Ich las Anerkennungsworte und aufmerksam die unvermeidliche Kritik. Georg Wenzel und Eberhard Scholz – die ich bewundere und achte für ihre Professionalität, ihren Einsatz, und ihre ungewöhnlich interessante Beiträge – wurden meine Freunde, die mich jetzt freundschaftlich zum Kreis der Redakteure zählen. Ein paar Jahre später wurde ich gebeten, weitere Ausgaben des Jahrbuches polnischen Einwohnern und Freunden von DFK zu liefern (seit einiger Zeit feiert die DFK Glatz, z.B. am Oktoberfest, immer in Polanica). Ich bin froh, dass ich meine Bausteine zu dem Jahrbuch beisteuern konnte.

Ein paar Mal bemerkte ich, dass sich die Thematik der Artikel wiederholt, als ob die Erinnerungen der ehemaligen Einwohner bei dem idealisierten Bild von Altheide ungefähr 1940 stehenblieben, aber ich verstand das.

Inzwischen befreundete ich mich mit dem Liebhaber der Geschichte von Rückers (auch des Glaserhandwerks, der Denkmäler des hl. Johannes Nepomuk und der Eisenbahn des Glatzer Landes) Marian Halemba. Wir tauschten miteinander Informationen und Sammlungen alter Fotografien. Ich hatte hier eine

gute Position, denn ich verfügte über die Sammlung von Eberhard Scholz. Ich bewunderte Marian Halemba, der unermüdlich alte Ausgaben der Glatzer Zeitschriften seit Ende des 19. Jahrhunderts, Zeitung für Zeitung, in vielen Bibliotheken fotografierte. Wir vereinbarten, dass er mir die Datei mit Aufnahmen von Notizen über Polanica übergibt. Sie können sich bestimmt kaum vorstellen, wie viel Arbeit es ihn kostete, die Aufnahmen durchzusehen und zu katalogisieren. Ich stellte ihn den Redakteuren des Jahrbuches vor. Die Aufnahmen der Zeitungsseiten gerieten jetzt in Eberhards Hände, der mühsam die kaum lesbaren, oft vergilbten Seiten las und fleißig den Text abtippte. Er rettete und bearbeitete Illustrationen. Das Ergebnis macht einen großartigen Eindruck. Das in drei Ausgaben des Jahrbuches in den Jahren 2013–2015 veröffentlichte Archiv des Altheider Pressespiegels zeigt das alltägliche Leben der Ortschaft und liefert neue Informationen als eine Ergänzung der Geschichte des Ortes. Es wartet auf seine Bearbeitung, auch auf die Übertragung ins Polnische.

Es ist schwer zu vermitteln, dass wir keine neuen Erinnerungen, durch Archivquellen ergänzt, über die Geschichte des deutschen Ortes Altheide lesen werden. Wäre es möglich, wie am Anfang vor 25 Jahren mindestens ein Dutzend Seiten zu veröffentlichen?

Bewahrte Erinnerungen

Dank dem Jahrbuch und der Sammlung Heimatbuch verschwinden die Namen der Hunderte von Einwohnern von Altheide nicht im Dunkel der Geschichte. Die Erbauer des jüngsten und modernsten deutschen Kurortes der Vorkriegszeit werden nicht vergessen. Auf den Straßen werden ehemalige Einwohner und auf den Alleen im Park vornehme Kurgäste flanieren. Seht Ihr es so wie ich? Schaut mal, der Kommerzienrat Haase blickt immer noch vom Hügel herab und sieht in seiner Fantasie den Kurpark, der Architekt Ernst, Schöpfer des Glatzer Jugendstils, baut die Kirche, das Kurhaus und die KristallglasHüttenwerke Wittwer, die Baumeister Büttner und Goebel errichten Gästehäuser, wobei auch das Sägewerk von Johann Koeppe hier seine Aufträge findet. Die Pietschmühle versorgt Altheide mit Mehl, Franz Scholz liefert Milch aus, der Schweizer Rüttimann beaufsichtigt die Molkerei und in der Freizeit spielt er Skat mit dem Fleischermeister Knobel und den Musikern: dem Komponisten Paul Lincke und dem Dirigenten Albin Eschrich. Der energische Direktor Georg Berlit sorgt sich um die Entwicklung des Kurortes und ermahnt mutig die Frau eines Parteiprominenten. Jetzt eilt er von Breslau herbei, um mit seinen Kameraden Skat zu spielen. Er ist Vorsitzender des Schlesischen Vereins der Kurorte. Es fährt ihn Karl Geisler, denn der Direktor spielt auch Skat mit dem Kapellmeister und Dr. Hirschberg, Badearzt, sowie dem Vorsitzenden des Vorstandes der Altheider Bank. Der Lehrer Lesk lobt die kleine Susi, die Tochter des Doktors. Prof. Schlecht empfängt schon den heute letzten herzkranken Patienten. Aus dem Musik-Pavillon lässt sich Musik vernehmen: es spielt gerade das ausgezeichnete Kurorchester von Albin Eschrich. Dasselbe Konzert hört

aus den Fenstern seiner Villa Dr. Klose. Magdalena Trapp achtet gerade darauf, dass der Bus mit dem Ausflug nach Wölfelsgrund abfährt und in der Freizeit fährt sie leidenschaftlich gern Auto.

In der Johannisnacht springt die Jugend über das Johannisfeuer. Der Pfarrer Taubitz eilt zur Messe. Er hört noch die Glockentöne. Sie klingen wirklich sehr kraftvoll. Die Kirche in Altheide übernahm er ohne Glocken. Mindestens diese, die mit so großer Hingabe der Gläubigen gespendet wurden, hinterlässt er. Der evangelische Pfarrer Gerhard Scholz besucht heute die Chorprobe.

Von dem Hügel in Neuheide beobachten zwei „Jenglan - der gruuße Jorgla (Wenzel) a poar Joahre speeter der klääne Jorgla (Pohl)“ - die Segelflugzeuge in Dürrkunzendorf und träumen vom Fliegen.

Rufin Klaus Koppel sieht sich voller Stolz seinen Entwurf an – die Bleikristall-Garnitur Venezia brachte dem Kristallglas-Hüttenwerk Wittwer in Altheide internationalen Erfolg. Es bleibt nicht viel Zeit, bald wird das Oratorium Die Schöpfung aufgeführt. Heute empfängt er im Kunsthaus Koppel Max Reimitz, Anton Born und andere Freunde von der „Kunstgruppe des Vereins für Glatzer Heimatkunde“. Und er will für seine Töchter noch Klavier spielen. Renate und Uta sollten von ihm die künstlerischen Talente erben.

Was ist los? Schaut mal, die Kirche hat wieder nur eine Glocke. Der evangelische Pfarrer, der eben Heimaturlaub hat, segnet seine Konfirmanden. Erna Tschöke befindet sich unter ihnen. Die Kurgäste werden wieder durch verletzte Soldaten ersetzt. Was ist jetzt zu sehen? Fremde Uniformen. Der Pater Weinbach sagt von der Kanzel die Worte des Evangeliums: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“. Die Gewalt kehrt auch nach Altheide zurück. Vergewaltigungen, Raubüberfälle. Georg Wenzel und Alfons Wittwer geraten in die Zimmerstraβe in Glatz. Der Junge Harald Watzek ist Fahrstuhlführer, Renate Koppel schreibt im Tagebuch und Ursula Bock unternimmt eine abenteuerliche Eskapade.

Schließlich eine Versammlung am Tyroler Hof (jetzt Hotel Europa) und Abmarsch nach Glatz. Der letzte Blick auf den Straßenstern, den Friedhof mit den Gräbern der Lieben und die Kirche auf dem Klosterberg, die Heimat.

Schaut mal, das seid Ihr – Treffen in Iserlohn, Schulkameraden, die nach Jahren sich wiedergefunden haben. Seht Ihr die Lichterprozession mit Kerzen, die zur Madonna in Telgte pilgernden Menschen? Ihr besucht die Glatzer Heimatstube. Erinnert Ihr Euch an Eure ersten und weiteren Besuche in Polanica? Erinnerungen, Nachdenklichkeit, manchmal Tränen.

All das, ausgesprochen, niedergeschrieben – dauert. Wie man sieht, bin ich ein Beispiel dafür. Denn ich las über all das in unserem Jahrbuch. Nach mir werden andere kommen.

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