* eine Initiative von: o T.O.P. - Berlin o redical [m] o Gruppe Gegenstrom o Fast Forward Hannover o E. L. A. o Autonome Antifa Witten o Autonome Antifa [F] o Antifaschistische Gruppe Braunschweig o ak Antifa Mannheim * unterstĂźtzt von: o Asta der Uni Frankfurt o DemoPunk e.V. o Fachschaft 03 der Uni-Frankfurt o Fachschaftskonferenz der Uni-Frankfurt o Fachschaftsrat der Uni Frankfurt o Rosa Luxemburg Forum V.i.S.d.P.: Mandy Schmitz, AdalbertstraĂ&#x;e 88, 60487 Frankfurt am Main
Vorbemerkung. „Ob du wirklich richtig stehst, siehst du, wenn das Licht angeht.“ (1, 2 oder 3, öffentlich-rechtliches Fernsehen, zeitlos) Nicht erst seit dem G8-Gipfel in Heiligendamm ist die Linke an der Frage einer grundlegenden Gesellschaftsanalyse und der daraus resultierenden Praxis gespalten. Die Lage scheint unübersichtlich, eine einfache Lösung ist nicht in Sicht. Bestehende Differenzen zwischen den unterschiedlichen Ansätzen liegen nicht zuletzt darin begründet, dass das grundsätzliche Ziel – die Überwindung des Kapitalismus – noch lange nichts über das Verständnis dieser Gesellschaftsformation aussagt. Dementsprechend kontrovers werden in den verschiedenen Spektren auch die Möglichkeiten für eine emanzipatorische Praxis gesehen. Sowohl die Bestimmung der politischen Subjekte als auch die Bezugnahme auf soziale Kämpfe sind Ergebnis einer Einschätzung gesellschaftlicher Strukturen, Prozesse, Kräfteverhältnisse und Perspektiven. Gerade an der Frage, wo mögliche Anknüpfungspunkte für emanzipatorische Politik gegeben und nötige Interventionen in gesellschaftlichen Konflikten geboten sind, gehen die Meinungen weit auseinander. Doch nur die längst überfällige und grundsätzliche Diskussion über Strategien und Konzepte kann die Grundlage dafür liefern, wie künftige Organisationsmöglichkeiten aussehen könnten. Im Zentrum dieser Auseinandersetzung steht für uns dabei selbstredend, wie eine theoretische Gesellschaftsanalyse die Verhältnisse angemessen beschreiben – und wie mit dieser Analyse die Überwindung des Kapitalismus in Angriff genommen werden kann. Der Kongress. „Wir müssen immer weiter durchbrechen.“ (Egoexpress, Hamburg, 2000) Im Dezember 2007 lädt das „… ums Ganze!“-Bündnis nach Frankfurt/Main ein, um am Beispiel von (Post)Operaismus und Wertkritik zu diskutieren, wie und wo der way out zu suchen ist. Der in Italien entstandene und sich in Ablehnung zu den auf die Eroberung des Staatsapparates setzenden ML-Parteikonzepten begreifende (Post)Operaismus gilt mit seinen praxisnahen Konzepten der Multitude, des spontanen Kommunismus und des gesellschaftlichen Arbeiters als eine der bedeutendsten Theorieströmungen und Grundlage interventionistischer Politikkonzepte. Indem er in den gesellschaftlichen Verhältnissen immanente Potentiale für Befreiung aufspürt und Gesellschaft grundsätzlich als umkämpft begreift, entwirft der (Post)Operaismus ein recht hoffnungsvolles Szenario für die Politik. Demgegenüber betont die wertkritische Position das Vorhandensein objektiver Gesetzmäßigkeiten: Der kapitalistischen Gesellschaftsformation liegen zunächst einmal die Prinzipien ihrer politischen Ökonomie zugrunde, die sowohl das Handeln der Institutionen als auch die Konstitution des Individuums maßgeblich bestimmen. Der Wert als abstrakte Herrschaft durchdringt jedwede menschliche Praxis; konkrete Kämpfe gegen bestimmte Ausbeutungsverhältnisse – wie sie der (Post)Operaismus fordert – verändern aus der Perspektive der Wertkritik lediglich Distributionsverhältnisse und sind weit davon entfernt, kapitalistische Vergesellschaftung aufzulösen. Als Veranstalter des Kongresses glauben wir, dass beide Theorieströmungen viel zu einer möglichen Bestimmung von Politik beitragen können und sich viele ihrer Ansätze einer
radikalen Staats- und Gesellschaftskritik nicht ausschließen. Wir wollen einen Diskurs ermöglichen, der sowohl die Dif ferenzen, als auch die Überschneidungen und prinzipiellen Übereinstimmungen verdeutlicht und damit eventuell neue Impulse für eine Definition von Praxis geben kann. Neben der nach wie vor ungeklärten Frage nach Möglichkeit und Unmöglichkeit eines richtigen Lebens in den falschen Verhältnissen stellt sich die Frage nach ihrer Überwindung. Die Fragestellungen. „Oder heißt immer auch Und.“ (unbekannter Raver, Berlin, 90er Jahre) Der Kongress soll dazu beitragen, mithilfe dieser unterschiedlichen theoretischen Ansätze eine Auseinandersetzung mit jenen Themenfeldern und Begriffen voranzutreiben, die für eine Bestimmung politischer, sozialer, ökonomischer und struktureller Prozesse im Kapitalismus unumgänglich sind. Hierbei wird es immer um die verschiedenen Ansätze der Analyse gehen, aus denen die unterschiedlichen Einschätzungen über Rolle, Funktion und emanzipatorisches Potential von Begriffen wie Arbeit, Staat, Klasse, Recht und Geschlecht resultieren. Der Kongress soll den Raum für eine Diskussion darüber liefern, wie die vorgefundenen Verhältnisse bestimmt werden können und wo sich konkrete Möglichkeiten der Intervention ergeben bzw. ergeben könnten. Der Aufbau. „Wie ein kommunistisches Projekt zur Überwindung der kapitalistischen Verhältnisse aussehen könnte, wie eine radikale Kritik zu denken ist, das kann auf dem Kongress wohl nicht letztendlich bestimmt, aber zumindest in die Diskussion gebracht werden.“ (Kritik & Praxis Berlin zum Kommunismuskongress, 2003) Der Kongress ist auf drei Tage angelegt und gliedert sich wie folgt: Am Freitag Tag sollen die unterschiedlichen Ansätze vorgestellt und ihre theorie- und geistesgeschichtlichen Hintergründe und Implikationen beleuchtet werden. Am Samstag sollen auf Podiumsdiskussionen Vertreter verschiedener Strömungen (die längst nicht nur mit Wertkritik und Postoperaismus abgedeckt sind) grundsätzliche Kategorien der Gesellschaftsanalyse mitund gegeneinander diskutiert werden. Am letzten Tag wird vormittags durch einzelne Referate, inhaltliche Schwerpunkte und spezifische Fragestellungen das Angebot gemacht, genauere Einblicke in die verschiedenen Theorieströmungen zu bekommen; zum Kongressabschluss sollen dann auf mehreren Podien die verschiedenen Ansätze und möglichen Ergebnisse zurück auf die Politik der radikalen Linken bezogen werden, um einen möglichen way out zu bestimmen.
Freitag, 7. Dezember 2007 16.30 Uhr
„Einführung: Kritik der politischen Ökonomie“ mit Nadja Rakowitz (Express) Die Kritik der politischen Ökonomie von Karl Marx ist in einem Kritik ökonomischer – verkehrter – Vorstellungen in Theorie und Alltag und Kritik kapitalistischer Gesellschaft in der Perspektive auf Aufhebung derselben. Sie beansprucht undogmatisch zu sein und ist deshalb weder bloß immanent oder skeptisch, noch normativ und knüpft damit sowohl kritisch an die Politische Ökonomie, also an Adam Smith und David Ricardo, als auch an den deutschen Idealismus, also an Hegel und Kant an. Die Kritik der politischen Ökonomie bleibt – anders als der „falsche Bruder“ des Kommunismus: die Utopie Proudhons
18.30 Uhr
„Einführung: (Post-)Operaismus“ mit Robert Foltin (Grundrisse) Im Gegensatz zu den kritischen KritikerInnen sind der Operaismus und der Postoperaismus mit den Klassenkämpfen und den sozialen Bewegungen verbunden. Es sind nicht die inneren Widersprüche, die den Kapitalismus vorantreiben, sondern die Kämpfe und Auseinandersetzungen: Maschinen werden gegen die ArbeiterInnen eingesetzt, wenn und weil sie hohe Löhne erkämpft haben. Sah der Operaismus nur die ArbeiterInnenklasse, so analysiert der Postoperaismus die ganze Gesellschaft als produktiv. Als Schwerpunkte sollen Konzepte dargestellt werden, die mit dem alltäglichen Leben und den aktuellen Kämpfen zu tun haben, also weniger die Souveränitäts- und Herrschaftsformen (etwa des Empire). Reelle Subsumption des Lebens unter das Kapital: Immer weitere Bereiche des Lebens werden durch den Kapitalismus organisiert, durch das Verschwimmen zwischen Lohnarbeit und Nichtlohnarbeit erfolgt die Vergesellschaftung immer weniger nur in der Fabrik, sondern die ganze Gesellschaft wird kapitalistisch organisiert (womit der Begriff „bürgerliche Gesellschaft“ überflüssig wird, weil es keinen Unterschied mehr zwischen „Basis und „Überbau“ gibt). Eine revolutionäre
20.30 Uhr
– negativ. Alle Kategorien, alle „objektiven Gedankenformen“ werden einer Kritik unterzogen, so auch der Begriff des Werts. Daraus ergeben sich weit reichende politische Implikationen, die bloßen Umverteilungsvorstellungen eine radikale Absage erteilen. Zugleich aber wird dem Objektivismus (nicht nur) der bürgerlichen Wissenschaft ein Absage erteilt, indem die Kategorien als soziale Verhältnisse diskutiert werden. Das „Kapital“ als „automatisches Subjekt“ wird kritisiert und die Frage nach dem gesellschaftlichen Subjekt gestellt.
Entwicklung kann nur in der und gegen die kapitalistische Organisation stattfinden, die allerdings alle Lebensbereiche durchzieht. Konzepte der Multitude (überschneiden und ergänzen sich): Multitude ist: (1) die Vielfalt und Unterschiedlichkeit, die sich nicht unter eine vereinheitlichende Repräsentation bringen lässt, (2) das alltägliche Leben, die Kommunikation und die Beziehungen, darum auch nicht per se emanzipatorisch (Beispiele: Rassismus, Sexismus), (3) ein Klassenkonzept, sie bildet sich in Kämpfen und zwar nicht nur in den Klassenkämpfen der ArbeiterInnenklasse, sondern in der Vielzahl der Bewegungen um Produktion, Reproduktion, Wissen, Kultur, Sexualität, Körper etc. (4) spätestens mit den Bewegungen 1968 und danach wird sie wieder geschichtsmächtig, historisch wurde sie von Volk und Nationalstaat überformt, unsichtbar gemacht, (5) die Bewegung der Bewegungen, nicht mehr dominiert von Vereinheitlichung, sondern durch die Unterschiedlichkeiten der Positionen und Aktionsformen.
„Einführung: Wertkritik“ mit Norbert Trenkle (Redaktion krisis) Die gesellschaftliche Vermittlung über Wert und Arbeit bildet den allgemeinen Bezugsrahmen aller gesellschaftlichen Beziehungen in der Warengesellschaft und konstituiert deren Basisformen (Rechtsform, Subjektform, Denkform, Staat, Politik etc.). Zugleich definiert sie aber auch die Grenzlinien des kapitalistischen Universums, also die Kriterien für Inklusion und Exklusion. Denn die Totalität von Arbeit und Wert und die mit ihre gesetzte „Rationalität“ beruht immer schon auf der Konstruktion eines „nicht-vernünftigen Anderen“, das
außerhalb von ihr angesiedelt ist und unterworfen werden soll. Wertkritik bedeutet daher nicht nur Kritik der kapitalistischen Ver wertungslogik und ihrer destruktiven, selbstläufigen Dynamik, sondern auch der in ihr angelegten (rassistischen und sexistischen) Ausschlüsse. Zugleich ist sie notwendig Krisentheorie. Denn die inneren Selbstwidersprüche der kapitalistischen Vermittlung sind letztlich unhaltbar und untergraben zwangsläufig die Grundlagen und Voraussetzungen ihres Funktionierens.
Beitrag von Norbert Trenkle zum Podium: Die Krise der Arbeit ist eine Krise der gesellschaftlichen Vermittlung Das Ende des Fordismus und der Produktivkraftschub der dritten industriellen Revolution markieren den Beginn eines kapitalistischen Krisenprozesses neuer Qualität. Es handelt sich nicht bloß um einen zyklischen Einbruch oder um den krisenhaften Übergang zu einem neuen „Akkumulationsmodell“. Vielmehr untergräbt die absolute Verdrängung lebendiger Arbeitskraft aus den Kernsektoren der Weltmarktproduktion die Basis der
Kapitalverwertung selbst. Sichtbarste Zeichen dafür sind einerseits die extreme ökonomische und soziale Marginalisierung von wachsenden Teilen der Weltbevölkerung (Ausschluss der „Überflüssigen“) und andererseits die gigantische Aufblähung des Finanzüberbaus („Fiktives Kapital“ als Krisenaufschub und Krisenverschärfung). Diese Krise ist aber nicht nur eine der Ver wer tung, sondern vor allem auch eine der gesellschaftlichen Ver mittlung: Die Arbeit kann die gesellschaftliche Synthesis nicht länger garantieren. Die dadurch freigesetzten Tendenzen der negativen Entgesellschaftung setzen ungeheure Destruktivkräfte frei.
Freitag, 7. Dezember 2007 Antonio Negri „Eine Revolte, die niemals endet“ Ein Dokumentarfilm von Alexandra Weltz und Andreas Pichler gebrueder beetz filmproduktion 2004, 52 Min. Kaum ein europäischer Intellektueller hat so viel Bewunderung und Hass hervorgerufen, so viel Zuspruch und Ablehnung in sich vereint, wie der heute über 70 Jahre alte Antonio Negri. Er war Professor für Philosophie, Militanter, Gefangener, Flüchtling, Exilant und Staatsfeind Italiens und ist heute neben Arundhati Roy, Naomi Klein und Noam Chomsky einer der Vordenker der Anti-Globalisierungsbewegung. Der Film erzählt sowohl die Geschichte der Utopie von 1968, die in Italien 10 Jahre dauerte, als auch von der Entstehung einer neuen globalen Protestbewegung zur Jahr tausendwende.
22.30 Uhr
In beiden historischen Momenten spielen Negris Schriften, Ideen und Aktionen gleichermaßen eine entscheidende Rolle. Er formuliert einen fundamentalen Einspruch gegen die kapitalistische Weltordnung und ist damit auf der heutigen politischen Bühne gleichermaßen präsent wie in den 70er Jahren. Auf der Suche nach biografischen, theoretischen und historischen Entscheidungspunkten porträtiert der Film das außergewöhnliche Leben Negris zwischen Philosophie und Revolte anhand von Archivmaterial und in Begegnungen mit Freunden, Weggefährten und Kritikern.
Samstag, 8. Dezember 2007 Workshop: „Transnationalisierung von sozialen kämpfen und Fragen der Demokratie“ 10.00 bis mit Jens Wissel (Uni Frankfurt) und John Kannankulam (Uni Frankfurt) 11.30 Uhr Die Transnationalisierung der kapitalistischen Verhältnisse, wie sie seit der Krise der siebziger Jahre massiv vorangetrieben wurde, hat nicht nur klassenspezifische Veränderungen auf nationaler und transnationaler Ebene mit sich gebracht, sondern auch die Frage der politisch-sozialen Kämpfe neu auf die Agenda gesetzt. Hierbei stellt sich insbesondere die Frage der räumlichen Bezugseben dieser Prozesse und Kämpfe, und
darüber hinaus, welche Auswirkungen diese Transnationalisierungsprozesse auf die nationalstaatliche verfasste bürgerliche Demokratie haben. Genauer betrachtet geht es darum herauszuarbeiten, wie die dabei feststellbaren repressiv-autoritativen staatliche Veränderungen derzeit diskutiert werden und wie eine emanzipative Kritik und Perspektive dabei aussehen könnte.
Workshop: „Sexuell konotiert: Show me how you work, fucking capitalism” Fachbereich 03 Uni Frankfurt AG Arbeit und Geschlechterverhältnisse im Postfordismus Dass Arbeit geschlechtsspezifisch zugeteilt verrichtet und hierarchisiert wird , ist ein mittlerweile klassisch gewordener Gegenstand feministischer Kritik. Neuere feministische Ansätze machen zudem darauf aufmerksam, wie durch die jeweils vorherrschende Arbeitsteilung eine je spezifische Form der Zweigeschlechtlichkeit überhaupt erst produziert wird. Angesichts sich verändernder ökonomischer und gesellschaftlicher Bedingungen – insb. die massive Kommodifizierung „reproduktiver“ Tätigkeiten, das Brüchigwerden des Normala rbeitsverhältnisse, Anrufungen von als weiblich konnotierten „soft skills“ als Basisqualifikation jeglicher Beschäftigung
etc., stellt sich die Frage nach der postfordistischen Reartikulation von Arbeit und Geschlechterverhältnissen. Aus verschiedenen feministischen Perspektiven – natürlich mit besonderer Berücksichtigung der theoretischen Inputs der Wertkritik (Wertabspaltungstheorem) und des Postoperaismus (biopolitische Produktion) – wollen wir uns diese Fragen stellen und dabei gleichzeitig die Brauchbarkeit der einzelnen theoretischen Ansätze überprüfen. Selbstredend lassen wir uns dabei von der Frage leiten, welche emanzipatorischen Perspektiven gegenwärtig sichtbar sind, die auf ein Leben jenseits von ökonomischen und biopolitischen Zwängen und Hierarchisierungen deuten.
10.00 bis 11.30 Uhr
Samstag, 8. Dezember 2007 12.00 Uhr
14.30 Uhr
Podium: „Zum Begriff der Arbeit” mit Ernst Lohoff (Krisis) und Thomas Atzert (sofo/Untersuchungsgruppe Rhein-Main) In dieser Veranstaltung soll ein Begriff geklärt werden, der wohl für die Gesellschaftskritik schlechthin zentral ist – der Begriff der Arbeit. Allerdings wird die Arbeit aus unterschiedlicher Richtung bestimmt. Ernst Lohoff, u.a. Redakteur und Autor der Zeitschrift Krisis, wird eine Kritik der Arbeit aus wertkritischer Perspektive vornehmen, Thomas Atzert dagegen, Redakteur der Subtropen und u.a. Übersetzer von Empire, eine Kritik der Arbeit aus der Sicht des (Post-)Operaismus. Obwohl aus
beiden Perspektiven eine Kritik an der Arbeit und keine Kritik im Namen der Arbeit ansteht, wie im traditionellen Marxismus, knüpfen beide in der Kritik an der Arbeit an die Marxsche Ökonomiekritik an. Allerdings in unterschiedlicher Weise. Um jene Gemeinsamkeiten in der Kritik an der Arbeit und um diese Unterschiede in der konkreten Bestimmung dieser Kritik wird sich die Veranstaltung drehen.
Beitrag von Thomas Atzert zum Podium : Immaterielle Arbeit ¿Cuál es tu huelga? [Was ist dein Streik?] Precarias a la Deriva Arbeit ist immer materiell. Das ist so. Eine radikale Kritik der Arbeit kann sich damit kaum zufrieden geben. Ihr geht es nicht um die Feststellung des Bestehenden, sondern um seine Veränderung, darum, mit dem, was und wie‘s ist, zu brechen. Was Arbeit anbelangt, hieße eine solche emanzipatorische Perspektive vor allem Befreiung der Nicht-Arbeit. Wenn wir also von immaterieller Arbeit sprechen, so deshalb, um einen wesentlichen Aspekt der Veränderungen, die kapitalistische Gesellschaften seit den 1970er Jahren durchlaufen, nicht aus den Augen zu verlieren: Sprache, Kommunikation, Wissen und Affekte sind entscheidende Elemente gesellschaftlicher Produktion und Reproduktion heute. Diese Veränderungen lassen sich ich unter einer doppelten sozialhistorischen Perspektive diskutieren: Der
Begriff der immateriellen Arbeit verweist erstens auf das Problem der Neuzusammensetzung der gesellschaftlichen Arbeit in der Gegenwart. Nicht einzelne Verrichtungen sind als »immateriell« zu identifizieren, vielmehr wäre zu fragen, wie Arbeitsteilung und Kooperation insgesamt durch eine Dominanz sprachlichen, kommunikativen, kognitiven und affektiven Handelns bestimmt sind. Die Perspektive der Neuzusammensetzung ist dabei keine technische, sondern orientiert sich an den Dynamiken sozialer Kämpfe und Konflikte gegen Ausbeutung, Herrschaft und Unterwerfung. Das führt unmittelbar zum zweiten Aspekt, nämlich zu der Frage, was Ausbeutung und – vor allem – was Widerstand gegen Ausbeutung heute heißt. In dieser Perspektive auf Neuzusammensetzung, Ausbeutung und Widerstand soll im Workshop die Auseinandersetzung gesucht werden, auf der Suche nach dem Gemeinsamen und möglichen zukünftigen Linien des Konflikts.
Beitrag zum Podium von Ernst Lohoff: Arbeit ist kapitalistische Tätigkeitsform Noch immer geheimnissen Linke in die Arbeit eine emanzipative Potenz hinein, so etwa Hardt/Negri, mit ihrer „neuen Ontologie der Arbeit“. An die Stelle der unmittelbaren Arbeit im Produktionsprozess ist bei ihnen zwar die „immaterielle Arbeit“ getreten, doch der positive Bezug bleibt erhalten. Fundamentale Kapitalismuskritik erkennt dagegen in Kapital und Arbeit
zwei Seiten des gleichen gesellschaftlichen Abstraktionsund Zurichtungsprozesses. Die Arbeit ist eine historischspezifische Form der Tätigkeit und damit zugleich das zentrale Vermittlungsprinzip des Kapitalismus. Also solches ist sie konstitutiv für den destruktiven Selbstlauf der Verwertung ebenso wie für den Ausschluss aller nicht warenproduzierenden Tätigkeiten aus dem Universum der gesellschaftlichen Anerkennung und die damit verbundene Geschlechterhierarchie.
Podium: „Zum Begriff der Krise” mit Michael Heinrich (Prokla) und Norbert Trenkle (Krisis)
Samstag, 8. Dezember 2007 Podium: „Immaterielle Arbeit und Ware Wissen” mit Stefan Meretz (Wege aus dem Kapitalismus) und Frieder Otto-Wolf (FU Berlin) Der Begriff der „immateriellen Arbeit“ nimmt im Post-Operaismus eine zentrale Stellung ein. Motiviert durch die zunächst soziologische Diagnose, wonach die kapitalistische Arbeitswelt durch den Übergang vom Fordismus zum Postfordismus eine tiefgreifende Transformation durchläuft, betreiben post-operaistische Theoretiker (Negri, Hardt, Lazzarato, Virno) mit diesem Begriff eine Neuinterpretation von Marx’ Kritik der politischen Ökonomie, die sich vornehmlich auf die Marxschen Grundrisse (1857/8) stützt. In Empire (2000) fordern Negri/Hardt nicht weniger als eine „neue Ontologie der Arbeit“ sowie eine „neue, politische Werttheorie“, die sich auf Wissen, Kommunikation und Sprache – eben auf immaterielle Arbeit – gründet. Auch andere zentrale Begriffe des Post-Operaismus wie General Intellect, Multitude und Massenintellektualität kreisen um den Begriff der immateriellen Arbeit, von dessen Entwicklung zudem eine „neue Theorie der Subjektivität“ erwartet wird. Im Begriff der immateriellen Arbeit liegt das post-operaistische Versprechen begründet, dass die Produkte und Praktiken der immateriellen Arbeit bereits kollektive Praxis und positive Gemeinschaft sind. Im Postfordismus liege danach bereits ein auf Wissen, Kommunikation und Kooperation gegründeter ‚Kommunismus des Kapitals’ vor. Dieses Gemeinschaftliche werde vom Kapitalismus erst nachträglich enteignet, indem er die eigentlich schon gemeinschaftlich produzierten immateriellen Arbeiten in die privatwirtschaftliche Form des Eigentums zurückzieht. Diese post-operaistische Aufwertung des Begriffs der immateriellen Arbeit geht allerdings einher mit der Abkehr von einer anderen Marxschen Begrifflichkeit: der abstrakten Arbeit. Zugespitzt ließe sich sogar feststellen, dass im Post-Operaismus die immaterielle die abstrakte Arbeit als entscheidende Kategorie der Marxschen Kapitaltheorie ablöst. Die immaterielle Arbeit mit ihrem Anspruch einer neuen Theorie der Subjektivität steht damit jenseits vom Begriff der abstrakten Arbeit, der im weitesten Sinne gerade auf eine subjektlose, jedenfalls bewusstlos-blinde Konstitution von gesellschaftlicher Objektivität abstellt. Wir – die Gruppe Zlatan Orek – möchten diskutieren, warum gerade die Thematisierung und Kritik der so genannten immateriellen Arbeiten, also auch des Wissens, von marxistischem Interesse sind. Welche Ideen von Gemeinschaften bzw. einer kommunistischen Utopie jenseits kapitalistischer Verhältnisse erschließt sich aus diesen Behauptungen? Und was legitimiert die Annahme, dass die immaterielle Arbeit oder das Wissen so Beitrag von Stefan Meretz zum Podium: „Immaterielle Arbeit und Ware Wissen“ Die Verbindungslinien zweier zunächst disjunkter Themen sind zu rekonstruieren. Immaterielle Arbeit ist eine solche, die „Dienstleistungen, kulturelle Produkte, Wissen oder Kommunikation produziert“ (Hardt/Negri: Empire, S. 302). Ökonomietheoretisch ist mit diesem Begriff jedoch nicht viel gewonnen. Mit ihm kann weder geklärt werden, ob der Kapitalismus auf Grundlage immaterieller Arbeit in der Lage ist, sich als System der „Verwertung von Wert“ (Marx) zu reproduzieren, noch ob es gelingen kann, ihn als System zu transzendieren. Um die Rolle von immaterieller Arbeit im Verwertungsprozess zu begreifen, ist der Begriff der produktiven/unproduktiven Arbeit geeigneter. Er fasst die Rolle von Arbeit im erweiterten Reproduktionszyklus
etwas wie der Virus im Kapital sei? Und schließlich verstehen wir den Post-Operaismus gerade in seiner Aufwertung der immateriellen Arbeit als dringenden Anlass, noch einmal zurück zu Marx und seiner Bestimmung der abstrakten Arbeit zu gehen. Frieder Otto Wolf wendet sich gegen die fixe Idee, Marx auf eine frühere Stufe seines Forschungsprozesses zurück zu schrauben, also die Grundrisse gegen das Kapital auszuspielen, wie dies z.B. von Negri und Virno mit der Betonung des „General Intellect“ getan wird. Außerdem regt er an, den Begriff der Materialität weniger platt zu denken, als ‚dass es raucht und stinkt‘ - etwa auch philologische Arbeit oder Beziehungsarbeit hat ihre Materialität ist also nicht einfach ‚immateriell‘. Er vermutet aber auch, dass in der wissenschaftlichen und künstlerischen Arbeit ein Moment der ‚allgemeinen Arbeit‘ enthalten ist, das in seiner besonderen Materialität bzw. Stofflichkeit über die Grenzen der privaten Arbeit als gesellschaftlicher Form der Arbeit unter der Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise hinausdrängt – ohne sie aber deswegen als solche bereits aufzuheben. Produktionsgeheimnis und Patent sind kapitalistische Formen, um allegemeine Artbeit zu ermöglichen, vergleichbar der Aktiengesellschaft, die Marx als kapitalistische Form von Vergesellschaftung analysiert hat. Die spezifische Konstellation des neuen Typus von wissenschaftlichem Wissen, das derart an den Grenzen der kapitalistischen Produktionsweise neue Formen hervortreibt, schlägt er hypothetisch vor, mit dem Konzept der ‚fraktalen Bio-Informatik‘ zu erschließen. Schließlich sollte auch zwischen dem historischen Begriff das Kapitals als ein Klassenverhältnis und einer in der Ökonomie verbreiteten ahistorischen Konzeption von Kapital als zu investierender Geld- oder Ressourcenvorrat unterschieden werden. Stefan Meretz schlägt vor, das Verhältnis von materieller und immaterieller Arbeit zu wenden und als Verhältnis von produktiver und unproduktiver Arbeit sowie allgemeiner und privater Arbeit zu diskutieren. Am Beispiel der Produktion von Informationsund Wissensgütern zeigt er, dass Universalgüter durch allgemeine Arbeit entstehen, die genuin kapitalunproduktiv ist. Dies gilt auch dann, wenn Universalgüter durch Formen künstlicher Verknappung in Bezahlgüter transformiert werden. Demgegenüber repräsentiert die Produktionsweise Freier Software und Kulturgüter die adäquatere soziale Form, die im Kern auf eine Gesellschaft jenseits von Ware, Geld, Markt und Staat verweist.
des Kapitals, den Marx auf die Formel G-W-G‘ brachte. Ist Arbeit konstitutiver Beitrag zum G‘, so ist sie produktiv; ist sie Abzug davon, so ist sie unproduktiv. Ein genauerer Blick in den Bereich der Produktion von Informations- und Wissensgütern hilft, diesem Verhältnis näher zu kommen. Hierbei zeigt sich, dass ein weiteres Begriffspaar den analytischen Zugang erschließt, nämlich allgemeine und private Arbeit. Kapitalismus kann auch als sich bewegender Widerspruch von Arbeit in privater Form, die sich als allgemeine Arbeit bewähren muss, gefasst werden. Als Allgemeines und damit Gesellschaftliches bewährt sich Privatarbeit nur, wenn sie sich als Wertding im Tausch realisieren kann. Die gesellschaftliche Vermittlung über den Wert gelingt jedoch nur unter Absehung jeder Besonderheit,
16.30 Uhr
Samstag, 8. Dezember 2007 gelingt nur als Abstrakt-Allgemeines. Diese Abstraktion ist kein Denkvorgang, sondern Ergebnis eines Handlungsvollzugs, ist Realabstraktion. Entsprechend ist „abstrakte Arbeit“ nicht auf der sinnlich-konkreten Ebene angesiedelt, ist in diesem Sinne nichts, was an-sich existieren würde, sondern „abstrakte Arbeit“ ist die realabstraktive Widerspiegelung des gesellschaftlichen Verhältnisses des Werts in der Arbeit: Es zählt nur, was Arbeitszeit in einer Ware inkarniert auf dem Markt erlöst werden kann -- ob in Form von Landminen oder Babybrei ist unerheblich. Mit Informations- und Wissensgütern tritt nun eine neue Klasse von Gütern auf, die Universalgüter genannt werden können. Ihre Besonderheit ist es, dass sie durch allgemeine, genauer: konkret-allgemeine Arbeit entstehen. Konkretallgemeine Arbeit kann jedoch gerade nicht mehr das leisten, was die Wertabstraktion leistet: Die Reduktion der Verausgabung menschlicher Lebensenergie auf ein unterschiedloses Maß. Anders ausgedrückt: Konkret-allgemeine Arbeit kann im Unterschied zu abstrakt-allgemeiner Arbeit keinen Wert bilden, denn sie repräsentiert bereits „ohne Umweg“ Allgemeines. Sie besitzt also bereits die gesellschaftliche Geltung, die Privatarbeit
erst über die Wertabstraktion erzwingen muss. Sie ist unmittelbar gesellschaftliche Arbeit und damit vergleichbar der Wissenschaft genuin wertunproduktiv. Konkret-allgemeine Arbeit ist widersprüchlich in die dominante fetischistische Konstitution von Gesellschaftlichkeit über „Arbeit“ eingebunden, und gleichzeitig überschreitet sie diese Einbindung. Dies wird an den möglichen Formen deutlich, in denen sich dieser Widerspruch ausdrücken kann. Als privatisiertes Universalgut erhält etwa proprietäre Software eine warenförmige Hülle, zumeist unterstützt durch Rechtsform und Kopierschutz. Das genuin unknappe Universalgut wird künstlich verknappt, um zum Bezahlgut mutieren zu können. Ein privatisiertes Universalgut ist Ergebnis privatisierter konkret-allgemeiner Arbeit. Freie Software andererseits emanzipiert sich von der privaten Form und Restriktion, sie ist als freies universelles Gut Ergebnis konkret-allgemeiner Arbeit und besitzt sui generis gesellschaftliche Geltung. Freie Software ist die Universalgütern angemessene Produktionsweise. Sie verweist mithin auf eine Vergesellschaftungsform jenseits von Ware, Geld, Markt und Staat. Das macht ihrem Keimform-Charakter aus.
Podium: „Der Staat – dein Freund?” Staat, Recht und Politik im globalen Kapitalismus 18.30 Uhr mit Sonja Buckel (Uni Frankfurt/Flensburg), Thomas Seibert (Fantomas Redaktion), Peter Decker (Gegenstandpunkt) und Thomas Gehrig (Marx-Gesellschaft) „Das Recht als Synonym der offiziellen Staatlichkeit und das Recht als Parole des revolutionären Kampfes: hier liegt das Feld für endlose Kontroversen und für die unmöglichsten Verwirrung.” (E. Paschukanis)
Zu Beantwortung der linksradikalen Gretchenfrage, „Wie hältst du es mit dem Staat?“, ist also die Frage danach, was diese „öffentliche Gewalt“ nun eigentlich ausmacht, notwendig.
Egal ob Forderungen nach „globalen soziale Rechten“ während der G8-Proteste diesen Sommer an der Ostsee oder die Frage nach dem Umgang mit der Linkspartei – an Staat und Recht scheint die Linke hierzulande nicht vorbei zukommen. Dabei ist der Streit zwischen denen, die den Staat und seine Attribute wie Recht und Politik als ein lohnendes „Kampffeld“ und als „materielle Verdichtung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse“ (Poulantzas) denken und jenen, die ihn primär als die „politische Form der warenproduzierenden Gesellschaft“ (Paschukanis) und „Zwangsverband“ (Agnoli) verstehen wollen, fast so alt wie der bürgerliche Staat selbst. Die Diskussion basiert nicht zuletzt darauf, dass der Souverän als „ideeller Gesamtkapitalist“ zwar einerseits offenbar die Funktion wahrnimmt die kapitalistische Geschäftsgrundlage aufrecht zu erhalten, sich jedoch seine Aktivitäten und deren Effekte anderseits eben nicht darin erschöpfen. Beispiel Recht: Die „Gleichheit vor dem Gesetz“ ist die Bedingung dafür, dass die meisten Menschen ihre Arbeitskraft zum Verkauf anbieten müssen. Gleichzeitig scheint sie jedoch auch einen „grundrechtlichen Mehrwert“ für jeden einzelnen (Staats-)Bürger abzuwerfen.
Um auf diesem weiten Feld nicht gleich verloren zu gehen, sollen in der Veranstaltung zumindest drei Aspekte etwas genauer in den Blick genommen werden. 1. „Jenseits von Henne und Ei...“ Wie lässt sich das Verhältnis von Staat und Politik auf der einen und Ökonomie auf der anderen Seite fassen? Warum existiert der Staat überhaupt als besondere Form gesellschaftlicher Verhältnisse? Welche Rolle spielt dabei das Recht? Und ist der Staat eigentlich ein Mann oder eher geschlechtslos? 2.) „Keine Politik ist nicht unmöglich?!“ Gibt es eine (relative) Autonomie des Staates? Und warum tut er was er tut? Was also ist Politik - „kollektiver Streit“ (Antiherrschaftliche Initiative) oder die bloße Fortsetzung des Marktes mit anderen Mitteln? 3.) „Was tun?“ Wie ist vor diesem Hintergrund die in letzter Zeit viel beschworene neoliberale Transformation zum „ nationalen Wettbewerbsstaat“ (Hirsch) zu bewerten? Welche Auswirkungen hat das auf linksradikale Bewegungen? Und was könnte all das für eine emanzipatorische Perspektive bedeuten? Wie sind Ansätze wie das „bedingungslose Grundeinkommen“ und „globale soziale Rechte“ zu bewerten?
Beitrag von Sonja Buckel zum Podium: Jenseits von Rechtsfetischismus und Rechtsnihilismus: Rechtsform und Hegemonie Die globale Rechtsordnung des Empire ist Hardt & Negri zufolge eine des permanenten Ausnahmezustandes: die regulative Ordnung des „Netzwerks des Kommandos“. Wie viele marxistische Versuche über das Recht in der Vergangenheit blenden die Empire-Autoren ein wesentliches Kennzeichen kapitalistischen Rechts aus: seine Eigenlogik und relationale Auto-
nomie, die seine unmittelbare Instrumentalisierung selbst durch mächtige gesellschaftliche Kräfte verunmöglicht. Politische Ökonomie kann nicht bedeuten, alle gesellschaftlichen Verhältnisse nur auf ein Prinzip (die Warenproduktion, die Klassenverhältnisse, die immaterielle Produktion etc.) zurück zu führen. In einem zunächst formanalytischen Zugang soll demgegenüber in einer Fortentwicklung von Eugen Paschukanis’ Idee der „Rechtsform“ diese relationale Autonomie konzipiert werden. Sie lässt sich dann mit einer Verdinglichung gesellschaftlicher Verhältnisse
Samstag, 8. Dezember 2007 Zusammendenken. Um jedoch nicht lediglich eine linke Variante der Systemtheorie zu produzieren, in der es nur noch anonyme Prozesse und keine sozialen Kämpfe, Interessen und Strategien mehr gibt, wird zum Zweiten ein hegemonietheoretischer Zugang gewählt, der Kämpfe und soziale Formen zusammen denkt: mit den Worten von Nicos Poulantzas’: als materielle Verdichtung eines gesellschaftlichen Verhältnisse. Die politische Bezugnahme auf das Recht kann in dieser Perspektive dann weder in einem naiven Rechtsfetischismus noch in seiner bloßen Ablehnung (als idealistische „Verschleierung“ realer Machtverhältnisse) bestehen, sondern in einer politischen Analyse sowohl der strategischen Selektivität des Rechts als auch der aktuellen
Kräfteverhältnisse. An diesem Punkt bieten sich wiederum Überschneidungen mit postoperaistischen Strategien, etwa im Kampf um globale soziale Rechte, an. Gerade angesichts des Umstandes, dass die Rechtsform trotz ihres Verblendungszusammenhang es ein Privileg der (lange Zeit männlichen) Bürger_innen des globalen Nordens ist, während etwa die Migrant_innen in den biopolitischen Lagern Libyens, Ceutas oder des Frankfurter Flughafens trotz der universalen Geltung der Menschenrechtung aus der Rechtssubjektivität faktisch exkludiert sind, muss die Frage nach einer Einforderungen von Rechten und global citizenship von links gestellt werden.
Beitrag von Peter Decker zum Podium: Thesen zu Staat, Recht, Politik Alle Betätigung der Freiheit ist eine Frage des Dürfens. Konflikte, die Leute in diesem Land austragen, Interessen, die sie verfolgen, stehen unter dem Vorbehalt einer Erlaubnis durch die Obrigkeit. Ob Lokführer streiken, G8-Kritiker demonstrieren, Unternehmer Teile ihrer Belegschaft entlassen oder Löhne kürzen, sogar ob Raucher rauchen – alles ist eine Frage des Rechts. Nicht ob einer den andren schädigt, ist die Frage, sondern ob er ein Recht dazu hat. Handlungen, die in Übereinstimmung mit den Setzungen der Staatsmacht sind, also rechtlich in Ordnung gehen, genießen den Schutz der öffentlichen Gewalt gegen andere Bürger, deren Interessen davon beschädigt werden. Handlungen aber, die keine rechtliche Erlaubnis vorweisen können, gelten – gleichgültig, ob sie außer dem Recht noch wen oder was verletzen – als Angriff auf die Autorität des Staates und werden mit Gewalt unterbunden, unterdrückt, bestraft. Das ganze Zusammenleben der Menschen - man hat sich so sehr daran gewöhnt, dass man es gar nicht mehr bemerkt – wird bestimmt von den Verordnungen der politischen Herrschaft und geregelt durch Gewalt. Warum das so ist – und für welchen Zweck das so sein muss, kann in kurzen Thesen nicht erklärt, aber vielleicht skizziert werden.
sie dann mit ihrem Recht schützt. So erfährt neben und lange nach den besitzenden Klassen die Klasse der Lohnarbeiter die öffentliche Anerkennung, dass auch sie Privateigentümer sind, deren Eigentum öffentlichen Schutz verdient – auch wenn sie nichts besitzen als sich selbst. Sie bekommen Arbeiter-Rechte gewährt, in denen anerkannt ist, dass auch ihr Dienst an der nationalen Wirtschaft von gewissen Existenzbedingungen abhängt, die nach Möglichkeit gewährleistet werden sollen.
1. Der moderne Staat ist die politische Gewalt der kapitalistischen Gesellschaft. Er antwortet nicht auf einen vom Himmel gefallenen Kapitalismus, schlägt sich nicht herum mit der Regulation anarchischer Marktverhältnisse, für die er nichts kann, sondern und zu allererst verordnet er in seinem Machtbereich die kapitalistische Wirtschaftsweise. Das geschieht durch den Erlass weniger Grundrechte. Mit dem Recht auf die „freie Entfaltung der Persönlichkeit“ und dem materiellen Inhalt dieser Freiheit, dem „Schutz des Privateigentums“, sowie der „Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz“ ist die Welt eigensüchtiger Privateigentümer geschaffen, deren jeder sein Wohl auf Kosten anderer sucht und durch die erpresserische Ausnutzung von deren Angewiesenheit auf das, was nur ihm gehört, verwirklicht: Der Konkurrenzkampf ist als allgemeine Verkehrsform der Bürger politisch geschaffen. Von diesem Kampf aller gegen alle macht die Rechtsordnung das Leben der Gesellschaft und jedes einzelnen abhängig und zwingt alle, sich ihm zu stellen. 2. Die politische Herrschaft belässt es nicht bei einem abstrakten Ordnungsrahmen, sondern greift in die verordnete Konkurrenz beständig ein. Mit immer neuen Gesetzen regelt sie das Handeln der Bürger bis ins Kleinste, um die ruinösen und selbstzerstörerischen Folgen des wechselseitigen Ausnutzens und Schädigens – nicht zu verhindern, - sondern für das Große Ganze und in letzter Instanz für sich selbst funktional zu machen. Sie präzisiert die Erlaubnisse für die Schädigung der Privatinteressen untereinander und zieht ihr Grenzen, schafft und formt so die sozialen Charaktere, die
3. Freilich beschränkt sich der kapitalistische Staat nicht darauf, den neutralen Schutzherrn der von ihm geschaffenen sozialen Klassen zu spielen und die Rechte zu schützen, die er ihnen verleiht. Er ist Parteigänger des Erfolgs der kapitalistischen Reichtumsproduktion, von der er alle Lebensbedingungen im Land einschließlich seiner eigenen finanziellen Basis (Steueraufkommen) abhängig gemacht hat. Daher will der Staat das Wachstum des Kapitals und den weltwirtschaftlichen Konkurrenzerfolg seines nationalen Standorts. Für beides sorgt er in der Wirtschaftspolitik, indem er die ganze Gesellschaft als Standortbedingung (Infrastruktur, Ausbildung, Forschung, preisgünstige Sozialsysteme etc.) herrichtet und für das Wachstum des Kapitals in Dienst nimmt. In diesem Sinn ist er der „ideelle Gesamtkapitalist“. 4. Staatliche Beschlüsse werden gefasst in Form von Gesetzen. Das Recht ist das Kommandomittel der Herrschaft und funktioniert auch ohne Demokratie. Politik aber wird in Demokratien gemacht, wo gewählte Volksvertreter um die Gesetzgebung streiten, d.h. darum, mit welchen Zwangsverordnungen die Bürger der verschiedenen Klassen zur Beförderung des kapitalistischen Nationalerfolgs am Besten hindirigiert werden. Die Staatsmacht erlaubt diesen Streit nur unter der Bedingung, dass alle Klassen ihre Abhängigkeit vom Wachstum des Kapitals als die Voraussetzung ihrer Privatinteressen, also den Vorrang dieser Voraussetzung vor ihren Interessen anerkannt haben. Andernfalls funktioniert der kapitalistische Staat als Diktatur. Im so definierten Gemeinwohl versucht dann jeder der prinzipiell berechtigten Stände seine besonderen Anliegen als fürs Ganze nützlich und nötig unterzubringen – logischerweise mit sehr unterschiedlichem Erfolg: Die Unternehmer können mit Recht darauf verweisen, dass von ihrem Erfolg alles im Land abhängt, das Gemeinwohl also mit ihrem Privatinteresse im Wesentlichen in eins fällt. Die Arbeiter dagegen müssen immer stören und das Gemeinwohl beschädigen, wenn sie daran erinnern wollen, dass auch ihre Fähigkeit und Bereitschaft, ihren Dienst zu tun, gewisse Bedingungen und einen Preis haben. Wenn freie, nur dem Großen Ganzen verpflichtete Volksvertreter die diversen Anliegen prüfen und im Ergebnis genau so viel Arbeits-, Mutter- und Umweltschutz beschließen, wie der nationale Kapitalismus braucht, damit es mit ihm weitergeht, und wie er sich leisten kann, ohne dass
Samstag, 8. Dezember 2007 Wachstum und Konkurrenzfähigkeit Schaden nehmen, dann haben die Anliegen des weniger wichtigen Teils des Volkes ihren systemgemäßen Platz gefunden. 5. Der „Kampf um Rechte“ ist der in der Demokratie vorgesehene Umgang mit unbefriedigten oder verletzten Interessen. Basisbewegungen, Gewerkschaften, Parteien tragen ihre Anliegen – bittend, fordernd oder über ihre Lobby – an den Gesetzgeber, den großen Gewährer, heran und beantragen, er möge sie zu Rechten erheben, d.h. ihren Anliegen endlich die Gewalt des Staates gegen die Interessen anderer Konkurrenzbürger leihen. Wer vom Staat Rechte fordert, hält ihn grundsätzlich für seinen Beschützer – einen säumigen vielleicht, der sein Ohr falschen Beratern und der falschen Lobby geliehen hat, – aber doch für eine Macht, die zu Wohltaten gegenüber denen berufen ist, die unter ihrem Regime eigentümlicher Weise immer zu den Schwachen gehören. Wer Schutzrechte fordert, hat zweitens nichts einzuwenden gegen den Konkurrenzkampf, der durch das Recht in Gang gesetzt wird und die Ergebnisse hervorbringt, gegen die man wieder neue Rechte braucht. Noch nicht einmal gegen diese Konkurrenzresultate selbst – Reiche, Arme und ganz Arme - wendet sich, wer etwa ein Recht auf Arbeit, auf Grundeinkommen, auf Mindestlohn fordert. So jemand verlangt nur, dass die Verarmung Grenzen kennen und eine allgemeine Minimalexistenz gewährleistet sein sollte. Wer Rechte fordert, glaubt drittens, dass das Geforderte zum allgemeinen Staatsprogramm passt und ein Plätzchen in ihm finden kann. Das kann richtig sein. Wer gar nichts anderes will, als das existente Staatsprogramm um Felder zu ergänzen, die langfristig im Interesse des Staates und des Erfolgs seiner
Ordnung sind, der liegt ganz richtig, wenn er den Gesetzgeber auf Versäumnisse aufmerksam macht und ihn davor warnt, dass es sich rächen werde, wenn er auf dies oder das nicht Acht gibt. Es wirft zwar ein Licht auf die Prioritäten des ideellen Gesamtkapitalisten, dass ihm sogar die Rücksicht auf natürliche und soziale Existenzbedingungen seiner eigenen Ausbeutungsordnung erst durch Streiks und Demonstrationen abgerungen werden musste. Recht bekommen haben die Forderungen der Umwelt- und Arbeiterbewegung (Acht-Stunden-Tag, Arbeitslosenversicherung, Lohnfortzahlung, Atomausstieg etc.) aber nur und nur so weit, wie sie der Gesetzgeber als Voraussetzungen für den langfristigen Erfolg des nationalen Kapitalismus anerkannt hat. 6. Wer dagegen andere Ziele hat, soll besser nicht mit der Forderung nach Rechten an den Staat herantreten. Wer nicht ein Existenzminimum für die Armen anstrebt, sondern die Beseitigung der Armut; wer nicht eine bessere Behandlung der Arbeitslosen zu erreichen sucht, sondern die Beseitigung der Absurdität, dass Menschen ins Elend stürzen, weil die Gesellschaft ihre Mitarbeit gar nicht mehr braucht; wer nicht nur den menschlichen „Kostenfaktor Arbeit“ besser stellen, sondern seine Rolle als leidiger Kostenfaktor des eigentlichen Wirtschaftszwecks abschaffen will – der tut gut daran, sich von der Illusion einer Vereinbarkeit seiner Ziele mit der existenten Staatsräson zu verabschieden. Er muss wissen und anderen gegenüber deutlich machen, dass seine Sache nur zum Tragen kommt, wenn das gültige Staatsprogramm gekippt und die politische Macht, die es mit ihrer Gewalt in der Gesellschaft durchsetzt, gebrochen wird. Er wird von ihr keine Rechte gewährt bekommen wollen.
Beitrag von Thomas Gehrig zum Podium: Von der Kritik der Religion zur Kritik des Rechts … Das soziale BürgerInnenrecht, man verlangt von der kapitalistischen Gesellschaft, es zu realisieren, sie kann das nur innerhalb ihrer Existenzbedingungen. Soll aber die Forderung sozialer BürgerInnenrechte indirekt die Forderung der Umwälzung der kapitalistischen Gesellschaft einschließen, so geht es um mehr als politische Teilhabe, um mehr als politische Machteroberung oder deren modernes Pendant: ‚hegemoniale Definitionsmacht‘, und um mehr als staatliche Sozialpolitik, und sei sie auch menschenrechtlich begründet. Wenn es darum geht, nach Wegen zu einer Politik des Sozialen zu suchen, die an Bedürfnissen nach Selbstbestimmung, Erfahrungen und Erkenntnissen der Einzelnen sowie am gesellschaftspolitischen Ziel sozialer Menschenrechte ansetzt, müsste also zunächst einmal nach den
Grenzen einer solchen Fragestellung bzw. eines solchen Konzepts gefragt werden. Der Anspruch der Marxschen Kritik ist es, von der Kritik der Religion zur Kritik des Rechts, von der Kritik der Theologie in die Kritik der Politik überzugehen. Die politische Seele einer Revolution besteht in der Tendenz der politisch einflusslosen Klassen, ihre Isolierung vom Staatswesen und von der Herrschaft aufzuheben. Ihr Standpunkt ist der des Staats, eines abstrakten Ganzen, das nur durch die Trennung vom wirklichen Leben besteht, das undenkbar ist ohne den organisierten Gegensatz zwischen der allgemeinen Idee und der individuellen Existenz des Menschen. Eine Revolution von politischer Seele organisiert daher auch, der beschränkten und zwiespältigen Natur dieser Seele gemäß, einen herrschenden Kreis in der Gesellschaft – auf Kosten der Gesellschaft.
Beitrag von Thomas Seibert zum Podium: Plattform der Initiative für Globale Soziale Rechte
der Globalisierung des Kapitals, der Märkte und der Waren mit einer Globalisierung der Sozialen Rechte zu begegnen.
Der bloße Verweis auf die Globalisierung genügt nicht mehr, um neoliberale Reformen als alternativlos darzustellen und durchzusetzen. Die herrschende Politik und ihre Medien entdecken ihr „soziales Gewissen“ und wollen Globalisierung endlich auch „sozial gestalten“. Das ist auch den Protesten von Seattle, Genua und Heiligendamm zu verdanken. Doch noch ist die Opposition zersplittert, beschränken sich soziale Bewegungen, Gewerkschaften und NGOs zu sehr auf den eigenen Bereich und das eigene Klientel. (…) Dabei zieht sich durch von einander scheinbar unabhängige, jedenfalls getrennt ausgetragene Auseinandersetzungen ein roter Faden, der sie untergründig miteinander verbindet und vielleicht das Potenzial eines gemeinsamen Projektes birgt: Geht es doch in ganz verschiedenen Initiativen nicht nur auf den ersten Blick darum,
1. So diskutieren entwicklungspolitische NGOs die Forderung nach einem universellen Mindesteinkommen, mit dem sich jeder Mensch am Ort seines Lebens täglich drei Mahlzeiten kaufen kann. Sie schlagen damit eine heute schon mögliche Lösung für den augenfälligsten Skandal des Globalisierungsprozesses vor, den Skandal, dass in einer Welt, die Nahrungsmittel nachweislich im Überfluss produziert, fast eine Milliarde Menschen vom Hungertod bedroht sind. Indem diese NGOs ein solches universelles Mindesteinkommen in der Form einer jedem Menschen zustehenden Zahlung einfordern, artikulieren sie einen Globalen Sozialen Rechtsanspruch auf eine (…) weltgesellschaftliche Garantie des individuellen Überlebens aller. Derselbe Anspruch wird auch mit anderen Forderungen wie der nach einem rechtlich garantierten weltweit gleichen und freien
Samstag, 8. Dezember 2007 Zugang aller zu Gesundheit erhoben. In der Konfrontation mit einem besonderen Problem entwerfen sie derart das Bild einer möglichen Welt, die im Verhältnis zur heute bestehenden nicht nur für die unmittelbar Betroffenen eine ganz andere Welt wäre. 2. Unter den Bedingungen einer strukturellen Massenarbeitslosigkeit und der beständigen Erpressung durch transnational operierende Konzerne sehen sich heute noch national organisierte Gewerkschaften zunehmend genötigt, ihr betriebliches und politisches Handeln auf internationaler und globaler Ebene abzustimmen. (…) Indem sie die sozialen Rechte der Lohnabhängigen als zuletzt nur noch global durchzusetzende soziale Rechte artikulieren, tragen sie aus ihrer Perspektive zu einem umfassenden Prozess der Globalisierung der Sozialen Rechte aller bei. 3. Globale Soziale Rechte setzt aber auch der Anspruch der MigrantInnen auf weltweite Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit auf die Tagesordnung. Das stellt nicht nur Grenzen und soziale Hierarchien, sondern sämtliche nationalstaatlichprotektionistischen und noch die auf den europäischen Raum erweiterten Politikkonzeptionen in Frage. Die Widersprüche unter den Lohnabhängigen spitzen sich im Verhältnis zum Rechtsanspruch der MigrantInnen noch einmal zu. Das ist kein Zufall, weil sich die Ambivalenzen des Globalisierungsprozesses in der Figur der MigrantIn und den Strategien der selektiven Einund Ausgrenzung verdichtet, der sie unterworfen werden soll (…). 4. Die Komplexität eines Projektes für Globale Soziale Rechte scheint sich nochmals zu vervielfachen, sobald die unumgänglichen ökologischen Fragen einbezogen werden. Was bedeutet Globale Ökologische Gerechtigkeit, wenn die klassischen Industrieländer die historische Schuld (nicht nur) für den Klimawandel tragen, einige Schwellenländer mittlerweile an der Schraube mitdrehen und vor allem die armen Länder von den Konsequenzen betroffen sind? (…) 5. Soll das Potenzial der unterschiedlichen Initiativen für eine Globalisierung Sozialer Rechte wirklich freigesetzt werden, kann es nicht um das freihändige Erstellen eines Katalogs der Wünschbarkeiten gehen, sondern nur um einen offenen Austausch über die inneren Widersprüche der AkteurInnen einer solchen „Globalisierung von unten“. Es ginge dann, um mit der Ökologie zu beginnen, um die Frage, wie Entwicklung und Wachstum aus unterschiedlichen Blickwinkeln definiert und zu den ökologischen Grenzen ins Verhältnis gesetzt werden können. Zur Disposition gestellt wird dann ein Lebensstil, der aus ökologischer Verantwortung nicht globalisierbar ist, obwohl global nach ihm gestrebt wird. Um ein Beispiel zu geben: das
Recht auf globale Mobilität lässt sich über die Vervielfachung der dominanten Verkehrsformen (vom Auto bis zum Flugzeug) auch dann nur um den Preis einer ökologischen Katastrophe umsetzen, wenn weitere technologische Fortschritte unterstellt werden. Sollen Individualverkehr und Reisen aber nicht das Privileg einer begüterten Minderheit bleiben, scheint eine Lösung nur im Verzicht zu liegen, der faktisch von den globalen Mittelklassen, also von uns zu leisten wäre. Oder suchen und setzen wir auf „die ganze Bäckerei“, auf gänzlich neue Verhältnisse, in denen wir das gute Leben mit einem global verträglichen Ressourcenund Energieverbrauch neu erfinden können und müssen? „WinWin“-Situationen stellen sich jedenfalls selten automatisch her. Im Gegenteil: Die vorherrschende Standortlogik setzt auf Konkurrenz und gegenseitiges Ausspielen zugunsten höherer Ausbeutungsraten(…). 6. Soll der Widerstand gegen diese Spaltungen nicht nur auf die abstrakte Einsicht gegründet werden, dass alle ArbeiterInnen und Angestellte trotz der sie trennenden Status-, Landesbzw. Staatsgrenzen Glieder der Verwertungskette ein und desselben transnational operierenden Kapitals sind, muss in der alltäglichen Gewerkschaftsarbeit erfahrbar werden, dass es nicht die migrantischen, nicht die Leih- und Zeitarbeiter und nicht die Erwerbslosen sind, die für das Vorliegen solcher Arbeitsverhältnisse und deren Effekte auf dem weiteren Arbeitsmarkt verantwortlich sind. Deshalb kommt den inner- wie außergewerkschaftlichen Ansätzen große Bedeutung zu, in denen sich Menschen mit und ohne Erwerbsarbeit oder ArbeiterInnen mit und ohne Papiere jeweils gemeinsam für ihre Rechte organisieren. Dass einerseits Flucht und Migration zu einem wachsenden Anteil mit ökologischen Verwüstungen im globalen Süden zusammenhängen und dass andererseits eine gerechte Verteilung der Ressourcen vielen Menschen im Süden ein „Recht zu bleiben“ ermöglichen würde, deutet dann auf weitere Verknüpfungen und potenzielle Gemeinsamkeiten vermeintlich partikularer Interessen hin (…). 7. Die Diskussion über die unterschiedlichen Eigenlogiken der Handlungsfelder von AktivistInnen sozialer Bewegungen, MitarbeiterInnen von NGOs und GewerkschafterInnen ist ein erster Schritt, um gemeinsame Interessen und unter ihnen das besondere Interesse an einer gemeinsamen Politik Globaler Sozialer Rechte zu definieren. Für einen solchen Anfang im Prozess der „Bewegung der Bewegungen“ ist viel gewonnen, wenn verständlich wird, dass und wie es allen Beteiligten bei allen Unterschieden und Widersprüchen um die unabweisliche Notwendigkeit geht, soziale Rechte nicht mehr nur in nationalen Grenzen, sondern in weltweiter Geltung zu erstreiten. Weltweit, sofern sie zuletzt überall, und weltweit, sofern sie dann in jedem einzelnen Land für alle gelten werden.
Samstag, 8. Dezember 2007 20.30 Uhr
Podium: „Klasse/Klassenkampf/soziale Kämpfe/Multitude” mit Gerhard Hanloser (Soziologe, Autor), Sven Ellmers (Rote Ruhr Uni Bochum) und Robert Foltin (Grundrisse)
In den letzten 150 Jahren der Geschichte der radikalen Linken gab und gibt es die Analyse – wenn auch heute nicht mehr von allen geteilt – es existiere ein revolutionäres Subjekt, das aufgrund seiner objektiven Funktion in der kapitalistischen Vergesellschaftung früher oder später zur subjektiven Einsicht in die Notwendigkeit der Überwindung des Kapitalismus kommen muss. Eine Klasse also ihr klassenspezifisches Interesse verfolge und damit das allgemeine Interesse der gesamten Menschheit ausdrückt – den Kommunismus. Spätestens seit dem Kommunistischen Mannifest von Marx und Engels gilt es bei vielen Linken als Banalität, dass die Klasse des Proletariats sich von einer Klasse an sich in eine Klasse für sich verwandelt, damit ihr Klasseninteresse erkennt und also die Revolution in die Wege leitet. In den letzten 150 Jahren gab es aber neben einigen Siegen der Arbeiterklasse vor allem auch verheerende Niederlagen. Und mehr als einmal war es eben diese Arbeiterklasse, die ihr eigenes Klasseninteresse „verriet“, bzw. sich mit den gesellschaftlichen Verhältnissen gemein machte. Der mit wehenden Fahnen begangene Anschluss der deutschen Arbeiterklasse an das deutsche Barbareikollektiv im Nationalsozialismus, ist da nur das krassestes Beispiel. Nach dem zweiten Weltkrieg – um genauer zu sein in der Zeit von 1968 bis 1977 – flammten weltweit vereinzelt soziale Kämpfe noch mal auf, die in Teilbereichen wie z.B. dem „Kampf gegen die Arbeit“ ein großes emanzipatorischen Potenzial zu haben schienen. Die soziologische Reflexion dieser Kämpfe führte in Italien zur Theorie des Operaismus. In der Tradition dieser Theorieströmung steht Gerhard Hanloser, der zahlreiche Bücher veröffentlichte und längere Zeit für die Zeitschrift Wildcat schrieb. Er verweißt darauf, dass ein Antikapitalismus, der nicht mehr von Klasse redet reaktionär bzw. verkürzt sei, da ein Antikapitalismus ohne Klasse letztendlich nur Idealistische Philosophie betreibe. Hier ist zu fragen: Wieso ist der Klassenkampf der Schlüssel zum Kommunismus? Und wie könnte die Linke in diesen intervenieren? Andere Teile der Linken gehen seit den 80er Jahren der Frage nach, wieso sich das eigentlich „revolutionäre“ Subjekt so oft mit den Interessen des Kapitals gemein macht. Sei es, weil dieses mit seinen integrierbaren Forderungen im Reformismus dahin vegetiert, oder im schlimmeren Fall reaktionär wird. Die Kritik an der positiven Sicht auf das revolutionäre Subjekt
brachte die so genannt Wertkritik hervor, diese gab den Kampf um die Klasse auf, aufgrund der Analyse, dass der Klassenkampf sich nur um die Verteilung dessen, was mit der kapitalistischen Ausbeutung gewonnen wird, dreht, aber niemals den Kapitalismus als Ganzes ins Visier nimmt. Sven Ellmers, von der Roten Ruhr Uni vertritt diese Wertkritik und zeigt auf, dass der Klassenbegriff bei Marx sich selbst immer wieder verschoben hat. Während im kommunistischen Manifest das Proletariat der Motor der Geschichte war („Die Geschichte ist eine Geschichte von Klassenkämpfen“) sind es im Kapital die zentralen Basiskategorien: Wert, Tausch, Fetisch usw. Daran schließen sich die Fragen an: Hat sich der Klassenbegriff tatsächlich verschoben? Warum sprengten Klassenkämpfe doch teilweise den Rahmen des Bestehenden? Warum könnten diese Kämpfe das Wertgesetzt nicht sprengen? Und gibt es überhaupt Möglichkeiten ohne Klassenkampf zum Kommunismus zu kommen? Während also die Operaisten einen grundsätzlich positiven Klassenbegriff vertreten, und die Wertkritiker dagegen auf die objektiven Gesetzmäßigkeiten des Wertgesetzes und damit die Integrierbarkeit des Klasseninteresses verweisen, sehen die Postoperaisten in der postulierten Veränderung des Kapitalismus die Möglichkeit des neuen revolutionären Subjekts – der politischen Multitude. Durch die veränderten Produktionsverhältnisse, bzw. der steigenden Bedeutung der immateriellen Arbeit, sei dieses neue, nichteinheitliche Subjekt entstanden. Dieses existiere als ausdifferenziertes Netzwerk, die Bewegung der Bewegungen, die in der politischen Praxis entsteht. Die Kämpfe fänden jetzt nicht mehr in der Fabrik statt, sondern in der ganzen Gesellschaft, weil überall und immer Wissen und damit immaterielle Güter produziert werden. Lässt sich die Analyse eines neuen revolutionären Subjekts halten oder ist es nur alter Wein in neuen Schläuchen? Steht die Multitude tatsächlich dem Kapitalismus gegenüber oder wird sie nicht doch eher integriert? Wo/wie und vor allen Dingen mit welcher Kritik finden denn die Kämpfe überhaupt statt? Ist die Theorie eines veränderten Kapitalismus überhaupt zu halten? Um es auf den Punkt zu bringen: Bei dieser Veranstaltung geht es um nichts Geringres als die Frage: Gibt es ein Subjekt, dass den „Way out“ wählen könnte? Und: Wie könnte es aussehen – oder wie sieht es zumindest ganz bestimmt nicht aus?
Beitrag von Gerhard Hanloser zum Podium: Ich werde auf dem Podium zu „Klasse/Klassenkampf/Multitude“ begründen, warum der Klassenbegriff wichtig ist, wenn es in Theorie und Praxis „ums Ganze“ geht. Antikapitalismus ohne Klassenbegriff läuft Gefahr, entweder reaktionär oder zu bloßer nicht mehr die Verhältnisse sprengende - Kulturkritik zu werden. Vor diesem Hintergrund scheint es kritikwürdig, dass die Wertkritik ohne Klassenbegriff auszukommen meint. Gleichzeitig kommt aber auch dem Multitude-Begriff der Post-Operaisten keine sprengende Kraft zu.
In den Kämpfen um und nach 1968, die andere Bereiche der Vergesellschaftung als die über die Lohnarbeit betrafen (Reproduktion, Wissen, Kultur, Sexualität, Körper), bildeten sich „Subjekte“ mit vielfältigen Identitäten heraus. Auch diese Bewegungen, etwa der Schwulen und Lesben, wurden in die herrschenden Strukturen integriert, entweder über staatliche Anerkennung oder über Kommerzialisierung, die Anerkennung als KonsumentInnen. Das Produktivwerden für das Kapital bedeutet nicht, dass es nicht weiter zu Brüchen und Widerständigkeiten kommt. Das Konzept der Multitude ist ein Versuch, im gemeinsamen Handeln wieder ein revolutionäres Projekt zu entwickeln. Die Krise der repräsentierenden traditionellen Linken ist dabei nicht nur von Nachteil, sondern macht den Weg frei für kommunizierende und kooperierende Aktionsformen, die keine Vereinheitlichung in staatsorientierten Organisationen mehr suchen.
Beitrag von Robert Foltin zum Podium: Multitude als Klassenkonzept Das „revolutionäre Subjekt“ ArbeiterInnenklasse entstand in den Kämpfen des Proletariats, und wurde über die Organisationen der ArbeiterInnenbewegung in den Kapitalismus integriert.
Sonntag, 9. Dezember 2007 Workshop: „Wertkritik ohne Wertbegriff? Anmerkungen zum Marxismus-Mystizismus” 10.00 bis 11.30 Uhr mit Ingo Elbe (Rote Ruhr Uni) Auch wenn wertkritische Positionen zu Recht gegen den Postoperaismus geltend machen, Marx’ ‚Kapital’ sei keine soziologistische Klassentheorie ‚voraussetzungsloser, an sich seiender Konfliktsubjekte’, sondern eine qualitative Theorie moderner Reichtumsformen, bleibt der Begriff von diesen Reichtumsformen doch auch in wertkritischen Ansätzen meist unklar oder wird gar in einer mystizistisch-theologischen Weise konzipiert. Wert, Geld und Kapital werden nach dem Vorbild des christlichen Gottes oder seiner modifizierten Hegelschen Variante vorgestellt, das ganze dann als ‚Aufklärungs-‚ ‚Positivismus-’ oder gar ‚Theoriekritik’ verkauft. Als sei Religionskritik die Konstatierung und moralische Ablehnung eines real existierenden personalen Gottes, wird Kapitalkritik als Konstatierung und moralische Ablehnung eines real existierenden logischen Widerspruchs verstanden, demzufolge „4=5“, „ein Ding zugleich und in derselben Hinsicht Nicht-Ding“ sei usf. Dies ist nicht nur Resultat einer spezifisch deutschen Vorliebe für die „mysteriöse Komposition von Gegensätzen“ (Feuerbach), sondern auch einer Konfusion hinsichtlich der Abstraktionsebenen der Darstellung im ‚Kapital’ (Stichwort: Wert als vermeintliches ‚Gedankending’) und einer Verwischung der Differenz von Formanalyse und Ideologiekritik (Stichwort: Wert als vermeintliche ‚verrückte Form’).
Das, was Marx an bürgerlicher Geschichtsphilosophie und Politökonomie kritisiert, wird von diesen marxistischen ‚Theologen’ für dessen eigene Position ausgegeben, Marx in einen pseudotiefsinnigen deutschen Ideologen verwandelt und dem Irrationalismus Tür und Tor geöffnet. Dagegen soll gezeigt werden, dass Marx’ werttheoretische Grundbegriffe mit dem „credo quia absurdum est“ marxistischer Theologie nichts zu tun haben und eine wissenschaftliche Analyse der Formen des gesellschaftlichen Reichtums keineswegs einer Rationalisierung ihres Gegenstands gleichkommt. Ingo Elbe hat zur neuen Marx-Lektüre in der Bundesrepublik promoviert und ist Mitglied des Arbeitskreises rote ruhr-uni (www.rote-ruhr-uni.com). Zuletzt veröffentlicht: „Holloways ‚Open Marxism’. Formanalyse als Handlungstheorie und Revolutionsromantik“. In: Z, Sept. 2006; „Zwischen Marx, Marxismus und Marxismen. Lesarten der Marxschen Theorie“. In: Hoff/ Petrioli/ Stützle/ Wolf (Hg.), Das Kapital neu lesen, Münster 2006 sowie „Warenform, Medienform, Denkform. Die fatale Aktualität Feuerbachs“. In: Beiträge zur Marx-EngelsForschung NF 2006.
Workshop: „Kritik und Politik” Antiherrschaftliche Initiative
10.00 bis 11.30 Uhr
Workshop: „Which way out im Zeitalter der Prekarisierung?” Ernst Lohoff (Redaktion krisis)
10.00 bis 11.30 Uhr
In seiner Einschätzung der Wertkritik ist sich der linke Volksmund weitgehend einig: Kapitalismusanalytisch mag der Ansatz manch interessante Einsicht liefern, für einen Bezug auf die realen gesellschaftlichen Konflikte sei die Kritik der warengesellschaftlichen Basisformen jedoch viel zu esoterisch; emanzipatorische Praxis setze die Rückbesinnung auf den Klassenkampf voraus. Jedoch: das Gegenteil ist richtig. NeoKlassenkonstrukte wie die „Multitude“ taugen nur zur reli-
giösen Erbauung. Sie sind metaphysisch und esoterisch im schlechtesten Sinne des Wortes. Erst die kategoriale Infragestellung von Arbeit, Warenproduktion und Politik ermöglicht eine emanzipative Konfliktformulierung, die den Bedingungen eines von Deklassierung, Prekarisierung und repressiver Entgesellschaftung gekennzeichneten globalen Krisenkapitalismus gerecht wird.
Sonntag, 9. Dezember 2007 Podium: „Neue Imperialismustheorien/Globalisierung/Empire“ mit Jens Wissel (Uni Frankfurt), Michael Heinrich (Prokla) 12.30 Uhr und Peter Decker (Gegenstandpunkt) In der Veranstaltung zum Thema „Neue Imperialismustheorien/Globalisierung/Empire“ soll zunächst eine kurze Übersicht über die Geschichte des Begriffes, seine theoretischen Voraussetzungen, seine allgemeine Bedeutung und Tragfähigkeit gegeben werden. Wie wäre Imperialismus, jenseits von Ökonomismus zu fassen und wie verhält sich ein solches Imperialismusverständnis zum Konzept eines transnationalen Empire? Kann Imperialismus weiterhin als primär nationale Konkurrenz mächtiger Staaten gedacht werden oder gibt es derartige Veränderungen im Staatensystem, dass der Begriff differenzierter gefasst werden muss? Oder können die aktuellen Entwicklungen vielleicht überhaupt nicht mit dem theoretischen Konzept Imperialismus begriffen werden, weil dieses Konzept an sich schon fehlerhaft ist. An einem konkreten Beispiel – dem Verhältnis von Europa und den USA - werden die Referenten sich diesen Fragen annähern.
Des Weiteren soll die Frage nachgegangen werden, inwieweit damit überhaupt die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen auf der Welt angemessen erfasst werden können.
Beitrag von Peter Decker zum Podium: Thesen zum Imperialismus – Gibt es das heute noch?
2. Wenn der Staat seinen Kapitalisten das Spielfeld erweitert – inzwischen auf den ganzen Globus -, wenn er privaten Geschäftsinteressen dient, macht er sich gleichwohl nicht zu deren selbstlosem Diener; er ist kein Getriebener und Gezwungener, auch nicht unter den Bedingungen der heutigen „Globalisierung“; vielmehr bezweckt die Ausweitung der Geschäftsgelegenheiten aufs Ausland, das Kapitalwachstum auf dem nationalen Territorium zu beschleunigen, also das erste Lebensmittel der kapitalistischen Nation und die materielle Grundlage der Staatsmacht zu befördern.
Wer unter dem Stichwort Weltordnung eine geordnete Welt erwartet, liegt daneben. In der Ordnung von heute akkumulieren die „Brennpunkte“. Krieg und Kriegsdrohung, Abschreckung, von außen geschürte Bürgerkriege, failed states und Chaos – all das ist Normalzustand. Die größten und wichtigsten Staaten des Globus sind bei jeder Schlächterei mitten drin. Die USA führen seit Jahren einen groß angelegten Krieg um die Neuordnung des Nahen Ostens mit dem Ziel, erstens islamistische Feinde und arabischen Nationalismus zu vernichten, und zweitens dadurch die Gefolgschaft der übrigen Staatenwelt, also amerikanische Führung zu erzwingen. Die EU-Mächte, Russland und China leisten hinhaltend Widerstand oder machen berechnend mit. Aber nicht, um den Amerikanern zu helfen und sich ihrer Führung zu beugen, sondern um ihnen das Feld der militärischen Neuordnung des Globus nicht alleine zu überlassen und selbst als bedrohliche Machtmonster Statur zu gewinnen und von den USA die Berücksichtigung ihrer nationalen Ansprüche zu erzwingen. Wir sind Betroffene und Instrumente in einem Konkurrenzkampf um Herrschaftsverhältnisse zwischen Staaten Die politischen Souveräne kommandieren und verpflichten nicht nur ihre jeweiligen Bürger, sondern ringen darum, sich auch die politische Herrschaft über andere Gesellschaften gefügig und dienstbar zu machen. Soweit das Faktum. Die Frage ist: Warum lassen sich die heutigen Gemeinwesen nicht in Ruhe? Warum geht der internationale Austausch nicht ab ohne einen Kampf um Diktat und Gefolgschaft zwischen den Staatsgewalten? Hier eine überaus knappe Antwort. 1. Der Staat, der in seinem Inneren Kapitalismus etabliert, schützt und zum Florieren bringt, öffnet den einheimischen Unternehmen den Weg ins Ausland, indem er bei anderen Staatsgewalten die Erlaubnis erwirkt und die Konditionen dafür vereinbart, dass seine Geschäftsleute auch im fremden Hoheitsbereicht den Schutz ihres Eigentums genießen, kaufen, verkaufen, investieren und Leute ausbeuten können dürfen. Schon die Öffnung anderer Staaten – einseitig oder gegenseitig –, sowie die Vereinbarung der Konditionen des grenzüberschreitenden Geschäftsverkehrs zwischen souveränen Staaten ist eine Gewaltfrage.
Die Referenten sind: Jens Wissel, Dr. Phil.,. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am FB Gesellschaftswissenschaften der Universität Frankfurt/M. Forschungsgebiete: Staatstheorie, Politische Ökonomie, Transnationalisierung von Herrschaftsverhältnissen, Peter Decker, Dr. phil, Redakteur der politischen Vierteljahreszeitschrift GegenStandpunkt Michael Heinrich, Dr.rer.pol., Geschäftsführender Redakteur von „PROKLA – Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft“. Arbeitsschwerpunkte: Die Marxsche Theorie und die Geschichte der ökonomischen Theoriebildung.
3. Damit macht der bürgerliche Staat ausländische Reichtumsquellen zu eigenen; setzt deren Nutzung und Aneignung aber auch dem Verlauf der kapitalistischen Privatkonkurrenz aus. Er ist nun aber kein neutraler Beschützer des internationalen Geschäftsgangs nach dem olympischen Motto: „Der Bessere möge gewinnen!“, sondern Partei. Er erlaubt den internationalen Geschäftsverkehr nur um sich am Partnerstaat zu bereichern und nicht um sich zu seinem Nachteil zur Reichtumsquelle anderer Nationen machen zu lassen. Daher steht er in einem ständigen Kampf mit „Partner-Nationen“ um die Korrektur von Handelsund Investitionsbedingungen mit dem Ziel, dass diese Bedingungen so vereinbart werden sollen, dass sie die Benutzung der Ökonomie des Partnerstaats garantieren, eine schädliche Benutzung durch ihn aber ausschließen. „Argumente“ in diesem Ringen sind: a) Was ein Staat mit dem gewährten Zugang zu seinem Binnenmarkt dem anderen zu bieten hat. Was er ihm b) also auch entziehen und welchen Schaden er dadurch bei ihm anrichten kann. Entscheidendes Argument in diesem diplomatischen Streit bleibt aber c) stets die politisch-militärische Macht selbst. 4. Deshalb stehen die kapitalistischen Staaten getrennt von ihrer ökonomischen Konkurrenz – und als Grundlage dafür – in einer nie endenden Konkurrenz um überlegene Gewalt; ihr Ideal, von den USA direkt angestrebt, ist das Gewaltmonopol über die Welt der Staatsgewalten. Jeder Souverän verlangt von anderen, mit denen er in Verkehr steht, ihn als die Macht, die er ist, anzuerkennen und auf dieser Basis, die Ansprüche, die er stellt, als sein gutes Recht zu respektieren. Diese Gewaltkonkurrenz ist losgelöst von einzelnen wirtschaftlichen Verträgen, von Konjunktur und Krise. Sie ist überhaupt keine Wirkung irgendeines Nicht-Funktionierens, sei es der inneren Akkumulation, sei es äußerer Benut-
Sonntag, 9. Dezember 2007 zungsverhältnisse. Vielmehr ist sie die Grundlage des ganzen diplomatischen und ökonomischen Verkehrs zwischen den Staaten. Frieden herrscht, wenn zwei Seiten sich mit dem gegebenen Herrschafts- und Unterordnungsverhältnis zwischen ihnen zufrieden geben. Krieg „bricht aus“, wenn eine Seite (oder beide) zu dem Schluss kommt, die andere missachte umfassend die Rechte, die sie sich herausnimmt. 5. In ihrer Konkurrenz als sich abschreckende und bedrohende Gewalten denken Staaten strategisch, d.h. sie antizipieren Krieg zwischen sich, sie unterhalten mitten im Frieden große Heere und rüsten; von Seiten möglicher Gegner verbitten sie sich Rüstungsanstrengungen. Sie organisieren die Welt in große Fronten, die
den Feind bedrohen, und ringen in Bündnissen um die Ein- und Unterordnung der Partner unter ihre Führung. Für die militärische Stärkung der Nation und die Schwächung rivalisierender Staaten werden alle inländischen und weltwirtschaftlichen Reichtumsquellen der Nation in Dienst genommen (Wirtschaftskrieg, Sanktionen, Rüstungs- und Kriegskosten) und der Selbstbehauptung der Schutzmacht des nationalen Kapitalismus zur Not geopfert – im Krieg bis hin zur Zerstörung des eigenen Landes. Das frühere Verhältnis der USA zu ihren europäischen Nato-Waffenbrüdern und das heutige Ringen um europäische Augenhöhe bzw. um die Degradation der einstigen Verbündeten zu Hilfstruppen im Anti-Terror-Krieg („Koalition der Willigen“) unterstreichen die grundsätzlichen Ausführungen nur.
Abschlussdiskussion „Theorie goes Bewegungen: Oder was hat das jetzt alles nochmal mit Praxis zu tun?” 14.30 Uhr mit Gruppe dissident (Interventionistische Linke), »... ums Ganze!«, Werner Rätz (attac), Alex Demirovic (Uni Frankfurt), Frederike Habermann(peoples global action) Unzählige Diskussionen liegen hinter uns und die eigentliche Arbeit fängt jetzt erst an. Der Frage nach der Bestimmung einer grundlegenden Gesellschaftsanalyse folgt die Frage nach der Bestimmung der dazugehörigen Praxis. Das Ziel ist klar definiert: es geht um den Weg nach draußen, raus aus der kapitalistischen Gesamtscheiße, also: um die Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise und damit „allen Verhältnissen, in denen der Mensch ein geknechtetes, verächtliches,...Wesen“ (Marx) ist. Aber wo anfangen? Ist der Staat ein Kampffeld, oder ideeller Gesamtkapitalist? Fokussieren wir Klassenkämpfe, oder gibt es schon lange keine Klassen mehr? Legen wir die Hände in den Schoß und warten auf die Krise und darauf, dass sich der Kapitalismus von selbst niederstreckt, oder müssen wir in den kleinen Zeitfenstern intervenieren, die der Zufall uns ganz selten zur Überwindung der Verhältnisse auftut? Oder macht es jede Form von Kritik und Praxis am Ende nur noch schlimmer, weil der Kapitalismus in der Lage ist diese zu absorbieren, um danach durch sie gestärkt einfach weiter zu machen?
Ob es uns gelingt, nach der Diskussion des emanzipatorischen Gehalts der Grundkategorien der bürgerlichen Gesellschaft eine einheitliche Antwort auf diese Fragen zu finden, ist noch nicht abzusehen. Die unterschiedlichen Ansätze linker und linksradikaler Akteure vor deren Hintergrund gemeinsam in Frage zu stellen wird spannend. Wird attac recht behalten und die Einführung der Tobinsteuer und damit die Bändigung des aus den Fugen geratenen Kapitalismus ermöglicht uns eine andere Welt? Oder klappt die Strategie der IL und die Einführung allgemeiner Grundrechte untergräbt den Kapitalismus ganz langsam, bis er in sich selbst zusammenfällt? Geht es doch Ums Ganze? Oder müssen diese Fragen einer Verbesserung im Hier und Jetzt hinten angestellt werden? Ist schon das Denken allein subversiv? Wo spielen „Intellektuelle“ überhaupt eine Rolle bei den Bewegungen? Kurz um: Wie kommen wir da raus?
16:00 Begrüßung
Freitag, 7.12.2007
Samstag, 8.12.2007
Sonntag, 9.12.2007
16:30 Einführung: Kritik der politischen Ökonomie [Nadja Rakowitz (Uni Ffm, express)]
10:00 - 11:30 Workshops 1. Wertkritik ohne Wertbegriff? Anmerkungen zum Marxismus-Mystizismus [Ingo Elbe (Rote Ruhr Uni)] 2. Kritik und Politik [Antiherrschaftliche Initiative]
12:00 Zum Begriff der Arbeit [Ernst Lohoff (Krisis), Thomas Atzert ( Gruppe sofo)]
Eventuelle Änderungen sind unter ugkongress. blogsport.de nachzulesen
14:30 Theorie und Bewegung [Gruppe dissident (Interventionistische Linke), Werner Rätz (attac), Ums Ganze, Alex Demirovic (Uni Wuppertal), Friederike Habermann (peoples global action)]
12:30 Neue Imperialismustheorien/Globalisierung/Empire [Jens Wissel (Uni Ffm), Michael Heinrich (Prokla), Peter Decker (Gegenstandpunkt)]
3. Perspektiven der Emanzipation im Zeitalter der Prekarisierung [Ernst Lohoff (krisis)]
10:00 – 11:30 Workshops 1. Transnationalisierung von sozialen Kämpfen und Fragen der Demokratie [John Kannankulam (Uni Ffm), Jens Wissel (Uni Ffm)] 2. Arbeit und Geschlecht [FB 03]
20:30 Einführung: Wertkritik [Norbert Trenkle (krisis)]
14:30 Zum Begriff der Krise [Norbert Trenkle (krisis), Michael Heinrich (Prokla), n.n]
18:30 Einführung: Postoperaismus [Robert Foltin (Grundrisse)]
22:30 Film: „Antonio Negri - Eine Revolte die nicht endet“ mit Filmemacherin [Alexandra Weltz]
16:30 Immaterielle Arbeit und Ware Wissen [Stefan Meretz (Wege aus dem Kapitalismus), Frieder Otto-Wolf (FU Berlin)] 18:30 Staat, Recht und Politik [Sonja Buckel (Uni Ffm), Thomas Seibert (Fantômas),Peter Decker (Gegenstandpunkt), Thomas Gehrig (Mitglied der Marx-Gesellschaft)] 20:30 Klasse/Klassenkampf/soziale Kämpfe/ Multitude [Gerhard Hanloser (Soziologe, Autor), Kirsten Huckenbeck (express), Sven Ellmers (Ruhr Uni Bochum), Robert Foltin (Grundrisse)]