Markus Jeschaunig
BUILDING WEATHER JULI 2018
Städte und Gebäude zu errichten und zu betreiben
eines Überdenkens der Art und Weise, wie wir Dinge
ist mit der gesamten Biosphäre des Planeten Erde
produzieren und nutzen – dies stellt sich als eine der
systemisch
herausforderndsten Aufgaben der Zukunft dar.
verbunden.
Derzeit
wird
der
globale
Energiebedarf weitgehend durch nicht erneuerbare Energieträger gedeckt. Aufgrund von dramatischen
Die
Veränderungsprozessen
mit lokal gewonnenen Ressourcen anstatt mit extern
in
der
Umwelt
bedarf
es
Ausstellung
“Building
Weather”
experimentiert
bereitgestellter
Energie.
Die
Zweckentfremdung und Umkehrung des vorhandenen Lüftungssystems der Ausstellungsräumlichkeiten zeigt, wie technische Infrastruktur genutzt werden kann, um neue Klimata in einen architektonischen Raum zu bauen. Synergie ist substanziell Markus Jeschaunig, Jahrgang 1982, ist und
ein
österreichischer
Architekt.
Künstler
Abschluss
Architekturstudiums Kunstuniversität
an Linz
des der (2010),
Arbeitspraxis als Junior Architect bei Christian Kerez in Zürich (2011), Teilnehmer
der
Conference
Change
organisiert
Course durch
den Club of Rome in Winterthur (2012). Inspiriert von der Dynamik der
Atmosphäre,
Lithosphäre,
Hydrosphäre und Biosphäre gründete er seine künstlerische Praxis ‘Agency in
Biosphere’
(2012).
Zahlreiche
internationale Ausstellungen und Kunstprojekte
im
von
Klima,
Ökologie,
Spannungsfeld Ressourcen
und Umwelt. Co-Autor von ‘Breathe. Austria’ – österreichischer Pavillon auf der Expo 2015 in Mailand (als Teil
von
Mitgründer
team.breathe.austria). des
Breathe
Earth
Collective - eines transdisziplinären Think&Do-Tanks zu Luft und Klima in
Städten.
KlimARSPrize
BAUWELT Preis 2017.
2016,
Gespräch mit Markus Jeschaunig
einige der anderen PreisträgerInnen vor uns, für ein konkretes Projekt ausgezeichnet worden.
Im Juli fand ein Treffen zwischen dem kuratorischen Team und Markus Jeschaunig statt, um in einem Gespräch die
Eva Sommeregger
Hintergründe der in Wien neu entstandenen Installation zu
Wie würdest du kurz umreißen, was dieses künstlerische
beleuchten und sie zu kontextualisieren
Schaffen genau umfasst? Es ist ja nicht nur das Expo-Projekt, sondern eine ganze Reihe?
Jerome Becker
Markus
Beginnen wir mit einer sehr guten Nachricht und zwar, dass
Begonnen hat alles mit dem österreichischen Expo-Pavillon
Dir und Deinen Partnern vom “Breathe Earth Collective”
„breathe.austria“ im Jahr 2015, wo wir alle Co-AuthorInnen
heute per Post überraschend mitgeteilt wurde, dass Ihr den
waren, das heißt Teil des siebenköpfigen interdisziplinären
“outstanding artist award - Experimentelle Tendenzen in
Designer Teams namens “team.breathe.austria”. Zu fünft –
der Architektur 2018” gewonnen habt. Herzliche Gratulation!
Lisa Maria Enzenhofer, Karlheinz Boiger, Andreas Goritschnig,
Was ich spannend finde ist, dass Euch dieser Preis verliehen
Markus Jeschaunig, Bernhard König – haben wir dann
wurde, ohne dass ihr dafür eingereicht habt, er wurde euch
darauffolgend das “Breathe Earth Collective” gegründet,
sozusagen übergeben. Glaubst Du, dass ihr mit dem gleichen
um das Themenfeld auf eine globalere Betrachtungsebene
Projekt vor 10 Jahren einen ähnlichen Preis gewonnen hättet
zu zu stellen (Breathe Earth). Das Thema Luft & Klima war
oder deutest Du das als ein Symptom der jetzigen Zeit, wo die
uns ein so großes Anliegen, dass wir hier definitiv weiter
Art von Arbeit, die euer Kollektiv aber auch Du machst, eine
arbeiten wollten. Außerdem haben sich nach dem Expo-
gewisse Wichtigkeit erlangt oder erreicht hat?
Pavillon einige Möglichkeiten aufgetan. Von der Österreich Werbung in Italien haben wir zum Beispiel den Auftrag
Markus Jeschaunig
erhalten, eine Übersetzung dieses großen Walderlebnisses,
Ja, ich habe ein bisschen recherchiert. Diese Ausgabe des Preises
das wir bei der Expo installiert haben, in einen kleineren
geschah erstmals über eine Nominierungsjury. Obwohl die
Maßstab zu transferieren. In Form eines mobilen Pavillons
Begründung der Jury erst nächste Woche veröffentlicht wird,
für den öffentlichen Raum, der in drei Städten aufgestellt
haben wir die Auszeichnung offenbar als Anerkennung für
werden sollte, wollten wir einen frischen Atemzug oder ein
das künstlerische Schaffen bekommen, und sind nicht, wie
Atem-Erlebnis ermöglichen. Das haben wir mit dem “Airship. 3
Photo: MAGAZIN
01” geschafft. Ein runder Körper von fünf auf fünf Metern
auch formal sowas wie einen künstlichen Baum proklamieren
mit einem Mikrowald im Inneren und einer textilen Hülle
sollten, der auch als Kühlturm in verschiedenen Größen
außen, welche die Sonne reflektieren kann und teilweise
in Städten platziert werden kann. Kühlsysteme brauchen
Tageslicht durchlässt. Man kann sich dann auf einer runden
wir im Kampf gegen die sogenannten „urban heat islands“.
Bank hinsetzen und gemeinsam einen Frischluftraum mit
Diese sind ja ein großes Problem in Städten und werden
Waldklima mitten in der aufgeheizten Stadt genießen. Am
speziell in der Zukunft im Kontext der Klimaerwärmung
besten hat das in Rom geklappt, weil dort weit und breit kein
sehr verbreitet vorkommen. Wir haben auch Berechnungen
Grün war. Die anderen zwei Standorte waren Mailand und
angestellt, wie viel Sauerstoff erzeugt werden kann und
Padua. Es war eine wunderschönes Erlebnis, wie die Menschen
welche Maßstabsgröße und Menge welchen Kühleffekt in der
reagierten und wie man mit einfachen Mitteln einen kühlen
jeweiligen Stadt ergibt. Am Ende haben wir Fotocollagen mit
und Sauerstoffreichen Raum schaffen kann, nämlich mit den
solchen Türmen in der Stadt gemacht, ähnlich wie jene von
Mitteln Beschattung, Erde, Pflanzen, sowie einem einfachen
„Superstudio“ aus den 1970ern.
Sprühnebelsystem, das Trinkwasser versprühen kann und einem Ventilator, der die Luftbewegung bewirkt. Damit
Matthias Moroder
hat man auch schon die drei Komponenten für kühlen
Wie viele müssten verteilt werden?
Klimakomfort zusammen: 1.) Temperatur, 2.) Feuchtegehalt und 3.) Bewegung der Luft. Somit schafft man mit „Low-Tech“,
Markus
also nur mit Pflanzen, Beschattung und dem Anreichern der
Pro 10.000 m2 Stadtfläche sind wir auf 6 bis 10 “Evapotree”-Türme
Luft mit Wassertröpfchen, das Klima und die Luft deutlich
gekommen; abhängig je nach Größe. Ein Quadratmeter Moos
spürbar zu kühlen. Darauffolgend im Jahr 2017 mit dem
hat ca. 120.000 Pflänzchen – das entspricht 1.200 Blättern oder
“Airship.02” haben wir als “Breathe Earth Collective” im Rahmen
einer Blattoberfläche von 23m2. Derselbe Quadratmeter Moos
der “Artist in Residency” im Österreichischen Skulpturenpark
kann bis zu 14 Liter Wasser speichern, usw. Auf diese Weise
im Süden von Graz den “Evapotree” mit einem viel offeneren
kann die Klimaperformanz für Städte rechnerisch ermittelt
System entwickelt. Im Zentrum stand ein 5,50 Meter hoher
werden. Wir haben diese „Superstudio“-Postkarte genommen
Zylinder aus Holz, der auf einem Fußabdruck von nur 5 m2
– Graz wurde ja einmal von “Superstudio” für eine Collage
mit einer 35m2 großen Moosfläche ausgekleidet war. Moos ist
verwendet, mit einer typischen weißen Installation quer
sehr leistungsstark. Es ist sehr saugfähig, filtert Feinstaub aus
durch die Stadt. Dasselbe Motiv haben wir auch genommen
der Luft, erzeugt Sauerstoff und bindet CO2. Wir haben außen
und unsere “Evapotrees” darauf platziert, das hat ziemlich cool
als Beschattung Bänder abgespannt, die neben der Funktion
ausgeschaut. Das ist die Vision des “Breathe Earth Collective”: klima-positive Städte! Wir haben noch kaum große Auftraggeber und wollen mit diesen Experimenten, wie wir Natur oder Vegetation mit architektonischen Strukturen
zusammenschließen
und
zu hybriden Einheiten verschmelzen können, aufzeigen, dass es auch im großen Maßstab funktionieren kann. Also die Vision wäre es, atmende Städte und
klima-positive
Architektur
zu
bauen! Mittlerweile, wurde auch schon unser “Airship.03” in Mailand eröffnet. Im neuen Stadtzentrum „Citylife“ (Piazza Tre Torri) haben wir diesmal einen Wald in das Zentrum eines Raumes mit etwa fünf Meter Durchmesser gesetzt. Man konnte um den Wald herum gehen und die Hüllen außen waren aus verstellbaren
Textil-Lamellen,
welche
Richtung Sonne ausgerichtet werden können und flexibelOffenheit sowie Abschottung zuzulassen. Frischluft fällt durch das Prinzip des “Kaltluftsees” von innen durch die Lamellen nach Außenund kann dadurch die Umgebung abkühlen. Drumherum kann man auf 5
AIRSHIP 01, Rom 2016 Photo: Simon Oberhofer
einer Holzbank sitzen und den Platz genießen. Es war auch
produziert und CO2 bindet, als die Menschen benötigen, die
ganz interessant zu sehen, wie die Kinder und auch die
täglich oder pro Stunde durchgelaufen sind – mehr noch,
Erwachsenen auf diese Pflanzen und dieses lebende Grün
sogar etwas klima-positives an die Umgebung abgaben, dann
reagieren. Es kam ein unglaubliches Feedback von den Leuten,
ist das ein viel leistungsfähigeres Miteinander von Architektur
Kinder die lachen und schreien, sich nicht mehr bändigen
und Vegetation mit maximaler Klima-Performanz.,
können und hineinsteigen wollen. Die Menschen möchten
diese Weise konnten wir Kühleffekte von 5 bis 8 Grad im
wissen, welche Pflanzen das sind, sie berühren, riechen, atmen,
Inneren erreichen, rein durch Bodenfeuchte, Sprühnebel,
usw. Derartige Projekte haben eine unglaubliche Wirkung auf
Luftbewegung und Beschattung – ganz ohne Klimaanlage.
Menschen. Wenn man die Architekturszene heute beobachtet,
Wir waren auf der Expo in Mailand der kühlste Pavillon
dann kommt meist das Gebäude zuerst und als zweites der
und hatten keine Klimaanlage. Darum sind die Leute so
Garten oder die Landschaft drumherum. D.h. Vegetation und
gerne zu uns gekommen! Wir hatten 2,4 Millionen Besucher
Pflanzen sind als entscheidende Komponenten für unsere
in 6 Monaten Expo-Zeit in Mailand. Das ist mehr als das
Städte in der Architektur noch viel zu wenig genutzt! Wir sind
Schloss Schönbrunn das ganze Jahr hat, eine der beliebtesten
noch weit weg von einer klima-positiven Stadt.
Sehenswürdigkeiten in Österreich..
Auf
Florian Schafschetzy D.h. du bist eigentlich ein Architekt, der durchaus auch einen sehr starken Realisationswillen hat und der nicht nur fiktiv kleine Projekte auf engem Raum bespielen will, sondern eine größere Vision hat. Markus Genau um das geht es. Ich versuche mit meiner eigenen künstlerischen Praxis „Agency In Biosphere“ experimentell an der Schnittstelle von Architektur, Stadt, Kunst aber auch Ökologie zu arbeiten. Das Feld der Kunst ist in meiner eigenen Arbeit sehr wichtig, weil man sehr viel ausprobieren kann und sehr schnell mit wenigen Mitteln komplexe Themen behandeln kann – das habe ich auch mit der MAGAZIN-Ausstellung versucht. In Wirklichkeit geht es mir aber auch darum, Lösungsvorschläge aufzuzeigen. Auch
mit
dem
“Breathe
Earth
Collective” verfolgen wir permanent konkrete Lösungen, die realisiert und weiterentwickelt werden können. Anstatt einfach nur grüne Konzepte zu rendern oder wie es Stefano Boeri mit dem „Bosco Verticale“ in Mailand gemacht hat, wo “nur” größere Pflanzen und Bäume in Pflanzbehältern auf
Eva
Balkonen eines Hochhauses gestellt wurden. Das ist uns zu
Was ich super finde ist, dass es ja eigentlich alles Modelle für
wenig! Auch wenn das wichtige Leuchtturmprojekte sind,
bestimmte Räume sind, die auf Kreisläufen beruhen und
die natürlich auch sexy anzusehen sind und einen gewissen
gleichzeitig sind sie aber dann mehr als ein Modell, eher so
Effekt und eine gewisse Außenwirkung haben. Jedoch, wenn
etwas wie ein Prototyp, weil es funktioniert ja schon.
man es von der Performanz her betrachtet, dann kann man zwar sagen: “Ein Hektar Wald ist jetzt auf dem Gebäude drauf,
Markus
toll!” oder “Der Wald kommt in die Stadt!”. Aber wenn man
Wir wollen im “Breathe Earth Collective” nicht nur Konzepte
Architektur mit Natur so zusammen schaltet, wie wir es bei
vorlegen oder Consulting betreiben, sondern wir wollen
der Expo gemacht haben, wo wir mit einer Fläche von 560
wirklich auch mit einer Lösung kommen und lernen
m2 Wald einen Effekt erzielt haben, der mehr Sauerstoff
auch bei jedem “Airship” neu dazu. Wir haben auch viele 7
BREATHE.AUSTRIA Expo-Paviilon, Mailand 2015 Photo: team breathe austria
verkaufen wir Österreich im Ausland? Bei den Olympischen Spielen in Sotschi hatte man z.B. eine Tiroler Hütte, die Österreich repräsentiert... Wie siehst Du den Zusammenhang zwischen Heimatbegriff, Klima und Architektur? Markus Danke für die Frage. Der Auftraggeber, das an die WKÖ gekoppelte ExpoAustria-Büro in Wien, sollte sich im Konzept wiederfinden, österreichische Werte erkennen lassen. Der ÖsterreichStand muss letztens ein einprägsames Österreich-Bild nach außen “verkaufen”. Im
“team.breathe.austria”
mit
dem
wir 2014 den Wettbewerb gewonnen haben, hatten wir damals genau diese Diskussion und folgende Optionen gehabt: Entweder einen alternativen, experimentellen Ansatz oder einen traditionellen Ansatz. Zweiteres lehnten wir ab, denn das Motto der Expo war „Feeding the Planet – Energy for Life“ und da ging es um Welternährung und Energie, ein Riesenthema. Wir haben gesagt: “Wir wollen irgendwas machen, Fehler gemacht! Beim “Evapotree” z.B. haben wir eine zu
wo man Österreich erkennen kann und wo man einen Beitrag
dünnwandige Konstruktion gehabt, sodass das Moos Gefahr
liefert, auch über die Expo hinaus, der Wirkung hinterlässt!”
lief auszutrocknen. Das sind aber wichtige Tests, Setups
So sind wir dann auf das Thema Luft gekommen, denn nicht
und Erkenntnisse, die wir dann direkt in größere Projekten
jedes Land auf der Erde hat so saubere Luft wie Österreich
mitnehmen können. Wir haben z.B. mit dem Architekturbüro
und Luft ist daher ein starkes Identifikationsmerkmal des
“Chybik + Kristof and team” letztes Jahr in Tschechien
Waldlandes Österreich. Viele BesucherInnen aus Italien
einen
neuen
kommen genau deswegen gerne nach Österreich zu Besuch,
Verwaltungsgebäude der Tschechischen Forstbehörde waren
Architekturwettbewerb
gewonnen.
Beim
um die Ruhe der Alpenlandschaft zu genießen im Kontrast
wir sozusagen für die Landschaftsplanung zuständig. Es war
zum eher hektischeren italienischen Alltagsleben. Das Konzept
ein großes PlanerInnen Team mit dem wir den Wettbewerb
hat extrem gut funktioniert, auch auf einer internationalen
für dieses sternförmige Gebäude, das sich wie die Finger einer
Ebene gekoppelt mit dem Diskurs über Klimawandel oder
Hand in den Wald hinaus erstreckt, gewonnen haben. Für
CO2-Ausstöße. Am Ende haben wir dann die Umfragen mit
jeden Innenhof haben wir Wald-Ökotypen entwickelt, ähnlich
Feedbacks über die sechs Expo Monate erhalten und da war
dem Expo-Wald. Jeder Innenhof funktioniert dann so wie der
keine Meldung dabei, dass sich ein/e Österreicher/in das
Expo-Pavillon, nur sind hinter den damaligen Holzwänden
eigene Land nicht wiedererkannt habe. Man konnte im Wald
jetzt Büroräume mit Glasfenstern. Man macht das Bürofenster
spazieren gehen – das ist einzigartig gewesen, kein anderer
auf und steht eigentlich im Wald. Das könnte auch bei einer
Pavillon hatte etwas Vergleichbares. Wir haben sogar komplett
Schule oder einem Wohnraum zur Anwendung kommen...
auf Darstellungen, Videos oder Screenings verzichtet und
Wenn wir die Stadt und die Architektur auf eine intelligente
haben das natürlich im Vorfeld gegenüber dem Auftraggeber
Art mit der Vegetation verweben, dann können wir uns sehr
verteidigen müssen. Da ist jetzt ein Luftraum, ein Wald und das
viel an Energieaufwand sparen und auch viel gesünder leben,
ist es! Das zu machen ist schon Leistung genug, die Österreich
mit viel Licht und Sauerstoff.
auszeichnet – mit der Green Technology und den Firmen, die hier zusammenwirken. Der Auftraggeber hatte oft tradierte
Clemens Nocker
Vorstellungen, der Stand sei eine Messehalle zum Befüllen mit
Ich wollte noch zurückkommen zum Expo-Pavillon. Du
Exponaten oder Innovationen.Wir haben den Wald als Solches
sprichst jetzt immer über Klima, usw., aber das war ja auch
verteidigt. Der Pavillon an sich war die Innovation. Wir waren
ein symbolisches Projekt mit einem gewissen Heimatbegriff.
sehr froh, dass die Jury sich damals für diesen Innovativen Weg
In Österreich haben wir so schöne Berge und Wälder... Wie
ein Atemerlebnis zu generieren, entschieden hat – für „Breathe“. 9
Photo: MAGAZIN
Matthias
und wir haben klimatische Probleme: Überhitzung, wenig
Eine Sache, die in deinen Erklärungen aufklafft, ist natürlich
Sauerstoffproduktion, Feinstaubbelastungen, usw. Die Stadt ist
der Wald verstandenen als Natur im Gegensatz zum Wald
schon ein Ort mit gewissen Eigenschaften geworden. Jetzt ist es
verstanden als Hybrid. Das müsstest Du hier sicherlich noch
aber nicht so, dass wir die Natur und die Stadt gegenüberstellen
differenzieren oder zumindest das Konzept des Hybrids näher
als zwei Teile – von dem muss man sich lösen. Man kann nicht
ausführen, von dem Du ja oft sprichst.
sagen: „Weg mit dem Beton, her mit dem Grün”. Wir finden es viel interessanter, dass man das Grün wieder in die Stadt
Markus
bringt. Nicht in einem romantischen Sinne, die unberührte
Wir haben einmal eine präzise Formulierung dafür
Natur zu vermissen, sondern als ein Baustein der Leistung
entwickelt: Wir haben einen artifiziellen Ort mit natürlichem
hat, als eine Komponente aus der die Stadt gemacht ist, als ein
Antlitz geschaffen. D.h. der Wald ist gebaut, insofern ist er ein
Teil von ihr. Eine Betonwand kann man kalkulieren, die hält
Teil des Gebäudes. Wir haben zwölf Meter hohe Großbäume
so und so lange, die kostet so und so viel. Bei einer grünen
und 12.500 Stauden, Kleingehölze, Farne, Blumen und Moos
Wand muss man die Pflege und die Wartung beachten, das
gepflanzt. Wir haben die Ventilatoren in den Wald hinein
kann man nicht so leicht kalkulieren. Viel Transformation
gestellt, die Sprühnebeldüsen sind wirklich im Wald. Wir
und Entwicklung ist in diesem Bereich noch notwendig. Und
haben den Wald „getuned“ – auch sichtbar, d.h. man konnte
wenn man es schafft, natürliche Komponenten in die Stadt
zwischen den Bäumen z.B. auch mehrere Ventilator-Säulen
zurück zu bringen, dann hat das positive Entwicklungen auf
und Sprühdüsen sehen. Wir wollten nicht verstecken, dass es
das Klima und unser Wohlbefinden. Die Prozesse der Natur
ein künstlicher Ort ist. Wir glauben, mit dieser Hybridität den
der Biosphäre an sich – und das ist jetzt auch etwas, was ich
Weg in die Zukunft gefunden zu haben, wie man natürliche
vorher schon sagen wollte – gehen fortlaufend weiter! Wenn
und artifizielle Komponenten – also Vegetation mit Technik
sich jetzt z.B. das Erdklima um zehn Grad erwärmen würde
und Architektur – miteinander verschalten kann.
und die Gletscher schon geschmolzen wären, dann geht das Ökosystem der Erde klarerweise weiter. Es ist nur die Frage,
Matthias
welche Bedingungen herrschen. Der Erde ist es egal, ob es
Bruno Latour würde ja sagen, dass die Hybridität so etwas wie
den Menschen gibt oder nicht und was wir auf der Erde
das Negierte der Moderne ist. Die Dialektik von Kultur und
machen. Aber wenn es wirklich einen Temperaturanstieg
Natur und die Möglichkeit einer scharfen Trennung zwischen
um zehn Grad gebe, dann sieht die Welt ganz anders aus.
beiden sind nur ideologische Konstrukte der Moderne, denn
Da würden sich wahrscheinlich viele von uns nicht mehr
wir wollen nicht wahrhaben, dass die Dinge Hybride sind –
ernähren können.
daher ja auch das polemische Postulat, dass wir nie modern gewesen sind. Die Natur ist ja auch nicht in den schönen Tiroler Bergen zu finden, denn diese sind auch Hybride und man kann nicht mehr von der Natur, DER NATUR, sprechen. Markus Wir sind im Zeitalter des Anthropozän, wenn man so will. Es ist ja kein Fleck der Erde mehr unberührt, auch wenn noch nie ein Mensch einen gewissen Ort auf der Erde betreten hat, ist er ja trotzdem beeinflusst. Auch dort, wo noch nie ein Mensch war, wirkt sich vor allem der Klimawandel aus. D.h. von diesem tradierten Naturbegriff muss man sich verabschieden, es gibt diese unberührte Natur nicht mehr und der ganze Planet, die ganze Biosphäre ist eine vom Menschen beeinflusste Kulturlandschaft geworden. Man kann so weit gehen zu sagen: “Er ist bereits eine Technosphäre geworden.” Wir haben eine Stadt mit Flächen, die einen sehr starken
Versiegelungsgrad
aufweisen 11
Photo: MAGAZIN
Matthias
arbeitet. Ich habe einmal im < rotor > in Graz im Jahr 2013 eine
Einerseits scheint es in Euren Arbeiten darum zu gehen, dass
Installation gemacht, die Arbeit hieß „Untitled (Perpetuum
die Hybridität sichtbar gemacht wird. Andererseits eröffnet
Mobile)“. Das war ein Rad, das sich durch die Eingangstür
die Sichtbarmachung der Hybridität allererst die Möglichkeit
antrieb, durch die Energie, die Du beim Hineingehen in
die Performanz zu erhöhen oder auf einen Level zu bringen,
die Galerie aufwendest – mit einem Seilzug verbunden zog
die eine reale Konsequenz mit sich bringt, die viel radikaler ist,
sich eine Feder auf und drehte das Rad für ca. 25 min. Man
als z.B. irgendwo fünf Bäume zu pflanzen.
konnte also immer wieder kommen und das Rad drehte sich immer - ein Perpetuum Mobile also (zumindest im Kontext
Jerome
des Kunstraumes). Im MAGAZIN in Wien bin ich beim
Zum Akteur werden in den Arbeiten ja auch die Pflanzen
Besuch im Innenhof auf dieses Entlüftungsrohr gestoßen.
selbst, was auch wieder in die Richtung der Dichotomie aus
Erstens wollte ich meine Themen im MAGAZIN in Form
Natur und Kultur geht, dass sich der Gegensatz zwischen
einer Rauminstallation realisieren, die Aussage meiner Arbeit
anthropozänem und unberührtem Raum auflöst, allein
ist meist: Nutze, was da ist, anstatt es von weither zu holen
schon in unserer Betrachtung. D.h. die Pflanzen in den
– synergetische Architektur, wenn man so will, Synergien
Aktionen des „Breathe Earth Collective“, aber auch in der
vor Ort. Zweitens wollte ich es mit Mitteln machen, die vor
Ausstellung im MAGAZIN, werden zu einer Art Akteur. Im
Ort existieren. Die Lüftungsrohrthematik ist aufgekommen: Ich habe versucht den Raumventilator der bestehenden Raumlüftung umzudrehen, sodass er nicht hinaus saugt, sondern hineinbläst, um damit die pneumatische Struktur aufzublasen und den Innendruck zu halten. Man hat ein Klima im Klima geschaffen, d.h. im MAGAZIN ist ein Klima entstanden, das in dieser pneumatischen Struktur herrscht, das vielleicht die Temperatur von über dem Dach hat, wo das Abluftrohr herkommt. Es gibt einen Temperaturunterschied, die Luft ist anders zusammengesetzt. Um das spürbar zu machen, weil man ja die pneumatische Skulptur nicht betreten kann, habe ich Pflanzen hineingesetzt, die sozusagen die Akteure sind, sie zeigen, wie das Klima da drinnen ist. Geht es der Pflanze gut? Man kann als Besucher der Ausstellung hineinsehen, sich auch hineinfühlen, und hat durch das Setup der Ausstellung auch die Gedanken vor sich: Energien, Klima, Lebewesen, räumliche Abgrenzung, was ist ein Klima?, usw. Das habe ich damit zu bezwecken versucht. Jerome Ein vielleicht noch wichtiger Aspekt ist, dass es nicht irgendwelche Pflanzen, sondern exotische Pflanzen sind, die in unserem Umfeld nicht überleben würden. D.h. es braucht so etwas wie die Schaffung eines künstlichen Klimas, damit sie eine Überlebenschance haben. Und gleichzeitig, durch die hermetische Abriegelung in der pneumatischen Skulptur, die von der Form her aussieht wie ein Reagenzglas, eine Glaskuppel – ich musste ständig an die magische Rose in „Die Schöne und das Biest“ denken, die unter der
Expo-Pavillon und in der Ausstellung im MAGAZIN in Wien,
Glaskuppel schwebt –, dadurch gibt es schon dieses Thema
da ist die Art und Weise, wie sie zum Akteur werden, eine ganz
der Wunderkammer, das Exotische, Hergeholte, das hier
andere. Vielleicht kannst Du über diesen Unterschied, also der
nur unter bestimmten Bedingungen existieren kann. In
unterschiedlichen Rolle der Pflanzen in beiden Projekten
welchem Zusammenhang steht das mit deinen Gedanken
auch kurz die Installation in Wien beschreiben?
von Ressourcen, Umwelt und so weiter?
Markus
Markus
Gut beobachtet, es gibt wirklich einen Unterschied. Das
Ich muss an dieser Stelle das Projekt „Oase No 8“ aus den Jahren
wichtigste an der Arbeit im MAGAZIN ist – und das ist in
2015/2016 in Graz erwähnen, das Abwärmegewächshaus, das
meiner eigenen Praxis der „Agency in Biosphere“ immer sehr
sich aus Energie oder Abwärme von vor Ort befindlichen
zentral –, dass man kontextuell, d.h. auch mit Dingen vor Ort
Tiefkühlhäusern speist (ernährt). Ich wollte sichtbar machen, 13
OASE NO 8, Graz 2015/16 Photo: Simon Oberhofer
wie viel Abwärme vor Ort eigentlich im Innenhof verpufft, im Zentrum von Graz, am Jakominiplatz, was mir gelungen ist durch die pneumatische Blase, da in ihr ein tropisches Klima entstanden ist. Durch die ausgewählten Tropenpflanzen – die Pflanzenauswahl entstand in Kooperation
mit
dem
botanischen
Garten Graz, es waren Bananen, Ananas und Papayas – ist für mich die Kritik am vorherrschenden System am größten gewesen. Die Banane ist Waagentaste Nr. 1 im Supermarkt, sie ist die beliebteste Tropenfrucht in Österreich und auch in vielen anderen europäischen Ländern – und sie wächst aber hier nicht. Sie kommt von relativ weit her, wird grün geerntet, auf Kühlschiffen bei ca. +13°C verschifft, ‘on demand’ hier nachgereift und dann im Supermarkt angeboten. D.h.
die
KonsumentInnen
haben
keinen Kontext, kein Gefühl dafür, wie viel Energie notwendig ist, damit gelbe Banane im Supermarkt liegen kann. Ich wollte eine Kritik am System anbringen, aber in eine ansehnliche Form verpacken, die jeder sofort versteht. Die Pflanzen, die hier im MAGAZIN installiert sind, sind
Markus
Nachkömmlinge der „Oase No 8“-Pflanzen, das Projekt in
Die “Oase No 8” in Graz war nicht unmittelbar zugänglich,
Graz wurde ja schon Ende 2016 abgebaut. D.h. hier ist auch
d.h. es waren zwar insgesamt 300 Leute über die 1 ½ Jahre,
der Aspekt präsent, dass die Pflanzen hier (im Souterrain)
die sie über Führungen oder diverse Veranstaltungen von
eigentlich nicht wachsen. Sie leben nun in einem Klima, das
“Kunst im öffentlichen Raum Steiermark” und so weiter
woanders abgezogen wird, aber gleich unmittelbar vor Ort
besucht haben, auch beim Erntefest. Es ging aber auch darum
existiert – vom Dach, vom Hof, von außen. Eine“ Indoor-Farm“,
zu sehen, ob man diese Tropenpflanzen durch den Winter
wenn man so will, eine „Vertical Farm“ kann so auch vor der
bringt, denn 12 Grad durften nicht unterschritten werden im
Haustür kreiert werden. Es ist die Gegenthese zum weither
Winter – die Frostgrenze ist 10 bis 12 Grad plus. Das andere
geholten, extern produzierten Produkt, mit Ressourcen vor Ort,
war, ob sie sogar Früchte produzieren: Wir haben tatsächlich
die sowieso da sind, synergetische Nutzung zu betreiben und
eine Ananas geerntet, sieben bis acht Papayas und sogar 42
dann Nahrungsmittel vor der Haustür oder in unmittelbarer
Bananen. Die Bananen waren natürlich klein, die waren nur
Nachbarschaft mit anderen gemeinsam zu züchten. Ein
fünf Zentimeter lang, aber eine tatsächliche Frucht, die da
tropischer Gemeinschaftsgarten.
gewachsen ist. Das war natürlich toll für die Nachbarn und alle die mitgefiebert haben, wie es den Pflanzen geht. Ich
Eva
habe viel Feedback aus der Bevölkerung bekommen, auch
Jerome hat das sehr schön beobachtet. Es gibt insofern schon
immer noch zwei Jahre später: „Ah, Du warst das, ich habe
eine Verschiebung von der Pflanze, die performt im Sinne von
immer mitverfolgt, wie die Pflanzen wachsen…“ Da ist ein
Leistung im Expo-Pavillon oder auch in der Moos-Skulptur,
riesen Feedback aus der Bevölkerung und der Nachbarschaft.
um für den Menschen ein adäquates Klima zu schaffen – hier
Für mich war auch sehr wichtig, dass eine Gemeinschaft
stehen Mensch und Pflanze nebeneinander –, zu der Pflanze
entsteht, eine „Bananahood“, wie wir uns genannt haben
der “Oase No 8” oder jener in der Ausstellung im MAGAZIN, wo
– die PflanzenpflegerInnen und Freiwilligen, die dann
die Pflanze Identifikationsobjekt wird für den Menschen. Hier
auch vor Ort die Pflanzen betreut gegossen haben, dass es
verschwindet auch eine Grenze, die in den vorigen Projekten
nicht zu kalt und nicht zu warm wird, usw. Dass auch eine
vielleicht schon noch existiert hat, indem wir dazu angeregt
Identifikation mit der Nahrungsmittelproduktion entsteht.
werden, uns in die Pflanze hineinzuversetzen.
Das wirft natürlich die Frage auf: Wiederholen und vor der Haustüre Tropenpflanzen anbauen? Wir haben anscheinend die Energie, die Überschussenergie. Unsere Städte laufen noch 15
Photo: MAGAZIN
nicht in Kreisläufen. Das Ziel wäre, dass man irgendwann die
Sonne gebraucht, damit die Bananen richtig ausgereift und
Energien wirklich im Kreislauf führt und nicht verschwendet
gelb geworden wären – aber das ist nicht möglich gewesen.
oder verpuffen lässt. Matthias Matthias
D.h. Bananen wachsen doch nicht in Graz? Aber es gibt ja
Die andere Figur dieser Situation der Identifikation mit der
Tageslichtlampen und die Emanzipation ist ja eine von einem
Pflanze im Pneu ist ja der Wunsch selber drinnen zu sein!
gesamten Gefüge, in das etwas eingefügt ist.
Den gab es ja als emanzipatorisches Projekt in den 1960ern. Jetzt scheint das emanzipatorische Projekt jenes der Pflanze
Markus
geworden zu sein, nicht mehr jenes des Menschen. In den
Die MAGAZIN-Installation soll genau diese Fragen stellen.
Sechzigern sind sie nackt durch die Stadt in so einer Pneu-
Es ist ein abstraktes Setup mit gewissen Komponenten –
Kugel gelaufen und jetzt emanzipiert sich die Pflanze von
noch dazu funktionierend, also technisch auch wirklich
einem bestimmten historischen Ort, von einem bestimmten
laufend, ein lebender Organismus, eine Konfiguration von
klimatischen Gesamtzusammenhang, von einem bestimmten
architektonischem Element, Klima, Pflanze und Beleuchtung.
Zusammenhang seiner Kultivierung, usw.
Aus dem heraus kann man wieder Themen ablesen: Mir ist es vorwiegend darum gegangen, diese Komponenten in
Markus
ein attraktives Setup und eine Form zu bringen, die ich für
Es ist nicht nur die Emanzipation, sondern die Klimaverschie-
wichtig halte.
bung. Also wenn man sich jetzt die “Oase No 8” anschaut, dann hat sie ein tropisches Klima, das eigentlich nur in
Jerome
den Subtropen, also in Ecuador, Costa Rica und in Ländern
Welchen Begriff von Architektur vertrittst Du eigentlich?
wie diesen existiert. D.h. wir haben in Graz mit der eigenen
Das architektonische Element, wenn man traditionell
Abwärme, mit dem eigenen Müll den man sozusagen ausstößt,
denkt, das in deinen Arbeiten immer wieder kommt ist
das Klima hergeholt. Natürlich hat man auch gesehen, dass die
das Thema der Hülle: im Pavillon in Mailand, diese Art
Lichtverhältnisse viel zu schlecht sind im Winter, man hat da
Innenhofsituation, wo die Hülle der Architektur dieses Klima
viel zu wenig Licht, dass Bananen ausgereift wären. Wir haben
eigentlich erst zusammenhält und dadurch erst funktioniert.
im September die Blüte gehabt, im Oktober waren die Früchte
D.h. die Architektur spielt neben dem Wald doch auch eine
sichtbar und natürlich hätte es da noch fünf Monate volle
wichtige Rolle; und auch im MAGAZIN oder in der “Oase No 8”, wo diese pneumatische Hülle ja transparent ist, sie sich quasi in den Hintergrund stellt, ist sie ja das eigentliche architektonische Element. Welche Rolle nimmt die Hülle in Deinem Architekturbegriff ein? Da gibt es ja Konzepte in der Anthropologie – das Prinzip der Körperausschaltung –, nach denen Bemühungen des Menschsein darin bestehen, dass man sich Werkzeuge baut, um so etwas wie eine Körperausschaltung zu erreichen, also den Körper von gewissen mühsamen Lasten zu befreien; was anfängt mit Steine werfen, um sich Gegner vom Hals zu halten und dann so weit geht wie Sprache und Wohnungen, also Architektur. Markus Ich habe, als Du jetzt gefragt hast, sofort an die Konzepte von Philippe Rahm gedacht, wie er er den Raum sieht. Er definiert, das gefällt mir sehr gut, den behaglichen Raum als den Raum wo Du mit angenehmer Kleidung sitzen und Dich aufhalten kannst. Sagen wir 21, 22 Grad, genug Luftfeuchtigkeit, kein Luftzug. Wenn Du das machen kannst, mit welchen Mitteln auch immer, dann ist es komfortabel und angenehm. Das braucht aber noch nicht zwingend eine Wand, es braucht auch kein Fenster, keinen Boden und keine Decke. Es ist sehr interessant für mich, von dem auszugehen, was ich haben will, nämlich vom Klimatischen oder von dem was ich zum Leben brauche – und nicht in erster Linie von tradierten Mustern: Wie gestalte ich meine Fassade? Wie groß mache ich meine Öffnungen? Was will ich bei diesem Projekt aussagen? In 17
Photo: MAGAZIN
welche Stilelemente will ich mich einordnen? Und so weiter,
thermischen Raum zu erzeugen. Das geht ja schon ein bisschen
das ist eher sekundär. Ich würde sagen, auch nicht die Hülle
mehr in Deine Richtung Markus, habe ich das Gefühl, diese
ist mein präferiertes architektonisches Element, sondern das
Art von Architekturverständnis.
klimatische und ökologische Konzept. Markus Jerome
Ja, ich will mich nicht verwehren gegen architektonische Mittel,
Eins fällt mir dann noch ein. Ich weiß nicht, ob jemand von
ganz und gar nicht. Ich finde auch das Beispiel mit der Ur-Hütte
Euch sich schon einmal diese Anekdote der Ur-Hütte von
ganz spannend. Es gibt eine sehr große Grünbewegung, die
Laugier wirklich durchgelesen hat. Der Text ist sehr sagenhaft
bis in die Architektur hineinreicht, die sagt: “Wir wollen raus
aufgebaut, er spricht vom Menschen in so einer Art Urzustand
aus diesem kapitalistischen System und wir wollen eigentlich
– schon nicht mehr Affe, vielleicht noch nicht ganz Mensch.
aussteigen!” Aber diese Weltflucht ist kurzfristig. Da gibt es eine
Er liegt da auf der Wiese, es geht im gut, alle seine Bedürfnisse
schöne Geschichte, wo der König, wie draußen die Pest wütet,
sind in Balance und dann fängt es auf einmal an zu regnen.
sagt: „Schließt die Tore!“ Natürlich kommt dann die Pest in die
Dieser Regen stellt so etwas wie ein Problem dar, das gelöst
Burgmauern hinein mit irgendeiner Ratte durch irgendeine
werden muss. In seiner Anekdote entsteht das, was auch
Ritze, und dann sterben auch seine eigenen Leute nach und nach.
verbildlicht worden ist, als diese Dreiecksgiebelfigur mit den
Er verschließt sich in seinen Gemächern, irgendwann klopft es und dann steht der Tod persönlich vor der Türe. Es gibt also kein Entrinnen, keine Weltflucht. Ich möchte nicht sagen, dass wir zurück in die Erdhöhle müssen, denn ich finde, dass elektrischer Strom heute genauso dazugehört wie Luft und Wasser – auch die Kommunikationstechnologien kann man nicht ausschalten. Ich suche vielmehr nach intelligenten Lösungen die ökologisch sind! Die Ökologie als Begriff, diese Balance von Individuum und seiner direkten Umwelt, davon sind wir weit weg als menschliche Kultur. Ich denke, dass wir mit dieser Überwindung der Dialektik Natur vs. Kultur (Technik) viel weiter kommen, um neue Lösungen zu entwickeln. Insofern sage ich: Es ist das architektonische Element anzuwenden - auch wenn es erst erfunden werden muss
- das notwendig ist, um einen
synergetischen und ökologischen Zustand herzustellen. Das wird die Aufgabe der nächsten Jahre sein. Ich weiß selber noch nicht wie das aussehen wird. Jerome Mir fällt jetzt gerade noch zu diesem Reyner Banham-Zitat ein, dass man vier Säulen der Baumstämme, was einen Formenkanon für die
ein Feuer machen kann, um einen Raum zu erzeugen: Ich
zukünftigen 5000 Jahre darstellen soll – natürlich eigentlich
erinnere mich an die Eröffnung der Olympischen Spiele in
sehr absurd. Aber d.h. schon bei Laugier ist dieser Gedanke,
Peking, wo Chemikalien in die Luft gebracht worden sind,
dass Architektur eine Auseinandersetzung mit dem Wetter ist.
um Gewitter zu verhindern, damit man das bombastische Feuerwerk sehen kann – wo es vielleicht ökologisch sinnvoller
Eva
gewesen wäre, ein großes Dach zu bauen und ein Indoor-
Ich habe in Erinnerung, dass genau das von Reyner Banham
Feuerwerk zu veranstalten.
aufgenommen wird. In einer Parabel sagt er, dass man Holz dazu nützen kann, ein Dach zu bauen. Ebenso ist es aber
Markus
ein architektonischer Akt, ein Lagerfeuer zu machen, und
Natürlich. Das ist jetzt die Kategorie des Geo-Engineering, wo
Holz zur Gewinnung von Wärme zu verwenden und einen
man versucht in geologische Prozesse einzugreifen. Das machen 19
Photo: MAGAZIN
wir als menschliche Kultur schon seit Jahrtausenden. Allein die Landwirtschaft ist eigentlich die erste große “Technologie” des Menschen, die wirklich sehr viel bewirkte. Und wenn man sich vorstellt was wir mit Dingen machen wie Gentechnik… Ich n den sechziger Jahren gab es so große Innovationen und Entdeckungen in der Menschheitsgeschichte, dass die Mathematik und die Physik als Königsdisziplinen der Wissenschaften völlig abgelöst wurden. Die Medizin und die Biotechnologie sind die neuen Disziplinen, wo die grösste Innovation passiert. Wenn man sich die Gentechnologie in der Landwirtschaft anschaut, gibt es Effekte, die wir nicht mehr kontrollieren können. Wir haben gentechnisch veränderte Pflanzen, da wächst das Unkraut nicht mehr; dann werden im nächsten Jahr die Schädlinge wieder resistent dagegen, weil sie mutieren oder sich anpassen, und dann braucht man wieder neue Entwicklungen und so weiter. D.h. der Mensch löst Reaktionen im Ökosystem aus, die man zwar primär entwickelt hat, damit der Mais oder die Pflanzen besser wachsen, aber indirekt das Ökosystem der Erde in gewisser Weise verändern, ohne dass man es rückgängig machen könnte. Mit diesen Dingen muss man sich konfrontieren. Es ist zu komplex, als dass man mit einer einzigen Vorgangsweise darauf antworten könnte. Das System ist einfach zu groß und durch diese „Interkonnektivität“ ist alles verstrickt miteinander, sodass man als Einzelakteur nicht entfliehen kann. Es ist immer die große Frage: Was kann ich als Einzelperson tun? Ich “muss” natürlich gar nichts tun… Aber auch ich habe mit meinen zwei Händen eine Kraft, die ich auf mein direktes Umfeld ausüben kann, die
No 8” anschauen konnten, während sie gegessen haben, usw.
enorm sein kann.
Das habe ich nur als Beispiel gebracht, weil es sehr auffällig gewesen ist. Man fragt sich sofort, was es ist und irgendwann
Matthias
einmal will man es gar nicht mehr weg haben. Das war auch
Dieses Beispiel der Olympia-Eröffnung hatte nicht nur eine
bei meinem Gewächshaus im Rahmen der Viena Biennale
funktionale Komponente, sondern auch eine symbolische,
2017 am Karlsplatz so, da gibt es eine Identifikation damit. In
denn plötzlich schafft es jemand für die Eröffnung der
meinem neuen Buch „Urban Oasis“, das im August im Kerber
Olympischen Spiele das Wetter zu verändern – das ist auch
Verlag erscheinen wird, gibt es auch ein Interview mit Laurids
das einzige, an das ich mich erinnern kann, ein wirkliches
Ortner von Haus-Rucker-Co. Wir haben intensiv darüber
Ereignis. Vor dem Hintergrund der Kulturgeschichte mit z.B.
gesprochen, dass es attraktive Stadträume braucht, die auch
Moses, der es schafft, irgendwie das Meer zu spalten und so
zur Stadt gehören, Identifikationsräume – Gebäude, an denen
weiter, hat das eine enorme symbolische Bedeutung. Und
wir uns orientieren, erinnern, usw. Eine Gewächshauskultur,
wir haben vielleicht noch zu wenig über die symbolische
die super funktioniert, kann nur bedingt das ästhetische
Dimension Deiner Arbeit gesprochen. Bei der Eröffnung der
Auge, - der Mensch ist ein “Augentier” wie Laurids Ortner es
Ausstellung im MAGAZIN hast du z.B. gesagt, dass Du gezielt
bezeichnet, befriedigen.
nicht Gewächshäuser verwendest, die zwar mehr Performanz anbieten würden, aber aus gewissermaßen ästhetisch-
Matthias
symbolischen Gründen wählst du Diese pneumatischen
Aber nicht nur das Ästhetische, denn da kommt noch eine Ebene
Strukturen. D.h. Deine Wahl der Materialien und der Dinge ist
hinzu, denn wenn Du ein Gewächshaus hingebaut hättest in
ja nicht nur funktional, denn sonst wären sie gänzlich anders.
Graz, dann ist das Gewächshaus eine alltägliche Architektur. Jeder war einmal in einem Gewächshaus, jeder kennt Gewächshäuser,
Markus
usw. Und dann drängt sich die Frage auf: In welche Architektur
Absolut. Bei der “Oase No 8” in Graz habe ich z.B. eine Form
verpackt man eine konzeptionelle Radikalität? Oder welche
oder ein Erscheinungsbild gesucht, das einem hohen
architektonische Formensprache ist für ein radikales Konzept
ästhetischen Anspruch auch entsprechen kann. Man hat es
angemessen? D.h., dass die Darstellung der Hybridität in
vom gegenüber liegenden Gastgarten gesehen. Die Inhaber
Deinem Sinne etwas anderes braucht als das Gewächshaus, das
waren voll begeistert, haben mich eingeladen und zu sich
ja absurderweise einerseits eine paradigmatische Architektur
gebeten. Sie waren so begeistert, weil ihre Gäste auch die “Oase
der Hybridität ist und andererseits – da sie zu einer alltäglichen 21
Photo: MAGAZIN
Architektur geworden ist – heute alles andere ist als die
Walter Pichler, Hans Hollein und Haus-Rucker-Co – hochgradig
Darstellung einer radikaleren Hybridität.
inspirierend. Bereits in meiner Studienzeit an der Kunstuni Linz hat mich das sehr früh fasziniert, Archigram und wie sie
Markus
alle geheißen haben. Da sind so viele Ideen reingekommen
Wenn man solche Dinge macht, dann braucht man auch ein
in die Architektur über die aufkommenden Themen der
neues Erscheinungsbild, aber nicht zwanghaft, denn wenn man
Ökologie-Bewegung. Es hat die erste Mondlandung gegeben,
ganz tief in die Materie eintaucht und gräbt in den klimatischen
die erste Ölkrise, die ersten Außenbilder vom Planeten Erde.
Prozessen – das machen wir auch beim „Breathe Earth Collective“
“The Blue Marble” ist ja dann sehr bekannt geworden als die
immer wieder –, dann kommt man zwar auf Lösungen, aber
einflussreichste Landschaftsfotografie aller Zeiten vermutlich.
man darf auch das ästhetische Auge nicht vergessen. Dann gibt
Das sind wichtige Inputs für die damalige Kunst- und
es eine Zusammenführung von klimatischen Benefits und
Architekturszene gewesen. Die “Oase No 8” nenne ich ja genau
auch räumlichen Benefits, die gemeinsam etwas sehr starkes
deswegen so, weil es 1972 das “Oase Nr. 7”-Projekt in Kassel von
ergeben, das wir vorher nicht in der Art kannten.
Haus-Rucker-Co gegeben hat, aber nur mit Plastikpalmen drinnen. Ich wollte das bewusst wiederholen, auch im Titel
Florian
schon zitieren und zeigen, dass es mit einem wirklichen,
Um nochmal auf das Interview mit Laurids Ortner
funktionierenden Ökosystem, mit wirklicher Ernte nochmal
zurückzukommen: Wenn man sich Deine Arbeiten anschaut
weitergeht. Und eigentlich müsste es noch eine Nr. 9, Nr. 10,
– die “Oase No 8” in Graz und die Ausstellung “Building
Nr. 11 geben und viele mehr… In meiner Ausstellung “Building
Weather” im MAGAZIN in Wien –, dann haben die schon den
Weather” im MAGAZIN wollte ich auch mit der pneumatischen
Anschein, dass die Arbeiten aus den 1960er-Jahren und z.B. das
Skulptur diese Formensprache der 1960er bewusst zitieren,
“Mobile Büro” von Hans Hollein ein starker Ansatzpunkt oder
weil ich finde, dass da sehr viel auf der Strecke geblieben ist in
Impuls für Deine Projekte sind. Hast Du einen direkten Bezug
den darauffolgenden Jahrzehnten, was sich hätte entwickeln
zu diesen Arbeiten? Sind das Themen die Dich interessieren
können. Wir sind weit weg von den Thesen und dem
und die Du weiterentwickeln willst?
metabolistischen Denken, welches damals proklamiert wurde und heute sind noch immer 80 % des Ressourcenbedarfs aus
Markus
Fossilen statt erneuerbaren Energieträgern gedeckt. Ich finde
Danke für die Frage. Ja das ist bislang noch viel zu kurz
da ist noch viel Weg zu machen, wenn man die Visionen der
gekommen. Ich finde die Arbeiten der 1960er – im speziellen
1960er und 70er-Jahre nur annähernd erreichen möchte.
23
Photo: MAGAZIN
Matthias
beschränkten Fläche vorhanden und die Pflanzen wissen
In der Projektentwicklung gab es ja den Schlüsselmoment, wo
es ist hart; wir müssen hier jetzt mit den anderen Pflanzen
Du zuerst die klassischen Lüftungsrohre als herkömmliche
gemeinsam auf kleinstem Raum existieren. Und da haben sie
Elemente durch die Ausstellungsräume ziehen wolltest und
sich in verschiedenen Stockwerken angesiedelt. Bei mir in der
dann gab es den Wechsel hin zu sowas wie einem Organismus
“Oase No 8” waren ganz oben die Bananen, in der mittleren
aus Pneus.
Ebene die Berg-Papayas und ganz unten die Ananas. Die waren perfekt aufeinander abgestimmt, eben in solchen Stockwerken
Markus
auf einer Fläche von nur 8 m2 und das musste sich ausgehen.
Ja, da geht es um genau das, was du vorher auch schon
Die Serienschaltung im MAGAZIN ist jetzt natürlich interessant
angerissen hast. In Graz bei der “Oase No 8” das normale
im Vergleich zu der Vertikalität. Ganz hinten in der letzten
Gewächshaus zu verwenden, das wäre nicht annähernd so
Kammer z.B. haben wir die Ananas. Geht sich das aus? Wird sie
stark gewesen... Genauso hätte ich hier, wenn ich mit den
überleben oder wird sie sogar sehr vital? Wie passen ihr dort
originalen Lüftungsquerschnitten gearbeitet hätte, mit diesen
die Bedingungen? Das ist auch ein großes Experiment und
harten Blech-Röhren, zwar einen Körper geschaffen, der das
hoffentlich auch kein Leiden für die Pflanzen. Aber sagt ihr
vorhandene Lüftungssystem in der gleichen Formensprache
doch mal, wie geht es denn den Pflanzen?
weiterführen würde. Aber das wäre einfach zu wenig gewesen. In einem Rahmen, wo wir über experimentelle Architektur sprechen und wo Thematiken wie Klima und Ressourcen verhandelt werden, habe ich nach einer Raumlösung und Ästhetik gesucht, die man noch nicht gesehen hat. Ich wollte einen Erfahrungsraum kreieren im MAGAZIN, den man so noch nicht erlebt hat. Mit dem Materialwechsel auf die pneumatische Skulptur glaube ich das gefunden zu haben, wo man dann plötzlich hineinschauen kann in das Lüftungsrohr. Das wollte ich immer schon mal machen: Was ist im Lüftungsrohr drinnen? Wieviel Wind weht? Bewegen sich die Blätter der Bananenpalmen? Ist es kälter? Wird die Banane braun? Usw. Matthias Damit machst Du auch einen formalen Schritt, der mir nicht bekannt ist. In den 1960er- und 1970er-Jahren sind die Pneus ja immer singulär. Jetzt machst Du eine Zusammenschließung von mehreren singulären Pneus und dann wird sowas wie ein Organismus daraus. Das scheint eine formaler Weiterentwicklung in der Architekturgeschichte zu sein, die – zumindest mir – noch nicht bekannt ist. Du machst damit also eine gewisse formale Erfindung, da Du die Formen nicht nur rezipierst, sondern in der Staffelung werden sie dann zu einem Organismus mit mehreren Pflanzen im selben Kreislauf, die alle miteinander verbunden sind. Da eröffnet sich über Deine Arbeit die Möglichkeit eines neuen Nachdenkens über die Projekte der 1960er. Eva
Jerome
Ich finde das auch schön beobachtet, weil es sind eben nicht die
Ich würde sagen blendend. Die Bananen, sowohl die erste als
einzelnen Bubbles, sondern es ist eben das Lüftungsrohr, das Dir
auch die zweite, falten jetzt schon wieder das nächste Blatt aus
so wichtig war, auch inkludiert. Es findet eine Verästelung statt.
und auch die Ananas schaut ganz gut aus.
Jerome
Matthias
Es richtet den Fokus auf den Kreislauf und nicht auf das Objekt.
Sie sehen viel besser aus als damals, als du sie gebracht hast.
Markus
Markus
Genau, ja. Wenn man sich eine Wüstenoase ansieht, da gibt
(Lacht) Ich bin gespannt was mit ihnen passieren wird in der
es eine Staffelung in der Vertikalen. Wasser ist nur auf einer
nächsten Hälfte der Ausstellung. 25
Photo: MAGAZIN
Matthias
Daten über Dich sammelst. Du optimierst Deinen Schlaf, Du
Es ist sehr schön, dass Du über die Pflanzen eine Zeitlichkeit in
optimierst Deine Ernährung, Du optimierst Deine Fitness … Das
die Ausstellung reinberingst, wo man eigentlich mindestens
wird alles über Datensätze aufgezeichnet und es verbildlicht
zweimal kommen müsste, z.B. bei der Eröffnung und bei der
unendlich viele Informationen über Erfahrungen, die Du zwar
Finissage, weil die Pflanzen sich doch stark verändern. Es
selber machst, aber die vor 10 Jahren nicht verfügbar waren. Wir
verändert sich wie sie den Raum einnehmen im Pneu usw.
leben ja ganz genau in einem zeitlichen Moment, wo aufgrund von Big Data-Verarbeitungsmöglichkeiten eine technisch noch
Markus
nie dagewesene Möglichkeit der Verbildlichung schaffen wird.
Es ist tatsächlich ein Prozess der total interessant ist. Man
Auch für den Verbrauch von Energie...
ist immer nur für einen kleinen Augenblick dabei. Das finde ich schön, wenn sich Projekte über den ganzen
Markus
Ausstellungszeitraum verändern oder nie gleich aussehen.
Ja, das ist richtig! Ja, es ist eine Datenflut letzten Endes.
Ich habe mal eine Arbeit gemacht die hat geheißen „Your
Abstrakte Daten. Also Laurids Ortner z.B. hat gesagt: „Was
presence has consequences“ . Allein dadurch, dass Du existierst,
interessieren mich die Daten dahinter, mich interessiert
hast du schon einen Einfluss auf die Dinge. Du atmest aus, Du
nur das Bild der Blase!“ Natürlich, das ist auch ein Zugang.
hast eine Körperstrahlung, Du tust was, Du konsumierst. Ich
Aber ich möchte absichtlich in meiner neuen Publikation
habe heute gehört, dass wenn man 100 Begriffe googelt, so viel
eben auch diese Datenebene:, alle 45 Minuten haben wir
Energie verbraucht wird wie du aufwendest, wenn du 10 km
einen Bezugspunkt, wo wir Luftfeuchtigkeit, Außen- und
zu Fuß gehst. Das ist eine Kilowattstunde als Äquivalent zum
Innentemperatur,
Vorstellen, die da verbraucht wird bei 100 mal googeln. D.h.
Prozentzahl usw. gemessen haben. Das wird
man kommt der Konsequenz, dem Einfluss auf die Welt nicht
sogenannten Energiebilanz mitpubliziert, um die Stadt
davon. Das war aber über eine Stunde schon jetzt!
durch Zahlenreihen zu veranschaulichen. ch habe durch
Boilertemperatur,
Ventilatorzustromin dieser
dieses Projekt gelernt, durch das oftige in der „Oase No 8“ zu Jerome
sein, die Stadt als Temperaturen zu lesen. D.h. man kann sich
Jetzt reicht es auch so langsam! Wieviel Energie wird
über so ein Projekt, und über das Lesen der Zahlenreihen,
verschleißt nicht beim Googeln von zehn Begriffen, sondern
oder auch diesen Erfahrungsräumen ein feines Gefühl für
beim Skypen? Da müssen wir jetzt auch so langsam auf
Temperaturen, Wind, Wetter, Lichtverhältnisse, usw. erarbeiten.
unseren Fußabdruck achten, oder?
Zuerst sehen wir nur Zahlenreihen; aber wer genauer hinsieht, erkennt das Temperatur-Bild der Stadt. Und es wäre
Markus
schön, wenn BetrachterInnen und Betrachter auch Bilder
Das weiß ich nicht, aber in meinem neuen Buch schreibt
zu den Zahlen bekommen, und die Kunst und Architektur
Wolfgang Kessling von „Transsolar“ genau zu diesem Thema,
Erfahrungsräume schafft, um das zu ermöglichen - zu einer
wie man sich Energie vorstellen kann. In seinem Artikel
ökologischeren Lebensweise beizutragen letzten Endes. Was
versucht er einen Perspektivenwechsel von „Energie zum
ich mit meiner Arbeit versuche, ist die abstrakten Zahlen,
Nutzen“ hin zum „Nutzen von Energie“ zu vollziehen. .B. mit der
die Informationsebene, physisch sichtbar zu machen. Und
Energie, mit der man das Handy auflädt, einer Handyladung,
nicht noch mehr Apps am Handy, Matthias, sondern eben die
kann man viel machen. Man kann Map-Dienste nutzen,
Übersetzung dessen, das Spürbar-Machen am eigenen Körper
telefonieren, im Internet surfen, usw. Wenn man die gleiche
ohne nachdenken zu müssen. Und wenn das jeder im Bauch
Energie hernimmt, um Kaffee zu kochen dann kommt man
hat, im Bauchgefühl hat, dann brauchst Du im Prinzip keine
nicht weit , denn es benötigt ein Vielfaches der Energiemenge
Handy-App mehr und hast trotzdem ein gesundes Leben oder
eines Smartphones. Es geht also Energiemengen greifbar zu
ein längeres Überleben, wenn man das will. Man muss nicht!
machen. Denn wir haben de facto heute als Gesellschaft keine
Man kann auch mit Vollgas weiterfahren und hinter mir
Begriffe von Energie.. Ich finde diese Gegenüberstellungen
die Sintflut. Egal, das kann man auch, natürlich. Es ist jedem/
spannend, sie sind greifbar und das habe ich letzten Endes mit
jeder seine eigene Entscheidung, natürlich! Es ist jetzt nicht
der „Oase No 8“ versucht - Energien oder Energiemengen (z.B.
so didaktisch: „Wir müssen uns ändern auf jeden Preis, sonst
Abwärme) sinnlich greifbar zu machen. Also dieses sinnliche
werden wir nicht überleben auf diesem Planeten…“ Sondern,
Erlebnis, das ist auch im „Breathe Earth Collective“ sehr wichtig,
ich lasse es offen.Es ist ein Angebot. Aber am Ende werden die
dass wir die Dinge angreifbar machen.. Letzten Endes ist es
Meere vertrocknen und die Erde wird von der Sonne sowieso
genau diese Erfahrung und dieser Erfahrungsraum, der uns
irgendwann mal verglüht und geschluckt in Jahrmilliarden
prägt. So ein Atemerlebnis oder so ein „Naturerlebnis“ bleibt
von Jahren, d.h. irgendwann müssen wir sowieso eine Lösung
stark in Erinnerung.
finden. Aber das ist ein ganz anderer Zeithorizont jetzt, den lassen wir aus…
Matthias Mir ist gleich der Trend der Körperoptimierung eingefallen, die in Zusammenarbeit mit dem Handy operiert, wo Du alle 27
M A G A Z I N . Ausstellungsraum für zeitgenössische Architektur. Weyringergasse 27/i A- 1040 Wien info@architektur-im-magazin.at architektur-im-magazin.at
Das
MAGAZIN
ist ein Ausstellungsraum für zeit-
genössische Architektur in Wien, den der Verein für zeitgenössische Architektur betreibt und der 2018 von Jerome Becker, Matthias Moroder, Clemens Nocker, Florian Schafschetzy und Eva Sommeregger gegründet wurde. Das MAGAZIN fördert vor allem junge Architektinnen und Architekten aus dem In- und Ausland, die dabei sind
sich
im
eigenständig
zeitgenössischen zu
positionieren
Architekturdiskurs und
in
deren
Architekturprojekten bereits ein eigenes Arbeitsprojekt abzulesen ist. Das MAGAZIN präsentiert die Arbeit dieser vor allem jungen Architektinnen und Architekten in eigens für den Ausstellungsraum konzipierten Einzelausstellungen und rundet diese mit dazugehörigen Publikationen sowie Vorträgen ab.
Alle Photos: Moritz Ellmann Schriftarten: modum, RNS Miles Breite Gasse Publishing Wien 7,. Breite Gasse 3/2 978-3-9504111-3-3 ISBN 978-3-9504111-2-6
Für Ihre Unterstützung möchten wir vor allem dem 4. Wiener Gemeindebezirk und dem österreichischen Bundeskanzleramt danken.