MAPPING 'SOCIAL ARCHITECTURE' by MARLENE WAGNER

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Marlene Wagner MAPPING ‚SOCIAL ARCHITECTURE‘: ZWISCHEN SUCHEN UND WIRKEN OKTOBER 2018

Die

Architektin

Marlene

Wagner

verhandelt

im

getestet

werden.

Ein

Raster

als

raumbildende

MAGAZIN - in und mit dem Format der Ausstellung -

Installation hinterfragt Wahrnehmung und Ästhetik

Raumproduktion als interkulturelle und transdisziplinäre

von Raum und Material und kartographiert dabei

Praxis.

die

Prozesse der Reibung, Bewegung und die AkteurInnen

Wechselwirkung von Design, Produktion und Nutzung

innerhalb der Räumlichkeiten des MAGAZIN. Ein

vermittelt, und kann durchlebt und auf ihre Sinnstiftung

Sesselkreis sogenannter „social furniture” definiert

In

einer

räumlichen

Schleife

wird

eine Feuerstelle für Austausch, Reflektion und Wissensproduktion. Als

Artefakte

der

kollektiven

Raumproduktion diskutieren sie Lebenszyklus von

und

Perspektiven

Architekturschaffenden,

Organisationen und NutzerInnen. Projektionen

audiovisueller

Repräsentation unterschiedlicher Perspektiven zu Marlene Wagners eigener

Arbeit

des

„Kollektiv

Bauens” spannen kontinuierlich zu untersuchende Rahmen auf. Mehrere Veranstaltungen sind fixer Teil der Ausstellungskonzeption. Für die Midissage transformiert sich der Raum des MAGAZIN mit der Aufführung der preisgekrönten Dokumentation Break”’ Kino

in und

ein

„The

Shore

nicht-formelles

verbindet

Material,

Ressourcen, globale Entwicklung und persönliche Wirkungsmacht. Eine öffentliche Gesprächsrunde im

Rahmen

Week”

der

mit

„Vienna

Art

internationalen

Positionen

aus

Architektur,

Aktivismus,

Entwicklung

und

Politik diskutiert Potentiale und Grenzen der sozialen Dimension von

Architektur,

gemeinsamem

Suchen und Wirken



Matthias Moroder Könntest du kurz zur Entwicklung von „Design-Build“-Projekten

sprechen,

es

ist ja nicht sicher, ob diese bereits als „Social

Architecture“

zu

bezeichnen

sind? Bzw. wie kommst du überhaupt zu deinem Architekturansatz? Wir haben ja schon einmal darüber gesprochen, wie „Design-Build” durch das „Rural Studio” von Samuel Mockbee etc. um die Jahrtausendwende in den akademischen Diskurs eingeführt wird. Marlene Wagner Ich würde das schon trennen: „DesignBuild” ist etwas anderes als „Social Architecture”. „Design-Build” hat meine Karriere beeinflusst und meine Art über Architektur nachzudenken. Das hat damit begonnen, dass ich 2005 an

einem

„Design-Build”-Entwerfen

von Peter Fattinger auf der TU Wien teilgenommen habe. Der österreichische „Design-Build“-Kontext von

„Rural

Studio”

inspiriert

und

bestärkt

durch die Tsunami-Katastrophe von 2004 in Südostasien – hat mit einem Marlene Wagner arbeitet und forscht seit über 10 Jahren zu

gleichzeitigen Interesse von Christoph Chorherr (Wiener

Methoden der Partizipation und Architekturvermittlung,

Gemeinderat und Landtagsabgeordneter), Peter Fattinger

formeller

und

(TU Wien) und Dietmar Steiner (Architekturzentrum Wien)

nachhaltigen Entwicklungsprozessen. Als Gründungsmitglied

seinen Anfang genommen. Die Idee war dabei immer die,

der Non--Profit-Organisation „buildCollective”, einer selbst-

dass die Ressourcen und die Energie der Studierenden,

initiierten, alternativen Architekturpraxis, realisierte sie

vielleicht auch deren unentgeltliche Arbeitskraft, in etwas

in unterschiedlichen Kooperationen mit Firmen und

Sinnvolles und Nachhaltiges übersetzt wird. Man wollte eine

NGOs eine Vielzahl von Schulbauten, sowie technische

Situation erzeugen, die für alle Beteiligten Vorteile bietet

und kulturelle Infrastruktur (Projektpartner u.a.: „s2arch”,

und in der die Studierenden sich und ihren Entwurf in der

„Education Africa”, die „Ithuba Schulen”, „Bank Austria” und

„echten“ Welt testen können: Es ist ja tatsächlich etwas ganz

Gemeinden in Südafrika). Projekte und Forschung brachten

anderes, ob man für das Selbstbauen entwirft oder für die

sie mehrfach auch nach Tansania, Kenia, USA, Italien,

professionelle Baufirma.

England und Deutschland. Als

und

nicht-formeller

Raumproduktion

externe Lehrbeauftragte

Durch Kontakte des Sohns des Wiener Alt-Bürgermeisters

arbeitete sie an der Fachhochschule Kärnten, der University

Helmut Zilk, der in Südafrika gelebt hat, zur lokalen

of the Witwatersrand in Johannesburg, dem FH Campus

südafrikanischen NGO „Education Africa” und deren

Wien und der Kunstuniversität Linz. Seit 2017 ist sie Teil der

Zusammenarbeit mit „s2arch”, Christoph Chorherrs NGO, sind

Forschungsgruppe „Multidisciplinary Design & User Research”

Projekte dort möglich geworden. Von Anfang an dabei waren

am Institute for Human Centered Design and Visual Research

auch die Universität Innsbruck, die Kunstuniversität Linz, die

der TU Wien und ist in verschiedenen Kulturprojekten tätig.

TU Graz und die Fachhochschule Kuchl. So ist es Südafrika als Kontext geworden. Das „Masimbambane College” in Orange Farm, Johannesburg, wurde schon davor durch die Stadt Wien unterstützt. Statt ein völlig unbekanntes Gebiet, wie das

Gespräch mit Marlene Wagner

der Tsunami-Katastrophe als Projektort auszuwählen, wurde hier auf bereits bestehende Kontakte zurückgegriffen.

Im Oktober fand ein Treffen zwischen dem kuratorischen

„Social Architecture” wiederum verstehe ich als kritische

Team und Marlene Wagner statt, um in einem Gespräch die

und aktivierende Auseinandersetzung von Raum- und

Hintergründe der in Wien neu entstandenen Installation zu

Architekturproduktion, also dem Prozess des Fragens von

beleuchten und sie zu kontextualisieren .

wer, wie und warum? Dies ist sicherlich inspiriert von der


Photo: MAGAZIN


Ausweitung des Aufgabenbereichs des „Design-Build”-

dicht-bebauten Kontext weniger gut experimentieren, als in

Gedanken und der Arbeit im globalen Süden, aber lässt

einem weniger formellen Umfeld bzw. in der Peripherie. Mit

sich genauso in herkömmlichen Gestaltungsprozessen bzw.

der fehlenden Infrastruktur Alabamas kann man einfacher

unterschiedlichen Maßstäben und Kontexten betrachten und

agieren – ich glaube daher, dass auch bei „Rural Studio” der

vielleicht sogar anwenden. Es geht quasi um die Strukturen

Fokus eher auf den Maßstab 1:1 gerichtet ist.

und Räume die hinter bzw. die vor, mit und nach der

Wenn man als Universität z.B. ein Privathaus für eine Nutzerin

Produktion von Architektur entstehen und wie man diese

baut, die sich ein Eigenheim nicht leisten kann, dann sind

sichtbar machen bzw. erleben, teilen oder sogar planen kann.

die Verhältnisse schwieriger. Wenn sich die Architekturlehre am Allgemeingut, am Bauen für viele erprobt, ist das etwas

Matthias

anderes.. Ich kann über die Intentionen der Menschen nur

„Rural Studio” baut in einer nicht einmal postindustriellen

mutmaßen... Natürlich ist Bildung immer sozial. Es ist sozial an

Landschaft im sehr armen „Black Belt” im Westen Alabamas,

sich, dass man angehenden ArchitektInnen im Rahmen eines

vielmehr in einer großteils niemals industriell gewesenen

Entwurfsprojekts Fähigkeiten mitgeben will. Es geht ums

Landschaft, zum einen Infrastruktur, die von der öffentlichen

Lernen, um einen Umsetzungsprozess. Daher ist der „Design-

Hand nicht bereitgestellt wird und zum anderen leistbaren,

Build”-Ansatz für die Architekturausbildung interessant.

gut gebauten und sicheren Wohnraum für die dort lebende Bevölkerung. Da scheint „Design-Build“ und „Social

Matthias

Architecture“ sehr stark verzahnt zu sein.

„Rural Studio” operiert innerhalb der nationalen Grenzen, als Entwurfs-Studio an der Auburn University sogar noch enger

Marlene

innerhalb der Grenzen des eigenen Bundesstaates Alabama.

Es geht „Rural Studio” bzw. anderen „Design-Build”-Projekten

Bei den österreichischen „Design Build”-Versuchen findet im

im universitären Kontext natürlich in erster Linie um die

Bezug dazu eine große Verschiebung statt, denn man operiert

Architekturlehre und -ausbildung: um die Beschäftigung mit

nicht in Österreich, sondern in Südafrika, in dem diese Praxis

dem Maßstab 1:1. Es geht darum, das „Machen” und „Umsetzen”

in einen post-kolonialen Diskurs eingefädelt wird...

in der Architekturlehre zu verankern. Ich bin gar nicht sicher, inwiefern bei „Rural Studio” von Anfang an ein sozialer Nutzen

Marlene

mitgeplant war. Vielleicht handelt es sich hier ebenfalls um

…sie wird eben nicht in einen post-kolonialen Diskurs

einen Zufall bzw. um Kontakte und ein bereits vorhandenes

eingebettet – leider. Vor allem im Nachhinein sehe ich es

Netzwerk. Man kann in einem formellen, durchgeplanten,

als eine sehr neo-koloniale Geschichte. Im österreichischen Kontext ist es schwierig zu agieren, es gibt immer noch sehr wenige „Design-Build“Projekte in Österreich, da man sehr vielen Auflagen folgen muss. Der „Rural Studio“Kontext ist einer ohne viele Auflagen – er ist zwar zuhause, aber im Nirgendwo, wo keiner hinsieht. Es gibt Mängel, d.h., dass alles was passiert, viel positiver aufgefasst wird als innerhalb eines Systems, in dem vermeintlich schon alles funktioniert, wo Raum finanziell umkämpft und wo alles „vernormt“ ist. Es fehlt der Experimentierraum, dadurch schaut man in die Ferne. Das wärmere Klima spielt für das einfache Bauen mit Laien natürlich auch eine Rolle. Aber die Wahl des Ortes entstand für die österreichischen „DesignBuild“-Projekte

im

Endeffekt

durch

einen Zufall in Bezug auf die damals involvierten Haupt-Akteure und durch deren persönliche Kontakte. Jerome Becker Sind alle deine Projekte in einem akademischen Kontext entstanden? Gab es Ausnahmen?


Photo: Richard Pobaschnig


Marlene

aufgefallen, dass von den verschiedenen Akteurinnen und

Die besten, oder spannendsten, weil unabhängigsten Projekte

Akteuren ebenfalls Auflagen und Normen stark thematisiert

entstanden meiner Meinung nach ohne die komplette

wurden. In meiner Praxis beschäftige ich mich selbst viel

universitäre Einbettung, sondern in gleichberechtigteren

damit und möchte hier nun auch keine Wertung über

Partnerschaften oder auch in Zusammenarbeit mit kleinen

die verschiedenen Kontexte abgeben. Wie siehst du den

lokalen „grass-roots“-Organisationen.

Gegensatz zwischen dem Arbeiten mit vielen Auflagen, und

Vor allem durch die „Think Global, Build Social!“-Ausgabe

dem ohne?

der Zeitschrift ARCH+ aus dem Jahr 2013 wurde „DesignBuild“ im deutschsprachigen Kontext klar als universitär

Marlene

bzw. als der Architekturausbildung angehörend definiert.

Es gibt in Österreich wohl auch 1:1 Projekte, z.B. die Universität

In den USA hingegen, wo das Architektursystem auch

Innsbruck macht tolle 1:1 Projekte – z.B. das „Bilding“ des

etwas anders ist, kenne ich einige Beispiele von jungen

„studio 3“, des Instituts für experimentelle Architektur. Ich

Büros, die selbst investieren, Grund kaufen, etwas drauf

finde lustig, dass man davon im Osten Österreichs fast nichts

bauen und das dann auf den Markt bringen. Das nennen

mitbekommt, außer man beschäftigt sich ausdrücklich mit

sie „Design-Build“, obwohl es außerhalb des Kontextes

dem Bereich… Was Peter Fattinger hier in Wien macht ist oft

der Lehre und ohne den Aspekt eines sozialen Nutzens

nur temporär möglich und das macht es ja auch spannend.

entsteht. Das ist vielleicht vergleichbar mit der Arbeit eines Baumeisters, aber im Gegensatz dazu eben mit einer „Hands-On“-Mentalität. Peter Fattinger hat im Jahr 2016 auch eine Konferenz auf der TU mit dem Titel „HANDS ON. enhancing

architectural

education“

veranstaltet, bei der ich gemeinsam mit Elias Rubin als „buildCollective“ sowie auch Andrew Freear von „Rural Studio“ vorgetragen haben. Was ich damals spannend fand ist, dass auf deren

Website

unter

der

Rubrik

„Process“ nur ein „under construction“ zu finden war, was ich als ein „halten wir für wichtig, haben aber keine Zeit zur Aufbereitung“ interpretiert habe. Im Gegensatz dazu versuche ich „Social Architecture“ genau über diese Prozessarchitekturen

der

Planung,

Umsetzung und Nutzung zu definieren – ob ein Projekt dabei als „Design-Build“ kategorisiert oder entstanden ist oder ob es innerhalb herkömmlicher Abläufe mit

AuftraggeberIn,

ArchitektIn,

Ausführenden, usw. zur Realisierung kommt, das ist nicht ausschlaggebend. Der Name des von mir mitbegründeten Vereins bzw. der Non-Profit-Organisation „buildCollective“,

Aber es gibt auch seine Kooperationen mit der Caritas, die

die inzwischen nur mehr eine Plattform ist, meint ja auch

ja permanent sind. Es gab z.B. den Versuch eine permanente

einerseits das kollektive, also gemeinschaftliche Bauen, aber

Notschlafstelle für Obdachlose durch die Fachhochschule

andererseits auch gleichzeitig das Kollektiv, das Aufbauen

Kärnten zu planen und zu bauen – dieser ist an den Auflagen

einer Gemeinschaft.

gescheitert oder vielleicht war es auch politisch unerwünscht… Wenn man den Kontext des österreichischen Beitrags „Orte

Florian Schafschetzy

für Menschen” zur Architekturbiennale 2016 in Venedig

Du hast gemeint, dass aufgrund der Auflagen im

betrachtet, der verschiedene temporäre Einrichtungen für

österreichischen bzw. im europäischen Raum Projekte nicht so

Geflüchtete vorgeschlägt, dann stellt dieser meiner Meinung

leicht umzusetzen sind wie z.B. in Südafrika oder in Alabama.

nach das Problem politischer Bedingungen durch gesetzliche

Es ist mir beim Anhören der „Social Furniture“-Interviews

Auflagen dar. Es stellt sich die Frage: Was kann hier die Rolle


Photo: Richard Pobaschnig


auf die Thematik. Die einzelnen Möbel

und

die

dazugehörigen

Gespräche habe ich dann innerhalb eines

einwöchigen

Prozesses

über

bestehende Kontakte, Empfehlungen und

Zufälle

zusammengetragen

und geführt. Bei jedem Gespräch mit den AkteurInnen aus den Bereichen Design, Produktion und Nutzung gab es für mich Aha-Erlebnisse in Bezug auf die Übersetzung meiner eigenen Arbeit in den österreichischen Kontext und Momente, in denen ich mich total

wiedergefunden

habe.

Beim

Gespräch mit Lotte Kristoferitsch ist mir z.B. aufgefallen, dass sie sagt, dass das Projekt eine Art „Reality-Check“ für das Büro war, wobei EOOS das vielleicht etablierteste bzw. bekannteste Designbüro innerhalb der ausgestellten Möbel-Runde ist. D.h., dass das etablierte Designbüro, das formell professionell Möbel designt, einen „Reality-Check“ durch ein Projekt erfährt, das sich in einem nicht-formellen Rahmen abspielt. Lotte Kristoferitsch erklärt ja auch, dass der Prozess für sie ein der Architektur sein? Wenn man nur einen temporären Raum

ganz anderer war. Genau deshalb glaube ich, dass „Design-

eröffnet, dann spielt die Architektur nach den vorgegebenen

Build“-Projekte so geeignet dafür sind, um sich mit „Social

Spielregeln – innerhalb eines Systems, das sagt, dass diese

Architecture“ zu beschäftigen – weil man den Prozess

Menschen eigentlich nicht hier sein sollten. Diese bekommen

kontrollieren kann. Vom Design über die Umsetzung bis oft

dann z.B. nur den Duschvorhang mit Kabelbindern als eine

auch zur Nutzung und finalen Programmierung liegt alles

innovative Design-Leistung. Das ist aber meiner Meinung nach

im Einflussbereich, d.h. der Wirkungskreis von Architektur

„Not-Architektur” und gibt keinen Raum zur Verhandlung

ist enorm erweitert.

der globalen Zusammenhänge und der Frage, warum diese

Die klassische Architekturaufgabe deckt nur einen kleinen

Menschen überhaupt hier sind bzw. der Wirkungsmacht

Ausschnitt des Lebenszyklus eines Gebäudes ab. Deswegen

von Architektur. Gezeigt werden im Rahmen einer globalen

gibt es in der Ausstellung auch die Reflexion über die Möbel:

Architekturausstellung dann plötzlich keine Gebäude mehr,

ArchitektInnen und DesignerInnen denken sich etwas

sondern die geflüchteten Menschen und die NutzerInnen

aus, von dem sie glauben, dass es in der Nutzung relevant

dieser temporären Not-Architektur. Interessanter fände ich

ist, um in den Raum einzugreifen, bzw. sie hinterfragen

aber hier den Entstehungsprozess von Gesetzen und die

ihren eigenen Auftrag und das Möbel wird zum Artefakt.

Zusammenhänge, die diese Lebensbedingungen kreieren,

Beispielsweise haben Philipp Rode und Alexandra Fellinger

sichtbar und erlebbar zu machen.

vom Landschaftsarchitekturbüro „ZwoPK“ bzw. vom sozial-

Was ich an der „Social Furniture“ so spannend finde ist, dass

ökonomischen Betrieb „green Lab“ besonders unterstrichen,

sie sich oft in einem ähnlichen semi-formellen Rahmen

dass das Möbel für sie ein Werkzeug ist. Sie verwenden das

abspielt, innerhalb dem man freier agieren kann und von

Möbelstück als reales Modell, um z.B. den Elternverein und

dem man, im sozialen und politischen Sinn, mehr will – sich

die Bezirksvertretung zu überzeugen. Alle versammeln sich

positive Veränderung erhofft.

an einem Ort, sehen sich das Möbel an, können es angreifen,

Mit dem Sesselkreis habe ich mir quasi unterschiedliche

können es erleben – und auf einmal ändert sich ein Gesetz

Verbündete ins MAGAZIN geholt, um gemeinsam zu

bzw. öffnet sich ein Möglichkeitsraum. Dies wäre auf Papier,

reflektieren. Diese Verbündeten ermöglichen außerdem

über einen Plan mit den besten Vorschlägen für all diese

einen transdisziplinären Diskurs. Die Möbel verfolgen

Beteiligten nicht greifbar.

ähnliche Ansätze, die ich bei vielen „buildCollective“-Projekten ebenfalls sehe. Je nachdem gibt es durch die unterschiedlichen

Florian

AkteurInnen

Die Techniken und Taktiken, die die jeweiligen Akteurinnen

natürlich

unterschiedliche

Sichtweisen


Photo: Richard Pobaschnig


und Akteure nutzen, um mit Autoritäten umzugehen, sind

passieren!“. Ob das Studierende sind, die empfunden haben,

sehr unterschiedlich – das finde ich sehr spannend.

dass der Oskar-Kokoschka-Platz verändert gehört oder ob es das Stadtteilmanagement in der Seestadt ist, welches die

Eva Sommeregger

gesetzlichen Rahmenbedingungen für die sogenannten

Man sieht in vielen der Gespräche, wie es darum geht

Gestaltungszonen ermöglichen will...

Aneignungsprozesse zu steuern. Beim Interview über das „MACH MIT!”-Möbel aus der Seestadt mit Johannes und

Jerome

Sophia Posch, aber auch beim Prototyp eines mobilen

Ich würde gern nochmal einen Schritt zurück gehen zum

Schulvorplatzes von „zwoPK/greenLAB” geht es ganz konkret

Verhältnis zwischen den Begriffen „Design-Build“ und „Social

darum, wie man den öffentlichen Raum besetzen kann.

Architecture”, welche sich bei dir ja sehr stark verdichten. Wenn man „Design-Build“ als Möglichkeit versteht, jene Menschen

Marlene

in die Realisierung eines Projektes zu integrieren, welche sonst

Hier will ich aber eben genau auf die Unterschiede achten.

nicht am Bau beteiligt wären, z.B. Architekturstudierende oder

Das Beispiel des Prototyps für einen mobilen Schulvorplatz

die zukünftigen NutzerInnen, wo ist dann der Unterschied

arbeitet auf einer professionellen bzw. offiziellen und

zur vernakulären Architektur, bei der ebenfalls keine

formellen

professionellen Baufirmen im Spiel sind?

Ebene

mit

unterschiedlichen

Magistraten

zusammen. Hier wird in einem ganz anderen raumgreifenden Prozess der Veränderung agiert. Im Gegensatz dazu steht

Marlene

z.B. das „OSKAR NIMMT PLATZ”-Möbel vom „Social Design

Ich denke „Design-Build“ hat nicht unbedingt mit einer

Arts as Urban Innovation”-Lehrgang an der Universität für

Randgruppe zu tun; mit Laien vielleicht am ehesten,

Angewandte Kunst, das im Gespräch mit Martin Färber und

da keine professionelle Baufirma die Ausführung

Lena Kohlmayr diskutiert wird, die aus einem universitären,

durchführt. Der Begriff bedeutet eigentlich, dass die

geschützten Raum heraus agieren. „Nut&Feder” sind wiederum

ArchitektIn oder DesignerIn auch die Ausführung

ein Unternehmen, sie sind Produzenten – da geht es nicht

macht. Dabei muss es sich nicht unbedingt um

direkt um Design. Ihr sozialer Aspekt besteht darin, dass

Studierende

sie mit einer Randgruppe bzw. mit benachteiligten Gruppe

nur, dass auch eine nicht professionell Bauende zur

Möbel produzieren, dabei geht um die Beschäftigung und

Ausführenden ihres eigenen Projektes wird. Und da

ums Einkommen. Sie suchen den Kontakt zu DesignerInnen,

kann man sich natürlich die Frage stellen, wo ist da

um unentgeltliche bzw. erschwingliche Designleistungen

jetzt der Unterschied zum „Häuslbauer”?

zu bekommen – was, wie Christian Penz erzählt, mit einem Lernprozess verbunden war, da eine geschenkte Designleistung nicht unbedingt ein mit Laien einfach zu produzierendes Möbel hervorbringt. Das sind auch Erfahrungen aus meiner Arbeit. Das „carla”-Möbel als wahrscheinlich ältestes

Möbelstück

in

der

Runde

repräsentiert vielleicht den größten angestrebten sozialen Mehrwert. „carla”, als die größte Institution innerhalb des Sesselkreises vielleicht

hat

auch

dementsprechend

die

größte

direkte

Wirkung auf sozialer und ökologischer Ebene, da es hier um eine Größenordnung von jährlich 5.000 Tonnen Möbel geht, die nicht weggeworfen bzw. neu gekauft werden müssen. Das ist, glaube ich, das extrem Spannende an dieser Verhandlung der „Social Furniture”: Was ist ihre Intention? Woher kommt die Idee? Ist sie selbst-initiiert oder kommt sie von außen? Ist es eine Einladung, ein Wettbewerb, ein Auftrag? Oder ist es ein: „Ich glaub da muss was

oder

Geflüchtete

handeln,

es

heißt


Photo: Richard Pobaschnig


Bezüglich der vernakulären Architektur bzw. der Architektur

nur meine Spekulationen. Aber man macht ja alles immer

ohne ArchitektInnen hat mich wohl vor allem das Postulat des

aus einer bestimmten Intention, auch unbewusst.

„Urban Age“ beeinflusst, welches besagt, dass unsere urbanen Ballungsräume vor allem selbstgemachte, wachsende

Jerome

Armenviertel in Städten des Südens sind. Deswegen gibt

Wir haben vorher über die Ursprünge von „Design-Build“

es im Sesselkreis im MAGAZIN auch ein selbstgebautes

geredet. Gibt es nicht neben „Rural Studio” noch andere

Sitzmöbel vom autonomen Kulturraum „Venster99”, zu

parallele Einflüsse? Ich denke da jetzt etwas weiter zurück an

dem es leider kein Interview gibt, weil nicht einmal

den Strukturalismus und an Architekten wie Aldo van Eyck,

mehr bekannt ist, wer das Objekt gemacht hat. Das war

die ja ein großes Interesse an vernakulärer Architektur hatten.

übrigens das Möbel, das am schwierigsten aufzutreiben

Da sind einerseits Ideen wie die Modularität und die Ästhetik

war. Aber ich wollte unbedingt eine Repräsentation aus

der Anzahl aufgekommen und andererseits haben Slogans

einem autonomen Kontext. Da hat sich der Nutzer wohl

wie „For us, by us!“ eine intensivere Auseinandersetzung mit

gedacht: „Ich möchte sitzen, ich mache mir jetzt einen

dem Menschen als NutzerIn gefordert. Diese Ästhetik des

Sessel!“ Und das ohne „Aufladung” durch Design oder

Strukturalismus scheint in einigen aktuellen „Design-Build“-

gewolltes „Nicht-Design”, wie z.B. beim „MACHMIT!”-Möbel

Projekten erkennbar zu sein. Ob das jetzt ein Möbel ist, das aus

des Stadtteilmanagements, damit es niederschwelliger

der Multiplizierung des gleichen Brettformats entsteht und aus der Anzahl des gleichen Elements in seiner Anordnung zu einem größeren Ganzen wird oder bei Container-Projekten, wo der Schiffscontainer als Raumeinheit ablesbar bleibt und das modulare Gebilde vom Prinzip der Erweiterbarkeit geprägt ist. Marlene Ich denke da entsteht oft viel einfach pragmatisch aus dem Kontext, den Umständen und den fehlenden finanziellen Mitteln. Ich weiß nicht, wie oft das eine aktive Entscheidung ist oder eher entsteht durch das Abwägen vorhandener finanzieller und sonstiger Ressourcen, das dann manchmal nachträglich als bewusste Ästhetik erklärt wird. Im Selbstbau oder „Design-Build“ gibt es ja auch unterschiedliche Herangehensweisen oder Intentionen und Ziele. Die Faktoren Zeit und Verfügbarkeit spielen eine große Rolle. Wenn man bei Studierenden-Projekten für sechs Wochen an einen anderen Ort fährt, dann kann man keine Lehmziegelproduktion implementieren. Man kann auch nicht lokale Unternehmen abklappern und sich auf Basis der ergatterten, geschenkten Materialien etwas Neues, Unkonventionelles überlegen. Das ist mit straff gesetzten Zeitfenstern immer schwierig. Wenn ich aber z.B. mit alternativen Materialien oder alternativen Strategien arbeiten will, dann werde ich mehr Zeit einplanen müssen: mehr Zeit zum Entwerfen für ein inklusives Bauen aber vor allem in Hinblick auf Genehmigungen und Feedbacks aus der Nutzung und Instandhaltung. Deswegen sind auch, wie

annehmbar ist. Ich hoffe, dass ich diesen handwerklich

zuvor bereits erwähnt, meine Lieblingsprojekte diejenigen,

geschickten Punk einmal treffe oder vielleicht lässt sich

die eigenständig bzw. in klaren Partnerschaften langfristig

zumindest herausfinden, was seine Intention war. An die

und ohne den herkömmlichen universitären „Design-

Aussage, dass der einfach gekommen ist und das machen

Build“-Auftrag durchgeführt wurden. Wie z.B. ein nicht

wollte, glaube ich nicht. Er hat ja auch eine Intention

zustande gekommenes Community Center, für das in einem

gehabt, auch wenn es vielleicht kein Designdrang war,

monatelangen Prozess dann doch eine passende bauliche

vielleicht aber ein Verwirklichungsdrang. Eventuell hat er

Struktur als Treffpunkt für die Gemeinde hervorgebracht

sich gedacht: „Ich habe gerade Stahl rumliegen“ und das

wurde. Alle aktiven TeilnehmerInnen haben durch diesen

Möbel entstand aus einer vorhandenen Ressource. Nach

Fokus auf eine Architektur sicher extrem viel gelernt,

dem Motto: „Ich investiere da jetzt und dafür kann ich dann

haben sich Fertigkeiten und Wissen angeeignet, welches

für immer da Bier trinken.“ Ich weiß es nicht, das sind jetzt

sie weitertragen. Nicht unbedingt nur handwerklich,


Photo: Richard Pobaschnig


sondern auch ein Selbstbewusstsein und

ein

Verhandlungsgeschick.

Außerdem hinterlässt das auch bei den einbezogenen offiziellen Stellen und Behörden Spuren… Diese Effekte sind das, was mich interessiert! Bzw. will ich herauszufinden, warum welches Material gewählt wurde und wer sich warum dafür entschieden hat. Je nach Kontext gibt es aber auch eine Reihe an einfach verfügbaren Elementen oder Materialien, mit denen alle

umgehen

können.

Deswegen

entscheidet man sich für einfache Details, die man nur einmal, zweimal vorzeigen muss und dann auch von Leuten mit wenig Baustellenerfahrung endlos

wiederholt,

vielleicht

sogar

interpretiert sind

verfeinert

und

selbstständig

neu

werden

meiner

können.

Meinung

Das

nach

also

eher praktische Gründe, die zu dieser Ästhetik

führen.

Innerhalb

dieser

Vorgaben aber dennoch ein schönes und

besonderes

Raumerlebnis

zu

kreieren, das ist das Spannende. Und noch spannender sind für mich die Fragen: Wie kann ich soziale Effekte in die Prozesse der

wie sich ihr Umfeld in Zukunft verändern wird und wie

Planung, der Umsetzung und der Nutzung einbauen? Was ist

wichtig sie als Vorreiter sind, obwohl die Betroffenen bzw.

sozial in der Architekturproduktion? Wenn ich eine soziale

die NutzerInnen im Endeffekt überhaupt keine Möglichkeit

Infrastruktur für eine Gemeinde plane und sie sogar zum

haben, einzugreifen.

Selbstbau ermächtige, aber in meiner eigenen Praxis die

Ich hatte sehr interessante Diskussionen mit FreundInnen

Leute schlecht behandle und unfair bezahle, ist das dann

und KollegInnen, die sich in Österreich mit Selbstbau

sozial? Wenn ich mit Materialien arbeite, die extremen

auseinandersetzen und die eine, wie ich finde, interessante

Schaden in einer anderen Gemeinde anrichten, in der die

Hoffnung ins „BIM” (Building Information Modelling) haben.

Rohstoffe abgebaut werden, dann ist das global gesehen nicht

Weil der Selbstbau bei uns vor allem an Regulierungen und

sozial nachhaltig. Der Begriff von dem, was als „sozial“ in der

Gesetzen scheitert, hofft man, dass uns eine Digitalisierung

Architektur angesehen wird, der muss viel differenzierter

dieser Prozesse und eine Standardisierung in dieser Hinsicht

betrachtet werden.

weiterhilft. Was für mich dann aber eigentlich das Gegenteil zum Selbstbau, zum Selbermachen oder zu echter Beteiligung

Matthias

ist, weil wir mit den Studierenden oder auch eben mit

Wie stehst du zu neoliberalen Praxen der Optimierung,

BewohnerInnen oder Institutionen und guten StatikerInnen

Flexibilisierung und gänzlichen Ausschöpfung, in deren

so viele Regeln gebrochen und Gesetze nicht erfüllt haben...

problematische Nähe man eben auch durch Partizipation,

Oder besser gesagt unsere eigenen Regeln und Gesetze

Einbindung, Eroberung und Verschönerung des Raumes

gemacht haben. Das ist in Wahrheit halblegal, vieles ist im

kommen kann?

Graubereich passiert... Allein das Baustellenmanagement mit Laien hat oft gar nichts mit offiziellen Sicherheitsauflagen zu

Marlene

tun. Die Verhandlungen der Toleranzen mit den Leuten, die

Beim Begriff Partizipation habe ich ein grundlegendes

es direkt betrifft, das ist meiner Ansicht nach das Spannende,

Problem mit der Definition. Wie definiert man Partizipation?

die Ermächtigung.

Das reicht vom selbst-bestimmten Einmischen in die

Es ist aber sehr interessant, dass wir eine so große Hoffnung

politischen Handlungsprozesse z.B. des Stadtmachens bis

auf diese Standardisierung haben. Wenn das Zertifikat vom

hin zur Einladung der Stadt, an einer Online-Umfrage

Computer ausgestellt wird und die Abnahme digitalisiert

teilzunehmen, oder bis zu einer Informationsbroschüre

und automatisiert wird, heißt das dann wirklich, dass man

der Entwicklungsgesellschaft, die den Menschen erklärt,

mehr selber machen kann? Das ist dann nicht das, was


Photo: Richard Pobaschnig


ich als das Potential des Selbermachens sehe, nämlich

von Innovation. Und zwar, dass man Innovation von oben

selbst-bestimmt Alternativen zu erproben, was immer eine

herab planen und einem bestehenden rigiden System

Verhandlungssache ist. Eine Verhandlung z.B. zwischen

eintrichtern kann und dann kommt daraus Neues hervor.

Architektur und Statik, das ist oft wie am Bazar...

Ich sage nicht, dass alles „Bottom-up” passieren muss, aber

Sicher gibt es hier in Mitteleuropa einen strengeren

zumindest in einer gewissen Freiheit. Es kann auch „Top-

Rahmen, als irgendwo im Nirgendwo bei „Rural Studio”

Down” geschehen, aber es kann nur in einer gewissen

oder in Südafrika, wo die Verhandlungsfreiheit größer ist.

Freiheit, in einem Experimentierfeld oder in einem echten

Standardisierung und Automatisierung bergen das Problem

Möglichkeitsraum entstehen. Da sind wir dann wieder bei

einer ewigen Gleichheit. Mit dem standardisierten Ablauf

„Rural Studio” und in Südafrika im Nirgendwo, wo es eine

kommt ein standardisiertes Ergebnis, das sollte nicht der

gewisse Freiheit gibt, weil es niemanden sonst interessiert

Wunsch der Architektur sein.

oder es keine formellen Kapazitäten gibt. Ich habe mich ja inzwischen mit der Digitalisierung

Matthias

angefreundet. Aber sie ist etwas, dass wir uns sehr gut

Daraus resultiert auch gleich dessen Gegenposition für

anschauen müssen. Ich glaube, dass wir uns Wurmlöcher,

diejenigen, für die Architektur nur mehr die Subversion von

Schlupflöcher, also Freiräume einplanen müssen. Sonst sind

„BIM” sein wird.

wir im Raster drinnen und können nichts mehr verhandeln. Und das ist ja die soziale Komponente dabei, die wirklich

Marlene

wichtig ist, damit wir das Verhandeln nicht verlernen. Denn

Das ist denke ich eine entscheidende Frage: Richten wir

durch das Verhandeln entsteht etwas Neues.

uns wieder mehr auf unsere Kreativität aus, weil die

Die Frage ist nicht nur wie Digitalisierung genutzt

nicht so leicht zu programmieren ist? Effizientes Planen

wird, sondern auch wie sie kreiert wird. Wer macht die

und Bauen kann ja bald vom Computer übernommen

Architektur des Algorithmus? Leider passiert es wieder

werden. Vor allem, wenn nur mehr mit standardisierten

wie damals, als die Schiffe losfuhren, nicht mit guten

Bibliothekselementen gearbeitet wird. Die Digitalisierung

Absichten. Oder vielleicht schon mit guten Absichten,

kann man auch als eine neue Form der Kolonialisierung

die sich aber im Nachhinein doch nicht als so gute

verstehen. Das entsteht ja eine neue Machtsituation über

herausgestellt haben. Das ist jetzt ähnlich. Wir kolonisieren

den Versuch jetzt überall einzugreifen, zu standardisieren

jetzt mit der Idee der Effizienz und der Innovation. Mit

und zu automatisieren. Da gibt es auch ein Missverständnis

dem Glauben, dass wir das irgendwie steuern können und dann sitzen wir da mit einem Algorithmus, der uns die Entscheidungsmöglichkeiten abnimmt. Wir dürfen uns nicht von unseren Werkzeugen bestimmen lassen. Dass sie eine Rolle spielen ist natürlich klar. Wir können nicht so tun, als würden meine Kenntnisse vom Computer-Programm nicht auch bestimmen, was ich mache, aber trotzdem sollte das Ziel nicht sein, dass der Computer bestimmt, sondern, dass ich gestalte und mir bewusst entsprechende Werkzeuge und Medien suche. Florian In den Interviews kam z.B. sehr oft der Satz: Wir entwickeln etwas, die Grundkomponente ist Holz, es ist leicht verarbeitbar, wir brauchen nur einen Akkuschrauber, eine Stichsäge... Marlene … oder sogar das Holzformat wird festgelegt. Aber da kommt es auf den Kontext und auf die Aufgabenstellung an. Wie soll für wen, welcher Raum entstehen? Was ist der Mehrwert, den ich über das Design eines Produkts, den Entwurf eines Raumes oder in der Architektur eines Prozesses erzeugen kann oder will? Florian Ich verstehe natürlich die Logik dahinter und auch die Intention. Wenn du aber jetzt vorher den Satz sagst: “Wir dürfen uns nicht über unser Werkzeug bestimmen lassen”, dann…


Photo: MAGAZIN


Marlene

Das Projekt von „Rural Studio” für die von Alejandro Aravena

Das sehe ich nicht als Werkzeug, das ist eine Ressource bzw.

kuratierte Architekturbiennale 2016 in Venedig ist z.B. in

eben der Kontext in dem etwas entstehen soll. Deshalb habe

diesem Zusammenhang auch sehr spannend. Sie waren

ich auch vorher gemeint, dass das nicht immer unbedingt

eingeladen, einen Ausstellungsbeitrag zu liefern und haben

eine ästhetische Entscheidung ist, sondern eher aus der

den herkömmlichen Prozess komplett umgedreht. Sie haben

Frage resultiert: Was ist die Intention oder das Ziel? Wenn

zuerst NGOs aus Mestre angeschrieben, die mit Obdachlosen

eine Aufgabe von so vielen Leuten wie möglich gemacht

arbeiten und dort nachgefragt: „Was braucht ihr?” Die haben

werden soll, dann muss sie eine gewisse Einfachheit haben

geantwortet: „Bettgestelle, Gipskartonwände, etc.” Diese

– auch nur deshalb, um eine gewisse Qualität gewährleisten

Organisationen setzen ungenutzte Häuser wieder instand

zu können, die Nutzung erst möglich macht. Oder auch um

und stellen sie dann zumindest temporär Obdachlosen

nur die Kosten zu decken. Niemand zahlt für die soziale,

zur Verfügung. Jedenfalls hat „Rural Studio” die Endnutzer

nicht quantifizierbare Leistung.

kontaktiert und gefragt, was sie brauchen und das hat ihnen

Das

sind

Ressourcen

und

Rahmenbedingungen

die Grundlagen für den Ausstellungsentwurf gegeben.

der Kontext. Ich bin gewohnt, vor allem in diesen Rahmenbedingungen zu denken. Deshalb waren die

Florian

Gespräche für mich so erfolgreich, z.B. über das „Sofu Ulf”-

Ich muss ja sagen, ich bin im Endeffekt doch fasziniert, wie

groß

der

Einfluss

des

Wien”

war,

„Architekturzentrum

weil wir immer noch über „Rural Studio” reden – natürlich wegen der Ausstellung „just buildit! Die Bauten des Rural Studio“ von 2003. Jetzt aber zu einem etwas weiteren Kontext... Nehmen wir z.B. das Büro „Raumlabor” aus Berlin: auch ein Büro, das viel mit sozialen Möbeln und mit Guerilla-Taktiken arbeitet. Bei den Möbeln, die du jetzt in der Ausstellung zeigst, entstand da keines davon im Rahmen von GuerillaTaktiken, wie sie bei „Raumlabor” zu finden sind? Marlene Beim

„OSKAR

NIMMT

PLATZ”-

Möbel war das z.B. sehr wohl der

Fall:

Der

„Oskar”

war

ja

eigentlich wirklich dafür gemacht, den vor

Oskar-Kokoschka-Platz dem

Universitätsgebäude

einzunehmen. eigentlich

Also

eine

sehr

wohl

Guerilla-Taktik,

zwar in einem relativ geordneten Kontext der Universität, in dem Möbel der „any:time Architekten” für die Ars Electronica. Das

jetzt nichts extra- oder selbst-finanziert war. Der

ist ein Möbelstück, das nicht vorgibt etwas Raumgreifendes

Rahmen war die Universität und das vorhandene

oder Politisches zu sein, sondern einfach dadurch entsteht,

Material.

dass jemand sagt: „Wir machen jedes Jahr Möbel, die werfen

„Raumlabor” nicht mehr wirklich Guerilla. Letztens

wir nach dem Event immer weg. Machen wir doch diesmal

hat ein kritischer Anthropologe, den ich bei einem

Holzmöbel und noch besser, lassen wir sie von Menschen

Workshop kennengelernt habe und dessen Namen

bauen, weil da gemeinsam gelernt wird. Die Möbel werden

ich jetzt leider vergessen habe, diese Taktiken als

anschließend in einem Heim für Geflüchtete oder sonst wo

komplett hinfällige, systemerfüllende Praxen im

nachgenutzt, sodass sie ein Nachleben haben – und eben

neoliberalen

nicht nur für diese eine Woche gebaut und dann wieder

passend zu anderem „Pop-Up-Zeug” sind und ohne

weggeschmissen werden.“

jeglichen sozial-politischen Effekt bleiben.

Bzgl.

Guerilla…,

vielleicht

Wirtschaftssystem

ist

ja

ausgewiesen,

auch

die


Photo: MAGAZIN


Jerome Du meinst temporäre Nutzungen durch „Design-Build“ Projekte, die freie Grundstücke bespielen und die Nachbarschaft aktivieren, um dann dem Investorenprojekt weichen zu müssen? Marlene Ja, das sind Kunst- und Aktivierungs-Projekte, die auch Aufbereitungen für die Kommerzialisierung sind. Dann dürfte ich eigentlich auch nicht im aufstrebenden Ottakring eine Wohnung suchen…, ich wohne aber sehr gerne dort. Mir geht es um eine reflektierte, kritische oder zumindest ernsthaftere Auseinandersetzung. D.h. nicht, dass man auf alles verzichten muss. Ich will auch keine fingerzeigende Spaßverderberin sein, aber ich denke, dass man einfach genauer hinschauen und sich fragen muss, für oder durch wen hier aktiviert, Kunst gemacht, Raum geschaffen wird? Welches Bewusstsein wird hier geschaffen oder kommuniziert? Gerade wenn Nachhaltigkeit, Ökologie und sozial immer mehr als undefinierte Schlagwörter ohne Kontext verwendet werden. Matthias Wie siehst du deine Rückkehr nach Wien: Welche Methoden nimmst du aus deiner Erfahrung in Südafrika mit oder wie reflektierst du diesen Wechsel? Es gibt ja bei dir irgendwann die Entscheidung, nach ca. 10 Jahren intensiver Arbeit in Südafrika wieder fix nach Wien zurückzukehren. kommen, obwohl eigentlich Türen und Fenster ein Verlassen Marlene

jederzeit zulassen müssten – was natürlich eine große Hysterie

Ich kann erst jetzt, nach zwei Jahren, darüber reflektieren, was

auslöst. Irgendwann beschließen die Gäste dann, dass sie sich

ich in Südafrika gemacht habe. Wenn man jeden Tag mit etwas

in den psychischen Zustand zurückversetzen, in dem sie am

konfrontiert ist, dann kann man es nicht mehr bewusst sehen.

Vorabend zum Abendessen gekommen sind und werden

Wenn man mehr Distanz hat, dann fallen einem bestimmt

dadurch auf wundersame Weise wieder befreit. D.h., dass sie

Dinge auf, und die nimmt man wieder wahr. Und auf einmal

über eine topologische Figur erst wieder befreit werden, die

fallen einem auch „daheim” wieder neue Dinge auf. Was diese

mich sehr an deine Erzählung erinnert…

Rückkehr in mir persönlich ausgelöst hat, war erstmal eine Frustration damit, wie stocksteif, normiert und organisiert

Marlene

und gleichzeitig wie phlegmatisch alles ist – da geht gar

Ich kann auch nur von mir reden, das bin ich. Auch im Rahmen

nichts in dieser Über-Strukturierung und Reglementierung.

meines Doktorats kann ich nur mich als diesen roten Faden

Jedenfalls habe ich dann irgendwann gedacht: Warum soll

nehmen und über meine Position, Rollen und Arbeit in einem

ich nicht wieder den kolonialen Gedanken oder diese Naivität

sogenannten Entwicklungsland, in einer Township sprechen.

praktizieren, mit der ich damals blauäugig nach Südafrika

Es ist ein Versuch, eben nicht die Kolonialzeit-Ethnologin zu

gegangen bin und in Architekturbüros, in Townships und

sein, die dann aufschreibt, wie Menschen dort leben oder

in Slums reingelaufen bin? Warum transferiere ich das

arbeiten. Natürlich hat meine Diplomarbeit zu formellen und

nicht hierher und versuche diese Einstellung, die mir dort

nicht-formellen Raumpraxen in Slums und Wohngebieten

eine neue Welt eröffnet hat, auch wieder hier in Österreich

Südafrikas aus dem Jahr 2010 z.B. auch Ähnlichkeiten damit.

anzunehmen? Ich sage einfach: „Na, was geht?” Und das geht!

Im nächsten Schritt mache ich den Versuch, nicht die anderen

Dort habe ich auch nicht gefragt: „Ist das okay?” Warum frage

zu untersuchen, sondern eigentlich mich. Über mich und

ich dann hier: „Ist das okay?” Warum mache ich nicht einfach?

meine Erfahrungen versuche ich, Schlüsse und Erkenntnisse zu ziehen. Was ich sicherlich hierher mitnehme, das ist die

Matthias

Flexibilität, die Offenheit auf Veränderungen zu reagieren,

Es gibt einen sehr schönen Film von Luis Buñuel, der

die Fähigkeit mit unterschiedlichen Wahrheiten und mit

„Würgeengel“, in dem Gäste in eine Wohnung zu einem

Gleichzeitigkeit oder vielleicht Unendlichkeit umzugehen. Es

Abendessen kommen, un-üblicherweise über Nacht bleiben

wird sich auch bei uns hier vieles ändern – da bin ich fest

und dann feststellen, dass sie nicht mehr aus der Wohnung

davon überzeugt. Wir werden auf einer alltäglichen Ebene in


Photo: Richard Pobaschnig


unserem Leben vielmehr Not-Strategien anwenden müssen.

Arbeiten

In einer ständig sich transformierenden Umgebung des

Bewusstmachens, des Ordnens – ein temporärer Rahmen

Slums lernt man diese Strategien. Ob das jetzt die digitale

im sich ständig Ändernden, in der Überinformation

Transformation ist oder eine andere, es ändert sich gerade

und den unterschiedlichen Perspektiven. Und wenn

sehr vieles und alles wird schneller. Resilienz ist vielleicht

es nur zwei, drei gemeinsame, bewusste Schritte sind,

kein gutes Wort, weil es eigentlich bedeutet, dass man mehr

bevor es wieder in den tausend Schichten der Stadt, in

erträgt und dennoch zum Ausgangszustand zurückkehrt,

der Assemblage der Digitalisierung verschwunden ist,

sich dabei aber nicht weiterentwickelt. Als erstes entwickelt

dient Mapping im Besten Fall als gemeinsam gemachte,

man trotzdem Strategien, wie man damit umgeht – ob das

geteilte, stärkende und aktivierende Erfahrung, von der

dann schon Gegen-Strategien bzw. positive Entwicklungen

aus man dann gemeinsam agieren kann.

mit

dem

Ziel

der

Verständigung,

des

sind, weiß ich nicht. Diese Reflexion kann wahrscheinlich erst im wiederum nächsten Schritt passieren.

Matthias Siehst du Mapping als eine Methode, die uns ermöglicht

Matthias

aus den Gefügen rauszukommen? Meinst du da: Wie

Welche Rolle spielt Mapping in diesem Zusammenhang

bekommen wir eine gewisse Distanz dazu?

als Strategie? Marlene Marlene

Nein, nicht raus, ich denke wir kommen nicht raus.

Mapping ist eine Methode, die in unterschiedlichen

Man kann nur versuchen, einen Moment festzuhalten,

Diskursen, in unterschiedlichen Medien und Disziplinen

vielleicht einen eingefrorenen Moment erzeugen, ein

angewandt wird. Ich glaube, dass Mapping relativ gut

gemeinsames Innehalten hervorrufen oder auch eine

als Kommunikations-Instrument funktioniert, das im

gemeinsame

Hinblick auf Partizipation, oder vielleicht besser in

kreiert etwas, auf das man sich gemeinsam geeinigt hat.

kollektiven Prozessen, als ein Instrument der Annäherung,

Das ist dann auch das Artefakt. Dieser Sesselkreis im

des gemeinsamen Ordnens gut zu verwenden ist. Das

MAGAZIN ist ein Moment, auf den wir uns jetzt einigen

muss nicht unbedingt mit einer Karte was zu tun haben

können und trotzdem verschwindet er dann wieder in

oder mit einem speziellen Kontext, sondern es ist ein

diesen vielen Geschichten, die die AkteurInnen erzählen.

konzeptuelles, oft visuelles, aber auch ein performatives

Aber wir erlernen einen gemeinsamen Rahmen.

fokussierte

Aktion

durchführen.

Man


Photo: Richard Pobaschnig


Matthias

Matthias

An was können wir in der Ausstellung im MAGAZIN sonst

Du hast gesagt, dass du im Wechsel deines Wirkungsortes

noch teilhaben?

methodisch

die

Flexibilität

und

die

Unendlichkeit

mitnehmen würdest – das waren die zwei Begriffe. Und der Marlene

Neoliberalismus ist vielleicht nichts anderes als Flexibilität

An meiner Reise!

und Unendlichkeit...

Eva

Marlene

Ich fand dieses Filmbeispiel so schön, das du, Matthias, gegeben

Mein Ziel, an dem ich wohl zugrunde gehen werde, ist: Ich

hast. Du hast die Aktion der Beteiligten eine topologische

möchte schneller sein als der Kapitalismus.

Figur genannt, aber im Grunde geht es vielleicht fast um ein Modell der Praxis? Kannst du durch den Abstand, den du jetzt

Jerome

zu Südafrika hast, deine Praxis definieren? Eine Praxis, die du

Noch etwas anderes: Wie wird das Instrument des Mappings

hierher transportiert hast und nun in einen anderen Kontext

eingesetzt? Bis jetzt haben wir darüber geredet, dass es dabei

stellst und die sich vielleicht auch in der Ausstellung zeigt?

um eine Darstellung von Spuren der Vergangenheit geht. In der Ausstellung verhaken sich die Seile im ersten Raum, d.h.

Marlene Ich fand entscheidend, dass man im MAGAZIN die Schleife gehen kann und, dass sich die Umgebung, der Raum und die Dinge, aber vielleicht auch man selbst bzw. der eigene Blickwinkel sich mit jedem Mal verändern kann. Wenn man im kleinen Raum die Videos ansieht und eine andere Tonspur hört, dann nimmt man etwas mit, das beeinflusst und einen Rahmen gibt, eine Brille. Auf einmal sieht man vielleicht den Sesselkreis anders bzw. hört sich das Interview anders an als davor, usw. Im großen Raum hingegen, der ja quasi der von außen auch der sichtbare Hauptraum ist, wollte ich etwas machen, das interaktiv ist und sich im Laufe der Ausstellung bzw. mit der Ausstellung und ihren BesucherInnen verändert, egal ob sie aktiv flechten oder einfach nur durchgehen. Der Zustand „Zwischen Suchen und Wirken“ entsteht dabei, auch wenn man vielleicht gar nicht genau weiß, was man sucht. Das Bewusstsein soll hervorgerufen werden, dass alles was man tut, gewisse Konsequenzen hat, obwohl man vielleicht ganz andere Absichten hatte. Und dabei hinterlässt auch der Raum seine Spuren an einem selbst. Die gesamte Ausstellung funktioniert ähnlich wie die Möbel des Sesselkreises, die als Werkzeuge eingesetzt werden, um einen Moment in einem Prozess darzustellen und diesen dadurch greifbarer zu machen. Das Format der Ausstellung verlangt ja nach einem Produkt, nach etwas, das man herzeigt. Das hat mir auch eine Art Verankerung gegeben im ständigen Prozess des sich Entwickelns im Zuge meines Doktorats zu transdisziplinärer und

Bewegungen die stattgefunden haben werden festgehalten

interkultureller Raumproduktion.

und bleiben lesbar. Nun wird viel diskutiert, dass wir in einer Zeit leben, in der die Gegenwart immer mehr durch die

Eva

Zukunft definiert wird, als durch die Vergangenheit. Liegt

Zum Glück haben wir nur drei Räume und nicht unendlich

da nicht vielleicht auch das Potenzial des Mappings? Als

viele… Es ist sehr passend, wie du beschreibst, dass man in der

Instrument der Spekulation?

Ausstellung eine Runde durch die drei Räume machen kann. Sie hat dadurch etwas zyklisches, das sich ständig verändert.

Marlene Das kann Mapping sicher auch sein. In der Ausstellung ist

Marlene

es eher nicht so definiert. Ich bin ja nach wie vor in der

Es ist ein „Partizipativer Action Research“ – ein iterativer Prozess.

Schleife der Verarbeitung. Im Doktorat versuche ich gewisse


Photo: Richard Pobaschnig


Erkenntnisse aus dem Wahnsinn zu generieren, den wir

schnell einorden- bzw. zuordenbar. Es bringt Konsequenzen

betrieben haben – wo nie Zeit war, Dinge festzumachen,

mit sich, wenn man hinein geht. Das sind alles Dinge, die

sondern immer nur zu reagieren: in gewissen dynamischen

wir diskutiert haben. Dass man dadurch weniger Menschen

Strukturen, flexibel im positiven Sinne. Natürlich ist mir

mitnimmt, das kann ich in Kauf nehmen oder besser, müssen

bewusst, dass man hier mit gewissen neoliberalen Tendenzen,

wir jetzt eben in Kauf nehmen.

die Matthias erwähnt hat, mitspielt. Das Slum, die informelle Siedlung, ist ja eine Manifestation des Kapitalismus.

Jerome Ich hätte auch noch Fragen. Die erste Frage wäre die nach deiner

Florian

Motivation eine Dissertation zu schreiben mit der These: „Ist

Noch eine Frage zu den Interviews, in welchen auch

nicht eigentlich der Sinn dieses Tuns das Tun selbst, muss

zwei andere Schlagworte vorkommen: Integration und

man das eigentlich noch reflektieren im Nachhinein“? Die

Beschäftigungstherapie – das hat mich irritiert. Es geht ja auch

zweite Frage wäre eine nach der Konzeption der Ausstellung.

darum, dass Menschen, während sie auf ihr Asylverfahren

Im mittleren Raum versammelst du Sitzgelegenheiten aus

warten, ihren Alltag sinnvoll gestalten können.

unterschiedlichen Projekten. Hier steht jeder Gegenstand für sich, während der große Raum mit dem sehr dichten

Marlene

Raster aus von der Decke hängenden Hanffäden eher auf

Beschäftigungstherapie sollte es denke ich nicht sein. Es soll

einer Ebene der Objektlosigkeit funktioniert. Durch die nicht

eine Ermächtigung sein, die nicht unbedingt immer einen

erfassbare Anzahl verliert das einzelne Seil seine Bedeutung.

Nutzen oder einen Zweck hat. Es geht um das Tun und nicht

Welche Intention steht hinter diesem Kontrast und was ist

darum, dass es das schönste oder am besten verkaufbare

das Verbindende?

Möbel wird – sondern um den Prozess der Erzeugung. „Nut & Feder” z.B. arbeiten mit Menschen, die bei uns sonst aus dem

Marlene

System fallen würden und bieten ihnen eine Alternative

Die

und ein Einkommen. Sie vertreten trotzdem den Anspruch,

Erfahrungen weitergeben möchte transdisziplinär und

professionelle und schöne Möbel zu erzeugen und

kulturenübergreifend Raum zu produzieren. Die Frage

gleichzeitig der Gesellschaft diesen Missstand aufzuzeigen,

ist, wie ich das, was ich weiß, in einer aktivierenden Weise

sowie alternative Möglichkeiten auszuprobieren.

weitergegeben werden kann.Ich möchte diese Erfahrungen

Intention

des

Doktorats

ist,

dass

ich

meine

teilen und reflektieren, was auch immer andere Menschen Matthias

damit machen. Mir geht es auch um eine bestimmte Energie

Mir ist aufgefallen, dass es für PassantInnen, die sich überlegen

und Haltung – vielleicht mehr als alles andere geht es mir

spontan den Ausstellungsraum zu besuchen eine größere

darum. Ich habe nur einen Rahmen vorgegeben, betone

Hemmschwelle gibt, als bei den bisherigen Ausstellungen.

den Prozess – anstatt ein fixes Statement zu treffen, das

Das spannende daran ist, dass der Raum mit dem Raster der

sehe ich als verbindendes Element zwischen allen Räumen

abgehängten Hanffäden eine Situation erzeugt, in der man

der Ausstellung, es gibt keinen Schluss. Ich lade zu einem

unausweichlich physisch angegangen wird, es entsteht ein

gemeinsamen Prozess unterschiedlicher Erfahrungen ein,

nicht zu verhindernder Kontakt mit den Fäden, durch die

weil ich es noch nicht geschafft habe, es anders zu vermitteln

man gezeichnet wird und über die man ein bisschen Hanf

– das sehe ich als eine Gemeinsamkeit zwischen den drei

mitnimmt. Wenn man am Eingang steht, dann muss sich

Räumen. Gleichzeitig hat mir eure Einladung ins MAGAZIN

entscheiden, ob man berührt werden will und oft ist die

aber in meinem Prozess des Doktorats einen Ankerpunkt

Entscheidung dann die, dass man das nicht will. Heute hat

gegeben, um einen Schritt weiterzukommen. Deswegen

übrigens eine kleine Besucherin beim Rausgehen gesagt: „Ich

habe ich mich von Anfang an sehr gefreut, als ihr mich

gehe jetzt aus dem Ziegenstall!“

gefragt habt. Mein allererster Gedanke war: „Da kann ich mich festhalten.“ Da gibt es ein fixes Datum, es muss etwas

Jerome

Sichtbares, Greifbares da sein, das kommuniziert, was ich

Ich habe auch mehrmals beobachtet, dass sich BesucherInnen

meine. Das war von Anfang an das „Ja“ zu eurer Einladung.

die ersten zwei Stufen in den Raum hinein wagen und dann

Und ich bin wirklich sehr dankbar, auch wenn ihr das so

wieder gehen.

nicht hören wollt. Vielleicht kann man die Ausstellung „Mapping ´Social

Marlene

Architecture´ – Zwischen Suchen und Wirken“ bzw. diesen

Wir haben ja lange diskutiert, wie bis weit wir die Fäden zum

Rahmen und Möglichkeitsraum des MAGAZINs auch als

Eingang hin ziehen bzw. wann ein Konzept-Bruch entstehen

selbstgemachtes Kolloquium sehen. Schauen wir mal, was

würde, wenn wir den BesucherInnen einen Raum zum

die formelle Institution dazu sagt.

Ankommen und Entscheiden geben. Ich glaube aber auch, dass es daran liegt, dass der Raum anders riecht und anders aussieht, als man es vielleicht erwartet. Der Raum ist nicht


M A G A Z I N . Ausstellungsraum für zeitgenössische Architektur. Weyringergasse 27/i A- 1040 Wien info@architektur-im-magazin.at architektur-im-magazin.at

Das

MAGAZIN

ist ein Ausstellungsraum für zeit-

genössische Architektur Verein für Architektur ininWien, Wien,den derdervon Jerome zeitgenössische betreibt und der 2018 Becker, MatthiasArchitektur Moroder, Florian Schafschetzy und von Eva Jerome Becker, betrieben Matthias Moroder, Clemens Nocker, Florian Sommeregger wird. Schafschetzy und Eva Sommeregger gegründet wurde. Das MAGAZIN fördert vor allem junge Architektinnen Das fördert vor allem junge Architektinnen und MAGAZIN Architekten aus dem In- und Ausland, die dabei und aus dem In- und Ausland, die dabei sind Architekten sich im zeitgenössischen Architekturdiskurs sind sich im zuzeitgenössischen eigenständig positionieren

Architekturdiskurs und in deren

eigenständig zu positionieren undArbeitsprojekt in deren Architekturprojekten bereits ein eigenes Architekturprojekten bereits ein eigenes Arbeitsprojekt abzulesen ist. abzulesen ist. Das MAGAZIN präsentiert die Arbeit dieser vor allem Das MAGAZIN präsentiert Arbeit dieser vor allem jungen Architektinnen unddie Architekten in eigens für jungen Architektinnenkonzipierten und Architekten in eigens für den Ausstellungsraum Einzelausstellungen den konzipierten Einzelausstellungen und Ausstellungsraum rundet diese mit dazugehörigen Publikationen und diese sowierundet Vorträgen ab. mit dazugehörigen Publikationen sowie Vorträgen ab.

Schriftarten: modum, RNS Miles Alle Photos: Moritz Ellmann Breite Gasse Publishing Schriftarten: modum, RNS Miles Wien 7,.Gasse Breite Gasse 3/2 Breite Publishing ISBN 978-3-9504111-4-0 Wien 7,. Breite Gasse 3/2 ISBN 978-3-9504111-2-6

Für Ihre Unterstützung möchten wir vor allem dem 4. Wiener Gemeindebezirk, der Stadt und dem Für Ihre Unterstützung möchten wir Wien vor allem österreichischen Bundeskanzleramt danken. 4. Wiener Gemeindebezirk und dem österreichischen Bundeskanzleramt danken.


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