Centaurus Magazine 06

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N.6 2007-3

info & news for gay, �lesbian, bi, trans & friends

norm(al)e


Was ist normal? Inhaltsverzeichnis 2. 3.

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30. 31.

33. 35. 37. 38.

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Gay Pride Milano, Photo: Conny Cossa

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Was ist normal? Editorial Die Frau ist (noch immer) das Besondere. Positionen einer Lesbe Lieber lebendig als normal. Queere Positionen in der Auseinandersetzung mit sexuellen „Normalitäten“ Famiglie nuove. Erfahrungen zwischen Brüssel und Bozen Homosexuelle Väter in Südtirol (K)Ein gewöhnlicher Alltag Lesbische Mütter in Südtirol (K)Ein gewöhnlicher Alltag L’identita’ bisessuale Don‘ t worry – Bi happy! Abile di Cuore Heiler und Heilung, gesund/normal oder krank/abnormal? Fremd und schwul in Südtirol Esiste lo “straniero normale”? Crisi di una terminologia Gay and grey in Südtirol. Manager für Teenager Altern in Würde. Gay and grey in Germany Norm/-alität Wer will schon normal sein... Ein Gespräch in den eigenen Reihen Dr. Uli Sexpert Panta Rei. Le norme sull’omosessualità nella Grecia antica Frau mit Bart. Die Heilige Kümmernis Bücher | Libri News

Editorial Was/wer ist normal? Eine schwierige Frage. Der Normalitätsbegriff entzieht sich einer klaren Definition – er ist zu vielfältig und vielschichtig. Und dennoch hat jede/r von uns ein untrügliches Gespür dafür, wenn er/sie den Rahmen des Normalen, des Üblichen überschreitet. Wir, Schwule und Lesben, Bisexuelle und Transgender. sind jedenfalls - gewollt oder ungewollt - ExpertInnen, wenn es darum geht, die Zeichen eines solchen Grenzübertrittes zu erkennen. Und wer definiert, was normal ist? Diese Frage ist – vordergründig wenigstens – schon etwas einfacher zu beantworten. Da ist zum einen der Staat, der in weiten Bereichen bestimmt, was normal ist und was als Abweichung sanktioniert wird. Eng verwoben mit diesem und oft auch dessen Ausdruck sind die von uns gewählten politischen Eliten, welche über einen weiteren Normalitätsproduzenten, die Medien, ebenfalls am NormalitätsDiskurs kräftig mitbasteln: Manchmal entstehen Gesetze

daraus, manchmal entsteht einfach nur Stimmung. Dann natürlich die Wissenschaft, auch wenn sie – wie die QueerTheory – die vermeintlich letzten Bastionen des Natürlichen, die Polaritäten der beiden Geschlechter, infrage stellt. Zu nennen bleibt weiters die Kirchenhierarchie, die sich auf letzte Wahrheiten und daraus abgeleitete unumstößliche Normen beruft. Und zuletzt werkelt auch jede/r selbst an der allgemeinen Definition dessen mit, was als normal zu DI/MA VON/DALLE gelten hat, und zwar jederzeit, ob 20.00 BIS/ALLE wir es wollen oder nicht. 22.00 Dabei haben wir Homosexuelle, die wir uns am Rande des allgemeinen Normalitätsbegriffs bewegen, info@centaurus.org natürlich ein Interesse daran, diesen zu dehnen und aufzuweichen um etwas mehr Raum zu schaffen. Einen kleinen Beitrag dazu soll das vorliegende Heft leisten. Zum einen kratzt es am Lack der großen „Normalisierer“. Dann präsentiert es unsere vielfältigen Lebensweisen, unsere für uns zur Normalität gewordenen Abweichungen. Und zuletzt wagt es auch einen kritischen Blick auf uns, auf jene

Herzlicher Dank für die Unterstützung geht an:

Assessorato alle Politiche Sociali e alle Pari Opportunità Assessorat für Sozialpolitik und Chancengleichheit

Momente, in denen wir selber Normalitätsnormen produzieren und dadurch den Rahmen für homosexuelle Seinsformen enger stecken. Vielleicht geben wir dadurch nicht nur Einblick in das, was für uns normal ist, sondern schaffen uns allen einen neuen Spielraum. > Das Redaktionsteam

DO/GI VON/DALLE 20.00 BIS/ALLE 22.00 lesbianline@centaurus.org

DI/MA VON/DALLE 20.00 BIS/ALLE 22.00 info@centaurus.org

lesbia

Impressum Eigentümer und Herausgeber: Homosexuelle Initiative Südtirols Centaurus - Iniziativa Omosessuale Sudtirolese Centaurus | Galileo-Galilei-Straße 4/a, Bozen Veröffentlicht am 01.12.2007 in Bozen | Presserechtlich verantwortliche Direktorin: Ulrik-e Spitaler | RedakteurInnen: Conny Cossa, Jochen Pichler, Ulrike Spitaler, Christoph Tauber, Andreas Unterkircher, Georg Vescoli, Peter Viehweider, Stefan Windegger | Photos: Peter Viehweider (www.pit-pic.at), Conny Cossa, Centaurus | Druck: Satzzentrum Brixen | Eingetragen beim Landesgericht Bozen N. 7 am 11.4.2007 Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Feedback an: magazine@centaurus.org

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Die Frau ist (noch immer) das Besondere Positionen einer Lesbe Wenn Normalität all das ist, wofür nicht eigens Sonderbestimmungen gemacht werden müssen, dann ist Frausein definitiv immer noch nicht normal. Die westliche Gesellschaft ist auf den Mann als Protagonisten zugeschnitten und daran hat sich in den letzten Jahrzehnten nur ansatzweise etwas verändert. Frauen, auch Lesben, sind meist nur „mitgemeint“ und sollen das Allgemeinwohl über ihre Interessen stellen. Die westliche Welt, von der ich hier spreche, ist für Männer gemacht, das belegt nicht nur die Einkommensdiskrepanz zwischen Männern und Frauen im Erwerbsbereich. Das zeigt auch die Marginalität der Frauen in Führungspositionen von Wirtschaft, Politik, Justiz, Sozialem und Bildung. Die beiden letztgenannten Bereiche zeigen dies besonders eklatant, weil es doch die klassischen weiblichen Domänen sind, in denen hauptsächlich Frauen beschäftigt sind. Nur ist eben meist klar, wer die Chefs sind.

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Die Analysen dieser Situation sind hinlänglich bekannt, die Ursachen dieses Ist-Zustandes auch – so sehr, dass das Thema dem „Otto Normalbürger“ (!) schon längst zum Hals heraushängt. Trotzdem hat sich die konkrete Situation für Frauen noch nicht sehr verändert. Nur die öffentliche Wahrnehmung ist anders geworden. Offiziell

hat sich die Gleichstellung von Mann und Frau durchgesetzt. Alles ist machbar – scheinbar auch für Frauen. Dass es für sie immer noch mühsam ist, ihren „normalen“ Platz in der Gesellschaft einzunehmen, wird nicht mehr auf die Geschlechterhierarchie bezogen, sondern immer mehr individualisiert, auch von den Frauen selbst. Dabei bemerken alle irgendwann, dass sie an die „gläserne Decke“ stoßen. Auch wenn das die meisten Frauen betrifft, wird es dann als persönliche Niederlage wahrgenommen und oft schamhaft verschwiegen. Frau war halt nicht gut genug. Kollektives Opfer will sie keines sein. Dabei ist es doch immer noch so, dass frau den Großteil der Hausarbeiten zu besorgen hat und selten auf einflussreiche Netzwerke zurückgreifen kann. Über den Körper der Frauen wird oft in reinen Männerrunden (wie es die italienische Politik fast ausschließlich ist) bestimmt. Häusliche - aber nicht nur Gewalt gegen Frauen hat in den letzten Jahren sogar wieder zugenommen, wie die Statistiken der Frauenhäuser belegen. Auf dem Rücken (und den Körpern) der Frauen werden Kriege ausgetragen. Das alles, ob sie nun Lesben sind oder nicht. Und trotz all diesem Wissen, was passiert? Nicht so viel, wie frau sich erwarten könnte.

soziale Themen an, eben jene Themen, die in der patriarchalen Hierarchie durch die Netze fallen, obwohl sie alle angehen. Es war die Frauenbewegung, die die Heteronormativität in Frage und die Forderung nach der Anerkennung verschiedener Lebensweisen gestellt hat. Die Frauenbewegung, aus der auch die Vordenkerinnen der Queer Theory kommen, ist in ihren Anliegen zum Teil auf der Strecke geblieben und wird marginalisiert, auch von denen, die von ihr profitiert haben. Männer haben die Reflexion der Frauen über ihre Geschlechtlichkeit nicht mitgemacht. Männliche Geschlechtsrollen zu diskutieren und sie zu hinterfragen blieb das Wagnis weniger Männer, das allzu oft auch in eine Verteidigungs- und Angriffshaltung mutierte. Eine Breitenwirkung dieses Sichin-Frage-Stellens wurde nicht erreicht.

Und diese Haltung bleibt nicht auf die Heterowelt reduziert. Auch in der schwullesbischen Community reproduziert sich dieses Spiegelbild der Geschlechterordnung. Homosexualität wird in der allgemeinen Wahrnehmung mit Schwul gleichgesetzt, unterstützt mit Bildern von sich auf dem Pride küssenden Männern, mit den männlichen Inszenierungen eines vorfeministischen Frauenbildes, Die Frauenbewegung hat eine mit der Gleichsetzung Pride = lange Geschichte und ging viele Schwulenparade.

Auch hier tun sich Lesben mit der Sichtbarkeit schwer. Auch hier sind Lesben meist mitgemeint, obgleich sich ihre Lebens- und Erfahrungswelten von denen ihrer schwulen Mitstreiter meist sehr unterscheiden. Auch das wird in der schwullesbischen Bewegung kaum thematisiert. Frauen begrüßen die HomoEhe wohl nicht so vorbehaltlos, da sie mit der Institution Ehe nicht die besten Erfahrungen gemacht haben. Das Schweigen vieler Lesben in der letzthin geführten Diskussion ist aus dieser Sicht aussagekräftig. Die meisten Frauen plädieren für die Gleichstellung aller Menschen. Wie sie es im Übrigen oft schon getan haben. Nur lassen sie sich allzu oft von Lippenbekenntnissen täuschen. Normal ist es immer noch nicht, Frau zu sein. Das weiß jede, die einmal versucht hat, in einem geschlechtergemischtem Kontext jeder Art auf sprachliche Sichtbarkeit zu pochen. Im besten Fall erntet sie ein mitleidiges „Wenn sie so sehr darauf besteht...“ Männer glauben, Frauen einen Gefallen zu tun, wenn diese ihre Sichtweisen äußern dürfen. Dass diese Sichtweisen aber auch mit ihnen zu tun haben könnte, so weit gehen Männer selten. Frauen wollen aber nicht nur eine Randgruppe sein. Ob das normal ist? > Ulrike Spitaler

Regenbogenparade Wien, Photo: Conny Cossa

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Lieber lebendig als normal

1 In Erinnerung an die Aufstände vom 27. Juni 1969, in denen

sich eine Gruppe von Lesben, Schwulen und Transgender vor dem New Yorker Lesben- und Schwulenlokal „Stonewall Inn“ gegen homophobe Angriffe von Seiten der Polizei wehrten und somit eine breite Bewegung gegen staatliche und gesellschaftliche Homophobie auslösten, finden mittlerweile in zahlreichen Städten so genannte gay pride Paraden statt (im Deutschen spricht man auch von Regenbogenparaden).

Queere Positionen in der Auseinandersetzung mit sexuellen „Normalitäten“ „Queer zu sein meint nicht das Recht auf Privatheit; es bedeutet Freiheit öffentlich zu sein, einfach zu sein, wer wir sind. Es bedeutet, jeden Tag gegen die Unterdrückung zu kämpfen; Homophobie, Rassismus, Frauenfeindlichkeit, die eifernde Borniertheit religiöser HeuchlerInnen und unseren eigenen Selbsthass…“ (Anonymous Queers, org. 1990, eigene Übersetzung)

Dieses Zitat stammt aus einem Flugblatt, das eine Gruppe lesbischer, schwuler und transgender AktivistInnen 1990 beim gay pride1 in der Stadt New York verteilte. Es umreißt eine Position innerhalb der aktuellen internationalen Lesben-, Schwulen und Transgenderbewegungen, die mit dem Begriff „queer“ bezeichnet wird und mittlerweile als akademische „Queer Theory“ auch Eingang in die Universitäten gefunden hat. Queere Politik und Theorien stellen im Rahmen internationaler Diskussionen um die nach wie vor zu konstatierende gesellschaftliche, politische und rechtliche Stigmatisierung von Homosexualität eine neue und andere Position dar als die herkömmlichen auf Toleranz und Integration bauenden Minderheitenkonzepte. Queer steht für eine provokative antiassimilatorische Haltung gegenüber der (heterosexuellen) Mehrheitsnorm und befragt insgesamt die gesellschaftlichen 5

Mechanismen und Prozesse, welche Kategorien von sexueller Normalität und Abnormalität produzieren. Nicht mehr die bedingungslose Inklusion in bestehende Institutionen und die „Normal-Gesellschaft“ steht im Mittelpunkt, sondern sexuelle und Normen/Normalitäten werden auf ihre historische Funktionalität befragt, ihre Hervorbringung und Regulierung durch staatliche und politische Strukturen sowie ihre Zusammenhänge mit Vorstellungen von richtiger „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“. Damit wird aber auch deutlich, dass die Verwerfung von Homosexualität ein Problemfeld ist, das nicht einfach als Frage der gesellschaftlichen/rechtlichen Anerkennung (z.B. durch eine „Homo-Ehe“) von Lesben/ Schwulen be- bzw. verhandelt werden kann, sondern dass es aus einer queeren Perspektive um ein Überdenken unserer ganzen gesellschaftlichen Vorstellungen von Sexualität und Geschlechterrollen geht. Vom Schimpfwort zum subversiven Theorie- und Politikbegriff Schon in der Aneignung des Begriffes „queer“ als positive Selbstbezeichnung für eine Bewegung und Theorie steckt ein radikaler politischer Impetus, der selbstbewusste und mutige Sichtbarkeit ausdrückt: Ursprünglich bedeutet queer im Englischen soviel wie „seltsam,

sonderbar, leicht verrückt“ aber auch „gefälscht, fragwürdig“, „jemanden irreführen, etwas verderben oder verpfuschen“; umgangssprachlich wird queer als Schimpfwort für jene Menschen gebraucht, die den geschlechtlichen und sexuellen Normen der bürgerlichen (Mehrheits-)Gesellschaft nicht entsprechen. Mitte der 1980er und zu Beginn der 1990er entwickelte sich im Rahmen der US-amerikanischen Lesbenund Schwulenbewegung eine Strömung bzw. Gruppe, die sich selbst als „queer“ bezeichnete und für veränderte Strategien und Politikformen eintrat, um heterozentristische und homophobe Gesellschaftsstrukturen zu bekämpfen. Der Begriff „queer“ hatte in diesem Zusammenhang kämpferischen Charakter und verweist – ähnlich wie die Aneignung der Wörter „Schwuler“, „Lesbe“, „Kanake“ im Deutschen etc. – auf ein verändertes Selbstverständnis der Bewegung. Nicht mehr die Identität der AktivistInnen als „Lesben“ oder „Schwule“ stand bzw. steht im Rahmen queerer politischer Organisationsformen im Zentrum, sondern es geht um eine Politisierung der gesellschaftlichen Praktiken und Rahmenbedingungen, die Kategorien der (sexuellen) Abweichung produzieren und stigmatisieren. Innerhalb der queer politics werden daher weniger Forderungen nach Anerkennung der Gruppe der

Lesben und Schwulen gestellt, sondern es wird mittels verschiedener aktionistischer Stilmittel versucht, die Annahme einer heterosexuellen „Natürlichkeit“ zu durchbrechen und zu zeigen, dass sexuelle Kategorisierungen und Vorstellungen von „natürlicher“ und wahrer Sexualität durch gesellschaftliche, politische und rechtlich Institutionen und Diskurse produziert werden. Queere Theorien und Politik machen damit die Sozialität bzw. die gesellschaftliche und kulturelle Dimension von Sexualität sichtbar, was heißt, dass der Gehalt und die Erfahrungen menschlicher Sexualität sowie ihre institutionellen Organisationsformen durch soziale und kulturelle Systeme der Interpretation bestimmt sind. In einer queeren Perspektive geht es daher vor allem um diese kulturelle und soziale Prägung von Sexualität und den Wirkungsweisen gesellschaftlicher Systeme (z.B. sexuelle Normen), in denen erst Kategorien der sexuellen Abweichung und Normalität konstituiert werden. Mit queer verschieben sich folglich die politischen Kämpfe im Feld der Homosexualität vo n M i n d e r h e i t e n p o l i t i k e n (Anerkennung als Schwule oder Lesbe) hin zu einer Infragestellung von Heterosexualität als unhinterfragtes „Normalitätsschema“. Eine ständige Reflexion gesellschaftlicher AusschlussRegenbogenparade Wien, Photo: Conny Cossa

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bzw. Normalisierungsmechani als „abnormal“ notwendig wird, smen sind damit zentraler Teil um das „Normale“ selbst aufrecht queerer Theorien und Politik. zu erhalten und zu konstituieren. Die Frage, wie Heterosexualität als E i n e F r a u i s t e i n M a n n HeteroNORMativität grundlegend i s t k e i n e F r a u l i e b t e i n e n in Geschlechterverhältnisse M a n n d e r i s t e i n e F r a u … . eingeschrieben ist, bildet einen zentralen Fokus queerer Analysen. Die Stigmatisierung von So existieren beispielsweise homosexuellen Menschen steht in im Rahmen der universitären einem engen Zusammenhang mit Forschungen im Bereich von unseren gängigen Vorstellungen, Queer Theory eine Fülle von wie eine „richtige Frau“ und historischen Arbeiten, in denen ein „richtiger Mann“ sein, gezeigt wird, dass erst im Zuge aussehen und sich verhalten der Festigung und Etablierung soll. Schwules und lesbisches der bürgerlichen Geschlechte Begehren stellen in Hinblick auf rverhältnisses Homosexualität unsere Geschlechternormen als „abweichende Identität“ und ein geschlechter-non-konformes als eine den ganzen Charakter Verhalten dar, da eine „richtige eines Menschen bestimmende Frau-sein“ immer untrennbar Pathologie konstruiert wurde. mit „femininer Weiblichkeit“ Auch wenn es in vormodernen und dem Begehren nach einem Zeiten gleichgeschlechtliche Mann verbunden wird. Und Handlungen gab, so fand die umgekehrt, wird das Begehren spezifische Pathologisierung nach einer Frau untrennbar und Psychologisierung von mit „richtiger Männlichkeit“ Homosexualität als Abweichung assoziiert. H e t e r o s e x u e l l e von einer „natürlichen“ N o r m a l i t ä t s a n n a h m e n Geschlechternorm im Kontext stecken daher in unseren der Etablierung der modernen Geschlechterbildern. Lesben Naturwissenschaften statt. und Schwule entsprechen nun Homosexualität wurde darin als diesen Normalitätsvorgaben „conträre Sexualempfindung“, für eine „richtige“ Frau bzw. gleichsam als „Verkehrung des Mann nicht und machen oftmals Männlichen und des Weiblichen“ auch durch ihr Aussehen und charakterisiert. Interessant in Auftreten die Vielfältigkeit und diesem Kontext ist etwa auch, Möglichkeiten menschlicher dass emanzipierte Frauen, die Geschlechterpositionen sichtbar. sich der rigiden, bürgerlichen Damit sind sie jedoch implizit Geschlechtermoral nicht beugten, eine Gefahr für die Organisation Zugang zu Bildung und Politik der Geschlechterdifferenz, in der forderten, auf ein „conträres Frauen und Männer als komplett Sexualempfinden“ behandelt verschieden gedacht, jedoch wurden. Bzw. umgekehrt, gerade gleichsam „natürlich“ und in einer auch der politische und erotische hierarchischen Form aufeinander Zusammenschluss von Frauen bezogen werden. Lesben und immer wieder als besondere Schwule stellen durch ihre B e d r o h u n g männlicher Existenz viele mit Weiblichkeit Hegemonie interpretiert wurde und Männlichkeit verbunden bzw. wird. Umgekehrt stellen Attribute in Frage, womit die wiederum Schwule diese Verwerfung von Homosexualität Hegemonie in einer anderen Form 7

in Frage, da sie alternative Formen der Männlichkeit repräsentieren. In einer queeren Perspektive geht es jedoch nicht nur darum, die Konstruktion von Homosexualität als historischen Prozess zu dechiffrieren, sondern auch Heterosexualität als soziale und damit ebenfalls konstruierte Kategorie des Begehens sichtbar zu machen. Heterosexualität ist daher wie Homosexualität ebenfalls eine Konstruktion, deren Bedeutung von zeit- und kontextspezifischen Mustern abhängt. Als deskriptiver „Begriff“ und den damit verbundenen gesellschaftlichen Interpretationsschematas ist Heterosexualität ebenfalls historischen Ursprungs, egal wie sehr sie auf ihre eigene Universalität beharrt. Auch wenn es schwer fällt Sexualität als etwas Kulturelles und Soziales zu begreifen, da gerade Sexualität gerne noch den Rest an „natürlichen“ menschlichen Trieben zu repräsentieren scheint, so kann diese Zugangsweise doch grundsätzlich neue Impulse für die Diskussion um die Diskriminierung von Lesben und Schwulen eröffnen. Denn damit steht nicht mehr die Frage ihrer „Natürlichkeit“ oder „Normalität“ zur Disposition, sondern die jeweilige historische, politische und rechtliche Hervorbringung dieser Annahmen und Vorstellungen, dass etwas normaler oder weniger normal ist, rücken in den Fokus der politischen Auseinandersetzung. Veränderung aus einer queeren (und feministischen Perspektive) bedeutetet in diesem Kontext daher auch, gegen patriarchal geformte Geschlechterverhältnisse einzutreten, eine Vielfalt von geschlechtlichen und sexuellen

Positionen und Ausdruckformen sichtbar zu machen bzw. halten und Sexualität nicht als „natürliche“ Reaktion zwischen Mann und Frau zu denken. Es muss auch im Interesse einer progressiven lesbisch-schwulen Bewegung und Politik liegen, diese Geschlechternormierungen aufzubrechen und zu erreichen, dass politische, ökonomische und rechtliche Ressourcen jenseits dieser normierten Rollenbilder verteilt werden. „Rechte werden nicht gewährt, sondern genommen …“ „Sag zu den heterosexuellen Menschen, geh weg von mir, solange bis du dich ändern kannst. (...) Sag ihnen, sie sollen weggehen, solange bis sie einen Monat damit verbracht haben, sich mit einer Person desselben Geschlechts Hand in Hand in der Öffentlichkeit zu zeigen. Wenn sie das überlebt haben, dann wirst du ihnen zuhören, was sie über lesbische/schwule/queere Wut [und Forderungen] zu sagen haben. Ansonsten, sag ihnen, sie sollen still sein und dir zuhören!“ (Anonymous Queers)

Was bedeuten nun diese queeren Perspektiven für die Alltagspraxis? Auf einer persönlichen Ebene, bedeutet eine queere Lebenspraxis ein neues Selbstverständnis von sich selbst und seiner Umwelt gegenüber zu entwickeln. Es bedeutet sich selbst das Recht zu nehmen, öffentlich und sichtbar zu sein, anstatt „glücklich“, dass man akzeptiert oder vielleicht (heute mal) nicht diskriminiert wird. Es bedeutet, sich Raum zu nehmen und nicht auf ihn zu hoffen, sich Rechte zu nehmen, ohne auf sie zu warten. Es bedeutet die „Normalitäten“ nicht anzuerkennen und nicht zu versuchen sich mit ganzer Kraft in diese einzufügen, sondern diese zu befragen, zu subvertieren und sich eigene „Normalitäten“ zu schaffen. Auf einer politischen Ebene meint eine queere Praxis, nicht auf Integration und Anerkennung durch bestehende Institutionen zu hoffen; sich nicht als legitime, brave und gleiche Minderheit ein Stück am Kuchen der Privilegien sichern zu wollen. Sondern eine queere Praxis befragt diese Strukturen, sie befragt sie danach, inwieweit sie immer noch von einer heterosexuellen

Normalität ausgehen, wie sie Lesben und Schwule immer noch als ungleiche „Minderheit“ definieren. Queere Politik formuliert ihre eigenen Forderungen und lässt Raum für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt und Uneindeutigkeit. Queer zu sein, meint Herrschaftsverhältnisse zu benennen, die eigenen internalisierten Vorstellungen von „Weiblichkeit“, „Männlichkeit“, Normalität und Abnormalität, „richtig“ und „falsch“, kritisch zu befragen. Es meint aber auch die eigene MittäterInnenschaft bei der Aufrechterhaltung unserer Minderheitenposition zu befragen.

Seien wir mutig und sichtbar! Normalität ist gewiss nichts Erstrebenswertes, wenn wir bedenken, dass jede Form der Normalität auch immer ihre Verwerfung, die Abnormalität, braucht. Wen machen wir dann zu Abnormalen, um Eingang in die Normalität zu finden? Die Tunten, die Transen, die Stricher, die Promiskuitiven, die Butches? …. Lieber lebendig als normal!

> Christine Klapeer, Mag.a, Politikwissenschaftlerin, forscht und lehrt im Bereich Gender/Queer Studies, im Herbst 2007 erscheint ihre Publikation „queer.contexts“ im Studienverlag. Lebt derzeit in Wien und ist neben ihren wissenschaftlichen Tätigkeiten in der Lesbenberatung/Lila Tipp in der Rosa Lila Villa aktiv. 8


Famiglie Nuove Erfahrungen zwischen Brüssel und Bozen

Robert J. (35) stammt aus Südtirol und lebt und arbeitet bereits seit sieben Jahren in Belgien. Er war lange Mitarbeiter der schwullesbischen Telefonberatung HOLEBIFOON. Die langjährige Beziehung mit seinem belgischen Freund hat er nicht registrieren lassen. Auch von der Möglichkeit einer Ehe hat er bis jetzt noch abgesehen. Zur Zeit lebt und beobachtet er als Single, was so in der Brüsseler Szene abgeht.

Jeder zaghafte Versuch, in Italien eine minimale Anerkennung von schwullesbischen Paaren gesetzlich zu verankern, war bisher immer von heftigen Abwehrreaktionen begleitet und ist erst kürzlich wieder kläglich gescheitert. Wie haben die BelgierInnen auf die Einführung der registrierten Partnerschaft und die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in ihrem Land reagiert? Robert: Wie überall, nehme ich an, gab es verschiedene Reaktionen: Einige waren empört, andere haben es hingenommen und wieder andere haben es als positives Zeichen eines sozialen und fortschrittlichen Landes gesehen.

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Strasse in Brüssel, Photo: Conny Cossa

Und wie wurden diese Neuerungen von den Schwulen und Lesben und ihren Verbänden aufgenommen? Robert: Die schwulen und lesbischen BelgierInnen waren

Gefühl von Anerkennung und bei vielen auch von Stolz. Ist mit dieser rechtlichen Normalisierung die politische und kulturelle Arbeit der verschiedenen Lesben- und Es gibt immer wieder Schwulenorganisationen Stimmen von homosexueller Und wie war die Hochzeit? überflüssig geworden? Seite, die gegen eine Robert: Da die Familie von Stijn Robert: Nein, denn die Homo-Ehe ist rechtliche Anerkennung die Heirat bezahlt hatte, war es eher etwas für die Stadt. In kleinen von gleichgeschlechtlichen eine ziemlich steife und klassische Gemeinden und auf dem Land ist Partnerschaften sind, weil sie Angelegenheit. An der einen Seite der Homosexuelle noch immer deren angeblich anarchischdes kleinen Saales saß die Familie Ziel von Spott. Und überall gibt kreative Seite zurückdrängen von John mit der halblauten, es Coming-out-Probleme, Elternwürden. Ist die Szene in Brüssel schon angetrunkenen Mutter mit Kinder-Auseinandersetzungen, seit Einführung der sogenannten ihrem neuen Freund, daneben Spott in der Schule usw. Aber auch „Homo-Ehe“ also langweiliger der geschiedene Vater mit seiner für alle möglichen Fragen sind die geworden? neuen Freundin und die etwas Organisationen weiterhin wichtig, Robert: Das denke ich nicht. In der derbe Schwester von John mit wie rechtliche Unterstützung oder Szene sieht man sowieso sowohl Mann und Kindern. Auf der anderen auch ganz banale Fragen wie „Wo Paare als auch Singles. Ob die Seite saß die biedere Familie von kann ich einen AIDS-Test machen Paare in der Diskothek verheiratet Stijn: Eltern, Großeltern, Tanten, lassen?“ oder „Wo gibt es einen sind oder nicht, hat eigentlich nichts Onkel und Geschwister. Und ich. lesbischen Basketballverein?“ mit einer langweilige(re)n Szene zu Johns Seite lachte und witzelte. tun. Stijn’s Seite schwieg. Eine der etwas Wie hat sich das Verhältnis zwischen heterosexuellen und senileren Omas wusste scheinbar Gibt es in deinem Freundes- und homosexuellen Belgiern seit gar nicht, dass sie an einer HomoBekanntenkreis Paare, die von den Hochzeit teilnahm. Es musste für der Einführung der faktischen neuen gesetzlichen Möglichkeiten sie einfach ein Familienfest sein, um Gleichberechtigung gewandelt? Gebrauch gemacht haben? Sind zum Beispiel die körperlichen sie nicht zu schockieren. Robert: Ja, zwei Freunde, John Angriffe auf Händchen haltende Kurz vor der Torte wurde noch (30) und Stijn (25) haben vor Schwule zurückgegangen? Wein bestellt, für Johns Seite einem Jahr geheiratet. John ist Robert: Nein, denn ob die Paare natürlich. Als der Kellner die selbstsicher und kümmert sich jetzt geheiratet haben oder nicht, Flasche brachte, verkostete die relativ wenig darum, was seine für viele bleiben Hände haltende Mutter den Wein. Allerdings direkt Familie von seinen Entscheidungen von der Flasche. Männer etwas Abnormales. hält. Er ist Besitzer einer „Frituur“ Das sieht man auch an den GaySie blieb sehr sachlich „Gut ist er!!“ - das ist eine Frittenbude - und geht Parades, bei denen es immer auch schon mal zu einem Bauern, Wie haben die neuen Gesetze noch zu Beleidigungen und um einen Hasen zu kaufen, den er die Beziehungen dieser Paare Beschimpfungen kommt. dann selbst schlachtet. verändert und welchen Einfluss In Belgien leben inzwischen Stijn ist hingegen in einer „braven“ haben sie allgemein auf das Familie aufgewachsen, die nie was Selbstbewusstsein der belgischen viele Menschen aus Ländern, die traditionell eine konservativmit Homosexualität zu tun hatte. Er Schwulen und Lesben? ablehnende Haltung gegenüber spielt ein Instrument und studiert Robert: Ganz allgemein gibt es ein natürlich sehr froh - auch jene, die nicht heiraten oder keine Kinder adoptieren wollen - denn es bedeutete einen weiteren Schritt in Richtung Gleichberechtigung.

zur Zeit auf der Uni. So schockierend auch das Coming out von Stijn für seine Familie war, noch schlimmer war es, John seiner Familie vorzustellen („Dieser Prolet!!“).

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der Homosexualität haben, wie Italien, Nordafrika oder Schwarzafrika. In welchem Ausmaß nehmen Schwule und Lesben mit einem solchen Familienhintergrund die Möglichkeiten der registrierten Partnerschaft und der Ehe wahr? Robert: Ich glaube, gar nicht. Besonders für Moslems ist die gleichgeschlechtliche Ehe etwas Unverständliches. Viele schwule Moslems kämpfen manchmal mit ihrer eigenen Homosexualität. Man sieht sie zwar in den Bars und Diskos küssen, manche haben auch einen Partner, aber die Ehe sei doch etwas für Mann und Frau, und ein Kind soll doch eine traditionelle Familie sehen.

Claudio Marchesini (41) e Guido Gentili (43) vivono e lavorano a Bolzano. Si amano dal 2004 e da allora condividono anche i piaceri e le noie della convivenza quotidiana. Dal febbraio di quest’anno sono la prima coppia iscritta nel registro delle coppie di fatto (omo- e eterosessuali) del Comune di Bolzano.

non comporterà diritti e obblighi analoghi a quelli previsti per chi è sposato. Che ne dite di questa posizione? Guido e Claudio: Non siamo d’accordo e, in parte, lo abbiamo spiegato nella risposta precedente. “Boicottare” non aiuta un’iniziativa che ci sembra sacrosanta e dovuta, anche se parziale. Ci sembra che da qualche parte bisogna pure iniziare.

matrimonio verrà aperto a tutti? Guido e Claudio: Ovvio! Sarebbe una fantastica festicciola! Scherzi a parte, questo registro è solo il punto di partenza per arrivare al riconoscimento di tutte le coppie conviventi. I diritti devono essere uguali per tutti i cittadini, sposati o conviventi. Non ci devono essere cittadini di serie A e cittadini di serie B.

Il quotidiano “Alto Adige” ha dedicato un lungo articolo La discussione su PACS e DICO, alla vostra iscrizione. Siete con cui si intendeva introdurre stati contattati anche da altri una specie di tutela giuridica per media altoatesini (Dolomiten, le coppie di fatto gay ed etero, è Tageszeitung, FF)? stata molto rumorosa, mentre Guido e Claudio: No. L’”Alto si è parlato poco del registro Adige” inoltre avrebbe voluto più bolzanino, in cui dal 2003 si informazioni di carattere privato, possono iscrivere le coppie di fatto per dare un tocco di colore alla Von Italien aus betrachtet tanto che la maggior parte dei notizia. befindet sich das genauso residenti a Bolzano ne ignoravano katholisch geprägte Belgien addirittura l’esistenza. Come Come hanno reagito le vostre in weiter Zukunft, was die siete venuti a conoscenza della famiglie e gli amici alla notizia della Anerkennung der Rechte von possibilità di iscrivervi in questo registrazione? Lesben und Schwulen betrifft. registro? Guido e Claudio: Sono stati contenti: Wie sind die Reaktionen deiner Guido e Claudio: Lo sapevamo dal al tempo stesso, però, un po’ delusi, schwulen oder lesbischen momento della sua istituzione, visto che non hanno potuto gettare Gesprächspartner in Brüssel, grazie ai giornali. riso e indossare vezzosissimi wenn du ihnen erklärst, dass cappellini! homosexuelle Paare in Italien L’iscrizione non comporta diritti keinerlei Rechte haben und o obblighi di natura giuridica, Com’è cambiata la vostra vita di es nicht möglich scheint, für quindi per lo Stato e il Comune coppia a seguito dell’iscrizione? sie eine auch nur beschränkte continuate a non essere una C’è stata quella “normalizzazione” gesetzliche Regelung zu finden? coppia ma due single. Perché paventata da alcuni gay che per Robert: Italien wird nicht nur nonostante questo avete deciso di questo motivo sono contrari ad von der homosexuellen Seite chiedere l’iscrizione? ogni forma di riconoscimento her betrachtet. Wenn jemand Guido e Claudio: Intanto non è del giuridico delle coppie omosessuali, weiß, dass ich Italiener bin, dann tutto vero: siamo nello stesso stato che invece è tanto desiderata beginnen immer die gleichen di famiglia e quindi, indirettamente, da chi si sente escluso da alcuni Gespräche und Fragen: Wie ci riconoscono come componenti diritti fondamtentali di cui gode il es denn möglich sei, dass ein della stessa famiglia. Il motivo cittadino “normale”? „Krimineller“ an der Macht sei principale, però, è di dare visibilità Guido e Claudio: Ovviamente non è - als Berlusconi regierte - wie a questa iniziativa, che noi cambiata in alcun modo! Nessuna es denn möglich sei, dass auf interpretiamo così: riconoscere istituzione giuridica “normalizza” il der einen Seite der Papst so viel l’esistenza delle coppie conviventi, di rapporto. Ai gay che temono ogni Einfluss hat und auf der anderen qualsiasi natura esse siano. forma di riconoscimento giuridico, Seite die Frauen im Fernsehen vorremmo chiedere se, per caso, kaum etwas anhaben. Es L‘istituzione del registro la loro paura non si apiuttosto di kommen Fragen über die Mafia, bolzanino è stata criticata da vedere riconosociuta e “svelata” la den Trinkwassermangel, usw. molti gay e lesbiche per il suo propria omosessualità. Die Rechte der Homosexuellen valore meramente simbolico. Pensate di sposarvi nel momento scheinen dann leider das kleinste Alcuni hanno anche proposto di in cui anche nel nostro paese il der italienischen Probleme zu sein. “boicottarlo” finché l’iscrizione 11

INFO: Risale al 1998 la legge con cui il Belgio aveva introdotto la cd. “convivenza registrata” che consente a coppie dello stesso sesso e di sesso diverso di formalizzare la loro relazione senza l’obbligo di sposarsi. Nel 2003 seguendo l’esempio dei Paesi Bassi (2001) e anticipando la Spagna (2005), il Belgio ha aperto il matrimonio alle coppie dello stesso sesso eliminando ogni discriminazione tra coppie eteroe omosessuali. I cittadini belgi oggi possono quindi scegliere tra vari modelli di vita: matrimonio/ convivenza registrata/convivenza semplice, con una differente gradazione di tutela giuridica, il tutto rigorosamente a prescindere dal loro orientamento sessuale. In Italia, invece, si discute da 20 anni sull’introduzione di istituti giuridici simili senza alcun risultato concreto a livello nazionale. Solo alcuni comuni, a partire dagli anni 90, hanno introdotto delle norme che a livello comunale consentono di concedere benefici e tutele marginali a coppie di fatto, anche se dello stesso sesso, se iscritte in appositi registri comunali. Il comune di Bolzano ha istituito nel 2003 un registro in cui si possono iscrivere tutte le coppie di fatto senza però prevedere sostanziali effetti giuridici, neanche a livello di attribuzione di punti per l’edilizia sociale o agevolata, come avviene invece in altri comuni italiani. > Jochen Pichler

Photo: Peter Viehweider, www.pit-pic.it

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Homosexuelle Väter in Südtirol (K)Ein gewöhnlicher Alltag

Sie entsprechen zwar den erwartungsgemäß traditionellen Normen der Gesellschaft. Wer allerdings einen genauen Blick auf sie wirft, muss feststellen, dass dem nicht so ist. Homosexuelle Väter und Mütter sind Väter und Mütter, die, rechtlich gesehen, auch ohne DICO und PACS ganz legal Kinder in die Welt gesetzt haben. Viele von ihnen sind den klassischen Bund der Ehe oder mit einem Partner anderen Geschlechts eine Lebensgemeinschaft eingegangen, obwohl einigen von ihnen bereits vor ihrer Partnerschaft bewusst war, dass sie schwul oder lesbisch sind. Viele von ihnen sind bis heute noch darin gefangen. Zu groß ist die Angst, aus dem sozialen Gefüge heraus zu fallen. Besonders in kleinen Städten und Dörfern wie den unseren ist der gesellschaftliche Druck enorm, auch heute noch. Grund für uns, an dieser Stelle zwei Elternteile vorzustellen, die aus diesem „engen Käfig“, wie sie sagen, ausgebrochen sind und seither ein glücklicheres Leben führen – auch mit ihren Kindern. Ihre Namen sind geändert.

Samstag, 12.10 Uhr: In der Adalbert-Stifter-Mittelschule in Bozen klingelt die Schulglocke heute ein letztes Mal. Für Kathrin und Verena geht eine lange Schulwoche zu Ende. Doch die beiden Geschwister freuen sich nicht nur deshalb. Heute ist es ihr Vater Andreas, der sie vor der Schule erwartet. Zwar müssen die beiden am Nachmittag noch ihre Hausaufgaben erledigen – die 11-jährige Kathrin für Deutsch und die 13-jährige Verena für Mathematik – aber der Rest der Freizeit ist „gebongt“. Am späteren Nachmittag bringt sie der „Tata“, wie sie ihn nennen, zum Schwimmtraining. Und dann steht da auch noch der Sonntag vor der Tür: Da können die beiden mit dem Tata einen Ausflug in die Berge unternehmen oder es wird daheim gemeinsam für die „kleine“ Familie gekocht – am liebsten Omeletten oder Wiener Schnitzel, wobei die jüngere Schwester dem Tata lieber unter die Arme greift als die ältere. Und wenn dann noch etwas Zeit bleibt, dann schauen die drei fern und eine Folge von den „Simpsons“, die der Tata an den Wochentagen für sie aufgezeichnet hat. Solche gemütlichen und abwechslungsreichen Wochenenden mit Vater und Kind gibt es hoffentlich viele in Südtirol. Und solche tollen Väter, die sich Zeit für ihre Kinder nehmen, hoffentlich auch. Nur: So einen Tata wie Andreas gibt es

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nicht alle Tage. Denn Andreas ist kein typischer Vater wie man ihn aus dem Südtiroler Bilderbuch kennt. Andreas ist Vater von zwei Töchtern und schwul. „Ich habe mich in keinster Weise von der Gesellschaft weder in die eine, noch in die andere Ecke gedrängt gefühlt“, beginnt der heute 40-jährige Vater von sich zu erzählen, als ich ihn nach den Anfängen seines Liebeslebens befrage. „Klar, wenn ich mich an die Anfänge meiner sexuellen Neigung zurückerinnere, dann fallen mir schon die Doktorspiele ein, die ich vor allem mit einem Nachbarjungen gemacht habe. Und wir haben als heranwachsende Kinder am Straßenrand von Straßen, die vor allem von Lkw-Fahrern befahren wurden, öfters auch Sexzeitschriften gefunden, die wir dann gut versteckt haben. Aber wer von uns hat denn nicht Ähnliches erlebt.“ Auch als Andreas Ende der 80er Jahre seine Lebenspartnerin kennengelernt hat, gab es für ihn bald keine Zweifel, mit ihr zusammenzuziehen und vielleicht dann auch Kinder in die Welt zu setzen: „Wir waren in unserem Freundeskreis einige Pärchen und ich hätte zu dem Zeitpunkt nie daran gedacht, dass ich eines Tages aus meinem gewohnten Alltag ausbrechen würde.“ Zu dem Zeitpunkt wäre Homosexualität in der Gesellschaft auch kein Thema gewesen, erinnert sich Andreas

weiter. Es habe auch wenig Medien gegeben, die darüber berichtet hätten, geschweige denn das Internet.

Töchtern gegenüber viel größer geworden ist, als wir noch tagtäglich zusammengelebt haben.“

„Das Internet war mein Ruin, aber gleichzeitig auch meine Rettung“, sagt der selbständige Unternehmer auf das neue Medium angesprochen. „Durch das Internet ging die Beziehung flöten, aber ohne das Internet hätte ich auch nicht meinen ersten Freund kennengelernt und mir selbst offenbaren können, dass ich mehr auf Männer stehe als auf Frauen.“ Zu dem Zeitpunkt war er bereits 14 Jahre mit seiner Freundin zusammen und die beiden hatten in der Zwischenzeit auch zwei Töchter in die Welt gesetzt. „Ich wusste, dass mein Leben mit einem Mann erfüllter war als mit einer Frau. Auch sexuell ging es mir mit meiner Lebensgefährtin schlecht, während ich mit meinem Freund den Himmel erlebte.“ Mit 34 zog Andreas die Notbremse – mit allen Konsequenzen, die damit auf ihn zukamen: die Trennung, die Reaktionen der Verwandten und Freunde und vor allem die Betreuung der Kinder. Doch Kathrin und Verena sollten weiterhin oberste Priorität sein. „Seit ich mich bei meiner Frau und einigen wenigen Verwandten und Freunden geoutet habe, ist meine Freude am Leben, meine Lebenslust gestiegen. Gleichzeitig habe ich gemerkt, dass mein Verantwortungsbewusstsein meinen beiden

Mittlerweile hat Andreas ein gutes Verhältnis zu seiner ehemaligen Lebenspartnerin aufgebaut. Seine Kinder sieht er jedes zweite Wochenende, wobei es auch sehr oft vorkommt, dass die Kinder ihren Tata noch viel öfter zu Gesicht bekommen, ist er doch auch Elternvertreter in der Schule und gemeinsam mit den beiden Töchtern in Sportvereinen tätig. „Wie sehr hat er sich seinem Umfeld offenbart?“ frage ich ihn. „Es musste in meiner ersten Trennungszeit soweit kommen, dass ich meine Mutter über mein neues Leben informierte. Sonst ist es eigentlich ein kleiner Freundeskreis, der über unsere Situation Bescheid weiß. Mir geht es vor allem darum, meine beiden Kinder zu schützen, aber auch mich selbst. Schließlich wird heutzutage einem sehr schnell etwas angedichtet.“ Und was wissen Kathrin und Verena über ihn? „Ich denke, obwohl ich und meine ehemalige Lebenspartnerin in der Erziehung an ein und denselben Strang ziehen und einen lockeren Umgang mit Sexualthemen pflegen, erscheint es uns wichtig, unsere Kinder auf meine Homosexualität vorzubereiten. Beide befinden sich im Moment noch in einem schwierigen Alter. Aber es wird der Tag kommen,

an dem sie von meinem zweiten Leben erfahren werden“, gibt sich der verantwortungsvolle Vater zuversichtlich. Und dann erzählt Andreas von einer lustigen Begebenheit: „Erst kürzlich waren meine beiden Töchter in dem Kinderfilm ‚Die wilden Hühner und die Liebe‘. In der Geschichte geht es auch um lesbische Liebe zweier Mädchen. Als meine Töchter von der Kinovorstellung nach Hause kamen, hat sich die jüngere nicht mehr ans das Wort erinnert und gemeint, dass es in dem Film auch um zwei...nicht lesbische, sondern ‚spastische‘ Mädchen gegangen sei. Da hat die ältere gemeint, dass es nicht ‚spastisch‘, sondern ‚lespic‘ heiße.“ Heute führt Andreas ein, wie er sagt, „freies“ Leben – zwar vorwiegend für seine beiden Töchter, mit einem guten Kontakt zur Mutter, einigen guten Freunden und Bekannten... aber mittlerweile mit einem neuen Freund, der selbst Vater von drei Kindern ist. Aber das ist eine andere Geschichte. „Alleine in meinem Bekanntenkreis und durch meine Recherche im Internet“, fügt Tata Andreas hinzu, „habe ich in den letzten Jahren fünf Väter kennengelernt, die in einer ähnlichen Situation sind und waren wie ich. Denen wünsche ich viel Mut und Kraft, ihr Leben so zu meistern, dass sie sich glücklich fühlen!“ > Stefan Windegger 14


Lesbische Mütter in Südtirol (K)Ein gewöhnlicher Alltag

Lesbische Mütter sind in Südtirol keine Seltenheit. Das sehen zumindest meine beiden Gesprächspartnerinnen so. Ich habe mich an einem warmen Herbsttag zu Mittag mit Theresia, 38, und Sabine, 40, getroffen und wollte wissen, wie es denn so um das Leben lesbischer Mütter in Südtirol bestellt ist. Die beiden haben jeweils Kinder zwischen acht und fünfzehn Jahren. Als Antwort auf meine Eingangsfrage, wie sie denn damit umgingen, dass die Vorstellung homosexueller Eltern in Italien immer noch Debatten und Skandale auslösen kann, schmunzeln Theresia und Sabine nur. Die Realität habe die ganzen Theorien schon lange eingeholt: „Mir alleine sind an die 20 Frauen bekannt,“ erzählt Sabine, „vor einiger Zeit gab es einen Abend im Rahmen der Freitagstreffen im Centaurus, der dieses Thema zum Inhalt hatte. Gekommen sind viele Mütter, eine Tochter und auch zwei lesbische Omas waren da.“ Das Bedürfnis nach einem Austausch war groß, auch der Wunsch nach gemeinsamen Unternehmungen, welche die Mütter vor allem der Kinder wegen begrüßen würden. Ausnahmslos sind alle Kinder in heterosexuellen Beziehungen geboren worden. Das Coming Out der Mütter erfolgte später, auch bei meinen beiden Gesprächspartnerinnen. Theresia meint, dass die Realität lesbischer Mütter wenig mit dem Phänomen der Regenbogenfamilien zu tun hat, deren Begriff es erst seit kurzem gibt – jedenfalls kaum so 15

lange, wie ihre Kinder alt sind. Und so richtig durchgesetzt habe sich diese Alternative zur traditionellen Familie nicht - nicht in einer Zeit, in der die Entscheidung für ein Kind prinzipiell immer schwerer wird. Jüngere Frauen würden sich nun zumeist früher ihres Lesbisch-Seins bewusst und müssten nicht erst den Weg über heterosexuelle Beziehungen machen. Dem widerspricht Sabine, ein Ausprobieren verschiedener Lebensstile werde es wahrscheinlich weiter geben, aber vielleicht nicht mehr ganz so im Nichtwissen der verschiedenen Möglichkeiten. Von einer Normalität lesbischer und schwuler Eltern zu sprechen, auch wenn es sie immer schon gab, sei aber noch verfrüht, sagt Theresia, noch nicht einmal die Patchworkfamilien werden anerkannt und im Rahmen von Schule und Erziehung berücksichtigt. Die Schulbücher gehen großteils noch von einer klassischen heterosexuellen Mutter-Vater-Kind-Familie aus. Für die Kinder selbst ist die sexuelle Orientierung ihrer Mütter selten Thema. Wichtiger sind der Trennungsaspekt, die getrennten Wohnungen und die Beziehung zum ausgezogenen Elternteil. Jede Umstellung bei Bezugspersonen ist für Kinder schwierig, auch ein Wechsel der Tagesmutter. Wenn selbst offen und unverkrampft mit der eigenen sexuellen Orientierung umgegangen werde, sei die auch für Kinder recht unproblematisch. Theresia: „Allerdings gab es

schon Phasen, in denen wir gemerkt haben, dass sie sich zum Thema lesbisch und schwul ausgetauscht und ihre eigene Orientierung thematisiert haben. Ich bin froh, dass ich Sabine kenne und unsere Kinder gern gemeinsame Unternehmungen machen. Das bietet auch ihnen ein Stück Normalität. Inwieweit sie mit anderen Kindern darüber sprechen, weiß ich nicht. Aber erst kürzlich meinte meine Tochter, für ihre beste Freundin wäre ihre lesbische Mutter kein Problem. Also müssen sie darüber gesprochen haben.“ Sabine: „Anfangs kamen schon einige Fragen und Kommentare. Die Kinder fragten sich – vordergründig scherzhaft – ob dieser oder jene auch schwul bzw. lesbisch sein könnte und machten sich auch Gedanken über ihre eigene Orientierung. Für sie alle sei es im Moment recht klar, dass sie heterosexuell seien, und sie interessieren sich auch nicht mehr für dieses Thema.“ „Als ich damals mit einem Artikel und Foto und Namen in einer Zeitung war,“ erzählt Theresia, „habe ich zu meiner Tochter schon gesagt, sie solle mit mir reden, falls unangenehme Reaktionen kommen sollten. Und habe das in meiner mütterlichen Besorgnis auch wiederholt. Da wurde sie ungeduldig und meinte, wegen mir würden nun wirklich nicht alle die Zeitung kaufen.“ Sabine: „Meine Tochter empfand es als sehr wohltuend, dass sowohl im Buch als auch im Film `Die wilden

Hühner und die Liebe` lesbische Mädchen ganz selbstverständlich vorgekommen sind.“ Im Dorf bzw. in der Stadt leben beide Frauen relativ offen ihre Orientierung, aber über die Kinder sei dieses Thema noch nie zu ihnen gekommen, meinen beide. Allerdings gibt es auch kaum Anlässe, bei denen die Tabuisierung des Themas lesbische Mütter oder schwule Väter aufgehoben werden müsse. Sabine: „Ich hab die Schulpsychologin mal gefragt, ob ich mich outen sollte. Aber die meinte, ohne Notwendigkeit würde sie mir eher abraten.“ Holt die Freundin mal die Kinder ab, wurde sie noch nie gefragt, mit welcher Berechtigung sie das tun würde. Theresia: „Hier gibt es wenig Handlungszwang oder auch nur leichte Gelegenheit zum beiläufigen Outing. Auf Letzteres wurde in meinem konkreten Fall überhaupt nicht reagiert. Unterschieden wird höchstens zwischen getrennten und zusammenlebenden Eltern.“ Bei zwei Lesben oder Schwulen, die sich gemeinsam für ein Kind mittels künstlicher Befruchtung entschieden hätten, würde die Situation sich allerdings ändern. Da würde das Verschweigen von Seiten der Gesellschaft bedeutend schwerer fallen, was aber letztendlich positive Auswirkungen für eine Akzeptanz haben könnte. Akzeptieren geht in letzter Konsequenz nicht über Gesetze, sondern über Menschen, die man kennt oder kennenlernt, auch im Umfeld von Kindern ganz allgemein. Wenn der Kinderwagen da steht, werden alle hineinschauen, ob die Mama nun lesbisch ist oder nicht. Diese Erfahrung hat auch Theresia gemacht: „Ein Schlüsselerlebnis hatte ich mit meiner Tochter: So geläufig ihr das Thema Lesbischsein ist, so befremdet reagierte sie auf die Vorstellung, dass zwei Männer sich küssen

könnten. Erst als jemand aus der Familie sich als schwul geoutet hatte, wurde es für sie eine neue Lebensrealität.“ Sorgen und Freuden meiner Gesprächspartnerinnen, so sagen sie, lassen sich nicht exklusiv als spezifisch lesbisch einordnen. Alles, was nicht der heterosexuellen Idealfamilie entspricht, eckt im Selbstverständnis der Gesellschaft an und erzeugt Ablehnung und Verunsicherung. Auch Mutter mit Kind allein wird erst seit kurzem als vollwertige Familie anerkannt. Rollenunklarheiten und Eifersüchteleien gebe es wie in jeder anderen Trennungssituation, wo neue PartnerInnen ihre Ansprüche anmeldeten. Hier spüren auch die Mütter die Spannung, für beide da sein zu wollen, sowohl für die Partnerinnen als auch für die Kinder. Sabine: „Als Partnerin kommt für mich ohnehin nur eine Frau in Frage, die meine Lebenssituation und die Rolle

meines Kindes akzeptiert. Aber große Probleme gab es bisher in dieser Beziehung noch nicht. Die Entscheidung für eine Frau mit Kind erfolgt meist schon bewusst. Und viele Lesben sind auch froh, dass sie auf diese Art Kontakt und Beziehungen zu Kindern haben. Hier erlebe ich ganz viel Offenheit und Neugierde.“ Theresia: „Wie allerdings die Partnerinnen es erleben, Patchworkteil in einer weder rechtlich noch gesellschaftlich anerkannten Situation zu sein, wäre noch einmal eine eigene spannende Befragung.“ Doch die Mittagspause ist nun viel zu schnell vorüber, Arbeit will wieder angefangen und Kinder zum Schwimmkurs gefahren werden. Und mit dem Vorsatz, die Themenabende im Centaurus gerade mit diesem Schwerpunkt wieder in Gang zu bringen, verabschiede ich mich von Theresia und Sabine. > Uli Spitaler

Anna, 11 Jahre, Tochter

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L’identita’ bisessuale Ho letto ieri che, secondo alcune ricerche, i bisessuali esistono. Mi e’ venuto da pensare a quante migliaia di persone avranno letto quell’articolo e avranno pensato ‘ah, che bello sapere che esisto! Adesso mi sento piu’ reale!’. E mi sono chiesta quanti anni fa sara’ stata condotta una ricerca per scoprire se i gay esistono, o, meglio ancora, se gli eterosessuali esistono. Nessuno, credo, ha mai messo in discussione l’esistenza di coloro che si definiscono eterosessuali. Ultimamente non ritengo ci siano dubbi neppure sull’esistenza di coloro che si definiscono omosessuali e sviluppano la cosiddetta identita’ omosessuale. Allora perche’ i bisessuali, questa minoranza silenziosa, hanno bisogno di studi mirati per confermare la loro stessa esistenza? E’ comune, piu’ nel mondo gay che in quello etero, pensare che i bisessuali non esistano: se una persona si definisce bisessuale e’ perche’ ‘sta attraversando una fase’ (fase che, secondo la maggioranza, li portera’ ad assumere una stabile identita’ omosessuale), e’ ‘confusa’ (e quindi, una volta svanita la confusione, assumera’ un’identita’ omosessuale) o, semplicemente, e’ omosessuale ed ha paura di definirsi come tale. Secondo questo punto di vista, quindi, i bisessuali non esistono perche’ sono semplicemente 17

eterosessuali in transizione verso la loro vera identita’, quella omosessuale. Indubbiamente, puo’ capitare che alcuni individui si definiscano bisessuali in una fase della loro vita e omosessuali in un altra, e forse questo confonde un po’ le cose. Tra gli eterosessuali, invece, il bisessuale e’ visto come un individuo inaffidabile e sfuggente, talmente affamato di sesso da non accontentarsi di cercarlo solo con uomini o solo con donne, ma da aver bisogno di entrambi. E’ comune che al bisessuale venga detto ‘Ah, fortunato te, tu si’ che hai scelta!’ (come se il bisessuale necessariamente considerasse come potenziale partner erotico-sentimentali chiunque, uomini e donne di qualsiasi eta’, aspetto, quoziente intellettivo e personalita’). Ma immaginate adesso che ci sia qualcuno, una minoranza silenziosa, si’, ma indubbiamente esistente, di persone che sono attratte e capaci di avere relazioni sessuali e sentimentali con il proprio genere e con quello opposto. Tali persone non hanno vita facile: ogni giorno, infatti, incontrano atteggiamenti negativi sia da parte della comunita’ eterosessuale che di quella omosessuale (una forma di pregiudizio che alcuni autori chiamano ‘monosessismo’). Per capire meglio, consideriamo l’esperienza di qualcuno (chiamiamolo B.) che si definisce bisessuale. B., sesso maschile, 25 anni, ha attualmente una

relazione con G., un ragazzo della stessa eta’. Mentre G. si definisce gay, B. sa, ‘sente’, che non e’ gay. B. ha avuto alcune storie con ragazzi e alcune con ragazze, tutte vissute con soddisfazione, affettiva e sessuale. B. sa che, se e quando la storia con G. finira’, la prossima relazione potrebbe essere con un uomo o con una donna. Dai suoi amici etero, che sanno del suo orientamento sessuale, B. e’ considerato ‘promiscuo’, nonostante le sue storie siano state affettivamente piene e relativamente lunghe, e la sua vita sessuale sia perfettamente appropriata alla sua eta’. I suoi amici gay gli dicono che deve ‘decidersi’, che e’ gay e deve accettarlo. Il suo partner, G., considera B. inaffidabile, pur amandolo molto, perche’ teme che un giorno B. lo lascera’ per una donna e una vita piu’ ‘normale’. B. e’ un personaggio di fantasia, ma riflette l’esperienza di molte persone che, in eta’ adulta, si definiscono bisessuali. Indubbiamente, molti bisessuali, uomini e donne, si sentono spinti a definirsi in un modo che non appartiene loro, e vivono quindi nella bugia (o nella parziale verita’) di definirsi gay/lesbica tra i gay e etero tra gli etero. Perche’ la bisessualita’ e’ cosi’ difficile da accettare? L’identita’ sessuale, per molto tempo, e’ stata considerata una categoria dicotomica (O sei etero O sei gay,

non puoi essere SIA etero CHE gay): l’essere gay e l’essere etero erano considerati due poli opposti. Recentemente, nuovi studi hanno cercato concettualizzare l’attrazione verso i maschi o le femmine su due dimensioni indipendenti (semplificando, una dimensione rappresenterebbe l’attrazione per le persone del proprio sesso – omoeroticismoe un’altra rappresenterebbe l’attrazione per il sesso opposto - eteroeroticismo). Una persona con un alto punteggio nella scala di omoeroticismo e bassa in quella di eteroeroticismo potrebbe definirsi, ad esempio, omosessuale. Secondo questo approccio bidimensionale, l’orientamento sessuale di un individuo riflette la combinazione della sua collocazione su ognuna di queste dimensioni indipendenti,e le diverse combinazioni riflettono uno spettro di orientamenti sessuali distinti, diversi l’uno dall’altro per intensita’e livello. Diciamo che esistono persone con alto punteggio in entrambe le dimensioni: significa che sono persone intensamente attratte sia dalle persone dello stesso sesso sia dalle persone del sesso opposto. Tali persone possono essere definite bisessuali. L’identificarsi come gay, etero, lesbica o bisessuale puo’ anche variare nel tempo: sebbene questa ‘fluidita’’ nella definizione della propria identita’ sia propria piu’ delle donne che degli uomini,

certamente l’orientamento sessuale non e’ una disposizione duratura che si forma nella prima infanzia durando, necessariamente, tutta la vita. E’ quindi possible avere una ‘fase’ in cui ci si identifica come bisessuali, seguita da una fase diversa in cui ci si identifica gay, lesbica, o etero. Ma e’ possibile avere un’identita’ bisessuale? Le ricerche dicono di si: sembra che gli uomini e le donne che si definiscono bisessuali abbiano modi diversi dagli etero o dai gay di costruire la propria identita’ e le proprie relazioni eroticosentimentali. In realta’, i bisessuali sembrano essere meno condizionati dal genere nella loro attrazione sessuale e affettiva rispetto agli eterosessuali, agli uomini gay o alle lesbiche: per sapere

se sono attratti da qualcuno, cioe’, si basano su altri elementi che non sono l’essere uomo o donna. Per esempio, una donna bisessuale potrebbe dire: sono attratta dalle persone sensibili e coraggiose. Quello che significa e’: non importa se uomo o donna, la persona dalla quale mi sento attratta ha caratteristiche di sensibilita’ e coraggio. Nel comprendere la bisessualita’, il punto centrale e’ che per molte persone la bisessualita’ non e’ una combinazione di attrazioni verso uomini o donne ma piuttosto, un’attrazione verso certi individui, senza riguardo per il loro genere di appartenenza. Una volta avuto in mente questo particolare, sara’ piu’ facile capire questa minoranza silenziosa, e accettare le persone bisessuali per come sono, si sentono, si definiscono. > Paola Paoletti

Cartoon mit freundlicher Genehmigung: © Ute Hamelmann, www.toonart.de

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Don‘ t worry – Bi happy! Im Gespräch mit Benjamin, 42, Musiker, Musikwissenschaftler und Kulturjournalist, offen bisexuell. C: Innerhalb der Gay-Community gibt es viele Codes, Regeln und Normen. Wie erlebst Du Bisexualität innerhalb der Community? B: Normen und Gruppenzwänge gibt‘s nicht nur innerhalb der Gay Community, sondern auch in der Heterowelt, in der Swinger-, Fetisch-, SM-Szene und so weiter. Schwule, Lesben wie auch Heteros neigen mitunter dazu, sich selbst für den Nabel der Welt zu halten. Eigenartigerweise übernehmen – und das wird gelegentlich auch in der Gay Community diskutiert – aber auch gleichgeschlechtliche Paare oft ein klassisch heterosexuelles Rollenverhalten. Wenn man über DIE Bisexualität spricht, sollte man bedenken, dass Sexualwissenschaftler bewußt von ›Bisexualitäten‹ sprechen. Ich kenne viele Bisexuelle, die sich, genau wie ich, nicht einmal gern ›bisexuell‹ nennen, weil das bedeutet, uns in eine Schublade zu stecken, in die wir eigentlich gar nicht reingehören wollen. ›Polysexualität‹ wäre vielleicht ein besseres Wort und ein wichtiges Thema. Die Frage ist: Möchte ich mich eigentlich über meine Geschlechtlichkeit definieren? Das ist etwas, was bei Lesben und Schwulen oft ganz stark ist. Gemeinsam haben Bis und Gays vielleicht das Gefühl des ›andersSeins‹. Doch ist das, was dich ausmacht, deine Sexualität, oder gehst du darüber hinaus und sagst: Wer bin ich als Mensch? Das hat nichts damit zu tun, ob ich gerne mit Meinesgleichen ins 19

Bett gehe oder nicht. Bisexualität bedeutet für mich: ich habe einen gewissen sexuellen Geschmack, und der bezieht sich auf Männer als auch Frauen. Man kann Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Manches kann man mit Männern tun, anderes mit Frauen, manches kann man mit beiden tun, wieder anderes mit Männern und Frauen gleichzeitig. Alles dies ist für mich auf unterschiedliche Weise sehr schön. C: Gibt es eine besondere Solidarität unter den Bisexuellen? Gibt es eine Community innerhalb der Community? B: Oh ja. Es gibt zum Beispiel schon seit Jahren das ›Bisexuelle Netzwerk‹ mit einer eigenen Homepage (www.bine.net), einem Magazin, Beratung-, Seminarund Veranstaltungs-Angebot. Außerdem gibt es Bi-Gruppen in allen größeren Städten, die sich regelmäßig treffen. C: Man hört immer wieder den Vorwurf, dass viele Schwule nur behaupten, bisexuell zu sein, um in der heterosexuell geprägten Gesellschaft auf mehr Akzeptanz zu stoßen, und dass viele Bisexuelle behaupten, schwul oder heterosexuell zu sein, um in der jeweiligen Community akzeptiert zu werden. Was meinst Du dazu? B: Man spricht unter anderem deshalb von ›Bisexualitäten‹, weil es auch Übergangsphasen gibt. Ich habe zwar bereits während meiner Pubertät gemerkt, dass ich mich für Männer und

Frauen interessiere, aber der gesellschaftliche Druck, mich zu entscheiden, war immer da. Wenn du die Erfahrung machst, dass du dich in einen Mann verliebst, dann wieder in eine Frau, und du spürst, du willst dich im Grunde genommen eigentlich gar nicht entscheiden, aber von der anderen Seite ist dieser enorme Druck da, dann hast du zwei Möglichkeiten: Du denkst darüber nach und arbeitest an dir, oder du lässt es mit dir geschehen, dass du in das eine oder andere Verhalten hineingepresst wirst. Es ist vielleicht auch eine Frage von ›wie konform‹ man generell ist. Für viele Schwule oder Lesben, die in ihrem Coming Out sind, ist es leichter, sich erst mal als ›bisexuell‹ zu bezeichnen, für sich selbst, als Übergangsphase, weil sie vielleicht halt eben noch nicht so weit sind, dass sie sagen: Ich entscheide mich – wofür nun auch immer. Schwierig wird es da, wo es eine Erwartungshaltung gibt und wo zum Beispiel eine Community sagt »jetzt entscheid dich aber mal«, auch wenn man es selbst gar nicht so fühlt. Die Grauzone in der Gay-Community ist aber wohl viel größer, als man sich das allgemein vorstellt: Beim Recherchieren im Internet fand ich unter anderem heraus, dass sich z. B. in meiner Heimatstadt von den dort bei Gayromeo registrierten Profilen nur etwa zwei Drittel der Männer als ›gay‹ bezeichnen. Gut ein Viertel nennen sich bisexuell und trauen sich das auch, dann gibt‘s noch

fast genau so viele, die ›keine Angabe‹ schreiben, aber nur sehr wenige Transsexuelle. Du kannst aber sicher sein, dass es in der Community eine ganze Menge gibt, die sich zwar als ›gay‹ bezeichnen, aber trotzdem immer wieder mal die eine oder andere Erfahrung mit einer Frau haben oder gehabt haben, und sich nicht trauen, zu sagen, dass sie eigentlich bisexuell empfinden, weil sie dann sofort eins auf die Mütze kriegen würden. Bisexualität ist also viel verbreiteter, als viele meinen. Meiner Erfahrung nach setzen sich lesbische Frauen sogar noch eher mit Bisexualität auseinander als Schwule, aber es fehlt im Allgemeinen eben doch die Auseinandersetzung, und es gibt für Bis generell ein großes Akzeptanzproblem. C: Hattest Du ein Coming Out als ›Bisexueller‹? B: Es gibt gar nicht DAS Coming Out. Das ist eine Illusion. Die meisten meinen damit wie z. B. in dem schönen Film ›Get Real‹ eine dramatische Situation, in der man plötzlich vor die Welt tritt, und allen Leuten sagt: »Ich bin schwul!« oder lesbisch! In Wirklichkeit hast du dein Coming Out immer wieder. Jedesmal, wenn du irgendeinem Menschen begegnest, dem du kommunizieren möchtest, dass du nicht der Hetero-Norm entsprichst, outest du dich. Das Coming Out ist also prozesshaft und nie abgeschlossen. Das ist am Anfang oft besonders schwierig, weil man erst mal lernen und begreifen muss, zu sich selbst zu stehen, um es dann den Leuten um sich herum auch sagen zu können. Ich habe aber mein eigenes Coming Out nie als »den einen Moment« empfunden. Mein Mutter hat immer schon etwas geahnt, war aber vielleicht eher erleichtert, als ich ihr sagte: »Also, so ganz die Hoffnung

auf Enkelkinder musst Du doch nicht verlieren.« Da meinte sie nur: »Komm mir bloß nicht mit Enkelkindern!« (lacht) Das ist so ihre Art. Im Grunde genommen ist es mit der Bisexualität so: Du entscheidest dich, wann immer du dich in einen Menschen verliebst, jedesmal für den Menschen und nicht das Geschlecht. Es wäre allenfalls angemessen, zu sagen, man lebt in einer schwulen, lesbischen, hetero-, bisexuellen, offenen oder geschlossenen Beziehung. C: Wie sind die Reaktionen auf Deine ›offene‹ Bisexualität? B: Völlig unterschiedlich, je nach dem, was man in den Leuten hervorruft. Es reicht von »Ja, toll, endlich mal jemand, der es sagt! Ich fühl‘ mich eigentlich genau so!« bis hin zu eklatanter Ablehnung, oft gerade bei Schwulen, und ich merke leider immer wieder, dass die gängigen Klischees doch ziemlich drastisch sind. Es kommen Aussagen wie: »Ich könnte mir gar nicht vorstellen, mit einem Bisexuellen zusammen zu sein. Wenn ich den an eine Frau verlieren würde – mit der könnt‘ ich nicht konkurrieren.« – für mich absoluter Schwachsinn! Denn wenn sich jemand, den du liebst, in jemand anderen verliebt, und dich verlässt, dann ist es egal, ob‘s ein Mann ist oder eine Frau, denn das Ergebnis ist dasselbe. Solche Aussagen sind meines Erachtens Ausdruck gestörten Selbstwertgefühls. Bisexuelle lernen freilich leichter, ihr Selbstwertgefühl aufzubauen – das müssen sie nämlich, gerade weil sie sich im Spannungsfeld dieser Normen und ›Normalitäten‹, nämlich der ›schwulen‹ und ›heterosexuellen Normalität‹ bewegen, als Grenzgänger. Man macht sozusagen die eigene Flexibilität zur Überlebensstrategie. C: Gab es Fälle, wo Du so ein

starkes Interesse an einer Person hattest, dass Du das Risiko, ihr oder ihm zu sagen, dass Du bisexuell bist, nicht eingegangen bist? B: Nicht mehr seit meiner Studienzeit, wo ich mit etwa Mitte Zwanzig zu mir selbst fand. Ich würde mich ja sonst verleugnen. Für mich ist eine Sache, die in einer Beziehung sehr wichtig ist, Akzeptanz. Das bedeutet »Ich nehme Dich so an, wie Du bist.« Beziehung heißt für mich die Entscheidung, Familie füreinander sein und hat primär wenig mit Sex zu tun. In der falsch verstandenen, ›romantischen‹ Liebe verliebt man sich Erich Fromm zufolge nicht in den Menschen, sondern eigentlich in das Bild, das man sich von ihm erschafft. Man nimmt den anderen als perfekt wahr, verliebt sich also eine Illusion, nicht den wirklichen Menschen. Man neigt dazu, in einer romantischen Beziehung mit der berühmten ›rosaroten Brille‹ alles auszublenden, was man nicht sehen will. Dann kann‘s aber nicht funktionieren, denn man baut auf Sand: Früher oder später kommt alles ›Ausgeblendete‹ unweigerlich auf! Wenn ein Mensch, der sich mit mir abgibt, nicht willens, in der Lage oder fähig ist, mich so zu akzeptieren wie ich bin, dann kann es mit uns nicht funktionieren. C: Wie siehst Du die jetzige Situation innerhalb der Gesellschaft, und wie würdest Du Dir die Gesellschaft wünschen? B: Das ist keine Frage der Bisexualität, sondern es ist wie mit allen unterschiedlichen Glaubensrichtungen oder Lebensanschauungen: Jede Community (ob nun sozial, kulturell oder religiös) hat ihre eigenen Regeln. Aber auch Gemeinschaften halten sich oft für den Nabel der Welt, und deshalb gucken sich ihre Mitglieder selten das ›Problem hinter dem 20


Problem‹ an, stellen sich, ihre Gemeinschaft und deren Regeln nicht in Frage. Einer der Gründe, warum Bisexuelle bei Homos wie auch Heteros oft skeptisch und misstrauisch beäugt werden, ist aber, das Bisexuelle sie durch ihre Art gerade an dies ›Problem hinter dem Problem‹ erinnern. Da gibt es zum einen die Frage der Monogamie, zum anderen die Frage: Ist die Sexualität eigentlich das, was die Beziehung zusammenhält? Ich würde so drastisch sein zu behaupten, dass für viele Paare Sexualität die Münze ist, mit der sie für das bezahlen, was sie ›Beziehung‹ nennen. Ich denke, wenn zwei Menschen eine Beziehung eingehen, dann weil sie gerne möchten, dass sie Familie füreinander sind. Die Sexualität kommt dann dazu, ist aber halt eben auch nur ein Teil vom Ganzen. Es geht in einer Beziehung ja eigentlich um ganz andere Dinge: Vertrauen aufbauen, sich fallen lassen können, sich so annehmen lernen, wie man eben ist, also Akzeptanz füreinander entwickeln – und das ist ja das, was beim Wachsen einer Beziehung passiert: Gemeinsamkeiten entdecken, aber dem anderen auch seine Freiräume lassen, sich stützen, aber sich nicht aneinanderklammern. Das wäre meine Idealvorstellung von Beziehung. Eine andere Frage ist dann: Muss es unbedingt die ›eine‹ Beziehung sein, und darf man nur einen einzigen Menschen lieben? Das ist eine Frage, die gerade Bisexuelle sehr laut stellen. Von da her glauben Homos und Heteros, ein Bisexueller könne mit einer Frau und einem Mann gleichzeitig zusammen sein. Das macht ihnen Angst, und das bringt das ganze Konzept der verlogenen seriellen Monogamie 21

mit ihrer falsch verstandenen Treue ins Wanken. Bekennst du dich aber zu deiner LiebesVielfalt, führt dies aber auch dazu, dass du dich nicht mehr so leicht belügst – guck dir viele lesbische, schwule oder heterosexuelle Paare an: Da ist ein Jahr lang Honeymoon, die rosarote Brille ist da, man schwört sich ewige Treue, ist ständig zusammen, aber irgendwann merkt man, dass es doch die Natur des Menschen ist, immer wieder mal auch andere zu begehren, und denkt, immer wenn man jemand interessantes trifft: »Jetzt würd ich aber eigentlich gerne doch …« Entweder gibt man dem nach und fühlt sich dann schuldig, oder man stellt in der Beziehung Regeln auf – und ich hab davon schon die merkwürdigsten gehört, wie »Ficken ist in Ordnung, aber Küssen nicht.« Oder: »Es ist alles erlaubt außer Ficken.« Oder: »Einmal ist in Ordnung, aber Wiedersehen gefährlich und darum verboten.« Wieder andere sagen aber: »Wir haben Sex mit anderen nur zu dritt, dann haben wir beide was davon.« Bei Heteros ist es genau das gleiche. Dort sind es halt ›Seitensprünge‹, ›Affären‹, ›One-night-Stands‹ oder Ehemänner, die zu Prostituierten gehen. Dahinter steckt, dass sich viele in Sachen Sexualität belügen und ihr zugleich viel mehr Wert beimessen, als eigentlich an ihr dran ist. Vielleicht begreift man aber auch irgendwann: mein Partner ist mit mir, weil ich ihm Familie bin, ich Familie für ihn, und deswegen kommt er immer wieder zu mir zurück. Man muss auch als Paar eben an sich arbeiten. Um auf deine Frage zurückzukommen: was ich mir wünschen würde, ist, dass man die Sexualität nicht so überbewertet, nicht zu etwas so Heiligem macht. Sexualität kann

viele Ebenen haben – das kann Spiel sein, Kommunikation, das kann einfach nur spontan Lust und Spaß haben sein. Es kann, wenn man jemanden innig liebt, eine intensive spirituelle Ebene bekommen, aber in jedem Fall, wenn man nicht den Ego-Trip fährt, wenn man nicht nur ›haben will‹, wenn man nicht nur seine Bedürfnisse befriedigen, sondern sich hingeben, seine Lust teilen will, und dafür sorgen möchte, dass der Mensch, mit dem man zusammen ist, auch Lust empfindet, dann ist es ist wie beim Musizieren: man spielt kein Stück Musik für sich, sondern für sein Publikum, und alles, was man in sich hat, gibt man – und das vielen Menschen gleichzeitig. Das ist für jeden Musiker eine prägende Erfahrung. Mit dem Sex ist es im Grunde genommen das Gleiche – wie mit allem anderen, was man miteinander genießen und teilen möchte. Es gibt bestimmte Dinge, die man sexuell gerne tut – küssen, streicheln, massieren, lecken, den anderen entdecken und noch vieles mehr. Das hat aber eigentlich nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern nur mit dem, was man mag oder nicht mag, und wie man sich dabei fühlt. Es gibt z. B. Leute, die auf Fetisch-Sex stehen, aber der Fetisch ist dann wohl das Primäre, und nicht, ob es nun mit einem Mann oder mit einer Frau Fetisch-Sex ist. Jeder hat eben einen eigenen Geschmack. Für mich wäre es genau so absurd zu sagen, ich definiere mich hetero-, homo- oder bisexuell, als zu sagen: Ich definiere mich als Erbsensuppen-Esser! Sex ist vor allem eine Frage des Geschmacks, etwas, was man mit Menschen teilt, die man mag, und man muss lernen, wegzukommen von dieser Fixierung, diesem furchtbaren: »Was ich ficke, bin ich.« Was soll

das?? Spätestens dann, wenn ein Hetero merkt, dass er sich in jemand vom eigenen Geschlecht verliebt, oder eine Lesbe oder ein Schwuler in jemand vom anderen Geschlecht, oder gar jemand in zwei Menschen gleichzeitig – und letzteres passiert häufiger, als sich viele eingestehen mögen! – dann muss man eben seinen eigenen Weg finden. Man sollte so viel Stärke gewinnen, zu sagen: »Ich bin nicht verantwortlich dafür, wie die anderen mich wahrnehmen, sondern ich bin in erster Linie wie ich bin. Und egal wie ich bin – es wird immer Leute geben, die daran was auszusetzen haben.« Man kann sich verändern, wie man will, man kann an sich rumschnippeln lassen, man kann fett sein oder dünn sein, doch man wird immer einige treffen, die sagen, »Es ist genau so okay«, und wieder andere, die sagen: »Igitt!« Damit muss man leben lernen. Die einzige Chance ist, auf der Basis des Wohlverhaltens zu sagen: »Ich bin, wie ich bin, und wer damit nicht klar kommt, tut mir leid: Das ist dann nicht mein Problem, sondern seins.« Ich wünsche mir, daß Menschen an ihrem Selbstwertgefühl arbeiten und vor allem ihrer Fähigkeit zur Akzeptanz. Denn Toleranz ist das falsche Konzept: Es beinhaltet, dass man etwas hinnimmt, über das man sich ein Urteil anmaßt, aber nicht annimmt. Und es macht dich klein, denn wer selbst nur Toleranz übt, wird niemals für sich Akzeptanz in Anspruch nehmen können. Vor allem wünsche ich mir also mehr Menschen mit positivem Selbstwertgefühl, die sich offenen Herzens einander zuwenden, Mitgefühl und Einfühlungsvermögen entwickeln und frei werden, sich hingeben zu können – weg vom Ich, hin zum Du und Wir. Das Leben ist zu kurz, um egoistisch zu bleiben!

© Benjamin Gunnar Cohrs

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Abile di Cuore Ein Gespräch mit Thomas, 39, Eigendefinition: „Einer der letzten Privatiers und schrulliger Privatgelehrter“ C: Irgendwann kommt man als Schwuler darauf, dass man doch nicht so anders ist, wie man es als Jugendlicher vielleicht geglaubt hat, dass man Teil einer Community ist, in der alle „anders“ sind, und in der es Regeln und Normen gibt. Was bedeutet „anders sein“ für Dich? T: Zunächst einmal, „anders sein“ war für mich nie so das Thema, denn ich hab mich immer, schon von Kindheit an, eher gefühlt wie ein Alien, der übrig geblieben ist von einem Ufo-Absturz, weil ich ja als Schwerstbehinderter von Kindheit an damit konfrontiert war, dass alle um mich herum z.B. Dinge können wie „gehen“, etwas, zu dem ich bis heute keinen Bezug herstellen kann. Wie ein von Geburt an Blinder, der mit dem Wort „sehen“ nichts anfangen kann, war für mich „gehen“ nie etwas „Normales“. Das hat dazu geführt, dass ich immer sehr zurückgezogen war, und eigentlich ich mir selber der liebste Umgang war. Andere Menschen, auch andere Kinder, fanden mich immer eher abstoßend. Wie ich dann mit 14, 15 entdeckt habe, dass ich schwul bin, war mein Gedanke: nein, um Gottes Willen, nicht das auch noch! Die Idee, ich bin da jetzt ganz allein auf der Welt, hat sich so mir nicht gestellt, weil ich schon gewusst habe, da gibt’s noch andere. Allerdings war dann meine erste

Konfrontation mit dem, was man „schwule Community“ nennt, eine Enttäuschung per se. Ich hab nie so intolerante und in ihrem Denken so festgefahrene Menschen erlebt, wie in dem, was man „schwule Szene“ nennt. Ich sag immer, es hat in den letzten 15, 20 Jahren überall Fortschritte gegeben im Bezug auf Behinderungen, nicht aber bei den Schwulen. Das mag daran liegen, dass Minderheiten mit eigenen Minderheiten immer Probleme haben, jedenfalls muss ich sagen, dass erst im Zeitalter des Internets da jetzt mehr Bewegung drinnen ist wie bei fast allen Themen. Aber die Schwulenszene als solche hab ich als das Arroganteste und Intoleranteste erlebt in Bezug auf Behinderung. Es beginnt bei ganz praktischen Sachen, dass es z.B. bis heute nicht möglich ist, Szenelokale im Rollstuhl zu besuchen. Man mag vielleicht noch hineinkommen, aber dann kann man dort nicht aufs Klo gehen – und wer will schon in einem Schwulenlokal jemanden ansprechen mit der Bitte, mit ihm aufs Klo zu gehen, das könnte man absolut falsch auslegen (lacht). C: Die Öffentlichkeit blendet bei Menschen mit Behinderung die Sexualität oft total aus. Welche Reaktionen ruft Deine Homosexualität wach? T: Wenn ich das vor 10 Jahren bei einem Vortrag oder bei einer Diskussion erwähnt habe, vor Ergotherapeuten oder vor

anderen Menschen, die mit Behinderung zu tun haben, haben die Leute sich meist, im übertragenen Sinne, aus dem nächsten Fenster gestürzt, da das ganze ja etwas so Unglaubliches war. Bis vor 10, 12 Jahren hat man Behinderten ja überhaupt keine Sexualität zugebilligt, jetzt billigt man ihnen eine Sexualität zu, aber nur eine unter Anführungszeichen „reine Sexualität“ im Rahmen einer heterosexuellen Partnerschaft. Heute regiert aber auch da oft der Pragmatismus, und ich weiß von einem Behindertenverein, der Leute im Wohnen betreut, unter anderem auch mich im ambulanten Wohnen, und von dem auch ein schwules Paar betreut wird. Aber es ist bisher nicht möglich gewesen, das in einem größeren Diskurs zu thematisieren. Es gibt’s „halt auch“. Was ich allerdings in den letzten Jahren erlebt habe, zum Thema Schwule und Behinderung, dass die Leute von einzelnen Organisationen – interessanterweise aus dem Behinderten-Bereich und nicht aus dem Schwulen-Bereich – absolute Coming Out Hilfe bekommen. Aber leider ist auch die Minderheit der Behinderten in Bezug auf Homosexualität nicht immer sehr tolerant. Es gibt Behinderte, die, seit sie wissen, dass ich schwul bin, mit mir keinen Kontakt mehr haben wollen. Auf meine Sexualität selber, wenn ich sie thematisiere,

gibt es bei jungen Menschen vielleicht die eine oder andere freche Nachfrage, mit Entsetzen reagieren aber meist die älteren Leute. Aber großartige Reaktionen gibt es selten. Bei mir im Haus weiß es z.B. jeder, aber es wird nicht thematisiert. C: Viele der Institutionen, die Menschen mit Behinderung unterstützen und helfen sind christlich geprägt, und haben deshalb oft Probleme mit der Homosexualität an sich. Was sind Deine Erfahrungen damit? T: Prinzipiell erlebe ich es immer wieder auch in meiner Tätigkeit als Berater, im ganz normalen Behindertenbereich, dass die christlich geführten Institutionen generell die unter Anführungszeichen „am schlechtesten geführten“ Institutionen sind, und dass es auch da die meisten Beschwerden gibt, von wegen der generellen Qualität. Aber das ist ganz einfach zu erklären: die meisten Organisationen, die ja von Orden betreut werden, leiden unter der Überalterung, in Altersheimen ist es meist so, dass senile Schwestern senile Alte betreuen. Im Behindertenbereich ist es halt leider so, dass das „neue“ Behindertenbild – der Behinderte als selbstbestimmter Mensch – in vielen christlichen Organisationen, wie leider auch der Caritas, noch nicht wirklich angekommen ist. Da gibt es immer noch dieses Bild des Behinderten, der lieb sein Thomas Kovacs, Photo: Conny Cossa

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und mit leuchtenden Augen dankbar sein sollte für die Almosen und die Zuwendung, die man ihm gibt, um, nicht ganz uneigennützig, die so genannten „Werke der leiblichen Barmherzigkeit“ zu sammeln. Also, die Eigendefinition des behinderten Menschen als eines Menschen, der eine Dienstleistung in Anspruch nimmt – und nichts anderes ist es ja, es ist ja nicht so, dass die Behindertenarbeit nicht finanziert und auf Almosenbasis gemacht würde, das stimmt heute absolut nicht mehr – es ist eine Dienstleistung wie ein Frisör, ein Taxiunternehmen, oder etwas anderes. Gerade christliche Organisationen haben mit dem Thema Sexualität und Behinderung generell Probleme, aber ich weiß auch von Fällen, wo noch vor 20 Jahren sogar in staatlichen Institutionen den Behinderten Chrom ins Essen gemischt wurde, um den Sexualtrieb zu dämpfen, wie es noch heute zum Teil in Altersheimen üblich ist. C: Das Internet ist eine eigentlich „körperlosen“ Welt, in der es allgemein akzeptiert ist, dass der Körper nur noch ein virtueller Körper ist, ein Avatar. Welche Bedeutung hat für Dich das Bewegen im Internet? T: Ich bewege mich im Internet so, wie ich mich gerne in der Szene bewegen würde. Wobei ich sagen muss, das Internet ermöglich einem Behinderten ja generell mehr. Es ermöglicht mehr Kommunikation, es ermöglicht sozusagen vom eigenen Schreibtisch aus Menschen kennen zu lernen. Ich denke, dass das Internet das Leben eines Behinderten um wesentliches verbessert hat, man hat viel mehr Lebensqualität - auch ganz 25

banale Sachen, ich bekomme Bücher nun ins etwa Haus geliefert, wenn ich will, oder was auch immer. Das Internet war für mich die Möglichkeit, mein Schwulsein einigermaßen „wirklich“ zu leben, nicht in der Realität, aber im Kontakt mit anderen Menschen. Also, ich bin kein Typ, der Online-Sex hätte, oder so was, dazu fehlt mir die nötige Ernsthaftigkeit, ich könnte dabei einfach nicht ernst bleiben, aber das Internet hat mir die Möglichkeit gegeben, Leute kennen zu lernen, die hunderte Kilometer weit weg sind, und manchmal ist es dadurch auch zu realen Treffen oder realer Sexualität gekommen. Ein wichtiges Thema ist auch Behinderung als sexueller Fetisch. Viele Behinderte sind absolut intolerant, wenn es dazu kommt, dass Behinderung als etwas sexuell Erregendes gesehen wird. Ich war sehr überrascht, als ich in den letzten Jahren, auch durch das Internet, feststellte, dass dieses Thema viel vielfältiger ist, als man denkt. Also, dass es Männer gibt, die auf Amputationen stehen, die gerne selber behindert wären, die auf Spastiker stehen, alles mögliche – und das ist eine der wenigen Möglichkeiten, als schwuler Behinderter seine Sexualität zu leben. Ich beziehe mich jetzt nur auf Sexualität, und nicht auf Beziehung oder Partnerschaft. Du kannst als behinderter Schwuler mit einem Typen, der auf Behinderung steht, das nennt man Amelotatismus, ein schreckliches Wort, ich glaube, es kommt von „Amputation“, auch deine Sexdates haben. Aber diese Menschen, die darauf stehen, glauben immer, sie sind die einzigen auf der Welt, aber durch das Internet

beginnen auch sie langsam, sich zu vernetzen. Ich persönlich denke, dass es dadurch einem Behinderten dann möglich ist, seine Sexualität zu leben - wenn er eine starke Persönlichkeit hat und es akzeptiert, dass er rein auf den Sex reduziert wird. Das ist ein Thema, das in allen Szenen noch ein wirklich absolutes Tabu ist, und was einem da alles begegnet, das ist wie eine Fahr auf der Geisterbahn. Man könnte einen humoristischen Roman daraus machen. (lacht) C: Was würdest Du Dir von der Gesellschaft und der Community wünschen? T: Was gemacht werden müsste ist relativ einfach, zunächst einmal sollte die Community zur Kenntnis nehmen, dass die Gesellschaft zum Teil nicht mehr so ist, wie sie sie annimmt. Es ist alles viel lockerer geworden, und ich denke, auch die Community müsste generell lockerer werden, und was ich ansonsten verlangen würde, ist eigentlich nur das, was die Bauordnung schon verlangt: dass öffentliche Gebäude barrierefrei sind, und ich finde es erschütternd, dass das bis heute nicht überall geschehen ist. Toleranz verlangen, hmm, ich glaube, das kann man leider generell nicht. Es ist jemand tolerant, oder er ist es nicht. Mein Appell an die Leser und Leserinnen ist: seht den Behinderten, egal ob schwul oder hetero oder bisexuell oder was auch immer, als normalen Menschen.

> Conny Cossa

Il 2007, anno europeo sulle pari opportunità per tutti, segna un altro passo in avanti, almeno sul piano teorico, per la condizione di chi è disabile e allo stesso tempo omosessuale. Oltre a iniziative di vario genere è stata infatti pubblicata „Abili di cuore“, la prima ricerca a livello nazionale sull‘omosessualità nei disabili, coordinata dall‘Arcigay e supportata dal Centro Bolognese di Terapia della Famiglia, dall‘Associazione Centro Documentazione Handicap di Bologna e da Handygay di Roma. Anche se la ricerca non cambierà di certo la condizione del singolo omosessuale disabile, la sua pubblicazione è comunque importante per far discutere di un fatto finora taciuto con imbarazzo: che anche i disabili hanno una vita sessuale e che anche tra di loro c‘è chi si sente attratto da persone dello stesso sesso. Il primo dato che emerge dalla ricerca è che la compresenza di omosessualità e handicap aumenta le difficoltà pratiche e relazionali in tutti gli ambiti della vita quotidiana degli intervistati. I disabili omosessuali spesso devono affrontare un doppio coming out: il primo quando dichiarano la loro omosessualità, il secondo quando dichiarano la loro disabilità quando questa non è evidente. Molti dei disabili intervistati comunque non hanno affrontato l‘argomento della loro omosessualità con i loro famigliari, spesso perché credono che i genitori o i parenti preferiscano non sapere o perché non sarebbero in grado di accettare questa ulteriore diversità. Chi l‘ha fatto racconta di reazioni uguali a quelle vissute dagli altri omosessuali: dal rifiuto alla colpevolizzazione o autocolpevolizzazione sino all‘accettazione completa. Riguardoal„comingout“delladisabilità nei casi in cui questa non è evidente, molti degli intervistati riferiscono di reazioni di allontanamento o di atteggiamenti pietistici. Spesso poi è

proprio la paura di simili reazioni che impedisce a chi è disabile di instaurare rapporti interpersonali. La comunità gay e lesbica è vissuta dai disabili come realtà molto più chiusa e „discriminante“ del mondo dei „normali“ quando si tratta di accettare la loro diversità. I disabili recepiscono il mondo degli omosessuali come alla perenne ricerca della perfezione estetica il che impedisce a molti omosessuali di guardare oltre la superficie di una persona. L‘esclusione dei disabili è quindi, spesso, immediata. Questa esperienza di rifiuto si rintraccia in modo particolare tra gli uomini, mentre le donne intervistate riferiscono un maggior grado di accoglienza della propria disabilità da parte del mondo femminile – elemento, questo, percepito anche da alcuni degli uomini intervistati. Interessante è poi la percezione delle associazioni che si dedicano al sostegno delle persone omosessuali e di quelle per disabili. Le associazioni LGBT spesso vengono evitate da chi è disabile perché considerate ghettizzanti, o semplicemente perché spesso non sufficientemente presenti sul territorio al di fuori dei grandi centri del nord. Chi frequenta regolarmente associazioni LGBT dichiara invece di essersi sentito compreso sin dall’inizio, di aver trovato sostegno e sensibilità e di aver superato molti complessi proprio grazie all’inserimento in un gruppo di persone con cui condividere difficoltà, lotte ed entusiasmo. Le associazioni per disabili invece sono considerate „lontane dal mondo reale“ e tendenti alla strumentalizzazione dei disabili. Spesso chi vi opera ha una concezione completamente asessuata del disabile. Pertanto, le associazioni che si occupano di disabilità sono spesso utilizzate solo come fonte di informazioni sulla propria patologia o sulle leggi correnti, o per il disbrigo di formalità burocratiche. Anche se alcuni intervistati hanno un’esperienza

positiva delle associazioni per disabili, nonostante le frequentino, nessuno di loro si dichiara in esse come omosessuale. A prescindere da tutte queste barriere mentali, purtroppo a distanza di anni dall‘entrata in vigore delle norme contro le barriere architettoniche, molti disabili lamentano ancora l‘esistenza di queste ultime che impediscono loro l‘accesso fisico sia ai luoghi di ritrovo di gay e lesbiche sia alle stesse associazioni LGBT. Tutti gli intervistati sottolineano l‘importanzadeimezzidicomunicazione elettronica che gli consentono di superare almeno gli ostacoli fisici e di fare conoscenze nuove. Nonostante le difficoltà ci sono comunque persone che sono riuscite a costruirsi una vita di coppia, affettiva e sessuale soddisfacente e duratura (anche più di venti anni). Imputano all’atteggiamento personale positivo e propositivo,allaloropienaaccettazione dell’omosessualità e della disabilità, e alla maturità e sensibilità dell’altro i loro incontri fortunati. Nonostante la compresenza di omosessualità e handicap aumenti le difficoltà di queste persone, c‘è chi ha invece trovato delle sinergie positive in queste due „anormalità“. Un ragazzo ha dichiarato, infatti: „Io penso che il mio complesso della disabilità l’ho superato attraverso l’omosessualità”, e un altro: “Se fossi un gay senza disabilità penso che i problemi sarebbero inferiori, anche se non so che tipo di persona sarei stato senza disabilità - forse sarei un cretino o forse molto meno sensibile di quello che sono”. > Jochen Pichler

La ricerca „Abili di cuore“ può essere consultata o scaricata al seguente indirizzo: www.arcigay.it/show.php?2706. Si segnala inoltre il volume „La formazione della sessualità nella persona disabile“ che tratta l‘argomento della sessualità nei diversamente abili in generale tenendo conto anche del tema dell‘orientamento sessuale. Edito da HPress, l‘unico organo di stampa al mondo retto principalmente da giornalisti disabili, in collaborazione con Arcigay, il libro può essere ordinato direttamente all‘HPress, via San Martino 5, 20052 Monza, hpress@hpress.it.

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Heiler und Heilung gesund/normal oder krank/abnormal?

Es war für mich nicht leicht, mein Schwulsein anzunehmen und zu akzeptieren. Dadurch bedingt hatte ich keine glückliche Pubertät und Jugendzeit. Anfänglich brachte ich meine körperlichen Beschwerden (Dauer-Augen- und Kopfschmerzen) nicht mit dieser psychischen Stresssituation in Verbindung. Nachdem ich bereits vom Hals-, Nasen-, Ohren-Arzt, dem Augenarzt und dem Zahnarzt durchgecheckt worden war, kam der Psychiater bzw. Neurologe an die Reihe. Dieser diagnostizierte sofort, dass die Probleme nur von den inneren Spannungen und von den psychischen Problemen verursacht würden. Als religiöser junger Mensch litt ich unter Schuldgefühlen. Denn homosexuelle Gedanken und Wünsche galten als abnormal und sündhaft. Zur ersten Entspannung musste ich mich auf eine AmbulatoriumsLiege legen. Er fragte mich, ob ich von Schlangen träumte usw. Er verordnete mir, nun regelmäßig psychiatrische Therapiesitzungen bei ihm zu nehmen. Meine Therapie-Erfahrungen Dass die Probleme psychischer Natur wären, leuchtete mir sofort ein; zu diesem Arzt wollte ich aber nicht mehr hin. Über einen glücklichen Zufall kam ich dann zu einer erfahrenen Psychoanalytikerin nach Innsbruck, da es in Südtirol damals noch keine deutschsprachigen Psychotherapeuten gab. Zweimal in der Woche musste ich vom 27

Arbeitsplatz weg um bei meiner Analytikerin 50 Minuten auf der Couch zu liegen, frei zu assoziieren, über Kindheitserfahrungen und Träume zu reden. Die Gründe meiner Probleme schienen klar zu sein: eine zu enge Bindung zur Mutter und eine Ablehnung des Vaters. So könnte ich also keine gesunde Mann-Identität entwickeln. Dafür bedürfte es eine positive Identifikation mit einem Mann, einer Vaterfigur. Eine erste Konsequenz der Therapie war die Entscheidung, über die Abendschule die Matura nachzuholen. Deshalb kehrte ich nach Südtirol zurück. Im nächsten Sommer sollte ich dann wieder intensiv mit der Therapie fortfahren. Inzwischen ergaben sich die ersten gleichgeschlechtlichen Bekanntund Liebschaften, die einen massiven Emanzipationsschub zur Folge hatte. Also kam ich guter Dinge wieder zur Therapie und hatte Positives zu berichten. Zu meiner Überraschung konnte die Therapeutin darin nichts Positives finden. Meinen Argumenten widersprach sie mit der These, dass sie zwar nichts gegen Homosexualität hätte. Sie sei jedoch überzeugt, dass ich mit dieser homophilen Orientierung nie glücklich werden könnte. Damals galt in der Tiefenpsychologie die Auffassung, dass homophile Neigungen eine kurze Fase in der Pubertät seien und dass Homosexuelle in

dieser Entwicklungsstufe Stehengebliebene seien. Die Therapie sollte also die Weiterentwicklung – also die Hinneigung zum anderen Geschlecht – fördern bzw. bewirken. Denn Glück gibt es nur in einer heterosexuellen Partnerbeziehung. Intuitiv entschied ich mich, meinen Gefühlen und meinem begonnen Emanzipationsprozess zu folgen und die Therapie nicht mehr fortzusetzen. Das schwierige Unterfangen, als Schwuler glücklich zu leben. Nach der ersten Glücksphase kamen auch die Enttäuschungen und Krisen. Es ist nicht so leicht, eine Partnerschaft von zwei Männern zu leben: Wir haben keine positiven Vorbilder. Wir haben immer vermittelt bekommen, dass Männlein und Weiblein zusammen gehören und haben gesehen, wie die miteinander umgehen und ihr Zusammensein gestalten. Das lässt sich aber nicht 1:1 übernehmen. Eine zusätzliche Schwierigkeit ergibt sich durch die Tatsache, dass sich bei gleichgeschlechtlichen Partnern alles im Verborgenen und nichts in der Öffentlichkeit abzuspielen hat. Du musst dir immer überlegen, wann darfst du was? Spontane Gefühlsäußerungen von gleichgeschlechtlichen Partnern in der Öffentlichkeit galten - und gelten z. T. immer noch - als öffentliches Ärgernis. Wir haben keine positive Identität, denn wir haben durch viele böse

Schwulenwitze und Anspielungen gelernt: Schwulsein ist krank, ist pervers, ist abscheulich. Du wirst als gleichgeschlechtlich Liebender abgelehnt, beschimpft oder im schlimmsten Fall sogar zusammengeschlagen – was mir zweimal passiert ist. Therapie nicht zum Umpolen, sondern leben lernen Also wie geht’s weiter? Ich habe mir im Rahmen einer psychosozialen Weiterbildung auch wieder Einzel- und Gruppentherapie gegönnt. Der Therapeut war ein österreichischer Mann, der mir den Eindruck vermittelte, das werden wir bald haben. Auch für ihn schien anfänglich klar, dass meine Neigung ein abnormes Verhalten und eine Entwicklungsstörung sei, die es zu beheben gelte. Nach einigen Monaten gestand er mir, dass ich sein erster schwuler Klient sei, er also noch keine Erfahrung mit dieser Problematik hatte. Er habe sich aber spezifisch kundig gemacht und viel von der Arbeit mit mir gelernt und sehe die Problematik und Zusammenhänge jetzt total anders: Es gehe nicht darum, meine Neigung zu therapieren, sondern mir zu helfen, Lebensstrategien zu entwickeln, wie ich mein „Ich“ am besten positiv leben kann. In einem späteren Zusammenhang hatte ich es wieder mit einem männlichen Therapeuten zu tun. Theoretisch war für ihn mein Schwulsein kein Problem. Womit er nicht zurecht kam,

waren die Umstände, wo und wie ich Sexualpartner suchte und wo und wie ich anonymen Sex konsumierte. Er nahm also auch bei seinem „normalen“ Verhalten Maß, um mein Tun zu bewerten. Auch er gestand, dass ich sein erster schwuler Kunde war und dass er aus dieser Arbeit mit mir viel profitiert habe. Keine Probleme und nur mehr positive Unterstützung erfuhr ich dann erstmals von meiner späteren Praxis-, Krisen- und Lebensberaterin in Südtirol. Die Angst der Schwulen vor psychologischer Hilfe Ich habe Psychologen und Psychotherapeuten unter meinen persönlichen Bekannten. Daher weiß ich, dass Schwule sich ganz selten an sie um psychologische Hilfe wenden, auch wenn es ihnen dreckig geht. Nach meiner Einschätzung dominiert die Angst, der/die nimmt mich nicht ernst, lehnt mich bzw. meine Lebensweise ab, der/die will mich umpolen. So wie ich die Situation in Südtirol mittlerweile einschätze, dürfte das kein grundsätzliches Problem mehr sein. Es kann sein, dass es aber immer noch schwierig ist, Therapeuten zu finden, die auch genügend spezifische Erfahrung und Feldkompetenz besitzen, um Schwulen und Lesben gut helfen zu können. Je mehr wir gleichgeschlechtlich Liebenden diese Dienste aber nutzen, desto mehr werden die Betreffenden auch Erfahrung und

Feldkompetenz erwerben. Ein weiterer nicht unwichtiger Aspekt könnte meines Erachtens jener sein, dass Männer allgemein nicht gern zu Beratern und Psychologen gehen, denn ein Mann löst die Probleme selber: „.. ich bin ja nicht krank!“ oder „.. ich spinne ja nicht!“ und über Sexualität redet ein Mann nicht, das tut man einfach. Diesbezüglich sind auch Schwule Männer und wollen nicht aus der Norm fallen. Die Wende im Umgang mit Hilfe suchenden Schwulen und Lesben Anfang der 80-er Jahre lernte ich einen Südtiroler Arzt und Psychotherapeuten kennen, der in München arbeitete und lebte. Er berichtete mir, dass in der klassischen Psychoanalyse ein Umdenken stattgefunden habe. Ein franz. Analytiker habe eine neue Theorie veröffentlich, worin er die Auffassung vertritt, dass es, um zur eigenen Identität zu stehen und entsprechend zu leben sowie eine Partnerbeziehungen einzugehen, eine große Reife und Persönlichkeitsentwicklung bedürfe. Er hat den Spieß umgedreht: d. h. dass Männer und Frauen, die zu ihrem Anderssein stehen, reife Persönlichkeiten sind und diesbezüglich keiner Therapie bedürften. In der Folge kamen dann aus den USA eine Menge neuerer Erkenntnisse und Studien dazu; u. a. auch der große Kinsey-Report, die bewirkten, dass man ganz von der Auffassung abkam, dass 28


Homosexualität eine Störung oder Krankheit sei, sondern diese als eine Variante der Natur ansah. Die Behauptung der „Gottes Heiler“, das Umdenken bei den Psychiatern und Psychotherapeuten sei auf Druck der „teuflischen“ Schwulen-Lobby passiert, entbehrt jeglicher Grundlage. Die geheilten Ex-Schwulen …….. Anfang der Neunziger Jahre veranstaltete die Bewegung für das Leben in Bozen eine Tagung zu diesem Thema. Dabei wurde Therapie propagiert und Heilung versprochen. Das lebende Beispiel eines Geheilten kam aus Ostberlin (anscheinend gibt es nicht so viele!). Der junge Mann, der mir gar nicht so unsympathisch war – im Unterschied zu den Veranstaltern und dem holländischen Referenten Van den Aardweg –, berichtete von seiner Therapie. Unter anderem musste er dabei einen Trabi (DDRVolksauto) zerlegen und wieder zusammenbauen. Dadurch sollte er sich mehr als Mann spüren und sich mit den typischen männlichen Dingen anfreunden. Dieser Theorie liegt auch eine längst überholte Annahme zu Grunde, dass Burschen/Männer von Natur aus zu Technik neigen. Außerdem wirkt auch in diesem Fall die Norm-Denkweise: was die Mehrheit macht, ist normal, natürlich und gesund. Als Resümee gab der etwa Dreißigjährige offen zu, nicht wirklich geheilt zu sein, sondern so weit zu sein, dass er jetzt mit einer Frau – ohne Sex – zusammenlebe. Er habe nach wie vor homoerotische Fantasien und gleichgeschlechtliche Sexbedürfnisse, die er aber zu kontrollieren imstande sei. Eigentlich wäre hier jeglicher Kommentar überflüssig, denn die Selbstkasteiung ist etwas, 29

was Männer und Frauen mit gleichgeschlechtlicher Neigung mindestens seit dem Mittelalter in den christlichen, jüdischen und muslimischen Kulturen als einzige Selbstschutzmaßnahme in ihrer Verzweiflung wählten! Was dies mit Heilung und Fortschritt zu tun haben soll, dürfte nicht einmal einem religiösen Hetero einleuchten.

wie alle Vorherigen: Er wird dich verteufeln. Ich mag ihn und wünsche ihm, dass er sich professionelle Hilfe holt mit dem Ziel, zu seinem wahren Ich zu finden und doch noch in den Armen eines Mannes glücklich zu werden. Es ist aber leichter, andere therapieren zu wollen, als bei sich selbst anzusetzen. Das Motto „Ich bin ja nicht abnormal, krank und schwach – und wennschon löse ich …oder auch nicht ganz Geheilten. als Mann meine Probleme selber“ Im vergangenen Winter hatte ich wirkt leider auch immer noch bei die Möglichkeit, einen Mann aus zu vielen Schwulen. dem Umfeld des „Arbeitskreises Leo“ kennen zu lernen. Schlussbemerkungen: Ich habe ihn als einen sehr Die Kehrseite der Medaille bedürftigen, seelisch zarten Ich will den „Schwarzen Peter“ und verletzlichen Mann voller aber nicht nur dem „Leo-Jünger“ Sehnsüchte erlebt. Als er als und seinen Kumpanen zuschieben. Jugendlicher versuchte, seine Die haben in ihrer Not nach einer ersten partnerschaftlichen und Lösung gesucht und glauben eine sexuellen Erfahrungen zu machen, gefunden zu haben. Die Frage hat er sich überrumpelt und bleibt: Gab es kein anderes Angebot ausgenutzt gefühlt. Er hat diese – und warum? Enttäuschungen sehr intensiv Es ist ziemlich schick unter den erlebt, unter diesen leidet er noch „Schwulbewegten“ zu verkünden, immer. Jeder neue Versuch, sich es sei kein Problem mehr, offen mit einem Mann einzulassen, birgt schwul zu leben. Ich freue mich für die Gefahr in sich, wieder verletzt alle, bei denen das stimmt. und enttäuscht zu werden. Durch Es gibt aber – wie bei jeder Medaille diese Erfahrung und als Folge der – auch die Kehrseite. Ich kenne „Leo-schen“ Therapie, habe er sich nach wie vor viele – auch junge -, entschlossen, keinen Sex mehr mit denen es nicht gelingt, mit ihrem einem Mann zu haben. Er hat aber Schwulsein glücklich zu werden; eine enorme Sehnsucht, von einem einige hat es sogar schlimm Mann umarmt zu werden – ohne erwischt. Und der Feind ist nicht Hintergedanken. immer nur die heterosexuelle Er beklagt, dass immer wieder Umwelt. Männer, die er neu kennen gelernt Wir haben z. T. auch habe, ihm die Botschaft gaben: Verhaltensweisen und Normen Ich kann dir leider nicht helfen. entwickelt, die es ängstlichen, Er ärgert sich darüber und lehnt s e n s i b l e n , unsicheren, es ab, dass er Hilfe brauche. Ich e n t t ä u s c h t e n , e i n s a m e n , erlebe ihn als sehr negativ, als unattraktiven, keuschen, usw. jemanden, der überall nur das Schwulen schwer macht, sich mit Böse sieht oder vermutet. Ich hätte der schwulen Welt zu identifizieren ihn ohne falsche Absicht umarmen und sich darin wohl zu fühlen. Und oder ihm auch einfach öfter und in der Regel kümmern wir uns auch länger meine Aufmerksamkeit und nicht weiter um sie. Wir haben ja mein Ohr schenken können. Meine unsere eigenen Probleme! Befürchtung war/ist: Bei dem landest schlussendlich auch du so > Sepp

Fremd und schwul in Südtirol Ausländer, Immigrant, nicht sehr willkommen in diesem Land: Das gilt für alle, die – aus welchem Grund auch immer – nach Südtirol gekommen sind, um hier zu arbeiten in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Ausländer, Immigrant, nicht sehr willkommen und schwul: Das ist die Steigerung. Für einige eine Steigerung im negativen Sinn, für andere eine Verbesserung gegenüber den Problemen als Schwule, die sie in ihrer Heimat hatten. Zwei schwule Einwanderer kommen hier zu Wort: Kein Anspruch auf Allgemeingültigkeit, aber Erfahrungen die, so verschieden sie sind, doch Gemeinsamkeiten haben. Die Namen sind geändert. Ján ist Anfang dreißig und kommt aus einem osteuropäischen Land. Zuhause hatte er keine Probleme mit seiner Homosexualität, die Eltern haben es akzeptiert, auch wenn „sie nicht gerade begeistert waren, dass der einzige Sohn schwul ist“. Wie in jedem Land zog er in die nächste größere Stadt, dort gab es keine Probleme mit seinem Lebensstil. Nach Südtirol ist er gekommen, um mehr zu verdienen – das Gastgewerbe zahlt hier bedeutend mehr. Im Arbeitsleben hat er sich sofort integriert, in der schwulen Szene war es etwas schwieriger. Die ersten Kontakte gab es über Internet und die Homepage von Centaurus: „Die erste Anlaufadresse in Bozen war für mich eine Bar in der Erbsengasse, den Namen weiß

ich nicht mehr, aber es war viel los, manchmal zuviel. Zu Beginn kam ich mir vor wie auf dem Viehmarkt – jeder wurde taxiert. Aber das kannte ich schon von daheim, allerdings tat ich mich da leichter, weil ich in meiner Sprache die richtigen Leute ansprechen konnte. Außerdem war ich etwas eingeschüchtert, da die Bar ein gemischtes Publikum hatte, aber ich konnte mich auf meinen Radar, den Gaydar, verlassen.“

Arbeit, aber wenn ich es schaffe, freizubekommen, bin ich natürlich dabei“ „Wie ich meine Situation beschreiben soll? Für mich ist es hier schwieriger, schwul zu leben – die Menschen sind nicht so offen wie ich es mir wünsche. Viele Junge haben ein Problem damit, offen schwul zu leben, und da ist es dann nicht so leicht, Kontakte zu knüpfen. Aber: ich verdiene hier gut, habe meinen Freundeskreis und fühle mich wohl, deshalb bin Ján ist leicht feminin, er versteckt ich recht zufrieden.“ sich nicht hinter Machogehabe und Heterogetue. Ich frage ihn, ob Pashko ist ein anderer Zuwanderer: seine Offenheit auch zu Problemen Er kommt auch aus Osteuropa, geführt hat. allerdings aus Ex-Jugoslawien. In seinem Umfeld ist es nach seiner „Nein, alle wissen, dass ich schwul Schilderung unmöglich, offen bin und bisher hatte ich nie ein schwul zu leben. Das Problem ist: Problem damit. Das mag auch auch hier kann er das nicht, denn damit zusammenhängen, dass ich die einzigen sozialen Kontakte hat im Gastgewerbe arbeite, wo die er in der Gemeinschaft seiner Leute offener sind. Privat bin ich Landsleute. meist mit Freunden zusammen Pashko ist vor sieben Jahren nach und treffe wenig Leute, die etwas Italien gekommen, seit drei Jahren gegen Schwule haben.“ lebt er in Südtirol und arbeitet hier „Klar, ich merke, wenn manchmal im Gastgewerbe. Er spricht gut über mich getuschelt wird, aber italienisch, deutsch kann er – bis das war auch daheim so, und ich auf ein paar Dialektausdrücke denke, das gibt es überall“ – nicht. Seine Freunde und „Die schwule Szene ist in Südtirol Bekannten wissen nicht, dass er ähnlich wie in meiner Heimat. Hier schwul ist. Zumindest hofft er das, ist doch alles Provinz, auch Bozen, „es könnte aber auch sein, dass und deshalb nicht so offen und frei sie wegschauen, das ist in unserer wie in einer Großstadt. Aber es Kultur üblich, solange jemand nicht gibt doch einige Lokale, und es gibt übermäßig auffällt“. Als er jünger –wie wir es auch zuhause hatten war, hat er sich oft als Stricher – die privaten Freundeskreise, wo auf die Suche nach Männern man sich trifft oder auch übers gemacht, das war damals für ihn Wochenende wegfährt. Da kann die einzige Möglichkeit, Kontakt mit ich leider nicht mit, wegen der Männern zu haben, ohne gleich als 30


Schwuler abgestempelt zu werden. Inzwischen ist er selbstsicherer, aber ein Parkgänger ist Pashko auch heute. Andere Möglichkeiten hat er nicht. Aber inzwischen traut er sich doch mehr, spricht auch mal jemanden an. „Was mich dabei stört, ist, dass die meisten Männer glauben, ich sei käuflich. Anscheinend glauben die Leute hier, wer jung und Ausländer ist, sei automatisch ein Stricher. Erst vor einigen Tagen ist mir passiert, dass ich einen Mann im Park traf. Wir hatten Sex, und obwohl wir vorher nicht über Geld geredet hatten, drückte er mir einen Geldschein in die Hand. Ich wusste nicht, soll ich lachen oder ihm das Geld nachwerfen.“ „Was ich mir wünsche? Einen netten Mann kennenzulernen, der in mir nicht nur ein Sexobjekt sieht. Ich werde wahrscheinlich nie mit einem Mann zusammenleben können, denn meine Familie würde mich finden und ich möchte nicht daran denken, was sie dann tun könnten. Aber es wäre schön, einen Freund zu haben, mit dem ich mich regelmäßig treffen könnte, auch um jemanden zum Reden zu haben, der nicht nur meinen Schw… im Kopf hat.“ (Pashko redet italienisch, ich habe sinngemäss übersetzt.) Ich weiss nicht, ob Paschko verheiratet ist, er spricht nicht gerne über Privates. Es war schon schwierig, ihm überhaupt etwas zu entlocken, nachdem ihn mir ein Bekannter vorgestellt hat. Paschko schwankt noch zwischen den Zwängen aus seinem Kulturkreis und der Freiheit, die er hier – vielleicht – haben könnte. Dazu braucht er aber soziale Kontakte, und die sind wiederum schwer herzustellen, wenn die Angst da ist, zufällig von Landsleuten entdeckt zu werden. > Günther Telser 31

Esiste lo “straniero normale”? Crisi di una terminologia

Come si collega il tema immigrazione straniera con il concetto di normalità? Ci sono immigrati stranieri “più normali di altri”? Considerando l’estrema varietà della composizione del gruppo degli stranieri che risiedono e lavorano in Alto Adige, non è difficile pensare che al suo interno vi siano ormai molte tipologie diverse, e che alcuni concetti che ancora usiamo ormai non riescono più a dar conto adeguatamente della realtà sociale in cui viviamo. Una prima distinzione viene spesso operata, quando si parla di politiche sull’immigrazione e soprattutto di integrazione, tra straniero comunitario e straniero extracomunitario. Si tende a considerare più vicino ai valori medi della società in cui viviamo uno straniero che provenga da un paese dell’Unione Europea rispetto a qualcuno che viene da più lontano, salvo accorgersi, guardando meglio, che i confini dell’UE a 25 e a 27 stati non riflettono ormai più quello spirito mitteleuropeo che – se mai c’è stato – poteva ritrovarsi nella “vecchia” Europa a 15. Svizzeri, norvegesi, ma anche bosniaci e croati non sono certo quelli che l’uomo della strada identificherebbe come “extracomunitari”, né pare che un italiano si identifichi molto fortemente con la cultura rumena, se si considera che l’entrata della Romania nell’Unione Europea è stata accolta con una preoccupazione maggiore rispetto all’entrata di altri paesi. Un immigrato straniero “normale” potrebbe però anche essere

considerato colui il quale è in possesso del permesso di soggiorno, che lavora, paga le tasse e manda i figli a scuola: lo straniero integrato, insomma. Di converso, però, ci potrebbe anche essere chi considera che la normalità, nell’immigrazione, ormai corrisponde allo straniero che spaccia, che ruba e che rapina le ville. E certamente i mezzi di informazione di massa hanno un certa responsabilità nel contribuire a diffondere questa immagine dello straniero visto come un problema o una minaccia. Si potrebbe obiettare anche che la distinzione corra su di un altro piano: c’è chi raggiunge l’Italia perché in patria rischierebbe di essere perseguito, addirittura imprigionato, torturato. I rifugiati sarebbero allora una categoria speciale di stranieri immigrati, del tutto diversa dagli altri stranieri, quelli “normali”. Ma il dilemma maggiore riguarda un’altra categoria di cittadini. Ormai anche l’Italia è diventato un paese in cui l’immigrazione è arrivata ad un punto maturazione in cui non troviamo già più solo i cosiddetti G2, cioè quei ragazzi arrivati in Italia giovanissimi e cresciuti nel nostro paese, ma anche ragazzi nati e cresciuti in Italia da genitori non italiani. Si tratta, in questo caso, di ragazzi e ragazze che conoscono pochissimo la lingua dei propri genitori, non hanno mai visto i paesi dai quali questi provengono e conoscono una sola patria che coincide con la nostra. Si tratta indubbiamente di una categoria spiazzante, giacchè a queste persone l’aggettivo “straniero”

forse calza ancora (in Italia vige pur sempre lo ius sanguinis e non lo ius soli), ma “immigrato” non più, non essendosi mai mossi dall’Alto Adige nella loro vita. Stranieri non immigrati, insomma. Quindi autoctoni, o “Einheimische”?

che l’immigrazione non è più un fenomeno emergenziale, ma appunto strutturale. O normale. Tanto normale che aumentano sempre di più gli stranieri non solo nei settori lavorativi a bassa qualifica, tradizionalmente appannaggio dei lavoratori stranieri, ma anche nelle Nell’analisi sociologica del sfere dell’imprenditoria e del lavoro fenomeno si tende a considerare autonomo. l’immigrazione come fenomeno ormai divenuto “normale”. Non Gli stranieri residenti in Alto Adige abbiamo più solamente l’esperienza sono complessivamente 28.260. dell’immigrato straniero che Un quarto di essi proviene da paesi raggiunge il nostro paese in dell’Unione Europea a 25, ma i due una situazione di forte disagio gruppi più numerosi sono albanesi e economico, non si tratta ormai più germanici. I paesi rappresentati da di “Gastarbeiter”, cioè di lavoratore almeno un residente sono ben 117, ospite a tempo determinato che si e le diverse lingue parlate sono circa ferma per un certo periodo e poi 150. torna in patria. Anzi: non è proprio Sei su dieci stranieri residenti in più solo il lavoratore. Diceva Max provincia di Bolzano hanno un Frisch (già nel 1965): “Man hat permesso di soggiorno per motivi Arbeitskräfte gerufen, und es di lavoro, uno su quattro per motivi kommen Menschen”. Lontani ormai familiari. dall’immigrazione dei “lavoratori Secondo quanto emerso nel 2006 ospiti”, ci si è accorti da tempo dalla social survey “Migrazioni

in Alto Adige” dell’Osservatorio provinciale sulle immigrazioni, gli uomini provenienti da paesi a basso reddito lavorano prevalentemente nell’industria e nella ristorazione, mentre le donne soprattutto nel settore delle pulizie e dei servizi alla persona, ma anche nella ristorazione, nell’educazione e nel settore socio-sanitario e nel commercio. Una caratteristica dell’immigrazione altoatesina è la forte quota di lavoratori stagionali. Tra i 12.000 lavoratori stagionali impiegati nell’agricoltura nel 2005, secondo le indicazioni dell’Osservatorio del mercato del lavoro solo 700 erano residenti in provincia di Bolzano. Anche nel settore turistico, alberghiero e della ristorazione la presenza di personale stagionale straniero è forte, anche se in questi ambiti copre poco meno della metà della manodopera complessiva. Due dati indicano il crescente radicamento sul territorio della componente straniera della popolazione della nostra provincia. Secondo la social survey “Migrazioni in Alto Adige”, tra chi proveniva da paesi a basso reddito, nel 2006 il 10,9 percento svolgeva attività lavorativa autonoma, a fronte del 5 percento che l’Astat aveva registrato solamente tre anni prima. Il 7,9 percento della stessa categoria di persone viveva in case di proprietà, altro buon segnale di maturazione del fenomeno immigratorio in provincia di Bolzano.

> Antidiskriminierungsstelle 32


Gay and grey in Südtirol Manager für Teenager

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Ich war schon nicht mehr ganz jung, als ich Anfang der 70-er Jahre begann, mein Schwulsein zu leben – so Mitte zwanzig. Da ich neu, unbekannt und unverbraucht war, schienen sich viele für mich zu interessieren. Meistens ging es über eine schnelle Sexbeziehung aber nicht hinaus. Das hat mich zu Beginn sehr irritiert, denn ich habe mich fast jedes Mal verliebt. Meine erste Konsequenz war, nicht mehr beim ersten Kennenlernen schon Sex zu haben. Das brachte auch nicht viel, dann war es eben nach dem zweiten Mal aus. Schritt für Schritt wurde ich einerseits durch Erfahrung und andererseits durch Äußerungen von anderen in die ungeschriebenen Gesetze der schwulen Geheimwelt eingeführt. Die meisten ließen sich nicht auf der Gefühlsebene ein, wollten sich nicht binden; sie wollten aber Spaß haben und sich sexuell abreagieren. Das Ganze spielte sich zu meiner Jugendzeit vor allem in Parks in Meran und Bozen, in einer Sauna in Bozen und gelegentlich auch außerhalb, z. B. in Verona oder München ab. Was ich dann auch noch lernen musste, war, dass es auf diesem Partner-Markt bestimmte Kriterien gibt, nach denen in der Regel gewählt wird: Du solltest nicht feminin – also keine Tunte – sein, körperlich einiges zu bieten haben und du solltest vor allem jung sein. Für mich war das zu Beginn alles nicht so selbstverständlich. Für mich war wichtig, dass der andere Mann sympathisch, feinfühlig und zärtlich war. Und was das Alter betrifft, wünschte ich mir anfangs immer jemanden, der schon ein bisschen älter und erfahrener war als ich. Aber das änderte sich mit der Zeit. Richtig alte Schwule interessierten mich nicht, sie störten mich aber auch nicht. In Einzelfällen kam es auch vor, dass

ich Männer, die 30 Jahre älter waren, interessant und erotisch fand. Das fanden andere nicht so. Ihnen war oft schon zu viel, dass sich ältere Männer annäherten. Über sie wurde oft auch wüst geschimpft. Die schlimmsten Demonstrationen von Verachtung Älterer habe ich aber in schwulen Lokalen in München und Wien erlebt. Da musste ich Sätze hören, wenn ältere Männer das Lokal betraten, wie “Seht die wandelnden Leichen“! oder „Oh, die Gräber öffnen sich!“ Ich konnte diese Verachtung nicht nachvollziehen, denn ein bestimmtes Maß an Respekt gebührt m. E. jedem, wenn er auch noch so unattraktiv ist. Etwas hat einerseits der Anblick vieler alter Schwuler, die in meinen Augen z. T. „abgefackte“ und würdelose Erscheinungen waren, andererseits die Stimmung gegen Alte aber auch bei mir bewirkt. In mir machte sich die Überzeugung breit, „So möchte ich nicht alt werden“ oder noch krasser „Ich möchte nicht alt werden!“ Als alter Schwuler schien mir das Leben nicht mehr lebenswert. Nun bin ich aber doch alt geworden und nähere mich den 60. Rückblickend muss ich sagen: Jedes Alter hat seine Reize, seine Licht- und Schattenseiten. Ich fühle mich jetzt nicht schlechter als mit 40. Wichtig ist, das Leben als Schwuler nicht nur passiv zu ertragen, sondern an sich zu arbeiten. Man muss als älterer Mann – aber als Schwuler generell –noch viel mehr darauf achten, nicht die Würde zu verlieren. Man muss sein Alter und die daraus resultierenden eingeschränkten Möglichkeiten akzeptieren. Was ich in diesem Zusammenhang am schlimmsten finde, ist die nicht vorhandene Solidarität unter den

Schwulen, auch nicht unter den schon reiferen und älteren, denn auch als Gleichaltrige könnte man etwas gegen die Vereinsamung unternehmen oder – eine Illusion von mir – eine Netzwerk zur gegenseitigen Hilfe aufbauen. Damals habe ich öfters die Überzeugung vernommen, dass man als Älterer Sex nur noch gegen Bezahlung haben kann. Dies ist ja grundsätzlich keine rosige Zukunftsperspektive. Aber noch schlimmer schien mir die Tatsache, dass jene jungen Männer, die uns käuflichen Sex anboten und immer noch anbieten, meist Verwahrloste oder auf die schiefe Bahn Geratene (Kleinkriminelle, Drogenabhängige) oder jetzt auch arbeitslose Ausländer sind. Da sind einerseits Dinge passiert wie massive „Ausnutzerei“, Erpressungen, Diebstahl, und in den frühen Achtzigern sogar Morde. Ich wusste, dass es in den Großstädten auch so genannte Callboys gibt. Ich dachte mir aber, dass solche Männer nicht erschwinglich und auch nicht erstrebenswert sind. Inzwischen habe ich diesbezüglich Meinung geändert. Bei einem schwulen Tantra-Seminar habe ich einen Callboy und auch seine Einstellung zu seinem Beruf kennen gelernt, die sehr seriös ist. Er sieht seine Arbeit als eine soziale Tätigkeit, gerade auch was die älteren Kunden betrifft. Über meine Bekannten in Berlin habe ich auch die Situation dort kennen gelernt und erfahren, dass es viele solche seriöse Erotik- oder Sex-Arbeiter gibt, die zu erschwinglichen Preisen zu haben sind: z. B. Erotikmassagen ab 30 €; inklusive Sex ab 60 €. In der Siegessäule - Berlins Queer-Magazin - gibt es diesbezüglich zahlreiche Anzeigen mit der häufigen

Betonung „ohne Zeitdruck“. Bei uns muss man so viel Geld schon für normale Massagen hinblättern, wenn man sich etwas Gutes zukommen oder sich verwöhnen lassen will. Die Stricher verlangen bei uns z. T. – soweit ich weiß – ähnliche Summen und bieten den Freiern dafür wenig oder nichts. Meistens läuft das Ganze auch noch an unwürdigen Orten, unter Stress, möglicherweise noch mit der Gefahr, beraubt zu werden, ab. Also wirklich unterhalb jeglicher Würde. Als Junger dachte ich, dass das Bedürfnis nach Sex mit dem Alter aufhört. Aber die Situation ist eine andere: Ich musste miterleben, dass Über-Achtzig-Jährige im Park und in den Saunen kursieren und auch noch Sex haben. Einige kenne ich auch persönlich. Bei bestimmten ist es auch noch das sexuelle Bedürfnis, bei anderen aber einfach der Wunsch zu berühren und berührt zu werden. Berührung und Beachtung brauchen wir alle ein ganzes Leben lang. Was mich kränkt und ärgert ist die Aggression und Verachtung, die uns ÄlterenimmernochundauchimRahmen von Centaurus begegnet, wenn oft auch nur indirekt übers Internet. So sollten wir

schon mal den Sitz räumen, den sich ja die jetzt ältere Generation aufgebaut hat. Neuerdings (Anfang September) lese ich wieder Verächtliches, weil sich vermeintliche Ältere - aber auch noch nicht so Alte – in einem Forum ihre frühen Sexerlebnisse erzählen. Die verächtliche Aggression junger Schwuler gegen ältere ist kein neues Phänomen. Ich finde es aber schade, dass sich diesbezüglich nicht viel ändert. Dieses Verhalten erleiden nicht nur wir älteren Schwulen, sonder auch all jene, die nicht in die Kategorie der Traumprinzen fallen. Ich gehe davon aus, dass selbstbewusste Menschen einerseits auch Menschen, die nicht zu den potentiellen Sexoder Liebespartnern zählen, einen Lebensraum zugestehen, und andererseits auch einen Kontakt bis zu dem Punkt zulassen können, wo sie sich dann eben klar abgrenzen müssen. Aber anscheinend gibt es immer noch nicht viele selbstbewusste Schwule, dafür aber viele aggressive. Realität ist nun mal, dass die geburtenstarken Jahrgänge – die gibt es auch unter den Schwulen – in die Jahre kommen. Wenn auch viele abgewandert oder nach dem Studium nicht mehr

zurückgekehrt sind, ist unsere Gruppe immer noch stark in Südtirol vertreten. Viele haben sich enttäuscht und verbittert in ihr „Schneckenhaus“ zurückgezogen, sodass diese Gruppe in ihrer Stärke gar nicht mehr so sichtbar ist. Ich verstehe, dass die Jungen nicht jede Avance von uns annehmen. Aber vielen ist es schon zu viel, angeschaut, angesprochen oder gegrüßt zu werden. Ich würde mir wünschen, wenn es ein ungezwungenes Miteinander der Generationen geben könnte, denn es ist nunmaletwasNatürliches,dasssichreife Menschen – nicht nur Schwule – von jungen angezogen fühlen. Die Sehnsucht nach dem Schönen, Frischen, Blühenden, Unverbrauchten und Unschuldigen bleibt nicht nur bestehen, sondern wächst mit zunehmendem Alter. Ein bisschen Beachtung, ein paar Worte, ein kleiner Austausch tun es meistens auch schon. Ich glaube, dass sich die Jüngeren und Älteren gegenseitig bereichern könnten: Jeder hat etwas, was der andere noch nicht oder nicht mehr hat. So manchem Teenager (im weitesten Sinne) täte hie und wieder bei seiner Lebensbewältigung ein Manager nur gut. > Sepp

Photo: Peter Viehweider, www.pit-pic.it

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Altern in Würde

Informationen zu Wohnprojekten für ältere Lesben, Schwule und Transgender in Deutschland finden sich unter anderem auf folgenden Internetseiten: www.muenchen.de/Rathaus/dir/ gleichgeschlechtl/203936/Seniorenbroschuere (München) www.villa-anders-koeln.de (Köln) www.village-ev.de/wohnprojekt (Berlin) www.sappho-stiftung.de (Hannover) www.dachverband-der-beginen.de (Frauenwohnprojekte)

Gay and grey in Germany

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Schwule und Lesben müssen nicht nur in ihrer Jugend mehr als ihre heterosexuellen FreundInnen an sich arbeiten, um sich trotz aller gesellschaftlichen Widrigkeiten selbst zu akzeptieren und diese Akzeptanz auch von ihrer Umgebung einzufordern. Die meisten älteren homosexuellen Menschen müssen erleben, dass sie auch in diesem Lebensabschnitt gezwungen werden, andere Wege zu gehen als ihre „normalen“ Freunde und Nachbarn: Einige können auf die im Alter besonders wertvolle Unterstützung ihrer Familie nicht zählen, da sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung schon früh verstoßen worden waren. Andere haben aufgrund der AIDS-Katastrophe ihr soziales Netz verloren. Wieder andere ziehen sich mit zunehmendem Alter, abgestoßen vom Jugendkult der schwulen Szene, völlig ins Private zurück und vereinsamen.

In München gibt es bereits seit einigen Jahren das Schwule Patenprojekt, das von der Beratungsstelle des Sub e.V. zusammen mit der Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und dem Sozialreferat der Stadt München getragen wird. Dabei werden an schwule Senioren ehrenamtliche jüngere Paten vermittelt, die sie bei Behördengängen oder Arztbesuchen begleiten oder mit denen sie gemeinsam kulturelle Veranstaltungen besuchen können. Die Paten erhalten eine spezifische Schulung und Fortbildung und können Anteil an der Lebenserfahrung älterer Schwuler nehmen, während letztere bei der Bewältigung von Alltagsschwierigkeiten Hilfe erhalten. Durch das Projekt soll der Vereinsamung im Alter entgegengewirkt und zugleich die Solidarität zwischen den Generationen unabhängig vom „normalen“ Familienzusammenhalt gefördert werden.

Im nahen deutschen Ausland sind im Rahmen von privaten Initiativen Projekte entstanden, die inzwischen auch von öffentlichen Einrichtungen mitgetragen werden und mit denen spezifische Lösungen für die Bedürfnisse des schwullesbischen Alterns angeboten werden.

Eine eigens von derselben Koordinierungsstelle 2007 herausgegebene Broschüre mit dem Titel „Vielfalt anders leben“ führt die zahlreichen Angebote für schwule und lesbische SeniorInnen in München an. Darunter finden sich neben den von der lesbisch schwulen

Sektion des Deutschen Alpenvereins organisierten Wanderungen für Senioren auch Sportangebote, Tanzgruppen, betreutes Einzelwohnen, Wohngruppen, SeniorInnentreffpunkte sowie Beratung zu Vorsorgemöglichkeiten und Altenhilfeangeboten. Besonders interessant ist das Projekt der Münchner AIDSHilfe, die unter der Bezeichnung „die rosa ALTERnative“ eine unkonventionelle Wohngemeinschaft für ältere Schwule mit und ohne HIV anbietet. Dabei wird besonders Wert darauf gelegt, dass die Senioren nicht, wie wohl in den meisten Altersheimen, ihre sexuelle Orientierung, für die sie ein Leben lang eingestanden sind, wieder verstecken müssen, weil die Heimleitung keinerlei Verständnis dafür hat. Die Schwulen werden hier Teil einer Wohngemeinschaft, in der ihre Orientierung selbstverständlich nicht in Frage gestellt wird. Eigenständig können sie bestimmen, wie viel Hilfe sie bei der Bewältigung des Alltags in Anspruch nehmen möchten und wie eng der Kontakt zu den anderen Mitbewohnern sein soll. Die Nähe des Hauses zur Szene und die Veranstaltungen im Haus selbst ermöglichen den Bewohnern den Kontakt mit der jüngeren Generation und

die Beteiligung am Stadtleben. Neben gemeinsamen Initiativen für Schwule und Lesben gibt es auch eine Reihe von Projekten ausschließlich für Lesben, die dem bei Frauen größeren Bedürfnis nach nicht gemischten, sondern rein weiblichen Lebensgemeinschaften Rechnung tragen. Dabei profitieren die Lesben von der Erfahrung der Emanzipationsbewegung, die bereits seit Jahren mit alternativen Wohnund Lebensformen für Frauen experimentiert. Neben allgemeinen generationenü b e r g r e i f e n d e n Frauenprojekten werden

inzwischen aber auch immer mehr Initiativen ins Leben gerufen, die spezifisch auf die Anforderungen älterer Lesben ausgerichtet sind und die auch finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand erhalten. So wurde bereits 1986 in Unterfranken der Einödhof Wüstenbirkach von acht Lesben gekauft und umgebaut, mit dem Ziel, älteren Lesben Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Eine ähnliche Idee stand hinter dem Projekt „Villa Charlotta“ im ebenfalls ländlichen Westerwald, die 1995 von Lesben gekauft und zu fünf großzügig geschnittenen Wohnungen umgebaut wurde.

Gründungsgedanke für dieses Wohnprojekt war ebenfalls der Wunsch gemeinsam alt zu werden. Die Einrichtungen und Angebote für ältere Schwule und Lesben beschränken sich also inzwischen längst nicht nur mehr auf Großstädte wie München. Auch in kleineren deutschen Städten und sogar in ländlichen Gebieten hat sich nämlich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass auch gleichgeschlechtlich liebende Menschen einen konkreten Anspruch darauf haben, was für die meisten Heterosexuellen „normal“ ist: Altern in Würde. > Jochen Pichler

Photo: Peter Viehweider, www.pit-pic.it

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Norm/-alität

Wer will schon normal sein... Ein Gespräch in den eigenen Reihen

Normen (eng verbunden mit dem Ausdruck Normalität, an dem wir uns hier entlang arbeiten) sind ganz einfach Auffassungen darüber, wie man(n) sich verhalten soll oder gerade nicht verhalten soll. Diese Normen kommen in allen gesellschaftlichen Kontexten, in denen Menschen miteinander zu tun haben, vor, in allen gesellschaftlichen Schichten, allen Mehrund Minderheiten. Normen haben sowohl eine gesellschaftliche als auch individuelle Funktion: Sie dienen der Entlastung vor Entscheidungsdruck, der Verhaltenssicherheit, aber auch der sozialen Integration und der sozialen Ordnung.

Normen haben: * normative Funktion (Normen werden von einer Bezugsgruppe hergeleitet und ihre Einhaltung wird kontrolliert) * komparative Funktion (Gruppe bietet Vergleichsmaßstäbe für die Beurteilung eigenen Handelns und des Handelns anderer) * Perspektivfunktion (Bezugsgruppe liefert Zielperspektiven und liefert damit einen Beitrag zur eigenen Weltanschauung und Identität)

Abweichung von Normen ist ein Verhalten, das als Verletzung der Normen angesehen wird: Unterschieden werden: Entsprechend gekennzeichnetes Verhalten ist das Resultat einer * Verhaltensnormen (Gesetze, sozialen Definition. Welche moralische und ethische Handlungen als Abweichung Normen, Sitten, Manieren, angesehen werden und welche Bräuche, Mode, Konventionen nicht, hängt also von Zeit, Raum, etc) Ort, sozialen Umständen ab. Die Etikettierung „abweichend“ * Idealnormen (äußere hängt aber nicht nur davon ab, Eigenschaften und Merkmale, was jemand macht, sondern um als attraktiv in der auch davon, wer er/sie ist. Gesellschaft zu gelten) „Quod licet Jovi, non licet bovi“. Regelverstöße etwa in * Funktionsnormen (Zustand, PolitikerInnenkreisen werden in dem wir uns organisch, erfahrungsgemäß anders geistig oder seelisch befinden, bewertet als Regelverstöße meist mit Gesundheits- oder unprivilegierter BürgerInnen. Krankheitsbegriffen bezeichnet) Als abweichend werden meist

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ganz generell diejenigen Handlungen und TäterInnen definiert, die die Interessen der gesellschaftlichen Eliten bedrohen. Dieses abweichende Verhalten stürzt durch seine Bedrohlichkeit für das Machtgefüge aber nicht nur soziale Systeme in Unordnung, es hat zugleich die positive Funktion die Grenzen des Akzeptablen wach zu halten, sichtbar zu machen und die soziale Solidarität durch Abgrenzung zu stärken. Abweichendes Verhalten bekräftigt also einerseits die bestehenden Normen, es kann aber auch zu Wandel beitragen. Der Prozess, in dem Abweichung als Normverletzung wahrgenommen wird, ist begleitet von Stigmatisierung, in der Soziologie erklärt von der labeling-theorie (Etikettierung). Innerhalb von Minderheiten (die per se von Normen abweichen) gibt es meist parallel zwei Richtungen: Die Schaffung neuer Regeln und Normen einerseits und den Versuch andererseits, sich der gesellschaftlichen Mehrheit anzupassen und nicht aufzufallen. Dies schafft oft ein großes Spannungsverhältnis in den Zielsetzungen von Vereinen und Gruppen, die sich für Sichtbarkeit und Anerkennung einsetzen. > Uli Spitaler

Minderheiten haben in ihren Communitys meist besonders klare Regeln, die notwendig sind, um die eigene Identität zu schützen. Das betrifft ethnische, religiöse, und eben auch sexuelle Minderheiten. Abgrenzung erfolgt über Codierungen und ausgesprochene und nicht ausgesprochene - Normen, die meist großen Einfluss auf die Lebenswelten der Individuen haben. Ob diese Tatsache förderlich oder hinderlich, positiv oder negativ für eine Integration ist, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. Wichtig scheint die Reflexion, das Bewusstwerden vorhandener, meist ungeschriebener Regeln, die oft unser Leben bestimmen. Wie schmal ist die Grenze zwischen Freiheit und Ausschluss aus der eigenen Community? Um uns ein etwas genaueres Bild darüber zu machen, welche Normen in der Szene herrschen, haben wir zwei homosexuell l(i)ebende SüdtirolerInnen, Anna und Eduard, gebeten, uns bei diesem Unterfangen zu helfen; gerade weil wir wissen, dass mehr Augen ein etwas abgerundeteres Bild entwerfen. Außerdem erhalten die persönlichen blinden Flecken durch Erfahrungen und Ansichten mehrerer Personen ein geringeres Gewicht in der Gesamtschau. Georg: Wir wollten uns in diesem Magazine mit Themenschwerpunkt „Normen – normal“ nicht davor drücken, die Normen und ungeschriebenen

Gesetze, die in der Szene gelten, anzuschauen. Was fällt euch so ein, wenn ihr an die ungeschriebenen Gesetze der Szene denkt? Eduard: Nun, ich denke, dass es etwas schwierig ist, von allgemein gültigen Gesetzen und Normen zu reden, natürlich gibt es diese auch, gleichzeitig ist – zumindest die schwule Szene, für die lesbische wird sich Anna dazu äußern – also die schwule Szene ist sehr stark in Unterszenen gegliedert. Ich denke zwar, dass es auch so etwas wie einen schwulen Mainstream gibt, es gibt jedoch auch Nischen und Freiräume abseits davon. Anna: Mir fällt schon einiges dazu ein, wenngleich ich beistimme, dass es viele Untergruppen gibt, die politischen Lesben und die Vergnügungslesben. Allerdings ist die Südtiroler Szene so klein, dass sie doch sehr individuell geprägt ist. Hier sticht vielleicht auch das Verhältnis oder eben Nichtverhältnis zu den Männern heraus. Manche Lesben wollen nur im Frauenkontext leben, andere finden diese Abgrenzungen völlig uncool. Ich, die beide Positionen berechtigt finde, fühle mich oft ganz schön zerrieben zwischen den verschiedenen Solidaritätsansprüchen. Georg: Eduard, du hast vorhin von schwulem Mainstream gesprochen. Ich denke, das ist ein guter Ansatz, um noch weiter ins Thema einzusteigen. Eduard: Ja, wenn ich an schwulen Mainstream denke, da fallen mir zuerst junge, modisch bewusste

schwule Männer ein. Ich denke, da taucht eine Norm auf: Als älterer Schwuler sinken deine Chancen in der Szene wohl erheblich, und irgendwie schick solltest du dich auch zeigen, vielleicht etwas ausgefallen im Outfit, das eine oder andere Designer-Stück solltest du auch gelegentlich präsentieren….. Ich merke, sobald ich diese Dinge sage, stimmen sie für mich eigentlich schon wieder nicht mehr ganz, da es unterschiedliche Szenen gibt, ich denke da z. B. an die Bären, die sich dem Jugend-, Körper- und Modekult ziemlich widersetzen. Und dennoch. Indem sie sich widersetzen, bestätigen sie diesen jedoch auch wieder, und einen ziemlich klaren Dresscode besitzen die ja auch: CasualKlamotten, karierte Hemden, alles eher einfach, nichts, das auch nur irgendwie neuartig aussieht. Da kannst mit deiner neuen PradaBrille einpacken in der BärenSzene. Uli: Lesbischer Mainstream ist vielleicht nicht so ein vielbenutztes Wort: Gibt es ihn trotzdem? Anna: Mein Mainstream-Bild von einer Lesbe ist eine sportlich gekleidete Frau – meist in schwarzen Farben, die sehr viel gelesen hat, sich mit ihrer lesbischen Identität intensiv auseinandergesetzt hat und in politischen Fragen immer auf dem Laufenden ist. Natürlich engagiert sie sich auch noch in verschiedenen Frauenvereinen. Aber Optionals sind viele offen: Wenn sie witzig ist oder auch

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sehr ernsthaft, kann sie vieles wettmachen. Nur eines sollte sie vielleicht nicht tun und schon gar nicht sagen. Gelegentlicher Sex mit Männern führt zum ungeschriebenen Ausschluss. Glaube ich. Eduard: Zu den Normen der schwulen Männer fällt mir ein, dass schwule Männer Männer sind, d.h. dass das, was für die Männer insgesamt gilt, auch für sie gilt; vielleicht mit kleinen Abstrichen und Varianten. Wenn ich an den Körperkult denke, da unterscheiden sich 20 – 25jährige Schwule in meinen Augen kaum von gleichaltrigen Heteros. Beide finden wir in den Fitness-Clubs, beide sind stolz auf ihre Muskeln, trainieren diese. Und auch hier gilt vielleicht wieder, dass der Körper einen wichtigen Teil der Inszenierung der eigenen Persönlichkeit ausmacht. Anna: Im Gegensatz zu Heterofrauen haben Lesben nicht die Norm des männlichen Blicks in Bezug auf Kleidung und Haltung. Lesben erwarten eher, ihrer inneren Werte wegen begehrt und geliebt zu werden. Lesben kleiden sich oft betont unfeminin, vielleicht gerade um nicht einen sexualisierten Blick auf sich zu ziehen. Das Ergebnis ist leider oft auch ihre Unauffälligkeit. Uli: Also keine sichtbaren lesbischen Inszenierungen? Anna: Inszenierungen sind weniger über Kleidung definiert, wie schon gesagt, die ist ja schwarz und grau, manchmal auch braun und dunkelgrün. Bei den Lesben geht es eher um die ganzen Bandbreiten von Blicken, Gesten und Verführung. Die klassischen 39

Butch- und FemmeInszenierungen sind jedenfalls out, also die Einteilung in klassisch männliche und weibliche Kleidungs- und Verhaltensmuster wird nicht so gerne gesehen. Eduard: Es scheint mir so, als ob es bei Männern einen Zwang zur Extravaganz gäbe, einen Zwang sich besonders zu präsentieren, besonders zu inszenieren. Auf der anderen Seite eröffnet sich dadurch ja auch Freiraum. Diese Medaille hat immer auch eine zweite Seite. Georg: Vom Körper zu was noch Intimeren, der Sexualität. Sind hier auch Normen festzustellen? Eduard: Ich hab manchmal das Gefühl, dass eine Norm ist, viel Sex zu haben, gleichzeitig bezweifle ich wieder, dass dies eine typische schwule Norm ist. Wir sind ja alle von der permanenten Aufforderung zum Konsum von Sex umgeben. Gespräche über die Qualität von Sex vermisse ich hingegen in der Szene, kann aber auch sein, dass meine Bekannten und Freunde hier etwas diskret und zurückhaltend sind. Man erzählt sich die Affären, wen man wann getroffen hat, weniger aber, wie das dann war. Es wird einfach irgendwie implizit davon ausgegangen, dass Sex auch immer toll und spannend und geil ist. Anna: Im Gegensatz dazu ist es bei Frauen nicht unbedingt erstrebenswert, viele Sexualpartnerinnen zu haben. Das wird eher mitleidig als die Suche nach der Richtigen bewertet. Wenngleich ich manchmal allerdings das Gefühl habe, dass etwas Neid hinter der Abwertung polyamourös lebender Lesben

steckt. Die Zweierbeziehung ist durchaus eine Norm und Endpunkt lesbischen Strebens – zumindest bis sie wieder von vorn anfängt. Viel Sex mit der eigenen Partnerin ist natürlich gut. Aber darüber geredet wird selten. Sex ist etwas Privates und von der Konsumund Leistungsorientierung der Männer will frau sich eh abgrenzen. In letzter Zeit ist es immerhin nicht ganz so politisch unkorrekt, von Sextoys und Safer Sex zu sprechen. Aber eine nicht sexualisierte Sprache dafür zu finden, fällt vielen noch schwer. Und die sexualisierte Sprache ist bei Lesben eher Tabu, außer im Scherz und ironisch. Eduard: Da fällt mir noch etwas ein. Sehr feminine schwule Männer haben es auch in der Szene schwer. Der ganze Kult und Aufwand um den muskulösen Körper ist auch einer um Männlichkeit. Schon lustig, man setzt sich zwar von der Heterowelt ab, übernimmt aber genau dieselben Normen. Und auch das Verhältnis zum Körper erlebe ich manchmal als ein mechanistisches. Er hat zu funktionieren und basta, er ist Mittel, Vorzeigeobjekt und zu diesem Zweck mach ich etwas für diesen, unabhängig davon, ob es ihm gut tut oder nicht. Bevor ich mehr mit der schwulen Szene in Kontakt kam, habe ich vor allem heterosexuelle Frauen erlebt, die mit ihrem Körper nicht zufrieden waren, jetzt erlebe ich diese Unzufriedenheit bei vielen schwulen Männern gleich, und wenn ich an mich denke, na, dann trifft dies auch auf mich zu. Uli: Lesben sind monogam, so lautet das Klischee, und

haben das Bedürfnis, von einer anderen Frau voll und ganz verstanden zu werden. Freiräume haben da oft wenig Platz. Die Erwartungen an eine harmonische Beziehung sind hoch. Siehst du das auch so? Anna: Nun, theoretisch ist es unter Lesben durchaus akzeptabel, andere Formen von Beziehungen anzudiskutieren. Vielleicht sind auch manche rein sexuellen Kontakten nicht abgeneigt. Aber wenn ich mal selbst meine Augen aufmache und um mich schaue, dann entsprechen dann doch die meisten diesem Bild oder vielleicht eher dieser Sehnsucht der ganzheitlichen und oft alles andere ausschließenden Zweierbindung. Das macht lesbische Paarbeziehungen sicher kompliziert, weil sich so viel um sie und die Beziehung dreht und jede Kleinigkeit analysiert werden muss. Andererseits hat es auch etwas Schönes, wenn jede Facette des Ichs als bedeutsam erlebt wird. Eduard: Was die Paarbeziehungen betrifft, habe ich das Gefühl, dass es eine Tendenz zur offenen Zweierbeziehung gibt, wenn du sagst, dass du in einer monogamen Zweierbeziehung lebst, könntest du ohne weiteres kritische bis bemitleidende Blicke ernten. Vorhin habe ich ja schon mal von dem Gebot des Konsums von Sex gesprochen, ich denke, das spielt da in die Beziehungen hinein. Uli: Gibt es eigentlich bei all dieser Vielschichtigkeit Normen, auf die ihr euch festlegen würdet? Eduard: Ich weiß nicht, wie

es dir geht, Anna, aber jedes Mal, wenn ich das Gefühl habe, dass ich eine Norm gefunden habe, eine Regel, die in der Szene gilt, dann überkommt mich im selben Moment das Gefühl, dass diese Regel entweder genauso für die Hetero-Welt gilt oder mir fallen gleich auch wieder jede Menge Ausnahmen zur Regel ein, wenn ich an meine Freunde denke. Anna: Na ja. Über Normen wird gerne gespöttelt, weil gerne geglaubt wird, dass die für andere so wichtig sind. Selbst ist frau ja gerne so offen und tolerant, wenn nur die anderen Lesben nicht so engstirnig wären. Dass Normen greifen, kann ich schon manchmal bemerken, nämlich wenn die Normen verletzt werden: etwa wenn Schwule und Lesben wieder in die Heterowelt wechseln. Eduard: Georg, du hast mir ja erzählt, dass in diesem Magazin auch ein Artikel über die Bisexualität erscheint. Da fällt mir noch was ein. Es herrscht in der Szene die Vorstellung, dass es Bisexualität gar nicht gibt. Bisexuelle sind – so der Mainstream – eigentlich Schwule, die sich nicht trauen, voll zu ihrer Homosexualität zu stehen. Nun, wenn ich mir das so überlege, dass da Schwule sich das Recht herausnehmen, die Identität von anderen Menschen zu definieren, nicht schlecht für eine Minderheit, die sich das Recht zur Eigendefinition erkämpft hat und erkämpfen will. Anna: Für Lesben gilt hier das Gleiche. Bisexuelle Frauen dürften es eher schwer haben, Partnerinnen zu finden. Die Angst, für einen Mann verlassen zu werden, sitzt

bei Lesben tief und für rein sexuelle Kontakte haben viele Lesben ohnehin nicht viel übrig. Eduard: Noch etwas fällt mir da zum Schluss ein. Als Homosexueller kannst schon mal schief angeschaut werden, wenn du deinen Urlaub öfters mit Heteros verbringst und auch nicht die klassischen schwulen Urlaubsziele anpeilst. Anna: Lesben mögen es hingegen gar nicht, nur in der Szene zu sein oder sogar als Szenelesben bezeichnet zu werden. Rein lesbische Orte und Gemeinschaften schmälern dann doch das Bild von der erstrebten Individualität. Wenngleich es hier sicher Ausnahmen gibt, sonst wären nicht so viele Frauen im Sommer auf Lesbos... Uli: So ganz klare Aussagen zu dem Thema Normen in der Szene zu machen ist ja noch viel schwieriger, als wir uns dachten. Georg: Trotzdem habe ich das Gespräch als recht fruchtbar erlebt, eine Art Annäherung ist uns gelungen, dass wir hier keinen repräsentativen Querschnitt geben könnten, war schon von vorneherein klar. Dennoch ist vielleicht etwas von dem, was sich in der Szene so als Standard etabliert hat, sichtbar geworden ist. Wir denken, diesen kritischen Blick waren wir unseren LeserInnen schuldig. Vielleicht danken sie es uns mit der Weiterführung der Diskussion. Vielen Dank fürs Gespräch. > Uli Spitaler, Georg Vescoli 40


Dr. Uli Sexpert

Lieber Uli Sexpert, mich plagt ein Zweifel. Ich habe das Gefühl, dass mein Penis etwas zu klein geraten ist. Meine bisherigen Sexualpartner waren alle besser bestückt. Keiner von ihnen hat zwar eine abfällige Bemerkung gemacht, dennoch: Meine 12 cm (im steifen Zustand) kommen miretwasmickrigvor.Kannichdawastun? Johannes, 18 J. Kurzras

risponde | antwortet

Hallo Uli Sexpert! Ich finde die Buben an meiner Schule interessanter und schöner als Mädchen. In meiner Phantasie stelle ich mir vor, mit einigen von ihnen Sex zu machen. Auch die UnterhosenSeiten im „Postalmarket“-Katalog machen mich an. Jetzt kriege ich Angst, dass etwas mit mir nicht stimmt. Ich wage es aber nicht, es irgendjemandem gegenüber zu erwähnen. Ich frage mich, ob sich diese unaussprechliche Tatsache irgendwie an meinem Körper zeigt. Im Gegensatz zu den anderen Buben in meiner Klasse bin ich beschnitten. Ob es vielleicht damit zusammenhängt? Oder was sind die Gründe für die Entstehung solcher Gefühle? Was für Erklärungen haben die Wissenschaftler dafür? Kevin, 16, Kurting

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Hallo Kevin, zunächst kann ich dich beruhigen, dein beschnittener Penis hat nichts mit deinen Gefühlen gegenüber Männern zu tun. In deinem Alter ist es ganz normal, wenn man eine gewisse Unsicherheit in der Sexualität an den Tag legt. Viele Buben finden in der Pubertät das eigene Geschlecht anziehend. Das muss noch nicht bedeuten, dass du schwul bist. Natürlich ist es ein Indiz für deine Neigung, aber du musst dir noch etwas Zeit geben, bis du sicher sagen kannst: Ich bin schwul. Höre also auf dich selber und gehe deinen Phantasien offen und ehrlich nach. Mache deine Erfahrungen auch mit Mädchen oder auch mit anderen Buben. Denn nur so wird sich zeigen, was du wirklich magst und was dich befriedigt. Egal, was sich herausstellt, schwul, bi oder

hetero, alles ist gleichwertig und ok. Warum man schwul wird: Im Laufe der Jahre wurden dazu allerlei Theorien darüber entwickelt. Zum heutigen Zeitpunkt liegt aber keine endgültige Erklärung vor, doch die Wissenschaft befasst sich weiterhin mit dieser Frage. Wichtig ist mir aber in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass sich der Gebrauch dieser Erklärungsmodelle auch gegen Schwule und Lesben selbst wenden kann. Deshalb stehe ich der Forschung nach den Ursachen der Homosexualität kritisch gegenüber. Gleichwohl möchte ich dir verschiedene Thesen und Annahmen aufzeigen, die in der neueren Fachliteratur vorgestellt und diskutiert werden. Fast alle Theorien basieren im Grunde auf drei Erklärungsmuster: Natur, Umwelt oder eine Kombination von beiden. Während Biologen vor- und nachgeburtliche Einflüsse der Sexualhormone auf das Gehirn sowie genetische Komponenten in den Vordergrund stellen, suchen Sozialwissenschaftler nach psychologischen und erziehungsbedingten Merkmalen. Verschiedene Untersuchungen haben ergeben, dass sich das männliche und weibliche Gehirn unterscheiden. Einige Gehirnforscher behaupten sogar, einen Zusammenhang zwischen anatomischen Unterschieden des Gehirns bei Homo- bzw. Heterosexuellen und der sexuellen Orientierung gefunden zu haben. Aus dem Forschungsbereich der Genetik gibt es Hinweise dafür, dass eine genetische Komponente die sexuelle Orientierung mitbestimme. Es wurden bereits genetische Marker gefunden, die spezifisch für

Homosexuelle sein sollen. Allerdings ist noch unklar, welche Aufgaben dieses Gen oder diese Genkombinationen haben. Aus entwicklungspsychologischer und psychoanalytischer Sicht tragen vor allem Erziehungseinflüsse, Sozialisationserfahrungen und andere prägende Einflüsse in der Kindheit wesentlich zur späteren sexuellen Orientierung bei. Hast du dir mal die Frage gestellt, warum Heterosexuelle heterosexuell sind? Im Grunde sind alle sexuellen OrientierungenallesamtnurSpielarten der menschlichen Sexualität. Die Welt ist vielfältig, so auch die Möglichkeit als Mann, als Frau, als sexuelles Wesen zu leben. Für uns Schwule ist es aber besonders wichtig die eigene Sexualität anzuerkennen. Eine Bezeichnung für seine eigenen Gefühle zu haben, kann dazu beitragen, dass man besser in sich ruhen kann und sich mit anderen Menschen mit ähnlichen Erfahrungen eher verbunden fühlt. Es fällt schwer glücklich zu sein, wenn man sich niemanden anvertraut. Es ist ein großer Schritt zu einem besseren Selbstverständnis, wenn man sich in einer sicheren und stützenden Umgebung offenbaren kann. Centaurus bietet jeden Dienstag von 20 bis 22 Uhr persönliche und telefonische Beratung an. Du kannst auch die Onlineberatung in Anspruch nehmen, ohne deinen eigenen Namen zu nennen. Trau dich uns anzusprechen. Sich Unterstützung zu holen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke. Ich wünsche dir viel Glück auf deiner Reise! Dein Uli. Sexpert

Lieber Johannes, zuerst mal die Entwarnung: Dein Penis liegt ganz und gar im Normalbereich! Und außerdem bist du mit dem Zweifel, ob dein PenisdierichtigeLängehat,nichtallein.Keine Ahnung,woherdieserunserZweifelkommt. Zum Teil sicherlich aus der Pornographie. Da gibt’s diese „überbegabten“ Pornostars mit ihrem überdimensionierten Genital, dessen Anblick in uns Abscheu und Neid zugleich auslöst. Und dann scheinen wir Männer im Bereich Sexualität besonders leicht zu verunsichern zu sein. Oder hast du schon mal jeman(n)d gehört, der Angst hat, dass sein Daumen zu klein geraten sein könnte oder sein Ohr? Auch die vielen genitalrasierten Männer sind ein Hinweis darauf, dass jede/r „ihn“ in voller Größe sehen soll, damit ja nicht einige Millimeter im Gestrüpp der Schamhaare verloren gehen! Nun, die Wissenschaft ist eine von Männern dominierte Disziplin, daher braucht es uns auchnichtzuwundern,dasssichsogardiese mit der Penisgröße befasst hat. Pro Familia unddieUni-KlinikEssenhabenimJahr2001 die Penisse von 143 Männern zwischen 18 und 19 und zwischen 40 und 68 Jahren vermessen – in erigiertem Zustand. (Manchmal möchte man direkt Forscher sein, oder?) Nun, das Längenspektrum variierte zwischen 10 und 19 Zentimetern. Der genaue Durchschnitt liegt bei 14,48 cm. Der Durchmesser variierte zwischen drei und fünf Zentimetern. Wie du siehst, liegst du ein klein wenig unter dem Durchschnitt, aber absolut im Normalbereich und brauchst daher auch nicht auf die vielen Spams reinzufallen, die wohl auch in deiner Postbox landen und dir Vergrößerungen deines Penis aufgrund magischer Cremes versprechen. Und sollte einer deiner zukünftigen Sexualpartner mal einen wirklich sehr

Photo: Peter Viehweider, www.pit-pic.it

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kleinen Penis besitzen, nun, schau mal, was sich mit dem so alles machen lässt. Du wirst überrascht sein. Außerdem: Nach Auskunft von Sergio Messina, einem Musikproduzenten, der sich halbwissenschaftlich mit Amateurporno beschäftigt, gibt es im Internet ganze Fangemeinden von Mini- und Mikropenissen… Dein Uli Sexpert Liebe Uli Sexpert Seit kurzem habe ich eine Frau kennen gelernt und wir beide mögen uns sehr. Nur habe ich Herpes und will unbedingt vermeiden sie anzustecken. Deswegen habe ich mich auch mit dem Sex bisher noch nicht so getraut, weil es noch zu früh ist, um gleich schon mit eventuellen Problematiken zu kommen. Was kann ich tun? Dorothea, 23, St. Pauls

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Liebe Dorothea Das Allerwichtigste, was tu tun kannst, um deine Partnerin vor einer Ansteckung zu schützen, ist, ihr das mit dem Herpes zu sagen. Immerhin wird sie wissen wollen, warum du keine sexuellen Annäherungen versuchst. Wenn du offen und ehrlich bist, kommst du vielleicht doch noch zu schönen sexuellen Erlebnissen, ohne VersteckSpielchen mit deiner Partnerin. Und sie hat die Chance - abgesehen vom Sex, etwas mehr über Herpes zu lernen – aus der Perspektive, sich zu schützen und von deinen Erfahrungen mit Herpes zu profitieren. Bakterien, Pilze und andere sexuell übertragbare Krankheiten sind gar nicht so selten, als dass nicht jede von uns damit in Kontakt kommen könnte. Wenn ihr es schafft, ein Gespräch über Gesundheit und Sex anzukurbeln, so wird das nicht nur deine Partnerin schützen, sondern ihr habt auch die Chance, dass eure Beziehung davon profitiert. Das Herpesvirus – solange es aktiv ist wird über direkten Haut zu Haut-Kontakt übertragen. Aktiv meint, dass du selbst einen Ausbruch hast, oder den gerade überstanden hast. Vor dem Auftreten haben die meisten Menschen ein ziehendes oder pochendes Gefühl. Wenn du asymptomatisch bist, ist es nicht leicht zu wissen, wann und ob das Virus

auf deiner Hautoberfläche auftritt. Die Chance, dass Herpes übertragen werden kann, wenn keine äußeren Symptome auftreten, ist aber sehr gering. Wenn du auf Nummer sicher gehen willst, verzichte während der Entzündung auf Sex und warte bis die Bläschen abgeheilt sind. Um die Gefahr einer Übertragung gering zu halten, vermeidest du am besten, die Zone, die mit den Herpesbläschen bzw. demHerpesgeschwürinKontaktkommen könnte. Du kannst ein aufgeschnittenes Kondomverwenden, und damit die Vagina, Klitoris, oder den Anus deiner Partnerin bedecken, wenn du oralen Sex haben willst. Es ist viel leichter, den Herpes vom Mund zu den Genitalien zu übertragen als umgekehrt. Besser als ein Kondom zu verwenden ist es Dental Dams (kleine Latextücher) aus der zahnärztlichen Praxis klauen oder – am billigsten, aber auch am unsichersten– Frischhaltefolieverwenden, die allerdings leicht zerknittert und für deren Schutzwirkung keine gesicherten Aussagen vorliegen. Berücksichtige dabei, wo deine HerpesEpisoden auftreten. Auf den Lippen als Fieberblasen? Auf den Oberschenkeln? Am Anus? An den Schamlippen oder in der Vagina? Die Stellen, an denen Herpes bei dir auftritt, sollten bedeckt werden. Auf jeden Fall solltest du während dieser Zeit auf das gemeinsame Benützen von Utensilien, wie Handtücher, Waschlappen und Sex-Toys verzichten. Ob ihr nun ganz verzichtet oder Safer-Sex praktiziert, was immer die Entscheidung sein wird, es ist wichtig, dass ihr sie gemeinsam trefft – die Risiken kennend und die Lust teilend Deine Uli Sexpert Liebe Uli Sexpert Seit einiger Zeit denke ich daran, mich bei meiner Familie zu outen. Das Problem jedoch ist, dass ich nicht einschätzen kann, wie sie darauf reagieren würden. Noch bin ich in der Schule und werde noch eine Weile von ihnen abhängig sein. Ich weiß nicht, wie und ob ich es ihnen sagen soll, dass ich Frauen mehr mag als Männer. Ich habe zwar noch keine Freundin, aber belügen will ich meine Eltern auch nicht. Meine Familie zieht mich schon lange damit auf, dass

ich meine Freunde vor ihnen verstecken wolle. Was glaubst du? Soll ich warten mit dem Coming Out, bis ich nicht mehr daheim wohne? Nina, 18, Brixen Liebe Nina, Wie du wahrscheinlich schon vermutet hast, gibt es keine allgemein gültige Antwort auf deine Frage. Ich selbst glaube nicht, dass es eine Lüge ist, wenn du den Eltern nicht deine ganze Wahrheit sagst. Unabhängig davon, ob du homo- oder heterosexuell bist, ist deine Sexualität deine Privatsache. Die Eltern kommen meist erst ins Spiel, wenn eine Beziehung so wichtig wird, dass sie für dich in deinem Umfeld Bedeutung bekommt und du das Bedürfnis hast, diese Beziehung auch nach außen hin zu zeigen. Ganz sicher ist es dann auch für deine Eltern einfacher, sich in deine Emotionalität einzufühlen. Deine Freundin kennen zu lernen und dann einmal zu erfahren, dass du mit ihr eine Beziehung hast, macht es Eltern oft leichter, sich damit auseinander zu setzen. Dann geht es nicht mehr um die abstrakte Vorstellung deiner Sexualität, sondern um die Auseinandersetzung mit einem Menschen und mit Gefühlen. Wichtig ist es aber, dass du bereits jetzt Vertrauenspersonen hast, mit denen du deine persönlichen Anliegen besprechen kannst. Natürlich hast du auch die Möglichkeit, es deinen Eltern bereits jetzt zu sagen, oder auch, nur Andeutungen zu machen, ohne Konkretesanzusprechen.Wahrscheinlich wird das davon abhängen, welche Gesprächsebene du mit ihnen hast. Es gibt ja genügend Anlässe, das Thema etwa über Nachrichten zur Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu benutzen und deine Position dazu klarzumachen und zu schauen, wie sie reagieren. Mit guten Wünschen, dass du dich nicht selbst zuviel unter Druck setzt, Deine Uli Sexpert. Bei Fragen zu den Themen safer sex konsultiert das Dr. Uli Sexpert-Team folgende Internet-Seiten: www.drgay.ch, www.aidshilfe.de und www.muenchner-aidshilfe.de www.lesbengesundheit.de Mach auch du das oder schreib direkt an uns: dr_sexpert@hotmail.com

Panta Rei Le norme sull’omosessualità nella Grecia antica

Per noi moderni è difficile comprendere la sessualità degli antichi Greci, perché i costumi, il pensiero e la morale dell’Antichità sono molto diversi dai nostri; inoltre è cambiato anche il modo in cui si vive l’omosessualità. Infatti in Grecia la società era fortemente maschilista e gli uomini avevano un comportamento tendenzialmente bisessuale, e così si sposavano quasi esclusivamente per avere dei figli legittimi, mentre potevano avere tranquillamente delle relazioni con altri maschi. Si può così vedere che le norme della nostra società moderna non sono universalmente valide o iscritte nel nostro DNA, ma dipendono dalla società, dai tempi e dai luoghi in cui prendono forma. ETA’ ARCAICA (dall’VIII al VI sec. a.C.) Il comportamento sessuale dei Greci cambiò nel tempo; infatti in origine l’omosessualità era legata ad un rito di passaggio dall’adolescenza all’età adulta, con delle regole ben precise. Questo rito sopravvisse a Creta fra gli aristocratici fino all’età classica: ogni uomo nobile poteva scegliere un ragazzo e simulare un rapimento, mentre i genitori del ragazzo fingevano di volerlo difendere. La coppia poi per due mesi viveva insieme in una zona isolata, e l’adulto insegnava al suo rapito le arti della caccia e

del sesso. Finito questo periodo, il rapitore riconsegnava il giovane alla sua famiglia, offrendogli splendidi doni. Era un grandissimo onore essere “rapiti”, perché solo i ragazzi migliori e più nobili venivano scelti, e dopo il rapimento continuavano a godere di onori speciali per tutta la loro vita. Sull’omosessualità abbiamo anche testimonianze letterarie molto precoci, che descrivono però una relazione non solo di tipo sessuale ma anche amorosa. Infatti Omero ci parla di due coppie formate da coetanei: Telemaco e Pisistrato nell’Odissea, e nell’Iliade la coppia più famosa dell’Antichità, Achille e Patroclo. Questi due guerrieri erano cresciuti insieme sin dall’infanzia e nell’adolescenza la loro amicizia si era evoluta in un vero e proprio rapporto amoroso, che comunque non escludeva la possibilità di avere dei rapporti sessuali anche con donne. Il loro cuore, però, rimaneva riservato all’altro. In età arcaica era diffusa e accettata in Grecia anche l’omosessualità femminile; infatti nel periodo in cui visse la poetessa Saffo (VI sec. a.C.) esistevano i tìasi, che erano una specie di collegi femminili in cui le ragazze che non avevano ancora raggiunto l’età da marito ricevevano un’educazione che doveva renderle “donne”. Ma sappiamo che in questo luogo le ragazze spesso si innamoravano una dell’altra, così come Saffo, istitutrice di uno di questi tìasi,

poteva infatuarsi delle sue allieve più graziose, benché avesse una figlia e probabilmente fosse sposata. La poetessa di Lesbo dedicò alle sue amate delle bellissime poesie: […] Ti prego, Gongila, mostrati nella tua tunica lattea: a te il Desiderio vola intorno che sei così bella. Questa veste mi smarrisce a vederla: e io ne godo.1 In un’altra poesia Saffo si dichiara gelosa di una ragazza corteggiata da un uomo: Simile a un dio mi pare quell’uomo che di fronte a te siede e ascolta te che dolcemente parli 2 e sorridi amorosa. Ad ogni modo con l’inizio dell’epoca classica (V – IV secolo) ci fu un netto cambiamento nella mentalità dei Greci: mentre prima le donne godevano di una relativa autonomia, ora esse sono relegate quasi esclusivamente al ruolo di riproduttrici, soprattutto ad Atene, e quindi sono costrette a rimanere chiuse in casa. Di conseguenza cala anche la considerazione dell’omosessualità femminile, che ora viene vista come qualcosa di abominevole e contro natura. Al contrario, l’accentuazione del maschilismo nella società porta l’omosessualità tra uomini al suo apice ed è celebrata da alcuni come l’amore perfetto. 44


ETA’ CLASSICA (V – IV sec. a.C.) L’età classica dunque è il momento più importante per l’omosessualità maschile; ciononostante non bisogna dimenticare che nelle diverse aree della Grecia erano presenti usi e costumi diversi, anche per quanto riguarda la sessualità. Così i Dori vedevano i rapporti fra uomini come espressione di virtù guerriera, perché essi erano diffusi soprattutto fra i soldati più valorosi. A Tebe esisteva addirittura un battaglione scelto, composto da 150 coppie di amanti, denominato “battaglione sacro”. Esso era famoso per la sua forza e il suo coraggio e si distinse in molte battaglie combattute dai Tebani. Nell’area ionica, invece, in cui la società non era militarizzata come nelle città doriche, ai rapporti tra uomini non si attribuiva nessuna particolare importanza. Del tutto eccezionale è il ruolo rivestito dall’omosessualità ad Atene, poiché in questa città si esaltava l’omosessualità per le sue funzioni educative, e perciò

si celebrava un tipo particolare di amore fra uomini, quello pederastico: vi erano coinvolti un uomo maturo ed un ragazzo che non avesse ancora raggiunto l’età adulta, e quindi che avesse al massimo 18 anni. Può sembrare un’età molto precoce, ma bisogna tener conto che anche le ragazze si sposavano già verso i 12 - 14 anni, perché si pensava che i bambini, appena raggiunto lo sviluppo sessuale, fossero già in grado di affrontare delle relazioni sessuali e sentimentali. Socrate, che apprezzava molto la bellezza giovanile, avrebbe parlato di quella “bestia selvaggia, che si chiama ‘giovane in fiore’, più pericoloso dello scorpione, perché inietta un veleno che fa impazzire la vittima”.3 Inoltre rimase famoso il suo amore per il bellissimo Alcibiade, che durò anche quando a quest’ultimo iniziò a spuntare la barba. Esistevano comunque tutta una serie di leggi e rigide norme etiche che regolavano queste relazioni: in primo luogo era vietato dalla legge intrattenere dei rapporti con bambini di ambo i sessi

che avessero meno di 12 anni. Inoltre i luoghi in cui si ritrovavano i paides, i giovani di condizione libera, non dovevano essere frequentati da alcune categorie di persone che erano ritenute pericolose: schiavi, liberti, prostituti, ubriachi ed altri. Esistevano poi delle regole morali a cui dovevano attenersi sia i ragazzi che gli adulti: il pais, il ragazzo corteggiato, non doveva cedere subito all’adulto, perché sarebbe stato giudicato di facili costumi. Se però il corteggiatore era una persona perbene, disposta ad impegnarsi seriamente in una relazione stabile, era disdicevole opporre una resistenza troppo prolungata. Un’altra norma molto importante per i Greci prevedeva che quando il pais avesse raggiunto i 18 anni circa la relazione doveva terminare, perché un uomo adulto (a meno che non fosse un prostituto o uno schiavo) non doveva assolutamente assumere un ruolo passivo nel rapporto. Si tratta di un elemento molto

Tomba del Tuffatore (475 a.C.), Particolare, Museo Archeologico Nazionale Paestum

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importante: le donne e i paides erano passivi per definizione, poiché il ruolo attivo era connesso con una funzione di dominio (con le donne) o di guida e insegnamento (con i paides). Più in generale, si può dire che la distinzione principale per i Greci non era tra eterosessualità e omosessualità, bensì tra attività e passività. Infatti un uomo che era “attivo” nei rapporti con altri uomini era considerato virile, mentre il partner passivo era criticato e deriso perché ritenuto effeminato, a meno che non fosse ovviamente un pais. L’amore di un uomo maturo per un pais, e la minaccia della peluria incombente, è anche il tema di molte poesie greche. Verso il 500 a.C. Teognide scriveva: Ragazzo, fino a quando scapperai da me? Ti cerco, t’inseguo: vorrei giungere alla meta. Hai la tua terra, tu; ma sei superbo, altero, e fuggi: sei crudele come un falco. Ti chiedo grazia, fermati: non a lungo avrai i doni della dea cinta di viole. Lo sai che il fiore dell’età bramata è più fugace d’una pista di corsa. E tu lo sai, fanciullo orgoglioso, allenta i lacci, ché anche tu non debba fronteggiare le pene della dea d’Amore, com’io con te: stai bene attento, e non ti domini una perversità di ragazzino. 4 La pederastia rimase un tema letterario anche nell’età ellenistica e romana (dal 323 a.C.), anche se spesso non corrispondeva più ad un sentimento reale ma era usata come semplice tema letterario.

Nonostante ciò sappiamo che ci furono diverse coppie che rimasero unite anche dopo che il più giovane ebbe superato la fatidica soglia dei 18 anni, e alcune di queste relazioni durarono per tutta la vita: è il caso di Euripide, che amò il bell’Agatone fino alla morte. Ad ogni modo se la pederastia era il rapporto celebrato dai filosofi e dall’elite a causa delle sue funzioni etiche, ciò non significa che ad Atene non esistessero anche altri tipi di relazioni tra uomini. Infatti la maggioranza della popolazione era analfabeta e senza nessuna educazione, e perciò era del tutto indifferente al valore etico che poteva derivare da un rapporto sessuale o sentimentale: non c’è quindi da stupirsi che nell’Antichità fossero diffuse anche relazioni stabili fra uomini adulti o fra due paides. Alessandro Magno, per esempio, non era sensibile solo al fascino femminile, ma per tutta la vita portò avanti anche una relazione con un suo coetaneo, Efestione, rifacendosi al modello del rapporto tra Achille e Patroclo. Infine c’erano anche dei rapporti sessuali fini a se stessi con giovani che si concedevano anche senza un adeguato corteggiamento e che quindi erano considerati immorali, oppure fugaci rapporti con prostituti o con altri adulti. Anche se la grande maggioranza degli autori antichi esaltava l’omosessualità maschile per il suo valore etico, già in epoca classica c’erano autori come Senofonte che pensavano che il matrimonio avesse un ruolo molto più importante. Ciò non significa però che condannassero l’omosessualità in sé; in realtà questi personaggi erano preoccupati che gli uomini

greci trascurassero i rapporti con la propria moglie, che erano gli unici che potevano dare dei figli legittimi. Ne è prova il fatto che essi criticavano allo stesso modo anche i rapporti con prostitute ed altre donne. Nel corso dei secoli il numero dei filosofi e retori che si espressero in questo modo aumentò, anche a causa di una crisi demografica che colpì l’Impero. Così quando il Cristianesimo, che come l’Ebraismo condannava senza esclusione tutti i tipi di rapporto omosessuale, iniziò a diffondersi, incontrò una mentalità che in parte aveva già cessato di praticare e di decantare l’omosessualità. Ciononostante la grande maggioranza del popolo greco non aveva mai cessato questa pratica e continuava a condannare moralmente soltanto il partner passivo della coppia. Dunque solo dopo che il Cristianesimo fu dichiarato unica religione dell’Impero, Giustiniano (VI sec. d.C.) poté condannare ogni tipo di relazione omosessuale, sia sentimentale che sessuale. L’”amore greco” sarà poi riscoperto e vissuto come una moda per un breve periodo dagli intellettuali rinascimentali del ‘500, e nell’800 la Grecia classica diventerà il punto di riferimento per i primi studiosi dell’omosessualità. Nell’immaginario dei gay stessi invece costituirà quasi un paradiso perduto, in cui le norme – anche se con delle limitazioni ben precise – approvavano l’amore fra uomini. > Jan Casalicchio

1

Saffo, fr. 22. Saffo, fr. 31. Senofonte, Memorabilia, I, 3, 13. 4 Teognide, II, 1299-1311. 2 3

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Frau mit Bart

1

Aus einem Gedicht von M.C.Kann, gefunden auf der Rückseite einer Votivtafel vom Ende des 18. Jhr. in der Kapelle der Lamprechtsburg, und in der Zeitschrift „Stadt Gottes“ vom September 1913 vollständig abgedruckt.

die Heilige Kümmernis

Im Diözesanmuseum Brixen hängt ein wertvolles Kruzifix aus dem 13. Jahrhundert und blickt mit starren Augen auf die Besucher. Die wenigsten, die diesem Werk ihre Aufmerksamkeit schenken, wissen von seiner queeren Vergangenheit. Bis in die 50er Jahre hinein hing es in der Kapelle der Brunecker Lamprechtsburg, bekleidet mit einem von mehreren Dutzend bunten seidenen Damenkleidern, die PilgerInnen dem Kultbild gestiftet hatten. Heute schweigt das ernste geschnitzte Gesicht im Diözesanmuseum, und nichts lässt den Besucher erahnen, dass dieses Werk für über 5 Jahrhunderte nicht als Christus, sondern als Heilige Kümmernis verehrt wurde, als bärtige Frau am Kreuz. Die Verehrung der Heiligen Kümmernis, auch Kummernus, Hl. Kumerana, Liberata, Wilgefortis (von „virgo fortis“), Hilgefortis oder St. Hülferin genannt, war in ganz Tirol stark verbreitet. Ihren Ausgang nahm sie wahrscheinlich in den Niederlanden:

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Kümmernis, so die Legende, war eine wunderschöne Prinzessin aus Portugal, manche Quellen sprechen auch von Sizilien oder den Niederlanden, und war bis zu dem Tag, an dem ihr Vater, der König, beschloss, sie mit einem Mann zu vermählen, glücklich. Aber einen Mann wollte, und darin sind sich alle Quellen einig, Kümmernis auf keinen Fall. Ob es daran lag, dass der Mann Heide war, wie spätere Versionen der Legende behaupten, oder daran, dass sie einfach keinen Mann wollte, kann uns niemand mehr erzählen.

„(…) Wie nun im Gebete sie die Hände rang, Zu Gott ihr inbrünstig Flehen drang, Um sie zu schützen vor Mannes Begier, Schenkte er ihr `ne seltsame Zier: Aus ihrem Antlitz, so rosig und zart, Erwuchs alsbald ein wallender Bart. (…)“ 1

zweiten goldenen Schuh zu. Ei n e s d e r Z e n t r e n d e r Kümmernisverehrung war, neben der bereits genannten Lamprechtsburg bei Bruneck, die Kapelle des Ansitzes Troyenstein bei Bozen (Gscheibter Turm). Hier erzählte man eine etwas andere Version der Legende der Heiligen Kümmernis, eine Version ohne gewaltsamen Tod, in der aus der Prinzessin ein Tiroler Bauernmädchen wurde, das vom wilden Weifner von den Goldegg Höfen verfolgt wurde. Wundersamer weise überstand sie auf der Flucht einen Sprung über den Wasserfall des Fagenbaches, und lebte fortan, durch einen Bart unkenntlich gemacht, als Einsiedler(in) im Wald.

Ihr Vater, der König, der vom wallenden Bart seiner Tochter wohl nicht sonderlich entzückt war und nun keine Hoffnung mehr hatte, jemals einen Bräutigam für die Prinzessin zu finden, wurde so wütend, dass er sie kreuzigen lassen ließ: so wie der Gott, der ihr diesen Bart „gezaubert“ hatte, so sollte auch sie sterben! Dargestellt wurde die Heilige Kümmernis meist als mehr oder Nur ein Spielmann hatte Mitleid mit weniger feminine Frau am Kreuz, mit der bärtigen Prinzessin, und spielte vollem Bart und langem Kleid, an ihren für die Gekreuzigte auf seiner Geige. Füßen nur ein einziger Schuh. Oft sieht Kümmernis, gerührt, ließ einen ihren man auch einen Spielmann zu ihren beiden goldenen Prinzessinnenschuhe Füßen. fallen, und nachdem sie ihren Kümmernis, die bärtige Frau am letzten Atem ausgehaucht hatte, Kreuz, wurde unter anderem zur zog der Spielmann von dannen. Im Patronin aller unglücklich Liebenden, Nachbardorf wurden misstrauische aller, die Probleme mit ihrem oder Bürger jedoch auf den goldenen dem anderen Geschlecht hatten, Schuh aufmerksam, und bezichtigten oder die sittlichen Verleumdungen den Spielmann des Diebstahles. Der ausgesetzt waren. Ihr Festtag war vermeintliche Dieb sollte nun ebenfalls der 20. Juli. hingerichtet werden – nur einen letzten Wunsch wollte man ihm noch I n e i n e r Z e i t , i n d e r d i e lassen: ein letztes Mal, so der arme Geschlechterrollen immer starrer Spielmann, wolle er auf seiner Violine wurden, und in der aus der für die gekreuzigte Prinzessin spielen! „Heiligen Sippe“, der mittelalterliche Der Wunsch wurde gewährt, und so Patchworkfamilie Jesu, zu der neben spielte der Geiger noch einmal vor seiner Mutter Maria und seinem dem Kreuz der Kümmernis – und die Stiefvater Josef auch unzählige verstorbene Prinzessin warf ihm, als andere „Verwandte“ gehörten, die Zeichen seiner Unschuld, auch ihren „Heilige Familie“ aus Mann, Frau

und Kind wurde, gab es keinen Platz mehr für eine Heilige wie unsere Kümmernis, die mit ihrem Bart das Attribut der männlichen Macht ad absurdum führte. Eine Frau mit Bart hatte in einer gleichgeschalteten Kirche nichts mehr zu Suchen, und das Risiko, dass eine solche Legende für Frauen ein Aufruf zur Befreiung aus der kirchen-gewollten Ordnung sein könnte, war wohl zu groß. Die Kirche sah das von ihr propagierte starre Geschlechterbild in Gefahr, und beschloss, die Legende der Heiligen Kümmernis auszulöschen. Kümmernisdarstellungen wurden entfernt, verschwanden in Museen oder wurden zerstört. Um 1820 wurde ein lebensgroßes geschnitztes Kümmerniskreuz aus dem St. VeitsKirchlein in Telfs von einem eifrigen Franziskanerpater sogar verbrannt – so groß war wohl die Angst vor der Ausstrahlung dieser ungewöhnlichen Persönlichkeit. Doch noch heute finden aufmerksame Beobachter in Südtirol eine Vielzahl von Darstellungen der Heiligen Kümmernis, einen Besuch lohnen vor allem das großartige Kümmernis-Fresko in der Bozner Dominikanerkirche, eine interessante Darstellung am Turm der Pfarrkirche St. Virgilius in Altenburg bei Kaltern, die beinahe 2 Meter große Kümmernis an der Nordseite der Pfarrkirche in Dietenheim, die kleine volkstümliche geschnitzte Kümmernis im St. Georgen-Kirchlein in Schenna, das große Kruzifix in der Totenkapelle von Niederolang, und die kleine, an einen Stadel angebaute Kümmerniskapelle bei der Obermühle in Laas. > Conny Cossa

Votivtafel mit der Hl. Kümmernis, Zu den Heiligen Drei Brunnen in Trafoi, 1704

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Bücher | Libri

Im Kokon Wovon das neue Buch der jungen Südtiroler Autorin Selma Mahlknecht handelt, kann man nicht in wenigen Worten beschreiben. Es ist die Geschichte eines Mädchens, das zur Frau wird, die Geschichte einer wachsenden Freundschaft, die Geschichte einer Liebe, die vielleicht bald keine mehr ist oder nie eine war, von Eifersucht und Wut, von Familie, Schule, und noch viel mehr. Wie einen Regenbogen malt Selma Mahlknecht Gefühle mit Worten, und schickt ihre Hauptperson auf die Suche nach der Wahrheit, die immer nur im Plural existiert, und nach sich selbst.

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Mit freundlicher Genehmigung des Raetia Verlages druckt das Centaurus Magazine

Selma Mahlknecht, Im Kokon, Edition Raetia, Bozen, 2007, ISBN 978-8872832820

einen Ausschnitt aus Selma mehr, nur noch ihr Mund an Mahlknechts neuem Buch „Im meinen Lippen, ewig. Kokon“. Ich konnte kaum mehr atmen, wenn ich am Ende meiner Phantasie angelangt war, Dafür dachte ich in letzter Zeit minutenlang lag ich oder saß wieder öfter über den Kuss ich oder stand ich in einer nach, den besagten ersten, tiefen Benommenheit da. den ich mir immer konkreter Die Perfektion, die absolute vorzustellen vermochte, den Makellosigkeit meiner ich manchmal sogar auf den Inszenierung erschütterte Lippen zu spüren meinte. mich. Hollywood hätte es nicht Was für ein Kuss! Schon jetzt besser gekonnt. Mein erster war er ein Ereignis für die Kuss war ganz großes Kino. Ewigkeit. Alles würde genau zusammenpassen: der tiefe (…) Blick, mit dem wir aufeinander zugehen würden. Dann die Wir brauchten so wenig, es Hände, die sich wie von selbst war doch genug, wenn wir finden würden, Finger, die sich uns hatten und die Liebe, die schlank und leicht verflechten. uns verband, und wir würden Die leichte Brise vom Meer glücklich sein. Und dann, noch her (wahlweise: die fallenden später, wenn sich die Zeiten Rosenblätter ringsum – das geändert haben würden, feine Geräusch des Wassers). würden wir heiraten, in jeder Wir würden sehr langsam, um meiner Zukunftsphantasien es bis in den kleinsten Moment war dies die Hauptsache, auszukosten, unsere Gesichter wir würden heiraten in einander zuwenden, näher und weißen Kleidern und von näher, bis wir den Atem der Rosenblättern umweht oder anderen spüren konnten (an – je nachdem – tief im Wald, dieser Stelle begann mein Herz bis zur Hüfte in einem See immer zu klopfen). Gänsehaut. stehend, nackt, zwei Nymphen Und dann der Moment, in der mit kleinen weißen Brüsten ihre Nase ganz leicht meine und Blumenkränzen im Haar, Wange streift. Ich bin ein wir würden uns ansehen und einziger Schauder. Meine einander segnen, und dann Lippen öffnen sich, weich und würden wir uns küssen, zum warm wie eine Blüte. Und nun ersten Mal, weil der erste geschieht es: Ihr Mund berührt Kuss der einzige ist, der eine den meinen, ganz zart nur und so heilende und heiligende fast schüchtern, und in diesem Kraft besitzt, und dann würde Augenblick bleibt alles stehen, uns nichts mehr trennen bis zu keine Meeresbrise, keine unserem letzten gemeinsamen Rosenblätter, kein Geräusch Atemzug.

Tatamkhulu Afrika, Paradiso amaro, Playground, Roma, 2006, ISBN 978-88-89113-33-2

Paradiso amaro A distanza di più di 50 anni dal suo primo romanzo “Broken Earth”, pubblicato nel 1937 quando l’autore aveva appena 17 anni, Tatamkhulu Afrika, dopo una vita lontana dagli ambienti letterari, torna al suo primo mestiere di scrittore con la pubblicazione a partire dagli anni ‘90 di una serie di racconti brevi e raccolte di poesie. Solo nel 2002 esce, invece, il suo secondo romanzo “Bitter Eden” pubblicato ora in Italia dalla casa editrice Playground nella magnifica traduzione di Monica Pavani. Romanzo inconsueto per un africano in quanto l’autore non racconta le contraddizioni del suo continente, ma preferisce tornare a quegli anni immediatamente successivi al suo precoce successo letterario. La storia è quella del soldato sudafricano Tom

Smith, che partito volontario per la guerra contro gli eserciti italiano e tedesco è fatto prigioniero nel Nordafrica e trascorre poi tre lunghi anni nei campi di prigionia, prima in Libia, poi in Italia e infine in Germania prima di essere liberato dagli americani. Tom riesce ad affrontare la fame, la sporcizia, la mancanza di spazio, la degenerazione dei prigionieri e la ferocia dei custodi del campo solo con il sostegno del prigioniero inglese Danny, al quale si lega in un rapporto di amicizia intrisa di erotismo ambiguo e pieno di domande. Infatti, mentre i due amici ostentano una mascolinità aggressiva nel linguaggio e nei modi, nei momenti più intimi mostrano tutta la loro fragilità e il loro bisogno di affetto anche fisico. Il romanzo presenta forti elementi autobiografici avendo anche Afrika vissuto la Guerra contro i nazifascisti e i loro campi di prigionia. Al contrario del protagonista del suo romanzo si è invece sempre rifiutato di adeguarsi alle norme che cercava di imporgli il contesto sociale in cui viveva. Nato in Egitto da padre arabo e madre turca emigrati poi in Sudafrica, cresciuto dopo la loro morte da una famiglia metodista d’origine inglese, dopo il suo ritorno dai campi di prigionia e la morte della madre adottiva, veniva adottato da una famiglia afrikaans conservatrice che sosteneva il

regime dell’apartheid. Dopo anni vissuti nell’Africa del Sud-ovest Tatamkhulu Afrika torna a Città del Capo, si converte all’Islam e partecipa alla lotta contro l’apartheid nelle fila dell’Umkhonto we Sizwe, il braccio armato dell’ANC di Nelson Mandela. Questa vita al di fuori di ogni schema spiega il rifiuto dell’autore di essere etichettato, rifiuto che Afrika aveva espresso non solo nei confronti delle categorie del bianco e del nero su cui si basava il regime sudafricano, ma anche nei confronti delle categorie dell’eterosessualità e dell’omosessualità. Questo atteggiamento di Afrika che ha ispirato anche il titolo della sua autobiografia “Mr Chameleon”, uscita postuma nel 2005, traspare anche in “Paradiso amaro”. Infatti, fino al momento della liberazione dei prigionieri, il lettore e forse anche gli stessi protagonisti, non capiscono con certezza se la loro sia una delle tante storie di omosessualità limitate a sporadici atti sessuali destinate poi a finire quando finisce la situazione particolare in cui era nata o se invece i sentimenti tra Tom e Danny siano destinati a durare oltre la prigionia. L’amarezza che pervade tutto il romanzo culmina nel momento in cui diventa evidente che il protagonista non riuscirà né a opporsi né a sottrarsi alle norme sociali che gli impongono invece di mettere su famiglia. 50


Aldrich Robert, Gleich und anders, Eine globale Geschichte der Homosexualität, Murmann Verlag, Hamburg, 2007, ISBN 978-3-938017-81-4

Gleich und anders Eine globale Geschichte der Homosexualität

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In 14 abwechslungsreichen Kapiteln erzählen die von Robert Aldrich, Professor für europäische Geschichte an der Universität Sidney, eingeladenen AutorInnen die Geschichte gleichgeschlechtlicher Liebe - von der Antike bis in die Gegenwart, vom westlichen Kulturkreis bis zu den Stämmen in Afrika und Südamerika und von den gesellschaftlichen Normen, die sie regeln. Auch wer bereits einschlägige Vorkenntnisse hat, erfährt in dem reich bebilderten Buch immer wieder Neues: von den homosexuellen Beziehungen zwischenSchauspielernderPeking-Oper, über die unkomplizierten Verhältnisse zwischen den Geschlechtern auf Südseeinseln bis zu den Samurais und Shogunen, die Japan mehr als 500 Jahre lang regierten und von denen mehr als die Hälfte nachweislich männliche Partner hatten. Eingehend wird das zwiespältige Verhältnis der vom Islam geprägten

Kulturen zur Homosexualität beleuchtet, von der gegenwärtigen Praxis der Todesstrafe in Ländern wie Iran und Saudi-Arabien zu den Schriftstellern des klassichen Arabisch, die neben dem Wein auch die Liebe zu ihrem Partner besungen haben, oder zur Tatsache, dass in den Staaten des Maghreb gleichgeschlechtliche Handlungen unter Männern weit verbreitet sind und aufgrund des Verbots von vorehelichem Geschlechtsverkehr und des Jungfräulichkeitskultes von den meisten Jugendlichen vor und oft auch noch während der Ehe praktiziert werden – worüber man(n) aber nicht spricht. Den AutorInnen liegt es fern, mit Bräuchen afrikanischer Stämme die Homosexualität zu rechtfertigen oder aufgrund der Sitten von Tahiti zu behaupten, dass es so etwas wie einen Naturzustand des Menschen gebe, dem diese Völker näherstünden als die „zivilisierten“ Europäer und der eben auch gleichgeschlechtliche Liebe und Sexualität umfasse. KlarwirdbeiderLektüredesBuchesaber auf jeden Fall, dass es ein Naturgesetz, das die menschliche Sexualität regelt, nicht gibt. Die Unterschiedlichkeit der untersuchten Kulturen und Epochen sowie die breite Palette von Regeln, wie mit Gleichgeschlechtlichkeit umgegangen wurde, beweisen eher, dass Homosexualität zwar in jeder Gesellschaft und zu jeder Zeit vorkommt, der Umgang mit ihr aber eindeutig kulturell bedingt ist. Dieses Buch ruft uns deshalb in Erinnerung, was in der Debatte um die Anerkennungvongleichgeschlechtlichen Partnerschaftenin„westlichen“Ländern immer wieder gerade von den Gegnern gerne vergessen wird: dass nämlich die

Normen, welche Liebe, Sexualität und Familie regeln, nicht absolut, sondern sehr relativ sind und dass es keinen zeitlos gültigen Kanon „normaler“ Sexualität gibt. DasBuchweitetdenBlickderLeserInnen aber auch in Bezug auf grundsätzlichere Dinge: sogar der Gegensatz zwischen Homo- und Heterosexualität sowie die damit verbundene Konstruktion einer homosexuellen Identität aufgrund sexueller Präferenzen sind nämlich ein Produkt der westlichen Gegenwart. Für einen Griechen des 2. Jh.s v.Chr., einen Japaner um 1500 oder eine nordamerikanische Indianerin waren homosexuelle Akte oder Beziehungen selbstverständlich und wurden von ihren Gesellschaften auch akzeptiert. Keinesfalls wurden deshalb aber gleichgeschlechtlich Liebende als „andersartig“ diskriminiert, weshalb es in diesen Kulturen auch nicht notwendig wurde, eine homosexuelle Identität herauszubilden, um Gleichheit der Rechte einzufordern, wie dies in Europa der Fall war. Überrascht wird auch, wer immer noch glaubt, dass Europa im Laufe seiner Geschichte die Werte von individueller Freiheit und Gleichberechtigung in rückständige Kulturen gebracht hat. In Bezug auf die Sexualmoral waren es gerade die Europäer, die mit unvorstellbarer Grausamkeit - wie bei der Eroberung von Südamerika oder mit gut vorstellbarer christlicher Überheblichkeit - wie bei der Missionierung des Pazifiks - die Praxis und Tradition der Toleranz in sexuellen Dingen bei den nicht europäischen Völkern radikal ausgelöscht haben. Ein spannendes, amüsantes und lehrreiches Buch, trotz der Scheiterhaufen und Galgen, die bis heute

Castaneda Marina, Comprendere l‘omosessualità, Armando Editore, 2006, ISBN 978-88-8358937-9

den größten Teil der homosexuellen Geschichte bestimmt haben, was von denAutorInnenauchnichtverschwiegen wird.

Comprendere l‘omosessualità Comprendere l’omosessualità? Quindi un altro di quei libri in cui un eterosessuale spiega agli eterosessuali come sono fatti i gay, facendo da guida al giardino zoologico delle stranezze sessuali per far divertire o, peggio, scandalizzare i “normali”? Dalla prima pagina dell’intelligente testo si scopre che Marina Castan�eda, psicoterapeuta messicana, è invece in grado di fornire una chiave di lettura di comportamenti considerati tipicamente omosessuali tenendo conto del contesto particolare in cui, purtroppo, cresce la maggior parte degli omosessuali: una società che anche se spesso non uccide più chi è “diverso”, continua comunque ad imporre ai suoi membri una visione uniformante e normalizzante anche

della sessualità. Tenendo conto dell’assoluta specificità dell’esperienza omosessuale e partendo da quesiti concreti (Chi è omosessuale? Si vede che sono omosessuale? Perché dirlo? Il mio terapeuta deve essere gay?) l’autrice affronta con naturalezza e sensibilità gli argomenti più vari: dal costo della clandestinità all’omofobia interiorizzata che secondo la Castan�eda costituirebbe addirittura la differenza più importante tra eterosessuali e omosessuali accanto al “lutto per l’eterosessualità” al quale dedica un apposito capitolo. Quest’ultima esperienza consisterebbe nella sensazione di esclusione o di perdita dovuta al fatto che tutti i bambini crescono con l’idea di sposarsi e di avere figli, cosa che gli ripetono incessantemente tutti i giorni genitori, insegnanti e la società intera. Gli omosessuali a un certo punto del loro sviluppo personale si rendono conto che tutto ciò non avverrà nella loro vita, e devono quindi individuare nuovi percorsi ed obiettivi. Anche chi ci riesce vive comunque di tanto in tanto dei momenti in cui questo lutto riemerge. Dopo i capitoli dedicati allo sviluppo individuale, l’autrice analizza la coppia omosessualeingeneraleperpoidedicarsi alla coppia omosessuale femminile e a quella maschile in due capitoli separati, che rispecchiano la specificità dei due tipi di relazione. Mentre quella femminile spesso è caratterizzata da dinamiche di identificazione, di iperprotettività e di fusione che comportano il declino della relazione sessuale, la coppia maschile deve affrontare invece i problemi legati all’AIDS, al multipartneriato, alla competitività, alla mancanza di impegno nella relazione che spesso ne compromettono la stabilità.

Un capitolo intero è dedicato infine ai bisessuali, troppo spesso considerati non normali e quindi emarginati sia dagli omosessuali che dagli eterosessuali. Sia in relazione alle debolezze delle coppie omosessuali, sia esaminando gli aspetti problematici dello sviluppo individuale degli omosessuali, l’autrice trae spunto dalle esperienze decennali di alcune società più progredite per sostenere che il riconoscimento giuridico di relazioni omosessuali e l’eliminazione di ogni discriminazione sociale comportano degli effetti benefici di “normalizzazione” che si riflettono sia sulla stabilità delle coppie che sullo sviluppo personale degli omosessuali. La lettura del libro è resa più stimolante dai brevi esercizi di riflessione e dalle raccomandazioni allo psicoterapeuta al termine di ogni capitolo e dall’atteggiamento tollerante dell’autrice che considera l’omosessualità non solo come problema in società intolleranti come la nostra, ma ne individua anche i piaceri e le potenzialità.

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News

„Anderes Ufer, andere Sitten“ Eine Gebrauchsanweisung Ein 192 Seiten umfassender Aufklärungskatalog zum Thema Homosexualität! In kurzweiligen, gut strukturierten Kapiteln wird alles angesprochen, was das Schwulendasein und das Lesbenleben ausmacht, von der Frage, woher Homosexualität kommen könnte über den szeneinternen Dresscode bis hin zu Verhaltensregeln gegenüber Andersliebenden. Trotzdem: Eine Gebrauchsanweisung für wen genau? Für den aufgeklärten Homo und Hetero hält dieses „Nachschlagewerk“ wohl wenige Aha-Effekte bereit. Für den Ungeouteten oder den Neo-Schwulen, die Eltern homosexueller Töchter und Söhne oder den „Homo-Skeptiker“ dürften die Informationen indes zu wenig ernsthaft und tiefgreifend aufbereitet worden sein. Und der (latent) Homophobe wird wohl keines seiner tradierten Vorurteile nach der Lektüre (die er womöglich erst gar nicht angeht) über Bord werfen. Das homosexuelle Geschwisterpaar Grundies offeriert uns also eine nette und sprachlich leichtgänge Bettlektüre, die vereinzelt das eine oder andere Schmunzeln zu provozieren vermag. Mehr aber nicht. Wer gelassener und mit zwinkerndem Auge in die knallharte Realität lesbischwuler Lebensformen eintauchen will, dem seien sowieso die weit pointierteren Comics von Ralf König ans Herz zu legen.

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Ariane und Björn Grundies, Anderes Ufer, andere Sitten - Eine Gebrauchsanweisung, mit Illustrationen von Daniel Müller, Verlag Deuticke, ISBN: 3-55206050-0

Spanien: Mehr Transsexuelle

Regenbogenparade Wien, Photo: Conny Cossa

Freiheit

für die Entscheidung überlassen, ob sie sich auch körperlich ihrem neuen amtlichen Geschlecht anpassen Das spanische Parlament möchten oder lieber nicht. hat, gegen die Stimmen der oppositionellen Volkspartei, www.libellula2001.it ein neues Gesetz zur G e s c h l e c h t s u m w a n d l u n g USA: Niederlage für Gegner der verabschiedet, mit dem dieses Homo-Ehe einst konservativ-katholische Land auch auf diesem Gebiet eine Seit einer Entscheidung des Vorreiterrolle einnimmt. Obersten Gerichtshofes Während bisher eine transsexuelle im Jahr 2003 gibt es in Person, die ihr Geschlecht amtlich Massachusetts als einzigem ändern wollte, sich wie in allen amerikanischen Bundesstaat für anderen europäischen Ländern gleichgeschlechtliche Paare die einer Operation unterziehen Möglichkeit, die Ehe zu schließen. musste, die auch ihr biologisches Seitdem hatten allerdings Geschlecht im Rahmen des konservative ParlamentarierInnen möglichen änderte, kann in Spanien mehrmals versucht, durch eine die amtliche Geschlechtsänderung Verfassungsänderung die Ehe nun ohne Operation vollzogen ausdrücklich als Gemeinschaft von werden. Mann und Frau zu definieren, waren Zwar muss der Antragsteller immer damit aber jedes Mal am Votum noch eine medizinische Diagnose des Parlaments gescheitert. über seine Transsexualität vorlegen Gegner der Homo-Ehe haben nun und eine zweijährige medizinisch- bei einem Versuch, diese durch psychologische Behandlung auf eine Volksbefragung abschaffen sich nehmen, er wird aber nicht zu lassen, eine weitere Niederlage mehr zu einer schmerzhaften, erlitten. Das Parlament von unter Umständen risikoreichen Massachusetts hat nämlich in und vor allem definitiven Operation beiden Häusern mit eindeutiger gezwungen. Mehrheit den Vorschlag der Die Geschlechtsumwandlung wird K o n s e r v a t i v e n a b g e l e h n t , auch nicht mehr von den Gerichten die Bürger und Bürgerinnen entschieden, sondern durch zu einer Volksabstimmung die zuständigen Standesämter, über eine entsprechende die sie mit der entsprechenden Verfassungsänderung zu rufen. Namensänderung in ihren Nachdem bei einer ersten Registern offiziell machen. Abstimmung im Parlament im Mit dem neuen Gesetz wird also Jänner 2007 die erforderlichen die zwingende Übereinstimmung 50 Stimmen erreicht wurden, zwischen biologischem und hat sich die politische Lage standesamtlichem Geschlecht seitdem durch den klaren abgeschafft und den Transsexuellen Wahlsieg der Demokraten bei

den Parlamentswahlen verändert. Zwar hat die Erzdiözese Boston öffentlich gegen die Homo-Ehe predigen lassen und der Bostoner Kardinal Sean P. O‘Malley laut Presseberichten durch gezielte Anrufe bei einzelnen Abgeordneten versucht, ihr Stimmverhalten zu beeinflussen. Bei der vorgesehenen zweiten Abstimmung am 14. Juni 2007 sprachen sich dann allerdings weniger als die notwendigen 50 ParlamentarierInnen für die Abhaltung einer Volksbefragung aus. Vertreter der katholischen Kirche und des „Massachusetts Family Institute“ zeigten sich tief enttäuscht, gaben sich aber entschlossen, den Kampf mit allen Mitteln fortzusetzen. Einzelne kündigten gegenüber den Medien gar an, sich besonders jener Abgeordneter „anzunehmen“, die zwischen der ersten und der zweiten Abstimmung ihr Stimmverhalten geändert hatten. Man werde alles unternehmen, damit sie bei der nächsten Wahl ihren Sitz verlören. Sollten sich in den nächsten Jahren PolitikerInnen finden, die das Thema auf die Tagesordnung setzen wollen, könnte es den WählerInnen aber frühestens im Jahr 2012 wieder in einem Referendum zur Abstimmung vorgelegt werden. www.lsvd.de

Italia: Radicali per il matrimonio civile gay “Considerato che la proposta governativa dei Dico, compromesso del compromesso rispetto ad 54


una legge di civiltà in materia di regolamentazione delle unioni civili sia per le coppie gay che per quelle eterosessuali, si è arenata in Parlamento”, il Comitato nazionale dei Radicali Italiani, riunitosi a Roma il 30 settembre 2007, ha votato a stragrande maggioranza una mozione particolare che delibera il sostegno alla campagna per l‘accesso all‘istituto del matrimonio civile per le persone lesbiche e gay. “Preso atto che ormai tutte le organizzazioni glbt italiane, deluse e amareggiate dall‘atteggiamento di genuflessione al potere clericale vaticano della classe politica, rivendicano oggi, con forza, per le coppie gay, l‘accesso all‘istituto del matrimonio civile”, il Partito Radicale rifiuta quindi l’introduzione di una specie di partnership registrata destinata a diventare comunque un matrimonio di serie B. Chiede invece con estrema chiarezza e senza paure, quale unico dei tanti partiti rappresentati nel Parlamento italiano, la piena parificazione delle coppie gay ed eterosessuali davanti allo Stato, nel pieno rispetto della separazione tra Stato e Chiesa cattolica, il tutto “quale massimo traguardo volto al superamento delle diseguaglianze e delle discriminazioni, così come già avviene in Spagna, Olanda, Belgio e Canada.” www.radicali.it

Germania: MANEO e la Polonia

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Da anni impegnata nella lotta alla violenza contro gli omosessuali, l‘associazione berlinese MANEO segue con attenzione gli attuali sviluppi politici nella vicina Polonia. Com‘è noto, vari esponenti del governo, lo stesso Presidente della Polonia ed alcuni deputati polacchi al Parlamento europeo, hanno espresso opinioni omofobe che si pensavano ormai superate almeno nell‘Europa centrale, e che secondo MANEO hanno creato un clima di intolleranza che favorisce atti di violenza contro gay e lesbiche. Ancheperquestomotivol‘associazione berlinese ha organizzato nella capitale

tedesca, assieme alle principali associazionicontrolaviolenzaomofoba francesi e polacche, una conferenza di due giorni intitolata „Omofobia e violenza contro omosessuali in luoghi pubblici: denuncia - analisi prevenzione“ patrocinata dal Sindaco di Berlino Wowereit. Alla conferenza partecipavano rappresentanti politici, della polizia e di associazioni contro la violenza dei tre paesi. Purtroppo il clima politico restrittivo nella Polonia ha impedito a molti interessati di quel paese, in particolare agli appartenenti alle forze dell‘ordine, di partecipare all‘evento. Su invito di MANEO, il sindaco di Berlino durante la sua recente visita nella capitale polacca, ha affrontato l‘argomento con la sua omologa di Varsavia sollecitando un maggiore rispetto delle norme europee in materia. Il lavoro di MANEO è fortemente sostenuto anche dalla Vicepresidente del Parlamento Europeo, Dagmar Roth-Behrendt, che durante la conferenza ha duramente criticato il Governo polacco poiché i suoi recenti progetti di legge sarebbero in contrasto con le direttive europee in materia di antidiscrimazione. Ha inoltre dichiarato che l‘ingresso della Polonia nell‘Unione Europea sarebbe stato impossibile „se i fatti recenti si fossero verificati prima dell‘ultimo allargamento dell‘Unione nel 2004“. Dello stesso tenore la dichiarazione della Segretaria federale dei Verdi Claudia Roth che ha aggiunto che „chi si esercita con le parole nell‘esclusione e nella discriminazione non è lontano da atti di violenza“. La Roth-Behrendt ha concluso il suo intervento assicurando ai partecipanti: „Siate certi che il Parlamento Europeo sarà con voi nella lotta per un‘Europa senza omofobia.“ www.lsvd.de

Chi volesse invece vedere l‘impressionante spot antiviolenza „Love hurts“ realizzato su iniziativa di MANEO che è stato presentato all‘ultima Berlinale può farlo al seguente indirizzo:

http://maneo-toleranzkampagne. de/index.php?cat=2&sub=10

Germania: Omofobia diffusa tra immigrati turchi e russi Una ricerca eseguita dall‘Università di Kiel per conto del LSVD, la principale associazione gay e lesbica della Germania, e finanziata dal Ministero federale delle Finanze, ha dimostrato ora ciò che molti gay e lesbiche sanno da tempo per averlo vissuto sulla propria pelle: tra gli immigrati l‘omofobia è molto più diffusa rispetto alla media dei cittadini tedeschi. La ricerca è stata condotta intervistando quasi mille giovani berlinesi tra i 14 e i 20 anni, e i risultati sono già stati definiti allarmanti da vari esponenti del mondo politico tedesco. Infatti, il 79% dei ragazzi di origine turca ha dichiarato di sentirsi „schifato“ dalla vista di due uomini che si baciano per strada. Tra i ragazzi di origine russa la percentuale è di poco inferiore raggiungendo il 76%, mentre tra i ragazzi tedeschi non supera il 48%. Le ragazze hanno invece nuovamente confermato di essere più aperte e tolleranti dei loro coetanei maschi. Infatti, le loro percentuali sono al 60% e al 64% per quelle di origine turca e russa e al 10% per quelle tedesche. La ricerca ha inoltre dimostrato che l‘omofobia aumenta più i ragazzi cercano di conformarsi ai tradizionali concetti di mascolinità della loro cultura di provenienza e alle norme della loro religione. A chi ha voluto minimizzare la gravità della situazione, il responsabile della ricerca ha risposto sottolineando che il risultato sarebbe stato ancora peggiore se i questionari non fossero stati distribuiti a Berlino, governata da un sindaco molto popolare

e dichiaratemente gay, e tra gli alunni di ginnasi e scuole medie che tradizionalmente provengono da ceti sociali medio-alti. Avendo accertato che l‘omofobia è maggiore tra quegli immigrati che si sentono maggiormente emarginati e discriminati, la ricerca ha contemporaneamente indicato anche il mezzo migliore per combatterla: istruendo i giovani e integrando le loro famiglienellasocietàtedesca.Inquesto senso la senatrice per l‘integrazione di Berlino, Heidi Knake-Werner, ha proposto di trattare l‘argomento dell‘omosessualità durante le lezioni di etica (che a Berlino già da alcuni anni hanno sostituito l‘ora di religione), mentre il responsabile delle politiche per gli omosessuali dei Verdi, Thomas Birk, chiede più occasioni d‘incontro tra alunni e omosessuali nell‘ambito di progetti di educazione civile. Infatti, la ricerca ha anche evidenziato che l‘omofobia è inferiore tra quei giovani che conoscono personalmente un gay o una lesbica.

der Jugendarbeit Tätige, Erzieher und Lehrpersonen, welche aufgrund ihrer Arbeit mit Jugendlichen laufend mit homosexuellen Jugendlichen zu tun haben und an alle Interessierten. Die Broschüre erscheint im Februar 2008. Jugendeinrichtungen, Bibliotheken, Beratungsstellen, Sozialsprengel erhalten die Broschüre kostenlos zugeschickt. Rosa Hasen gegen Homophobie Aufgrund der Proteste der Homosexuellen Initiative Linz, von denen in verschiedenen Tageszeitungen berichtet wurde, sagte die oberösterreichische Stadt Leonding die geplante Städtepartnerschaft mit dem norditalienischen Treviso bis auf

weiteres ab. Ursache für die Proteste waren die homophoben Äußerungen des Vizebürgermeisters Giancarlo Gentilini der rechtspopulistischen Lega Nord. Gentilini forderte eine „pulizia etnica dei culattoni“. „Qui a Treviso,“ so Gentilini, „non c‘é nessuna possibilitá per culattoni e simili.“ Die Aktivisten der Homosexuellen Iniziative Linz, die in rosaroten Hasenkostümen Infoblätter verteilten, wurden von der Bevölkerung freundlich aufgenommen. „In Leonding“, so las man auf einem großen Schriftbanner, „ist viel Platz für Schwuchteln, Lesben, Bisexuelle + Transgender“. www.repubblica.it www.hosilinz.at

www.spiegel.de www.taz.de

Schwul in Südtirol „Schwul in Südtirol“ ist eine Aufklärungsbroschüre und vermittelt Wissenswertes rund um das Thema „Homosexualität“. Eine Geschichte vermittelt den sachlichen Teil der Broschüre auf anschauliche Weise und führt als Leitfaden durch die Broschüre. Durch diese Broschüre soll einer breiten Öffentlichkeit das Thema „Homosexualität“ nähergebracht werden und für die Bedürfnisse und Probleme von Schwulen in Südtirol sensibliisieren. Die Broschüre will keine Rezepte geben, sondern sie will Menschen in Südtirol an das Thema „Homosexualität“ heranführen und den Menschen unterstützend zur Seite stehen. „Schwul in Südtirol“ richtet sich an männliche Jugendliche sowie an Männer jeden Alters, die merken, dass sie sich von Personen des eigenen Geschlechts angezogen fühlen, aber auch an deren Eltern, Freunde, an in

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