Centaurus Magazine 08

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Inhaltsverzeichnis

Anders sein im Tiroler Gedenkjahr Editorial

S.3

Anders sein im Tiroler Gedenkjahr Editorial

S.4

1809 - 2009: Die Freiheit, die ich meine oder: Talibanbart, Südseeinsel und Plastiksackerl

S.6

Gleiche Liebe - Ungleiches Recht Sexualität um 1809

S.8

Helden in Strumpfhosen Queering up 2009

S.9

Ein Ander vom anderen Ufer Heldensuche im „Bedenkjahr“

S.12

Lo struzzo di Montecitorio Strategie per negare diritti

S.14

Il leone da pulcino Warum Rita Rasom für mich eine Heldin ist

S.16

HeldInnen wie wir Fünf Südtiroler Coming-Outs

S.20

Versteckte Helden auf dem Fußballplatz Über das Tabu Homosexualität bei Profi-Fußballern

S.22

Mein Herz aller liebster Ein Beitrag von Gebi Mair

S.23

Tiroler Identitäten Ein Beitrag von Cristian Kollmann

S.24

Ja, ich bin für die Selbstbestimmung Gedankensprünge einer Südtirolerin

S.25

Das Gedenkjahr ist männlich ... übrigens: auch der Held

S.26

Schwul und lesbisch zwischen Kufstein und Ala

S.28

In Bewegung bleiben! 25 Jahre HOSI Tirol

S.30

Libri e DVD | Buch und Film Aus unserer Bibliothek | Letto e visto per voi

S.32

Ich bin, was ich bin Das neue Musical bei den Vereinigten Bühnen Bozen

S.33

News

S.36

Anno 2059 Die Welt ist wärmer geworden

Herzlichen Dank für die Unterstützung | Ringraziamo per il sostegno:

Ein Jahr liegt hinter uns, in dem wir nahezu täglich mit Meinungen, Fakten und Polemiken konfrontiert worden sind, die mit den Vorfällen von 1809 in Verbindung stehen. Erfreulicherweise konnten sich heuer im Gegensatz zum Gedenkjahr 1984 auch viele kritische Stimmen Gehör verschaffen. Zum sogenannten Tiroler Befreiungskampf scheint bereits alles gesagt zu sein. Warum sollte sich nun auch die Zeitschrift eines lesBiSchwulen Vereins damit beschäftigen? Trachtenträger und Schützen, die nach wie vor ein Monopol bei der Definition und dem Feiern des Tirolertums gepachtet zu haben glauben, erscheinen nicht gerade als die Hoffnungsträger jener Liberalität, von der Schwule und Lesben träumen. Dennoch lohnt sich die Auseinandersetzung mit dem vielschichtigen Thema: Der Blick zurück auf 1809 zeigt, dass die Freiheit, für die damals gekämpft wurde, nicht dieselbe ist, wie wir sie heute verstehen. Der Blick darauf, wie und was die Tiroler, Südtiroler und Trientner heuer feiern, gibt hingegen Aufschluss darüber, welches Verständnis von Freiheit, Mut und Selbstbestimmung sie heute haben. Mit all diesen Themen werden auch Lesben und Schwule täglich konfrontiert. Wieviel Mut es sie heute immer noch kostet, ihr Leben in Freiheit zu leben und ihren Liebsten zu zeigen, wer sie sind, wird deutlich, wenn man die Geschichten ihres Coming Outs liest, die wir fürs Centaurus Magazine gesammelt haben. Wie wichtig ein lesBiSchwuler Blickwinkel auf das Gedenkjahr und auf die Themen Freiheit, Mut, Heldentum ist, wird auch anhand eines kleinen Details klar, das kaum einem Heterosexuellen aufgefallen sein dürfte: In der von der Autonomen Provinz Bozen, dem Bundesland Tirol und der Autonomen Provinz Trient organisierten und mit dem Geld aller BürgerInnen finanzierten Landesausstellung in der Franzensfeste mit dem Titel „Labyrinth:Freiheit“ ist zwar auch von sexuellen Zwängen und Freiheit die Rede - Homosexualität, Lesben oder Schwule werden jedoch mit keinem Wort erwähnt. Und dies, obwohl Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle beinahe 10 Prozent der Bevölkerung ausmachen und auch heute noch in allen Landesteilen eindeutig gesetzlich, gesellschaftlich und politisch benachteiligt werden und somit die einzigen sind, die ihre Liebe und Sexualität nicht frei leben können. Wir wollen aber nicht durch die Verwendung eines christlichen Symbols in Gestalt einer mit Rosen kaschierten Dornenkrone auf unsere Situation aufmerksam machen, sondern legen ein regenbogen-buntes Heft vor, das eine Bestandsaufnahme lesBiSchwulen Lebens in unserem Land bietet. Zugleich stellen wir heldenhafte Lesben und mutige Schwule vor, die heuer feiern, was nicht nur für sie, sondern auch für die Südtiroler Gesellschaft insgesamt wichtiger war als Hofers Mander: den Aufstand in der New Yorker Christopher Street, bei dem vor genau 40 Jahren transsexuelle, schwule und lesbische BürgerInnen mutig der staatlichen Willkür entgegengetreten sind und für die individuelle Freiheit in Sachen Sexualität und Liebe gekämpft haben. Come negli anni passati anche nel 2009 siamo partiti con il buon proposito di produrre un‘edizione interamente bilingue del nostro Magazine. Tuttavia anche stavolta nostro malgrado si è verificata una netta prevalenza di articoli in lingua tedesca. Non pensiamo che ciò sia dovuto all‘asserita maggiore distanza degli italiani in Alto Adige dal mondo dell‘associazionismo in generale o dall‘attività di Centaurus in particolare. Tanto meno crediamo che il tema principale di questo numero, la commemorazione del 1809, sia poco attraente per chi si sente lontano da ricorrenze celebrate in passato soprattutto dai sudtirolesi di lingua tedesca. Anche perché si tratta di tematiche che inizialmente pure noi della redazione ritenevamo appannaggio di un modo conservatore e quindi altrettanto lontano dal nostro punto di vista. Nonostante ciò lavorandoci sopra proprio queste tematiche si sono rivelate piene di spunti per una riflessione su concetti più che mai attuali e importanti per i gay e le lesbiche quali sono la libertà, l‘eroismo ed il coraggio. Non ci resta che sperare che nel 2009 la lingua dei testi non sia più di ostacolo ai nostri lettori italiani e rinnoviamo comunque l‘invito a chi ci legge a contribuire con articoli o idee a un Centaurus Magazine davvero bilingue. > Das Redaktionsteam - La redazione

Assessorato alle Politiche Sociali e alle Pari Opportunità Assessorat für Sozialpolitik und Chancengleichheit

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DI/MA VON/DALLE 20.00 BIS/ALLE 22.00

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DO/GI VON/DALLE 20.00 BIS/ALLE 22.00


1809 - 2009: Die Freiheit, die ich meine oder: Talibanbart, Südseeinsel und Plastiksackerl Robinson Crusoe und Freitag sitzen auf ihrer Insel am Strand und schauen in den Sonnenuntergang. Sagt Robinson zu Freitag: „Du, wenn wir dann wieder daheim in London sind, müssen wir aber eine andere Geschichte erzählen, Schatz.“ Tirol feiert heuer den „Freiheitskampf“ von 1809 und dessen Anführer Andreas Hofer. Auch wenn das inzwischen bereits jede/r in der Provinz mitgekriegt hat, dürfte die Frage, was denn Robinson Crusoe damit zu tun hat, viel interessanter sein. Lassen wir den Südseehelden trotzdem noch zusammen mit Freitag den Sonnenuntergang genießen, und widmen uns vorerst dem Ander. Tirol zelebriert also seinen größten Helden. Warum gerade ihn? Nicht dass es 2009 keine intelligenteren Gelegenheiten gäbe, ein bisschen zu „gedenken“. Dieses Jahr könnte ein Musikerjahr sein, ist doch vor 200 Jahren Joseph Haydn gestorben und Felix Mendelssohn Bartholdy geboren worden. Vor 250 Jahren starb Georg Friedrich Händel und Henry Purcells Geburtstag jährt sich heuer zum 350. Mal. Wer es lieber literarisch mag, könnte an Friedrich Schillers 250. oder an Golo Manns 100. Geburtstag erinnern, oder an Thomas Bernhards 20. Todestag. Edgar Allan Poe und Nikolai Gogol wurden 1809 geboren, Sir Arthur Conan Doyle und Knut Hamsun beide 1859. Man mag einwenden, dass es sich bei all den Genannten um „Ausländer“ handelt, was ja zur Zeit - und leider nicht nur in unserer Provinz - nicht besonders gesellschaftsfähig ist. Ein Tiroler muss es also sein. Dagegen wäre an und für sich nichts zu sagen. Bedenklich ist hingegen, dass Hofer immer noch als Freiheitsheld zelebriert wird. Denn mit dem, was wir heute gemeinhin als Freiheit verstehen, hatte er wenig bis gar nichts am Hut. Freiheit wurde bereits damals vor allem als Zustand des Individuums begriffen, dessen Verhalten durch keine von anderen Menschen ausgehenden Zwänge erschwert oder verhindert

wird. Der erste große Schritt zu ihrer allgemeinen Verwirklichung war die Erklärung der Menschenrechte 1789 während der Französischen Revolution. Darin wurde das Individuum unter anderem vor Eingriffen der Staatsgewalt prinzipiell geschützt und von Zwängen befreit, die bis dahin das Verhalten der einzelnen erheblich eingeschränkt hatten. Die Idee der individuellen Freiheit hatte schon lange vor den napoleonischen Truppen natürlich auch Tirol erreicht und fand dort nicht nur im liberalen Bürgertum und in den Städten Zustimmung. Andreas Hofers Aufstand richtete sich gegen die französich-bayrische Besatzungsmacht und war deshalb bloß ein Kampf um die „nationale“ Freiheit nach außen, der sich aber nach innen sogar gegen die Freiheit des einzelnen richtete. Es war also keinesfalls ein „Freiheitskampf“, in dem für die individuelle Freiheit gestritten wurde, sondern eine Erhebung, die das alte feudale und kirchentreue System wieder herstellen wollte, ein System, in dem es keine freien Bürger, sondern lediglich Untertanen und Sünder ohne unveräußerliche Rechte und Freiheiten gab. Diese autoritätsgläubige und ignorante Gesinnung äußerte sich bereits im Aufruf des Kapuzinerpaters Joachim Haspinger, sich der von der bayerischen Regierung auch in Tirol eingeführten Pockenimpfung mit Gewalt zu widersetzen, da es den Menschen nicht zustehe, sich auf diese Weise in Gottes Plan einzumischen. Die antimodernistische Haltung der Tiroler „Freiheitskämpfer“ drückte sich auch in religiöser Intoleranz aus, die sogar zu antisemitischen Ausschreitungen führte. Ebenso dürfte die Hofersche Anordnung bekannt sein, wonach die Innsbrucker Frauen zuviel nackte Haut zeigten und sich deshalb gefälligst die Unterarme und Dekolletés verhüllen sollten. Und gleich nach der ersten Berg-Isel-Schlacht verbot Hofer auch alle Feste und Bälle. Aufgrund dieser Umstände kann der Tiroler „Freiheitskampf“ durchaus mit dem verglichen werden, was heute die Taliban in Afghanistan und 4

radikale Islamisten in anderen Ländern gerne als Freiheitskampf verkaufen möchten: bärtige Männer bekriegen - oft aus dem Hinterhalt - eine fremde Besatzungsmacht, kämpfen gleichzeitig gegen individuelle Freiheiten, für die Wiederherstellung einer alten religiös-feudalen Ordnung, gegen die Gleichberechtigung der Frauen und haben bei all dem eine ziemlich lebensund lustfeindliche Einstellung. In freiheitsfeindlichen Gesellschaften, in die Hofer und seine Konsorten damals Tirol zurückschießen wollten, musste die individuelle Freiheit außerhalb der Gesellschaft gelebt werden. Und hier kommen wir wieder zu Robinson Crusoe zurück. Er war in den Augen seines Schöpfers Daniel Defoe und seiner LeserInnen ein Held, weil er auf seiner Insel fernab der Zivilisation den Kräften der Natur getrotzt hat. In Wirklichkeit war er aber ein frühes Opfer der damaligen von Unfreiheit geprägten Gesellschaft. Genau 300 Jahre ist es her, dass der Defoe als literarische Vorlage dienende Matrose Alexander Selkirk nach jahrelangem Aufenthalt auf einer einsamen Insel gerettet wurde. Die Sehnsucht nach diesem Ort, der frei von sozialen Zwängen war, die im 18. Jh. auch fortschrittlichere Gesellschaften wie die britische prägten, sollte ihn aber nie mehr verlassen. Ein Leben in individueller Freiheit (mit oder ohne Freitag) war damals, knapp 80 Jahre vor der amerikanischen Staatsbildung und der französischen Revolution, nämlich nur auf fernen Südseeinseln möglich. Und für viele Schwule und Lesben ist es leider bis heute dabei geblieben: sie sind nach wie vor gezwungen, einen Teil ihres Lebens weitab von ihrer familiären Umgebung zu leben, und sich eventuell darauf zu einigen, daheim dann eine andere Geschichte zu erzählen. Der moderne Freiheitsbegriff bezeichnet aber nicht nur die Abwesenheit von Zwängen, sondern einen Zustand, in dem die Möglichkeit der passiven Freiheit auch tatsächlich genutzt und zwischen mehreren

Möglichkeiten gewählt werde n kann. Dies erfordert, dass das Individuum über die materiellen und intellektuellen Voraussetzungen verfügt, die eigene Freiheit überhaupt zu erkennen, die verschiedenen Möglichkeiten wahrzunehmen und dann die für sich beste Wahl zu treffen. Aufklärung, Wissenschaft und Bildung sind also die Grundlagen echter Freiheit. Dazu hat Hofer nun wirklich keinen Beitrag geleistet. In diesem Sinne gedenkt die Welt heuer aber bedeutender wissenschaftlicher Ereignisse wie der Entdeckung von vier Jupitermonden durch Galileo Galilei im Jahr 1609 und der Veröffentlichung der bahnbrechenden Schrift „Astronomia

nova“ durch Johannes Kepler im selben Jahr, die beide unsere Kenntnis von der Welt entscheidend verändert haben. Erinnert wird auch an Charles Darwin, der 1809 geboren wurde und mit seinem Werk über die Entstehung der Arten die Schöpfungsmythen aller Religionen als Unfug entlarvt hat. Ebenfalls 1809 kam Louis Braille zur Welt, der mit seiner praktischen Erfindung der Blindenschrift vielen Blinden Zugang zu Bildung und damit einen großen Schritt Richtung Unabhängigkeit und Freiheit verschafft hat. Schließlich darf Abraham Lincoln nicht unerwähnt bleiben, dessen Geburtstag sich heuer ebenfalls zum 200. Mal jährt und der mit der Abschaffung der Sklaverei die Vereinigten Staaten erst zum „land of the free“ gemacht hat. Gegen diese Größen nimmt sich der Ander natürlich umso kleiner aus, was an und für sich nicht schlimm wäre, wenn man ihn als das vergessen hätte, was er war: ein hinterwäldlerischer Loser, dem moderne individuelle Freiheit nichts bedeutete. Das Peinliche an der ganzen Angelegenheit ist

eher, dass er nach seinem Tod zum Freiheitskämpfer stilisiert wurde und als solcher auch heute noch gefeiert statt verschämt versteckt wird. Die vom revolutionären Frankreich ausgehende Idee der allgemeinen Menschenrechte mit ihrem Freiheitsideal ist also trotz des klerikalkonservativen Widerstandes in Tirol für unsere Gesellschaft weitaus wichtiger als die Scharmützel am Bergisel und wäre deshalb wohl eher zu feiern als der talibanbärtige Rosshändler und Gastwirt aus dem Passeier. In die Geschichte des Kampfes um dieses Freiheitsideal reihen sich auch viel besser als die

Tiroler Aufständler die Transsexuellen, Schwulen und Lesben, die vor genau 40 Jahren in New Yorks Christopher Street im Bewusstsein der ihnen zustehenden Freiheiten endlich gegen die willkürlichen Einschränkungen durch die Polizei vorgegangen sind. Und zur selben Tradition gehört ein weiterer kleiner Held, jener bis heute unbekannte Student, der sich vor genau 20 Jahren 200 Jahre nach der

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Veröffentlichung der Menschenrechtserklärung - nicht im Kampf für Gott, Kaiser und Vaterland, sondern für die individuelle Freiheit - am Platz des Himmlischen Friedens, als die chinesische Regierung mit Soldaten gegen ihre BürgerInnen vorging, unbewaffnet vor eine Panzerkolonne stellte: mit nichts als einem Plastiksackerl in den ausgebreiteten Armen - und der Idee der Freiheit, die ich meine, im Kopf.


Gleiche Liebe - Ungleiches Recht Sexualität um 1809 Die Jahre um 1809 waren für Tirol eine Zeit des Umbruchs. Die von Maria Theresia und Joseph II. begonnenen Verwaltungsreformen und das veränderte Verhältnis zwischen Staat und Kirche hatten das Selbstverständnis vieler Tiroler bereits vor der Jahrhundertwende nachhaltig gestört. Die Bayern und Franzosen, die mit aufklärerischen Ideen ins Land gefallen waren, gaben ihnen dann den Rest und den Anlass, sich gegen die Moderne zu erheben. Dabei war nicht alles schlecht, was die „Fremmen“ an Neuerungen nach Tirol brachten - oder zumindest nicht für alle. Gerade für Menschen mit gleichgeschlechtlicher O r i e n t i e r u n g

bedeuteten jene Jahre eine Verbesserung. Über Jahrhunderte wurde nämlich das, was wir heute gleichgeschlechtliche Liebe nennen, im Heiligen Römischen Reich zusammen mit der Sodomie als Unkeuschheit gegen die Natur bezeichnet und mit dem Tode bestraft („Wenn ein Mensch mit einem Tier, ein Mann mit einem Mann, eine Frau mit einer Frau Unkeuschheit treiben, haben sie das Leben verwirkt, und man soll sie der allgemeinen Gewohnheit nach mit dem Feuer vom Leben zum Tod richten.“). Erst die generelle Abschaffung der Todesstrafe durch Maria Theresia und Joseph II. beendete diese Praxis. Gleichgeschlechtlicher Verkehr blieb aber ein Verbrechen und wurde hart bestraft. So sah das 1803 in Kraft getretene

österreichische Strafgesetzbuch vor, dass „Unzucht wider die Natur“ mit Kerkerhaft von sechs Monaten bis zu einem Jahr geahndet wurde. Das französische Strafgesetzbuch von 1810, das insgesamt als sehr repressiv galt, enthielt hingegen keine Bestimmungen gegen gleichgeschlechtliche Handlungen. Bestraft wurden natürlich wie überall Verbrechen wie die Verführung Minderjähriger, Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung. Dabei wurde aber kein Unterschied gemacht, ob es sich um gleich- oder verschiedengeschlechtliche Tatumstände handelte. Dieser Code pénal impérial fand bereits 1810 in seiner italienischen Übersetzung auch im napoleonischen Königreich Italien Anwendung. Eine ähnliche Entwicklung gab es im Königreich Bayern, wo das an den Ideen der Aufklärung und

den französischen Gesetzen orientierte Strafgesetzbuch von 1813 ebenfalls keinen Straftatbestand für gleichgeschlechtliche Handlungen mehr vorsah. In jenen Teilen Tirols, die im Zuge der napoleonischen Kriege an Bayern bzw. das Königreich Italien und in den Geltungsbereich ihrer neuen Strafgesetze fielen, herrschte also eine gewisse Freiheit und wurde gleichgeschlechtliche Sexualität zwischen Erwachsenen nicht mehr bestraft. Erst als Tirol 1815, nach dem Wiener Kongress, wieder an Österreich angegliedert wurde, kehrte man in finstere Zeiten zurück. Eine Strafrechtsreform im Jahr 1852 verschärfte die Strafen sogar auf Kerkerhaft von einem bis fünf Jahren. Die „Feinde“ von 1809 blieben hingegen bei ihren aufgeklärten Gesetzen. In Bayern wurde gleichgeschlechtliche Liebe erst wieder ab 1872, nach der Gründung des Deutschen Reiches, verfolgt. Das neue Reichsstrafgesetzbuch stellte sie, nach dem Muster der preußischen Gesetze, im berüchtigten § 175 als „widernatürliche Unzucht unter Männern“ unter Strafe. In den meisten italienischen Staaten war sie weiterhin straflos, außer in den noch Österreich unterworfenen Gebieten wie dem Königreich LombardeiVenetien, und im Kirchenstaat. Bei der Ausarbeitung des neuen Strafgesetzbuches für das geeinte Königreich Italien stand man dann genauso wie im Deutschen Reich - vor der Wahl zwischen Straffreiheit und Strafbarkeit für gleichgeschlechtliche Handlungen. Italien blieb, im Gegensatz zu Deutschland, dem liberalen französischen Prinzip treu. Dies galt sogar für das faschistische Strafgesetzbuch von 1930. Aber das ist eine andere Geschichte.... Das Recht des Mittelalters war geprägt vom Partikularismus: Kirchenrecht und weltliches Recht, Land- und Stadtrechte sowie das Reichsrecht bestanden nebeneinander. Die Widersprüchlichkeit und Unübersichtlichkeit dieses Systems führte dazu, dass die Höhe der Strafen von der Willkür der Gerichte abhing. Die Constitutio Criminalis Carolina, welche unter Kaiser Karl V im Jahre 1530 beschlossen wurde, war ein Versuch der Vereinheitlichung, die allerdings erst durch die modernen Codices aus der Zeit von Napoleon gelingen sollte. Das Bild zeigt einen Ausschnitt aus der Constitutio Criminalis Carolina mit Artikeln über Sexualstraftaten

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Helden in Strumpfhosen

Ein Ander vom anderen Ufer

Queering up 2009

Heldensuche im „Bedenkjahr“

Wie kann die LGBTQ-Community Südtirols das Gedenkjahr (bevor wir alle „stuff“ davon sind) für sich zum Thema machen bzw. was kann ihr Beitrag sein? Freilich, wenn Andreas Hofer als Kämpfer für Freiheit und Selbstbestimmung im weitesten Sinn gesehen wird, kann ihm wohl so ziemlich jede/r etwas abgewinnen, bzw. ihn auf seine/ihre Fahne setzen. In diesem Sinn würde sich der Hofer wohl auch (oder besonders?) auf der Regenbogenfahne schneidig ausnehmen. Doch versuchen wir, entgegen den Tendenzen des heurigen Jahres, den Andreas Hofer - Gott hab ihn selig - nicht auch krampfhaft für uns zu verwenden. Zumal wir ja wissen, dass liberales Gedankengut eindeutig nicht zu den Vorlieben des frommen Mannes zählte. So gingen seine Sittenvorschriften selbst den damaligen Innsbrucker Stadtlern zu weit. Und der (und die?) Homosexuelle als Person war, zumindest in der Tradition foucaultscher Interpretation, damals ja noch gar nicht geboren. Wenn den Schützen und Vaterlandsverteidiger anno dazumal die strammen Wadeln in den Stutzen seiner männlichen Mitstreiter mehr interessierten als die Reize der Marketenderinnen und es dazu gekommen sein sollte, dass gleichgeschlechtliche Anziehung auch in gleichgeschlechtlichem Sex ihren Ausdruck fand, so galt das damals – zumindest offiziell – nicht als Ausdruck einer anderen sexuellen Orientierung und Persönlichkeit, sondern als sündiger Akt, zu dem man sich nicht hinreißen lassen durfte. Lassen wir also den Andreas Hofer und seine Zeit und wenden wir uns dem Mythos des Helden zu, für den Hofer – vom aufkommenden Nationalismus des 19. Jahrhunderts herauf bis heute – immer wieder herangezogen und instrumentalisiert wird. Der Mythos des Helden lebt weniger von historischen Tatsachen als vielmehr von Vorstellungen, die einen ideologischen Anspruch auf Geltung erheben. Diese beruhen auf

einer dualistischen Weltanschauung, die Wirklichkeit dadurch beherrschbar macht, indem sie sie schön schwarzweiß gehalten darstellt, ohne Grauund oder andere Zwischentöne. Hier der tapfere Held, der selbstlos für die gute Sache kämpft, dort die Verräter, Feiglinge und Schurken, die nicht oder nur bedingt und schon gar nicht selbstlos der guten Sache dienen, also alles Gegenteilige des Helden verkörpern. Der Held besitzt Eigenschaften, die ihn von den anderen abheben. Er ist mutig und willensstark, ein Vorbild und natürlich – diesbezüglich hebt er sich NICHT von den anderen ab - heterosexuell. Die Abwesenheit nicht (ausschließlich) heterosexueller Helden (von jüngsten Darstellungen einmal abgesehen, die – welch Zufall! – das klassische Bild des Helden meist nur sehr bedingt bedienen) führt uns zu einem ganz zentralen gesellschaftlichen Mythos, nämlich jenem der Heteronormativität. Der ausschließlich heterosexuellen Konzipierung von Mann und Frau liegt, wie vielen anderen ideologisierenden Mythen, auch eine rein dualistische Sicht der Wirklichkeit zugrunde, die – tertium non datur – nur ein „entweder - oder“ zulässt. Heteronormativität stellt also eine repressive Gesellschafts-, Denk- und Zeichenordnung dar, die auf den Binarismen des Geschlechts und der Sexualität beruht und Phänomene, die que(e)r zur heteronormativen Ordnung liegen, missachtet und verdrängt. Das Anliegen queerer Diskurse liegt darin, Heteronormativität als beherrschende und unterdrückende Ideologie zu dekonstruieren. Haben wir das 2009 noch nötig? Andreas Kraß zeigt - in Anlehnung an Roland Barthes’ berühmte Studie „Mythen des Alltags“ – ideologische Strategien auf, die dazu dienen, den Mythos der Heteronormativität aufrecht zu erhalten. Zum Beispiel nennt er die Toleranzgeste gegenüber Lesben und Schwulen, die die Grenzziehung zwischen duldender Mehrheit und geduldeter Minderheit aufrechterhält 8

und damit, in der liberalen Pose der Anerkennung, die Differenz gegenüber jenen bekräftigt, denen Anerkennung gewährt wird. Eine weitere Strategie liegt in der Stereotypisierung jener, die sich der Heteronormativität entziehen. Diese erfolgt einerseits durch Assimilation an jene Klischees, die auf heteronormativen Grundlagen entworfen werden. So werden Lesben und Schwule gern nach dem Modell der Inversion als männliche Seele im weiblichen Körper bzw. als weibliche Seele im männlichen Körper imaginiert. Andererseits erfolgt die Stereotypisierung auch durch Formen der Exotisierung, welche auf die folkloristische, verniedlichende oder überzogene Verfremdung des Anderen hinauslaufen, z. B. durch die Darstellung von Schwulen anhand der Bilder des wohlhabenden Yuppies oder des schrillen Paradiesvogels, hinter denen die differenzierte Realität und das politische Anliegen der Emanzipation verschwinden. Wir begegnen in unserem Alltag also mehr oder weniger versteckten ideologischen Strategien, die dazu dienen, Mythen aufrechtzuerhalten, jenen der Heteronormativität zum Beispiel, aber auch viele andere. Vielleicht besteht der beste Beitrag der LGBTQ-Community zum Gedenkjahr darin, durch queere Diskurse und Praktiken, solche Strategien zu entlarven und repressive gesellschaftliche Mythen zu dekonstruieren. Eine differenziertere Sicht auf die gesellschaftliche Realität, die nicht nur ein „entweder - oder“ zulässt, sondern Diversität anerkennt und fördert, tut auch der Auseinandersetzung mit unseren Helden gut. Und führt vielleicht dazu, dass wir sie zunehmend weniger (miss-)brauchen. In diesem Sinne: ManderInnen, es isch Zeit: QUEER UP!

> Urban Nothdurfter

Die Linie zwischen den Begriffen „Märtyrer“ und „Held“ ist oftmals dünn. Lesbische und schwule Märtyrer gibt es – leider – immer wieder. Auch heute noch, im so genannten „Gedenkjahr“ 2009, werden Lesben und Schwule aufgrund ihrer Identität immer wieder Opfer von Spott, Gewalt und sogar Mord. In vielen Ländern werden homosexuell liebende Menschen noch heute systematisch verfolgt - im Iran wurden beispielsweise seit 1979 laut Angabe von Menschenrechtsorganisationen mehr als 4000 Schwule offiziell hingerichtet, und in Nigeria beschloss das Parlament vor kurzem, homosexuell liebende Menschen fortan als Straftäter zu verfolgen – kein besonders erfreulicher Anlass, der wieder einmal daran erinnert, dass das „Gedenkjahr“ aus homosexueller Sicht leider in vielerlei Hinsicht eher ein weiteres „Bedenkjahr“ ist. Doch nicht nur in mohammedanisch geprägten Ländern ist die Bilanz dieses Jahres erschreckend: Litauen, Mitglied der Europäischen Union, hat beispielsweise im Juni 2009 ein Gesetz beschlossen, das künftig „positive“ Berichterstattung über Homosexualität illegalisiert, und einige europäische Länder wie Österreich und Italien sind von einer rechtlichen Gleichstellung homosexuell liebender Menschen noch immer meilenweit entfernt. Besonders allarmierend sind die Statistiken über homophobe Übergriffe. In Italien wurden 2009 gewalttätige homophobe Verbrechen beinahe zur Routine - dass all dies keinen Aufschrei der Zivilgesellschaft bewirkt und allzu oft unter einem Mantel des Schweigens versteckt wird, stimmt besonders bedenklich. Die meisten Tiroler Medien ignorieren auch im „Gedenkjahr“ 2009 weiterhin alles, was auch nur irgendwie schwul oder lesbisch sein könnte. Homophobe Übergriffe werden totgeschwiegen oder verzerrt dargestellt, über lesBiSchwule Ereignisse wird nicht berichtet. Was ist denn schon das 40jährige Jubiläum der Stonewall-Krawalle im Vergleich zum 200jährigen der Aufstände von 1809? Wen interessieren schon die

120.000 TeilnehmerInnen der Wiener Regenbogenparade im Vergleich zu den 26.000 beim Innsbrucker GedenkjahrFestumzug? Was bedeuten denn schon die Kämpfe und das Leiden homosexuell liebender Menschen im Vergleich zum „Heldentod“ Andreas Hofers vor 199 Jahren? Hätte allein der Begriff „Held“ noch vor einigen Jahren bei einem Großteil der Bevölkerung Kopfschütteln oder Bauchweh ausgelöst, scheint er nun so selbstverständlich wie „Griaßgott“, „Pfiati“ oder „Schüttelbrot“. Natürlich gibt es 2009 neben banaler Heldenbeweihräucherung auch kritische Initiativen und viel kreatives Hinterfragen. Die Landesausstellung „Labyrinth: Freiheit“, die auf vielfältige Weise Tirol als weltoffenes modernes Land zu zeigen versucht, widmet dem Thema „Gesellschaft“ einen ganzen Bereich. Dass auch homosexuell liebende Menschen einen beachtlichen Teil dieser Gesellschaft ausmachen, bleibt hier jedoch unsichtbar – für Lesben und Schwule führt anscheinend auch im 21. Jahrhundert kein Weg durch das Labyrinth Freiheit. Immer wieder werden homosexuell liebende Menschen vergessen, ignoriert, verzerrt, in ihre Rolle als anonyme Märtyrer und gesichtslose Opfer gezwängt – doch es gibt auch schwule und lesbische HeldInnen. Laut der Brockhaus-Enzyklopädie in vierundzwanzig Bänden (1997) ist ein Held „jemand, der sich mit Unerschrockenheit und Mut einer schweren Aufgabe stellt oder eine ungewöhnliche, bewundernswerte Tat vollbringt.“ Dass das Leben als Lesbe oder Schwuler in einer häufig feindlich gesonnenen Umgebung oftmals viel Heldenmut verlangt, ist eine traurige Tatsache. Besonders jugendliche Lesben und Schwule blicken oft verzweifelt um sich und halten nach anderen Ausschau, die Vorbild sein könnten. Im eigenen Umfeld oder in den Medien bleiben jedoch, ausgenommen einige wenige schrille Paradiesvögel, nicht viele übrig – doch besonders für Minderheiten ist es wichtig, auf Vorkämpfer blicken zu 9

können, auf mutige Pioniere, die zu ihrer eigenen Identität stehen – um es mit einem Wort zu sagen: auf Helden. Diese „Helden vom anderen Ufer“ haben sich, nicht nur im „Gedenkjahr“ 2009, ein Denkmal verdient. Wir haben uns also auf die Suche gemacht und uns in Szenelokalen und bei den Usern des Internetforums Gayromeo umgehört: Wer sind eure HeldInnen? Und warum? Zwischen vielen bekannten Namen fielen immer wieder die von einfachen Menschen, die oft nur durch winzige Signale Hoffnung gaben – sei es der offen schwule Kellner der Bar nebenan oder das namenlose schwule Pärchen, das Hände haltend über den Obstmarkt ging. Auch Namen von Politikern wurden immer wieder genannt, sei es der schwule Bürgermeister aus dem Unterland, der Gemeinderat aus dem Burggrafenamt oder manch anderer großer Name aus der SVP. Doch da, außer wenigen Ausnahmen, diese Persönlichkeiten in der Öffentlichkeit meist alles andere als offen zu ihrer Identität stehen und sogar homophobe Aussagen wie etwa die einer Helga Thaler Ausserhofer unkommentiert im Raum stehen lassen, verdienen sie sich sicherlich keine Verdienstmedaillen und erst recht nicht die Bezeichnung „Held“. Das Motto des „Gedenkjahres“ 2009 ist „Vergangenheit trifft Zukunft“ – damit in dieser Zukunft auch homosexuell liebende Menschen einen Platz haben, braucht es Heldenmut und Aufrichtigkeit. Die vielen Antworten, die wir auf unsere folgende kleine Umfrage bekommen haben, geben uns die Hoffnung, dass es mehr lesbische und schwule HeldInnen gibt, als man gemeinhin annimmt.


Il mio eroe è Marco Panella, leader storico del Partito Radicale, che da decenni combatte per i diritti LGBT. Lui stesso in Parlamento si definì “bisessuale”.

Für mich ist Zapatero, der spanische Ministerpräsident, ein Held! Er ist zwar selbst nicht schwul, aber er hat sich, trotz der Widerstände und Aggressionen von Seiten der katholischen Kirche und der politischen Opposition, für die Gleichberechtigung eingesetzt und die Ehe für Lesben und Schwule geöffnet. Sein Mut und sein Gerechtigkeitssinn verdienen ein Denkmal! Der deutsche Regisseur und Filmemacher Rosa von Praunheim ist einer meiner großen Helden. 1970 hat er mit seinem Dokumentarfilm „Nicht der Schwule ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ die Inspiration zur Gründung vieler Schwulen- und Lesbenorganisationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gegeben. Seine Filme treffen immer wieder den Kern der Sache!

I miei eroi sono tutti quei gay e quelle lesbiche che si svelano pubblicamente e che tengono un comportamento dignitoso... facendo capire al mondo che essere diversi non significa essere delle donnette rasate e magre che a 60 anni indossano una canotta attillata con i lustrini ...cosa rara visto che sui media compaiono esclusivamente gay e lesbiche che ridicolizzano, a parer mio, tutta la categoria.... ripeto a parer mio...

Guido Westerwelle hat meiner Meinung nach mehr für die Lesbenund Schwulenbewegung getan als viele andere. Er hat Deutschland und der Welt gezeigt, dass Schwule nicht immer glitzern, sondern auch seriös auftreten können. Er ist für mich ein Held.

Matthew Mitcham hat bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking die Goldmedaille im Turmspringen gewonnen. Nur deshalb ist er für mich noch kein Held – die Art und Weise, wie er in der meist homophoben Welt des Profisports offen zu seiner Homosexualität steht, machen ihn jedoch für mich zu einem Helden. Mitterweile gibt es in Australien sogar schon eine Briefmarke mit dem Gesicht dieses mutige n jungen Sportlers.

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Vladimir Luxuria è la mia eroina! Per tre anni é stata la prima deputata transgender in un parlamento europeo, ma anche prima e dopo si è molto impegnata non solo per i diritti dei LGBT, ma per esempio anche per malati di leucemia, e dopo aver vinto in “L‘ Isola dei famosi” ha persino dichiarato di donare il 50% del premio alla UNICEF.

Harvey Milk ist für mich ein Held, da er der erste war, der sich in der Politik mutig für lesbische und schwule Belange eingesetzt hat. Er hat als Schwuler selbstbewusst und offen gelebt und immer an mehr gedacht als nur sich selbst. Milk wurde von einem homophoben Politiker durch fünf Schüsse in den Kopf ermordet. Er ist nicht nur ein Held und Vorbild, sondern auch ein Symbol für den Kampf um unsere Rechte. In diesem Jahr hat er von Präsident Obama posthum die „Presidential Medal of Freedom“ verliehen bekommen, und kürzlich wurde der 22. Mai vom kalifornischem Gouverneur zum „Harvey Milk Day“ erklärt.

Meine HeldInnen sind: Amanda Lepore, die wahrscheinlich bekannteste Transe Amerikas. Sie ist sehr populär und wird in vielen Kreisen als DIE Stilikone gehandhabt. Meine zweite Heldin ist Janina Star, eine „schwule“ Djane, die die Clubs in Italien aufmischt, begeistert, animiert, und aus jedem kleinen Lokal eine richtig tolle Partylocation macht. Für mich sind diese beiden Personen echte HeldInnen, da sie trotz des Unverständnisses anderer ihr Leben leben und, trotz vieler Feinde, keine Angst vor dem Rampenlicht haben.

Helden leben in Heldensagen, im realen Leben haben sie für mich nichts zu suchen, zu oft wurde mit diesem Begriff mörderischer Missbrauch getrieben. Schwule Zeitgenossen, die sich vorbildlich und beispielhaft verhalten, gibt es hingegen schon. Z.B. den englischen Pianisten Stephen Hough. Er ist Weltklassemusiker und zudem ein universell gebildeter Querkopf, der sich in seinem Blog täglich zu einem Thema, sei es aus seinem Metier oder zu alltäglichen, scheinbar banalen Fragen äußert und diese mit seinen Lesern diskutiert. Sein Schwulsein kommt dabei gelegentlich zu Wort, ist aber nicht das wesentliche Thema, sondern eine Selbstverständlichkeit am Rande. Sorgen wir dafür, dass es das auch in Südtirol so wird.

Der Regisseur Roland Emmerich steckt hinter so erfolgreichen Filmen wie „Stargate“, „Independence Day“ und „The Day After Tomorrow“. Er ist für mich nicht ein Held, weil er es als offen schwuler Mann an die Spitze Hollywoods geschafft hat, sonder da er immer wieder mutig seine Stimme erhebt, wenn es um die Rechte von Schwulen und Lesben geht. Außerdem unterstützt er großzügig LGBT Filmprojekte wie das „Legacy Project“, in dem es um den Erhalt und die Förderung des lesBiSchwulen Filmes geht.

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Lo struzzo di Montecitorio Strategie per negare diritti La bocciatura della legge che prevedeva di considerare la violenza per motivi di discriminazione basata sul sesso come aggravante ha scatenato molte reazioni a livello politico; in particolare, le polemiche hanno investito un membro del PD, l‘onorevole Paola Binetti, che ha deciso di votare contro il suo partito e a favore della maggioranza. Della questione si sono occupati i principali media nazionali, e perciò non vogliamo riprendere qui una discussione che sarà già nota a gran parte dei lettori. Piuttosto, vorremmo cercare di capire quali siano le motivazioni che hanno spinto la maggioranza dei parlamentari ad affossare una legge che solo poche settimane prima sembrava godere di un‘approvazione bipartisan.

Sarebbe troppo lungo ripercorrere qui le molte tappe che in due millenni hanno portato la chiesa all‘attuale atteggiamento ostile verso le persone di orientamento non eterosessuale. Prendiamo atto dunque di queste posizioni, e cerchiamo piuttosto di capire quali siano le strategie delle gerarchie cattoliche per evitare qualsiasi forma di tutela verso gli omosessuali. In questo momento, la chiesa vive un momento di grande difficoltà nel mondo civilizzato: ateismo, laicità, allontanamento di una grande parte della popolazione dalla chiesa, crisi della vocazioni, materialismo, consumismo sono tutti fenomeni che stanno provocando uno scollamento tra la vita dei fedeli e gli insegnamenti della chiesa. Spesso si ha la sensazione che il mondo cattolico viva la diffusione di queste nuove tendenze come un assedio.

Devo confessare che mi stupisco ogni volta, quando vedo che ogni timido tentativo di garantire alcuni diritti alle persone omosessuali (per non parlare della situazione di altre minoranze come i transessuali o altri) viene ostacolato non tanto dai deputati di destra, quanto da quel gruppo di parlamentari di centro che fa esplicito riferimento agli insegnamenti della chiesa cattolica, e che si ritrova sparso tra Udc, Pd e Pdl. In effetti, è fuori di dubbio che la chiesa si trova in difficoltà ogni volta che si discute di omosessualità, e più in generale di sessualità.

Le gerarchie cattoliche sembrano dunque arroccate nel tentativo di salvare il loro fortino dell‘ortodossia. Mentre in Europa un numero sempre maggiore di stati si apre alle istanze della società civile, l‘Italia finora è rimasta l‘ultima ‚isola felice‘, in cui la chiesa riesce ancora a condizionare il voto politico quando lo ritiene necessario. Lo spauracchio non è più costituito dal solo Zapatero, perché ormai si assiste a leggi in favore di orientamenti sessuali diversi anche in alcune nazioni fortemente legate alla morale tradizionale, tra cui per esempio l‘Albania e la Slovenia. Come se non

bastasse, ora anche l‘America Latina si sta risvegliando. Anche il caso della bocciatura di Buttiglione a commissario europeo, che ha rafforzato l‘immagine negativa dell‘Italia in Europa, nasce dalla sensazione dei cattolici di essere circondati da forze ostili. Gli alti prelati italiani si trovano dunque di fronte a queste minacce nei confronti del loro credo. Ma essi sanno anche che non sempre le nuove tendenze diventano ideali stabili. Il rifiuto della tortura e dello schiavismo, per esempio, sono idee che si sono diffuse negli ultimi secoli, e ora fanno parte del patrimonio genetico di ogni cittadino europeo. Altri ideali, come alcuni di quelli propagati dal ´68, hanno avuto invece vita più breve e sono stati seguiti talvolta da una reazione opposta. Perquanto riguarda i diritti degli omosessuali, dunque, le gerarchie ecclesiastiche sembrano sperare in un rapido declino di questa nuova sensibilità n e l l a società

civile, e perciò hanno deciso di opporsi a qualsiasi apertura nei loro confronti. In questa loro scelta, bisogna dirlo chiaramente, non sono comunque seguiti da tutto il mondo cattolico. Sono molti infatti i semplici preti, i laici legati alle associazioni cattoliche e anche i vescovi che hanno una visione diversa e più conciliante del mondo omosessuale, e che vengono tollerati dalle gerarchie finché si limitano ad operare in circoli ristretti. La bocciatura della legge sull‘omofobia va letta dunque all‘interno della strategia di negare ogni riconoscimento alle persone che amano persone dello stesso sesso. Considerando l‘omosessuale come un singolo peccatore, e rifiutando di vederlo come membro di un gruppo più ampio di persone caratterizzato da determinate necessità comuni, è molto facile per la chiesa sottrarsi a qualsiasi tentativo di dialogo: ai suoi occhi, infatti, non esiste

nessuno con cui parlare, ad eccezione della pecorella da riportare sulla retta via. E‘ lo stesso principio

che persegue il governo quando nelle trattative con i lavoratori tenta di isolare il sindacato maggioritario, negandogli il riconoscimento ufficiale. Ovviamente, gran parte dei vescovi e dei deputati cattolici sa benissimo che l‘omosessualità non è una malattia, e che la pedofilia e altre perversioni nulla hanno a che vedere con due persone che non fanno altro che amarsi. Però è necessario comunque affermare queste infamanti sciocchezze, perché all‘interno della chiesa si teme che ogni apertura - per quanto timida - non potrà più essere annullata. Invece che votare una legge che eviti nuove violenze - cosa che dovrebbe essere ispirata, se non dagli insegnamenti stessi della chiesa, almeno da un senso di umana compassione - si preferisce dunque chiudere gli occhi e fingere ancora una volta che il mondo omosessuale non esista in quanto tale, e che sia soltanto una variabile impazzita della pulsione eterosessuale. Non sarà sfuggito all‘osservatore attento che in Italia la politica dello struzzo è molto diffusa e non è limitata agli omosessuali. Così per gli stranieri è stata votata una legge che mette in clandestinità un numero impressionante di immigrati; questi ultimi continuano a vivere in Italia, ma ufficialmente non esistono, né godono di alcun diritto. Oggigiorno anche la crisi economica è diventata quasi un‘invenzione dei giornali e dei partiti d‘opposizione. La bocciatura della norma che prevedeva l‘omofobia come aggravante va posta

Io mi astengo

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dunque in questo contesto: chiudendo gli occhi di fronte al problema si finge che l‘omosessualità non esista, o si pretende che sia vissuta soltanto in clandestinità. Dal canto loro, i politici ‚cattolici‘ si mostrano semplicemente coerenti con questa strategia. Gli altri deputati del centrodestra, invece, si sono piegati probabilmente alla realpolitik: per ricucire almeno in parte lo strappo che si è avuto tra il governo e la chiesa, hanno deciso di votare un provvedimento fortemente voluto da quest‘ultima. Tra l‘altro, si tratta di un‘azione che non costa nulla, perché non richiede dei fondi aggiuntivi (a differenza dei finanziamenti alle scuole cattoliche) né uno scontro con i giudici (come invece nel caso Englaro). L‘unica a rimetterci, ancora una volta, è la società civile, che rischia di venire travolta sempre di più da rigurgiti di violenza che speravamo ormai sepolti. Va ricordato, infine, come abbiano votato i parlamentari altoatesini: Holzmann e Biancofiore hanno votato per l‘affossamento della legge, mentre Bressa e Gnecchi erano contrari alla bocciatura. I due parlamentari SVP Brugger e Zeller, invece, hanno cercato ancora una volta di non esporsi per non scontentare nessuno e si sono quindi astenuti. Ai nostri occhi, hanno perso un‘occasione per mostrare la loro sensibilità verso i rischi che corrono oggi gli omosessuali. D‘altronde, anche in casa SVP si domina ormai molto bene l‘arte dello struzzo.


“Il leone da pulcino” Warum Rita Rasom für mich eine Heldin ist. Rita Rasom wurde in Bozen geboren, wo sie auch seit etwas mehr als 30 Jahren lebt. Von Beruf ist sie Frisörin, hobbymäßig Schriftstellerin, Malerin und Musikerin. Im Jahr 2001 erschien ihr erstes Buch „Da donna a donna. Amori e passioni di una donna che parla di donne“, herausgegeben von Stefania Gander. Da mich individuelle Geschichten von Menschen sehr interessieren, bin ich auf die Spur dieser Frauenheldin aus Bozen gestoßen. Ich wusste, dass sie ein Buch geschrieben hat, welches unter ihrem Namen veröffentlicht wurde und auf dessen Rückseite ihr Foto zu sehen ist. Das

machte mich neugierig und ich wollte sie interviewen. Sie hat „sì“ gesagt, was mich sehr freute. Über das Buch erzählte sie: “Il libro è nato da solo. Ho sempre amato scrivere ed ero convinta che prima o poi ne sarebbe uscito un libro. Ero al bar e ho chiesto un blocchetto della Forst e scrivevo quello che avevo dentro. Uscivano storie, pensieri, ma soprattutto emozioni allo stato puro. Da questi foglietti è nato il libro.“ Auf den 80 Seiten finden sich Tagebuchauszüge, Erzählungen, Briefe, Geschichten, die einem schäumend tosenden Wasserfall gleich Gefühle in ihrer totalen Reinheit beschreiben und den LeserInnen vor die Füße werfen. Es ist kein einfaches Buch, sondern voll von plastischen

Bildern und vielen Schichten. Im zweiten Moment verstecken sich hinter den Tragödien klare und harte Wahrheiten und der Mut, Situationen so darzustellen, wie sie sind. Auf alle Fälle ist es ein mitreißendes Buch. Die Herausgeberin Stefania Gander schreibt: “Rita ci racconta di un mondo, quello fatto di donne che amano donne, che purtroppo continua ad essere visto da molti come un mondo oscuro, fatto di torbide situazioni. Rita ha il grosso merito di far rientrare queste storie nel mondo di tutti: i suoi sentimenti, le sue passioni, le sue aspirazioni sono quelli che tantissime ragazze della sua etá provano e proveranno, indipendentemente

Etwas sehr Wichtiges, das Rita immer Kraft gab, war, dass sie an sich selbst glaubte und voll davon überzeugt war, dass sie ok ist, so wie sie ist. Auf die Frage, wie sie vor 10 Jahren zu anderen „gleichen“ Frauen fand, meinte sie: „All’inizio mi sentivo l’unica al mondo. Frequentavo il bar Holler e successivamente andavo al Centaurus. Dovevo andare a sentito, lasciare che mi porta il destino sulle vie giuste. Con il mio modo di vestirmi ho proclamato: a me piacciono le donne. Mi sono truccata ed ero la prima che ha indossato la cravatta con il personaggio Pippo di Walt Disney.“

dall’orientamento del loro amore.“ Das Buch war damals ein Renner und wurde in Mailand, Bologna, Turin und natürlich auch in Bozen mit großem Erfolg vorgestellt. Innerhalb von zwei Monaten, wurden bereits 700 Exemplare verkauft. Die Reaktionen waren äußerst positiv. Junge Frauen bedankten sich bei der Autorin dafür, dass sie stellvertretend für viele andere Frauen der Frauenliebe Gehör und Sichtbarkeit verschaffte. Rita Rasom war immer schon als Frau bekannt, die sich zu Frauen hingezogen fühlte. In ihrer Familie gab es, wie auch sonst sehr häufig, eine Auseinandersetzung, die über mehrere Jahre lief, bis sie endlich so akzeptiert wurde, wie sie ist. Mittlerweile ist ihre Liebe zu Frauen zur „Normalität“ geworden und ihre Mutter unterstützt sie mit gut gemeinten Ratschlägen. Letztendlich siegte in ihrem Fall die Liebe der Mutter zum eigenen Kind und die Gewohnheit sich immer wiederholender Geschehnisse. Das offizielle Coming Out führte bei ihren Eltern nochmals zu großer Angst über mögliche Auswirkungen. „Mia madre non poteva sopportare di vedermi sempre soffrire per le mie storie d’amore. Quindi non era contraria al mio orientamento sessuale, ma alla sofferenza che queste relazioni mi procuravano e temeva forse piú di tutto che le persone potessero ferirmi o insultarmi con scherno. Naturalmente anche la mia professione che ha a che fare prevalentemente con donne era per lei motivo di preoccupazioni. Mia madre è una donna straordinaria!“

Rita lebte ihre erste Beziehung sehr offen, um zu beweisen, dass Frauenbeziehungen gleichwertig sind und dieselbe Existenzberechtigung haben wie Heterobeziehungen. Ihr ging es auch darum zu zeigen, dass die Gefühle in allen Beziehungen dieselben sind. Ihr Kampf war vor allem ein sozialpolitischer: „Ero determinata a far conoscere a Bolzano questa realtà sentimentale. Era importante per me far arrivare le emozioni contrastanti del vivere in coppia con una donna. Qualcuno doveva uscire allo scoperto per tutte le donne che non potevano farlo e che ancora oggi non possono o non vogliono. In fondo viviamo come tutti, lavorando, studiando, pagando le tasse, andando in ferie e contribuendo all’economia mondiale. Come tutti gli altri. Tanta genialità è arrivata anche da persone omosessuali attraverso varie forme d’arte che spaziano dalla musica alla letteratura e anche in campo scientifico. È importante, esserci. “

Die negativen Auswirkungen blieben aber aus. Im Gegenteil, Personen, mit denen sie zu tun hatte, achteten sie für ihren Mut, sich öffentlich zu zeigen oder waren neugierig. Viele interessierten sich auch nach ihrem Coming Out nicht für ihr Sexualleben.

Sie sagte mir auch, dass es ihr sehr gut ging nach der Veröffentlichung des Buches, dass sie glücklich war, einen Wunsch realisiert zu haben. Das eigene Heraustreten in die Öffentlichkeit haben ihr Kraft und einen Grund gegeben, stolz auf sich

zu sein. Das war der größte Gewinn, damals und heute wieder. Bis es 2001 dann zu einer Schlägerei kam. Rita und ihre Freundin wurden von mehreren jungen Männern zuerst aufs äußerste beschimpft und dann brutal zusammengeschlagen, weil sie sich küssten und Hand in Hand gingen. Brutale nackte Gewalt. Es waren keine Naziskins oder irgendwelche Randgruppen oder Ausländer. Und es war nicht in New York oder London oder Rom. Es geschah in der Dantestrasse in Bozen. Es waren junge deutschsprachige Männer zwischen 20 und 30 Jahren. Sie konnten fliehen, bevor die Polizei kam. Rita und ihre Freundin erstatteten am nächsten Tag Anzeige gegen Unbekannt. Sie gingen an die Öffentlichkeit, organisierten einen Sitzstreik. „Ci sono stati personaggi sia di destra e di sinistra che hanno partecipato calorosamente al „sit in“ e che ci sostenevano.“ So wurden die Themen Gewalt und Diskriminierung zur Sprache gebracht und regten die Auseinandersetzung mit dem “anders sein” an. Sie kämpften für Gleichberechtigung und Akzeptanz. Die Medien waren sehr interessiert, aber der Moment konnte nicht genutzt werden, um Rechte für Homosexuelle durchzusetzen. Im Gegenteil, der Vorfall wurde leider parteipolitisch missbraucht und den Opfern damit noch einmal Gewalt angetan. „Volevamo far vedere che ci sono anche queste situazioni a Bolzano che non dovrebbero mai accadere. Ed era il dopo che mancava. Non si è fatto niente e tutto è sparito nel nulla.“ Rita Rasom arbeitet in ihrem Frisörsalon „Gió e Clover“ unter den Bozner Lauben und ihre Themen haben sich geändert. Die wilde Entschlossenheit der jungen Jahre hat sich zu einer ruhigeren und ganzheitlicheren Denkweise gewandelt. Rita hat sich in den letzten

Jahren von den Ereignissen damals erholt und meint jetzt: „Ho una visione piú olistica della omosessualitá. Noi persone siamo molto piú del nostro corpo. Fino adesso l’unione fra uomo e donna aveva soprattutto uno scopo: riprodursi per assicurare l’evoluzione. Gli innamoramenti sono un fatto chimico. Inconsciamente le attrazioni fisiche eterosessuali sono determinate dalla reciproca ricerca del miglior gene per la prole. Le coppie omosessuali sembra che non abbiano una vera ragione, per la quale esistono. Secondo me gli omosessuali hanno l’ingrato compito di fare da ponte tra uno stadio evolutivo e quello che verrá, dove la scelta del proprio partner sará in un certo senso piú libero e direzionato verso il vero amore ed affetto.” Ich dachte, ich interviewe eine junge Boznerin, die es gewagt hat, sich öffentlich zu outen und wollte sie dazu befragen. In Wirklichkeit traf ich eine junge Frau, die das Schicksal völlig ungerecht getroffen und die viel Zivilcourage an den Tag gelegt hat. Sie setzte sich noch einmal der Öffentlichkeit aus, mit der Gefahr noch einmal verletzt zu werden. Seit diesem Vorfall im Jahr 2001 ist nie mehr von einem so brutalen Übergriff berichtet worden. Vielleicht ist das das Ergebnis dieser Zivilcourage. Rita Rasom ist für mich eine Heldin wegen ihres Mutes, den sie an den Tag legt. Sie ist für mich auch eine Heldin mit der anderen Seite der Medaille: Die Anstrengung des inneren Kampfes, etwas bewegen zu wollen für das sie uneingeschränkt einsteht und die Enttäuschung darüber, wenn der Kampf umsonst schien und am Ende so wenig übrig bleibt. Das Buch „Da donna a donna. Amori e passioni di una donna che parla di donne“ ist zum Preis von 9,30 € bei Rita Rasom erhältlich: Gió e Clover, Bozner Lauben 21. > Helene Roschatt

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H eldInnen w i e w i r Sechs Südtiroler Coming-Outs Während das offizielle Südtirol dieses Jahr die Helden von 1809 feiert, übersieht es leider, wieviel Mut Schwule und Lesben auch 2009 noch auf bringen (müssen), um ihr Leben zu meistern. Ohne Kanonen und Gewehre stehen sie manchmal vor einer Festung aus Ignoranz und Intoleranz und sprechen trotzdem die Worte aus, die sie heute noch die Liebe ihrer Familien, ihre FreundInnen oder den Job kosten können: „Ich bin schwul.“, „Ich bin lesbisch.“ Wir haben Lesben, Schwule und Bisexuelle aus ganz Südtirol gebeten, uns ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Coming-Out mitzuteilen. Einigen der Geschichten, die wir hier abdrucken, kann man entnehmen, dass ein solches Bekenntnis nicht immer Ablehnung und Ausgrenzung bewirkt, sondern zu einem besseren Verständnis und ehrlicheren Beziehungen in den Familien und im Freundeskreis führen kann. Eine besondere Rolle spielen jene PionierInnen, die sich als erste öffentlich trauten. Sie haben damit vielen Schwulen, Lesben und Bisexuellen geholfen, ihren Weg zu finden, und in der Folge die Südtiroler Gesellschaft ein bisschen offener gemacht. Statt Kriegern ein Denkmal zu setzen, wären wohl eher jene zu ehren, die den Mut haben, zu ihrer Identität zu stehen, und ihren FreundInnen, Vätern, Müttern, Brüdern und Schwestern, die darauf mit Respekt und Liebe reagieren.

Bereits mit zwölfeinhalb wusste ich, dass ich schwul bin. Mit 15 Jahren habe ich es meiner Mutter gesagt. Die Arme hatte die typische Reaktion zu glauben ich sei von einem größeren Jungen verführt worden. Klar, denn ihr liebes braves Kind würde ja allein nie auf so was Schmutziges kommen... Ihr zweiter Gedanke war, dass es sei, weil ich ohne Vater aufgewachsen war. Dies leuchtete mir schon eher ein. Eigentlich war das sogar das erste, was ich selbst gedacht hatte. Nach diesem ersten Gespräch sind meine Mutter und ich jahrelang nicht mehr auf das Thema zurückgekommen. Wir hätten gar nicht Zeit gehabt, denn ich hatte damals ganz andere Probleme: Ich war in der ersten Oberschulklasse sitzengeblieben und saß danach ein ganzes Jahr daheim. In dieser Zeit begann ich einen Psychologen zu besuchen. Dieser behauptete zu meiner Überraschung, dass schwul sein gar nicht schlecht und erst recht keine Krankheit, sondern eine normale Variante der Sexualität sei. Bei der Musterung sprach ich dann mit einem weiteren Psychologen, der ähnlicher Auffassung war. Da begann ich nachzudenken: Dann bin ich vielleicht doch nicht so unnormal? Mit 20 Jahren stieß ich dann in einem Jugendtreff ganz zufällig auf ein Flugblatt, auf dem ein seltsamer Name draufstand: Centaurus. War das etwa ein Verband von Motorradfahrern? Das erste Mal hingehen war nicht leicht. Die Scham war groß. Aber der Mut hat sich bezahlt gemacht. Durch den Verein bin ich aus meiner Isolation rausgekommen und mein seelischer Zustand hat sich sehr gebessert. Es vergingen die Jahre. Vorher die Berufsbildung, danach die Arbeit entfernten mich immer wieder von Centaurus. Mit 30 Jahren begann ich dann aktiv am Vereinsleben teilzunehmen. Durch die Interviews, die ich im Fernsehen gab, erfuhren es schließlich auch meine Verwandten und Arbeitskollegen. Die Reaktionen waren immer positiv. Man bewunderte meinen Mut, dass ich dazu stehe. Ich kann glücklicherweise keine einzige negative Rückmeldung bekunden. Meine Mutter ist immer ganz stolz darauf, mich im Fernsehen zu sehen. Vor einiger Zeit klopfte sie ganz euphorisch an meine Zimmertür und sagte: „Du, weißt du das schon? In Amerika will man die Homo-Ehe einführen!“ 16

Mein Schwesterherz war die erste, die daran glauben musste. Damals war ich noch mit Oliver zusammen. Es war ein Sonntag, als meine Eltern nicht zuhause waren. Meine Schwester hatte also die Gelegenheit, mich nach meinem Befinden zu befragen. Und das war zu dem Zeitpunkt mehr als nur gut: Ich war praktisch im siebten Himmel! „Ist Oliver dein Freund?“, fragte sie mich, während sie gleichzeitig im Tagblatt der Südtiroler blätterte. „Ich meine, mehr als ein guter Freund!?“, präzisierte sie. Ich zögerte nicht lange und bejahte. Daraufhin meine Schwester: „Bist du … wie sagt man denn gleich noch mal … schwul?“. Ich antwortete „Ja, Schwester!“ und versuchte, vor ihrem erschrockenen oder gar misstrauischen Blick zu fliehen. Plötzlich hörte ich nur noch, wie ein lautes Aufschreien und Heulen durch den Raum hallte und der Satz, dass es vielleicht doch besser gewesen wäre, wenn ich ein Mädchen geworden wäre. „Moment, Schwesterherz, wenn ein Mann einen Mann liebt oder jemand extrem darunter leidet, im falschen Körper geboren zu sein – das sind zwei komplett verschiedene Paar Schuhe! Ich glaub‘ ich muss dir da noch etwas erklären...“ Es dauerte kein Jahr, als meine Mutter entdeckte, wer ich wirklich war. Inzwischen hatte ich einen neuen Freund: Marco, ein sehr offener Mensch, was Zuneigung und Zärtlichkeit angeht. Und so kam es, dass wir eines Abends gemeinsam auf dem Bett meines Kinderzimmers saßen und fern sahen. Es muss wohl ein romantischer extraterrestrischer Moment in der Tv-Serie „Raumschiff Enterprise“ gewesen sein, der Marco veranlasst hatte, seine Hand auf meinen Oberschenkel zu legen. Genau in dem Moment platzte meine Mutter ins Zimmer. Es war wirklich eine Szene wie aus einer anderen Welt: Sie forderte uns auf zu ihr in die Küche zu kommen, um uns zur Rede zu stellen. Letztendlich musste ich aber mit ansehen, wie sie nur meinen Freund demontierte und ihm erklärte, dass ich ein gut erzogener Junge sei und dass er es unterlassen solle, mich derartig zu verführen. Mich in dem Moment auch nach meinen Gefühlen zu befragen, daran hatte sie nicht gedacht. Bei meinem Vater hatte ich auch zehn Jahre nach meinem Coming Out noch keine Gelegenheit, ihm ausführlich von meiner Gefühlswelt zu erzählen. Und auch mein Bruder weiß nur das was er sieht: dass ich glücklich mit meinem mittlerweile dritten Freund zusammenlebe und mir keinen Kopf mehr mache, wen ich liebe und was andere über mich denken.

Mit über 30 hatte ich bereits längere Beziehungen mit Frauen hinter mir, als ich meinen Eltern sagen wollte, dass ich jetzt eigentlich lieber Männer mag. Zum einen fand ich, mein Verhältnis zu ihnen sollte nicht unehrlich sein. Zum anderen wollte ich wohl auch sehen, was die Liebe meiner Eltern wert ist, die sich bisher ein Bild von mir gemacht haben, das in meinen Augen nur sehr unvollständig war. Zudem begannen mich ihre dauernden Fragen nach Enkelkindern wirklich zu nerven. Dass ich bei einem Unfall beinahe das Leben verloren hätte, hat mich zusätzlich über ein Coming out nachdenken lassen. Der Gedanke, dass, wenn ich wirklich gestorben wäre, meine engsten Angehörigen gar nie gewusst hätten, wer ich gewesen bin, war deprimierend. Als meine Mutter während eines gemütlichen Abendessens bei mir wieder mal wissen wollte, wann sie mit Enkeln von mir rechnen könne, habe ich ihr also gesagt, dass ich leider nie Kinder haben werde, weil mein nächster Partner keine Frau sondern ein Mann sein wird und es in Italien für Schwule nicht möglich sei, Kinder zu adoptieren. Ich habe mit jeder Reaktion gerechnet, vom hysterischen Tränenausbruch bis zur feindseligen Ablehnung, nur nicht damit, dass sie mir zuerst nicht glauben wollte, dann nur meinte, dass ich es nie meinem Vater sagen dürfe und schließlich, dass sie nie mehr über dieses Thema reden wolle. Das Ergebnis dieses Outings ist eine ziemlich absurde Situation: Jeder in der Familie weiß es - außer meinem Vater - und jeder weiß, dass dieser es nicht wissen darf, und meidet deshalb das Thema. Die Verlogenheit ist jetzt im Grunde sogar noch schlimmer als vorher. Und natürlich ist es traurig zu sehen, dass mir nahestehende Personen weniger mich lieben als das nette Bild, das sie sich von mir gemacht haben. Das einzig Positive an der ganzen Sache war, dass die Fragen nach dem Kinderkriegen aufgehört haben. 17


„Hattest Du jemals eine Freundin?“ „Nein.“„Wieso?“ Pause. Was sollte ich antworten? „Weil ich schwul bin“. So, das war’s, dachte ich, es ist raus. Was jetzt wohl passieren wird? Doch eigentlich ist nichts passiert - wir haben darüber geredet und Selma hat dicht gehalten. Für mich war dies der Beginn einer guten Freundschaft. Nach und nach habe ich auch andere Menschen eingeweiht, meine Schwester, dann meine Freunde. Auch hier waren die Reaktionen positiv. Warum ich das nicht früher gesagt habe, es hätten ja eh schon alle einen Verdacht gehabt. Ich hatte Angst. Angst vor ihrer Reaktion, Angst davor, was man vor mir halten würde, und überhaupt. Ich war 21. Gewohnt hatte ich bis dahin immer in Naturns. In der Oberschule fing ich an, mich für einen Mitschüler zu interessieren. Hm, das wird wohl wieder vorbeigehen. Doch dem war nicht so. Irgendwann habe ich mich dabei ertappt, wie ich mir selbst eingestand: Elmar, du bist schwul. Untergangsstimmung. Es war klar, dass das niemand erfahren durfte. Mit 22 dann eine unglückliche Liebe, die Situation war perfekt. Ein Jahr später eine Sommerromanze, sie gab mir Auftrieb. An das „Aha“ meiner Mutter erinnere ich mich noch, auf die Eröffnung, dass ich einen Freund hätte. Aha. Seit 2004 studiere ich in Innsbruck. Nirgends fiel es mir so leicht mich zu outen, wie an der Uni: Meinen Freund in einem Nebensatz erwähnen, und kein Trara. So soll es wohl auch sein. Am meisten Angst hatte ich davor, meinem Vater zu sagen, dass ich schwul bin, ein gutes Jahr hat es noch gedauert. Mein Vater hat erst gar nicht viel dazu gesagt. Ein Jahr vergeht: Meine Familie und mein Freund Patrik gehen gemeinsam Pizza essen. Als Patrik und ich Händchen halten, ist Vater natürlich höchst begeistert und ihm vergeht der Appetit. „Ihr schwulen Hundlinge“ – musste ich mir am nächsten Tag beim Mittagstisch anhören. Eine Auseinandersetzung und viel Zeit später hat sich mein Vater nicht wirklich damit abgefunden, dass er einen Sohn, zwei Töchter und in Zukunft drei Schwiegersöhne haben wird. Abgesehen davon sind meine Erfahrungen mit meinem öffentlichen Schwul-Sein durchwegs positiv. Leider sieht man aber in der Öffentlichkeit selten ein schwules Pärchen. So ist es nicht verwunderlich, dass Patrik und ich oft angestarrt werden, wenn wir händchenhaltend durch die Straßen spazieren. Meine Freunde machen sich mittlerweile schon einen Spaß daraus, einige Schritte hinter uns zu gehen und die Reaktionen der Leute zu beobachten, wenn diese von ihnen dabei ertappt werden, wie sie ein schwules Pärchen anstarren.

Al scumenciamënt de mi ani da studënta ei cunesciù mi prima cumpania. Ntlëuta stajovi te n cuatier cun doi autra studëntes. Mi cumpania y ie minan che messon l dì al‘autres, ajache ëila pò pona ji cun gheneda it y ora, y enghe durmì da me. Nëus on pensa-dò avisa cie y cò che til dasson dì y fan bën scialdi grames. Les on fates senté ju te cësadafuech y on scumencià a rujne a na maniera scialdi cumplicheda. La reazion de mi doi cumpanies de abitazion ie stata: „Iepa chësc dut? Pudonsa ji inant cun nosc lëures?“ ëiles ie levedes su y ie jites da si libri. Nëus son restedes zënza paroles, ajache ala fin iel stat scialdi plu scëmpl de chël che se assàn pensà. Tl giro di/dla cumpanies ne iel mei stat n gran argumënt. De gra cumpanies!! Permò n valgun ani dò ei fat na alujion a mi oma. Ti ei dit che l dà na persona che ei scialdi gën. Eila me à respundù: ie speri me che l ne sibe nia na ëila, chël ne durëssi nia! Puech tëmp do til ei mpò dit, la situazion fova pesocia. Mi gran amor da ntlëuta me ova smacà ora y ie fovi scialdi despereda. Ie ne ulovi nia plu scuté. Tl prim mi oma me ulova judé y ncurajé. N valgun dis dò ti ei telefoniert: ëila bradlova y fova despereda, se dajova la gaujia de me avëi trat su fauz o che la ëssa pedù l mpedì. Aldidancuëi, 5 ani dò, se sforzla de azeté mi vester autramënter. Ie ne me sënti nia bën a cësa. Mi sor à tëut sù la situazion scialdi positiv. Eila à dit che per ëila ne iel degun problem chi che ie ei gën, la cossa de majera mpurtanza ie che ie stei bën. Eila me à rengrazià per la crëta che ti ei dat. A mi nevëuc ti ei mandà n sms da Nadel, nsci ne pudovi nia vester dessenei, enghe sce i fova jëuni ai messù dluti la situazion. I n rata che i jëuni ie tolerant!! 18

Heiligabend vor knapp 10 Jahren. Ich erinnere mich gern an das, was damals geschah. Weil ich es so lange Zeit für völlig unvorstellbar hielt. Doch von Anfang an: Schon im Laufe der Pubertät haben sich meine erotischen Präferenzen zunehmend manifestiert. Im Schulheim habe ich meine Kameraden im Rahmen altersbedingt obligatorischer Doktorspiele eingehend ärztlich betreut. Mein Lieblingssatz: Entkleiden Sie sich bitte. Doch der Versuch, mich als häufig frequentierten Heimarzt zu etablieren scheiterte letztendlich daran, dass es meine Patienten zunehmend vorzogen, die weibliche Anatomie zu ergründen. Mein standhaftes Festhalten an der Intimzonenanalyse provozierte schließlich Befremden, und ein paar dumme Bemerkungen zwangen mich zur Frage: Bin ich tatsächlich anders als die Anderen? Und, erschreckender: Bin ich gar der einzige Andere unter den Anderen? Antworten habe ich lange Zeit keine gefunden, was zur Folge hatte, dass ich widerwillig meine Karriere als Urologe aufgab und mich ab nun meisterhaft in der Rolle des Vorzeige-Heteros übte. Und ich war guuut! George Clooney wäre neben mir zum femininen Etwas verblasst! Ich war charmant. Ich war gewitzt. Ich war beliebt. Ich hatte starken Bartwuchs. Und ich leistete brav – wie es sich für jeden ordentlichen Tiroler geziemt – meinen musikalischen Beitrag in der örtlichen Blasmusikkapelle – wobei ich sicherheitshalber aufs Blasen verzichtete und mich lieber auf die coolen Drums konzentrierte. Über das Ganze streute ich dann noch die eine oder andere Pseudo-Liaison, die aber natürlich n i e über die einseitigen Liebesbezeugungen des weiblichen Parts hinausreichte. Eine Zeit lang lief das gut, bis ich mir bewusst wurde, wie kräfteraubend und selbstbetrügerisch dieses Versteckspiel war. Ein Kaschperletheater! Nach außen war ich der brave Junge und der gelungene Sohn, nach innen mutierte ich über die Jahre zum seelischen Wrack. Live‘s a piece of shit, when You look at it. Die dauernde Selbstverleugnung, die leiderfüllte Unterdrückung meiner wahren Sehnsüchte und das wachsende Gefühl der Ausweglosigkeit mündeten schließlich, kurz nach meinem 30. Geburtstag, in den Entschluss, die Welt und mich von meinem Leben zu befreien. Ich plante mein Ableben wie das Drehbuch zu einem Hitchcock-Krimi und exerzierte die letzten Stunden und Minuten bis ins kleinste Detail durch. Doch am Tag der praktischen Umsetzung verließ mich der Mut. Ich überwand mich zum Entschluss, mich meinem besten Freund anzuvertrauen und von dessen Reaktion meine Zukunft abhängig zu machen. Und was sagt eeer, nachdem ich mich ihm offenbart hatte: „Na und?“. All die Jahre dieses Versteckspiel! All die Jahres dieses Drama! Shakespeare hätte mich sofort als seinen Ghost Writer engagiert! Und dann steh ich kurz vor dem Sprung von der Brücke und eeer sagt ganz lapidar: „Na und?“. Ist das zu fassen!? Es ist zu fassen. Und so beschloss ich, den Garten meines Daseins zu vertikutieren. Und siehe da, die Pflänzchen neuer Lebensfreude begannen schon bald zu sprießen. Sie beseelten mich mit dem Mut, einige meiner engsten Freunde sowie meine Schwester zu vertrauensvollen Geheimnisträgern zu erklären und schließlich mit meiner Mutter ein tiefschürfendes Aufklärungsgespräch zu führen. Praktisch Aufklärung mit vertauschten Rollen. Auf meiner Brust schwelgte ab nun stolzerfüllt der Buchstabe S: S wie Superman! S wie SCHWUUUUUL. Doch: War ich trotz aller Outing-Euphorie Supermanns genug, auch mit meinem Vater Tacheles zu reden? Schließlich hatte ich schon von teilweise desaströs endenden gleichartigen Versuchen gehört. Lief ich gar Gefahr, ins offene Messer meines zwar sehr liebenswerten, aber doch eindeutig katholisch-bäuerlich geprägten „Daddy“ zu rennen? Ich gewährte mir Aufschub mit der Ausrede einer behutsamen Konfrontationsplanung. Und vergaß dabei ganz die landestypische Tratschfreudigkeit der Verwandtschaft. So geschah es, dass am Goldenen Sonntag des Jahres 2001 kurz nach dem 8-Uhr-Gottesdienst mein Onkel in die Rolle eines apokalyptischen Reiters schlüpfte, sich auf sein hohes Ross schwang und meinem Vater brühwarm und natürlich ohne jegliche hinterhältige Absicht die frohe Botschaft über die (Pfui) Homosexualität seines (Pfui) ältesten Stammhalters überbrachte. Die fatale Folge: Ich wurde von meinem Vater ab sofort mit beharrlichem Schweigen bedacht. Die Funkstille ging nahtlos in die Stille Zeit über. So viel Stille war gar nicht mehr zu ertragen! Die gemeinsame Weihnachtsfeier mit meinen Eltern – die ich im Vorfeld trotz Flehens meiner Mutter ob der unüberbrückbar scheinenden Vater-Sohn-Zerknirschtheit drei Mal abzulehnen versuchte – versprach, ein süßsaures Schweigegemetzel unter dem Christbaum zu werden. Knalleffekt nicht zwangsweise ausgeschlossen. An Heiligabend wagte ich mich dann ins obere Stockwerk, die Wohnung meiner Eltern. Der Hals schnürte sich mir zu und ich schwitzte trotz eisiger Außentemperatur als ich ihre Wohnung betrat. In der wohlig warmen Küche stand mein Vater. Ich bemerkte, dass er genauso litt wie ich, und dass er die Sache bereinigen wollte. Er breitete seine Arme aus und sagt nur: „Kimm her“. Er drückte mich so fest an sich, wie ich es noch nie erlebt hatte, so lange, bis wir weinen mussten. Und schließlich sagte er noch: „Du bisch mein Bua und sell alloan zählt“. Meine Eltern und ich erlebten damals den Weihnachtsabend so intensiv wie noch nie. Und das Schönste ist: Diese weihnachtliche Wohlgefühl hält bis heute an. Und sell alloan zählt. 19


Versteckte Helden auf dem Fußballplatz Über das Tabu Homosexualität bei Profi-Fußballern Profi-Fußballer sind Leistungssportler, Popstars und Entertainer in einem. Für viele, die mit der Sportart groß geworden sind – ob nun im Sportunterricht, in einem Fußballclub oder weil sie dem Sport als begeisterte Fans passiv vor dem Fernseher frönen – sind sie auch Helden, Idole und Vorbilder – Stars, die einem im ersten Moment makellos, schön und perfekt erscheinen. Doch gerade diese Gallionsfiguren müssen mit jedem Spiel die schmale Gratwanderung zwischen Erfolg oder Versagen, zwischen Triumph und Niederlage meistern. Sie tun es mit „typisch männlichen Tugenden“ wie Ehrenhaftigkeit, Mut und Leidensfähigkeit. In dieses Bild passen Schwule offensichtlich nicht hinein, da mit dem Wort “schwul“ nach wie vor allzu oft Weiblichkeit und Verweichlichung assoziiert wird. Trotzdem dürfte es sie auch im Fußball geben. Wenn man davon ausgehen kann, dass etwa fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung homosexuell ist, dann müsste, statistisch gesehen, in jeder Fußball-Elf (oder zumindest bei jedem Spiel) mindestens ein schwuler Spieler dabei sein. Aber dem ist nicht so – zumindest offiziell nicht. Denn für Fußball-Profis ist es extrem schwierig sich zu outen. Das hat mehrere Gründe: In Stadien werden nach wie vor mit Wörtern wie „schwul“, „homosexuell“,

„Arschficker“, „Schwuchteln“ und „warme Brüder“ Schmäh-Gesänge gegen gegnerische Teams und Spieler angestimmt. Würde sich ein Spieler als „schwul“ outen, würden sich die gegnerischen Fans sowohl auf den Spieler als auch auf seine Mannschaftskameraden „einschießen“. Noch weitaus komplizierter sieht es mit der Stellung der Vereine zum Thema Homophobie aus. Viele Profi-Vereine bestreiten kategorisch, schwule Spieler in ihren Reihen zu haben. Schließlich sei der Sport nur etwas für „richtige Männer“, wie Milan-Legende Gianni Rivera einmal in einem Interview gesagt hat. Auch der Trainer der italienischen Nationalmannschaft Marcello Lippi glaubt nicht, dass es homosexuelle Fußballer gibt. Zumindest hätte er in seiner 40-jährigen Laufbahn keinen getroffen. Bei einigen Vereinen ist es sogar Gang und Gebe, PRAgenturen damit zu beauftragen, ein „heterogenes“ Image für einen Spieler zu schaffen, bei dem Gerüchte aufkommen, er sei homosexuell. Sie zwingen solche Spieler sogar, zu heiraten oder sich eine Scheinfreundin zuzulegen. Homosexualität wird in einigen Fällen auch missverstanden beziehungsweise missbraucht: So hatte FC Köln-Trainer Christoph Daum 2008 in einer Reportage des Deutschen Sportfernsehens DSF Homosexualität in Zusammenhang mit Pädophilie gebracht, was er nach heftiger Kritik dann jedoch zurück nahm und zudem angab,

einen schwulen Spieler bei einem Coming Out unterstützen zu wollen. Nicht zu vergessen ist natürlich auch, dass durch das Outing eines Mitspielers in Mannschaften, in denen Spieler mit unterschied-lichem sozialen und kulturellen Hintergrund spielen, Konflikte entstehen können. Ein weiteres Problemfeld, gerade für einige Mitspieler und Fans, ist die Körperlichkeit, die beim Fußball herrscht. Der enge körperliche Kontakt, zum Beispiel in Zweikämpfen zwischen einem hetero- und einem homosexuellen Spieler oder bei einem Tor, bei dem sich Mannschaftsspieler umarmen, sich küssen und sich manchmal sogar in den Genitalbereich fassen, könnte homoerotisch interpretiert werden und deshalb als gefährlich empfunden werden. Wenn man sich nun in die Situation eines schwulen Spielers hinein versetzt, kann man sich vorstellen, unter welch großem emotionalen Druck er steht: Auf der einen Seite die Angst vor der Homophobie und den sich daraus ergebenden möglichen Folgen, die auch das Ende einer Karriere bedeuten könnten, und auf der anderen Seite der Wunsch, dem ewigen und aufreibenden Versteckspiel zu entkommen. Bis heute hat sich kaum ein ProfiFußballer zu seiner homosexuellen Neigung bekannt. Einer der wenigen, der dies dennoch getan

hat, ist der ehemalige ostdeutsche Jugendnationalspieler Marcus Urban. In seinem Buch „Versteckspieler“ zeichnet der heute 38-Jährige sein schwieriges Schicksal als Profifußballer in der damals weit rückständigen DDR nach. Schon während der Pubertät hatte er sich in einen Mann verliebt. Doch er hatte dieses Gefühl verdrängt. „Mein Gedanke war immer: Ich bin Fußballer, ich kann nicht schwul sein.“ Und so war das Thema für ihn zunächst einmal erledigt: „Ich hatte keine Ansprechpartner um mich herum, keine psychologische B e r a t u n g . A l s o habe ich mir immer wieder eingeredet: M a r c u s , d i e s e Gedanken sind krank. Ich hatte Angst vor mir selbst, habe mich ständig versteckt und wollte bloß nicht als verweichlicht gelten. Jahrelang habe ich jedes Wort, jede Geste kontrolliert. Bildlich gesprochen: Ich habe mir Augen und Ohren zugehalten, wollte bloß nichts fühlen. Denn der Reiz, sich auszuleben, war natürlich vorhanden. Aber es ging eben nicht. Das erzeugt dann Aggressionen.“ So ging Marcus Urban zum Beispiel sehr aggressiv gegen seine Gegner vor. Keiner durfte etwas von seinen Gefühlen merken. Außerdem legte sich der junge Fußballer eine Pseudo-Identität zu. Mit seinen Kollegen lachte er über Schwulen-Witze. Richtig locker

umgehen konnte er mit den Sprüchen aber trotzdem nie. Das Versteckspiel empfand er irgendwann mal als so schwierig, dass er seine FußballerKarriere nach einer schweren Knöchelverletzung frühzeitig an den Nagel hing. „Ich hatte einfach nicht mehr die Kraft, nach meiner Verletzungspause noch einmal in diese Fußballwelt zurückzukehren, um vielleicht den Sprung in die 2. Bundesliga-Mannschaft von Rot-

Weiß Erfurt zu schaffen. Ich hätte dort mit meiner Sensibilität nur sehr schwer bestehen können. Also habe ich mir gedacht: Ich kann auch noch andere Dinge – und habe studiert.“

Heute ist Marcus Urban Designer und spielt in seiner Freizeit in der schwulen Fußballmannschaft vom Hamburger Sportverein. Spielerisch zwar ein Rückschritt, aber persönlich ein Sieg, den er mit den als „typisch männlich“ bezeichneten Tugenden wie Ehrenhaftigkeit, Mut und Leidensfähigkeit gemeistert hat. > Stefan Windegger

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„Mein Herz aller liebster“

Tiroler Identitäten

Ein Beitrag von Gebi Mair

Ein Beitrag von Cristian Kollmann

„Grieest Dich Gott Mein Herz aller liebster“ beginnt ein Brief an einen unbekannten Empfänger, geschrieben von Andreas Hofers Kompagnon Joseph Speckbacher. Romantisches 19. Jahrhundert oder Zeugnis mannmännlicher Liebe unter den reaktionären Kämpfern von 1809? Egal, wie es wirklich war damals und ob Andreas Hofer ein mit den Taliban vergleichbarer theokratischer Reaktionär war, das interessiert in diesem Gedenkjahr in Tirol sowieso niemand. Heiße Luft hat echte Diskussionen ersetzt. Ein marschierender Jugendblock aus 3.000 Jugendlichen. Das sei die Umsetzung des Mottos „Geschichte t r i f f t Zukunft“ am

Landesfestumzug zum Gedenkjahr 2009, erklärte ÖVP-Kulturlandesrätin Beate Palfrader auf eine Anfrage von mir im Tiroler Landtag. Dümmer kann man es wohl kaum formulieren. Ich persönlich bewundere Südtirol im Gedenkjahr. Während Tirol einen Festumzug durch Innsbruck um 1,7 Millionen Euro und ein „Tirol grüßt Wien“-Fest um 1,2 Millionen organisiert, ist Südtirol fein raus. Dort gibt man das Geld lieber für kulturelle Projekte aus. Doch nicht die Höhe der verschwendeten Nordtiroler Gelder allein macht wütend, sondern auch, was gleichzeitig passierte. Das Land müsse sparen, erklärte Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf von der ÖVP, und strich die Landessubventionen für das Autonome FrauenLesbenZentrum in Innsbruck. 6.000 Euro hatte sie damit eingespart und eine wichtige Einrichtung des lesbischen Lebens in Tirol vor die Schließung gebracht. Dazu erklärte sie, sie glaube nicht, dass eine lesbische Einrichtung gefördert werden müsse. Intern hieß es, sie könne sich vorstellen das AFLZ weiter zu fördern, wenn dieses die Wörter „Autonom“ und „Lesbisch“ aus dem Namen streiche. Durch viele Interventionen hinter den Kulissen ist es uns Grünen gemeinsam mit anderen gelungen, die Gelder doch noch aus einem anderen Budgetposten sicherzustellen. Überhaupt ist die häufig unsichtbare Arbeit hinter den Kulissen jener Bereich, in dem derzeit am ehesten Erfolge für Lesben und Schwule in Tirol möglich sind. Öffentlich wird gemauert. In einer Anfragenserie im Landtag wollte ich von allen Landesräten wissen, was sie in ihren Ressorts gegen Homophobie unternehmen. Die Beantwortungen sprechen für sich. Der Gesundheitslandesrat erklärte sich nicht für zuständig, Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) begann seine Antwort mit einer Definition des Wortes Homophobie, die er auf Wikipedia gefunden hatte. Offiziell 22

wurde bestritten, dass es überhaupt Homophobie gebe. Im Anschluss jedoch waren einige Gespräche möglich, in denen zugesagt wurde, einzelne Projekte ohne öffentliches Aufsehen anzugehen. Ein Projekt gegen Homophobie im Sport beispielsweise. Und auch – man lese und staune – Sensibilisierung gegen Homophobie in den Land- und Forstwirtschaftsschulen Tirols. Und auch für den Umzug der HOSI Tirol in ein neues, zentraleres Lokal, wird es zusätzliches Geld von der Stadt Innsbruck geben, durchaus ein Erfolg neuen lesbisch-schwulen Selbstbewusstseins. Am meisten freue ich mich aber darüber, wenn ich Mails von Jugendlichen im Coming Out erhalte. Viele empfinden es als wichtig, dass es offen lebende Schwule nicht nur im Fernsehen gibt, sondern auch vor Ort. Ich muss mir, zugegeben, auch Einiges an Homophobem anhören. Das heißt, anhören eigentlich seltener. Schon auch, als FPÖ-Obmann HeinzChristian Strache beispielsweise am Innsbrucker Franziskanerplatz erklärte, ich sei der Grüne Beitrag zum Heizkostenzuschuss. Aber mehr an homophobem Unsinn gibt es eigentlich zu lesen. Die scheinbare Anonymität des Internet veranlasst so manchen, seine Rülpser abzugeben. Ich solle „zu den Arschfickern nach Afrika, oneway“ – von dieser Qualität sind so manche Kommentare, die sich im Internet finden. Die KollegInnen anderer Parteien sind hingegen eher peinlich bemüht, nicht durch anstößige Bemerkungen aufzufallen. Am ehesten kommt von Abgeordneten der Liste Fritz im Landtag ein lautes Seufzen, wenn ich über lesbisches und schwules Leben rede. Ansonsten ist es peinlich berührt still. Bei manchen Abgeordneten kann ich mir ein leises Lächeln aber nicht verkneifen. Und zwar dann, wenn ich ihre hübschen Söhne oder Enkel besser kenne. So weit: alles wie immer in Tirol. Gebi Mair (25) ist Mitglied der Grünen und Abgeordneter im Tiroler Landtag, www.gebimair.at

Tiroler Gedenkjahr 2009 und Homosexualität – was hat das miteinander zu tun? Vor 200 Jahren war Homosexualität in Tirol gewiss kein Thema. Warum sollte sich daher ein schwul-lesbisches Magazin nun überhaupt dem Thema „Gedenkjahr 2009“ widmen? Nun, vielleicht könnte man das Ganze unter das Motto „Freiheit“ stellen – Freiheit im sprachlichethnischen, ja auch politischen Sinne und Freiheit, was sexuelle Identität betrifft. Freiheit und Identität – zwei Ideale, die damals wie auch heute, wenngleich in unterschiedlichen Zusammenhängen, immer noch als erstrebenswert gelten. Wenn man nun Tiroler, im engeren Sinne Südtiroler, und zugleich auch noch homosexuell ist, dann ist man, so wie in meinem Fall, diesbezüglich wohl besonders sensibel. Was macht die Tiroler Identität heute aus? Für jeden sind es unterschiedliche Faktoren, daher ist es wohl nicht zu vermeiden, dass auch ich im Folgenden persönlich werde. Ein Tirolbewusstsein hat sich bei mir an der Schwelle zum Erwachsenwerden herausgebildet. Das wichtigste Identifikationsmittel für meine Tiroler Identität war am Anfang der Tiroler Dialekt. Andere Faktoren sind später dazugekommen. Der Fall der Berliner Mauer und die in den Folgejahren im Vergleich zu heute vielleicht noch ernst gemeinten Visionen der Politiker von einem Europa der Regionen und einer Europaregion Tirol haben sicher noch ihren Teil dazu beigetragen. Tirol hat eine besondere Geschichte; und dass Südtirol, trotz seiner Zugehörigkeit zu Italien, ein Teil Tirols ist, ist für mich im Laufe der Jahre immer mehr zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Das heißt für mich, dass ich mich in erster Linie als Tiroler fühle, und erst dann als Südtiroler. Das Gefühl einer europäischen Identität ist bei mir im Gegensatz zu früher in den Hintergrund gerückt. Zwar ist heutzutage viel von Europa die Rede, aber meistens nur dann, wenn es darum geht, die regionale Identität zu leugnen, zu verdrängen, statt zu unterstreichen. Mit einem Europa, in dem unter kultureller Vielfalt alles Fremde, nur nicht das Eigene verstanden wird, kann

ich nichts anfangen. Auch nicht mit einem Europa, in dem so getan wird, als seien Grenzen nicht wichtig, gleichzeitig aber die Zugehörigkeit Südtirols zu Italien nicht in Frage gestellt werden darf. Und ein Europa, in dem nur die Verliererstaaten die Geschichte aufarbeiten müssen, während im „Siegerstaat“ Italien, zu dem leider auch Südtirol gehört, faschistische und sprachimperialistische Methoden als kulturelle Bereicherung und friedenserhaltende Maßnahmen verkauft werden sollen, ist für mich blanker Hohn. Sprachlich-kulturelle, aber auch historische Identität halte ich für ungemein wichtig für die Persönlichkeitsbildung eines Menschen. Erst wenn ich weiß, wo ich herkomme, was früher war, weiß ich, wo ich jetzt stehe, wie ich im Jetzt einzuordnen bin und wo ich hin will. Das heißt speziell für mich: So wie sich Tirol heute präsentiert, ist das nicht der Idealfall. Dass Südtirol keineswegs ein freies Land ist, fängt ja schon damit an, dass es bis heute aus der Sicht Italiens und mittlerweile auch vieler assimilierungsfreudiger und pazifaschistischer Südtiroler „Alto Adige“ ist. Meine Vision von einem freien und selbstbestimmten Südtirol ohne Italien ist daher ungebrochen. Diese Vision ist ein wesentlicher Teil meiner Tiroler Identität. KommenwirnunaufmeineHomosexualität zu sprechen. Freilich ist auch diese ein Teil meiner Identität und genauso eine Selbstverständlichkeit wie meine Tiroler Identität. Natürlich war das nicht immer so. Doch dank meines mittlerweile gut ausgeprägten Tirolbewusstseins sehe ich zwischen den beiden Identitäten keinen Widerspruch, im Gegenteil: Ich halte sexuelle Identität für genauso wichtig wie sprachlich-kulturelle, ja auch politische Identität. Die wesentliche Voraussetzung für das Leben einer dieser Identitäten ist die Freiheit, eine liberale Politik, die ihrem Namen gerecht wird. Gleichgeschlechtlichen Paaren sollte man die Freiheit lassen, ihre Partnerschaft vor dem Gesetz anerkennen zu lassen, damit sie, beispielsweise im Erb-, Steuerund Mietrecht oder beim Kauf einer 23

Eigentumswohnung, in den Genuss derselben Rechte wie verheiratete Paare kommen. Kein Mensch darf aufgrund seiner gleichgeschlechtlichen Neigung bzw. Lebensweise gesellschaftlich (im Privaten, im Beruf) oder vor dem Gesetz diskriminiert oder benachteiligt werden. Denn das bedeutet eine Einschränkung der persönlichen Freiheit. Für die diesbezügliche Freiheit muss also auch immer noch gekämpft werden. Und jeder, der in diesem Tiroler Land für mehr Freiheit und Gerechtigkeit, egal ob im politischen Sinne oder in Bezug auf die Rechte von homo- und intersexuellen Menschen kämpft, ist für mich schon ein kleiner Held.

C r i s t i a n Kollmann (38) ist Sprachwissenschaftler und Exponent der SüdTiroler Freiheit.


Ja, ich bin für die Selbstbestimmung

Das Gedenkjahr ist männlich

Gedankensprünge einer Südtirolerin

... übrigens: auch der Held.

Ich bin dafür. Unbedingt. Schon Kant betrachtete Selbstbestimmung im Zusammenhang mit der Kraft eines Subjekts durch die Vorstellung von etwas Künftigem als Wirkung eben der Kraft, die sich durch diese Vorstellung leiten lässt. Das definiert Selbstbestimmung also dadurch, dass ich in der Lage bin, durch meine eigene Entscheidung meine Zukunft zu bestimmen. Das klingt gut, das klingt aufgeklärt und so will ich es haben. Aber. Der Begriff Selbstbestimmung ist eng mit einem weiteren Begriff verbunden – dem der Selbstverantwortung. Und hier zeigt sich die Hinterhältigkeit eines scheinbar klaren Begriffes. Bereits das Ziel der Feministinnen vor hundert Jahren war die umfassende Reform des Geschlechtslebens und der Mutterschaft im Sinne der Utopie einer Gesellschaft freier und gleichberechtigter Individuen. Dass eine rassenhygienische Ideologie nicht unbedingt damit vereinbar ist, nahmen nicht alle zur Kenntnis. Selbstbestimmung als erneuter Widerstandsbegriff der Frauenbefreiung hat spätestens in den 1970er Jahren einen großen Schritt nach vorn gemacht. Dennoch durften bis vor nicht allzu langer Zeit Ehemänner ihre Frauen ungestraft vergewaltigen und ihnen Lohnarbeit verbieten. In einigen elementaren Fragen der Selbstbestimmung ist frau ein Stückchen weiter gekommen. Aber nicht überall – ganz abgesehen davon, dass Selbstbestimmung bei jeder Frau - auch jeder Theoretikerin, - andere Assoziationen auslöst. Über ihre Fruchtbarkeit bestimmen Frauen - hier und heute - weitestgehend selbst, die Pille war da ein Quantensprung in Sachen sexueller Selbstbestimmung. Die so mühsam errungene Entkriminalisierung von Abtreibung war ein großer Schritt für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Gegen diese fundamentalen Rechte der Verfügung über den eigenen Körper wird immer wieder und in letzter

Zeit wieder verstärkt angekämpft. Noch gilt dieses Recht – zumindest was die Abtreibung betrifft. Wie frei aber ist heute die Wahl, wenn es gilt zu entscheiden zwischen Kindern - was oftmals heißt: finanzielle Abhängigkeit oder gar Armut - einerseits und der Chance auf berufliche Integration und eigenes Einkommen andererseits? Selbstbestimmung scheint in unserer Gesellschaft mit ihren scheinbar unendlichen Entscheidungsmöglichkeiten kaum etwas anderes sein als ein beschönigender Begriff für Selbstdisziplinierung. Die Notwendigkeit und der Wunsch, in Europa, Italien und Südtirol (und auch in Österreich) anschlussfähig zu sein, nicht unter die Räder zu geraten, macht sowohl einen autoritären, patriarchalen Staat, als auch rigide Gesetze nahezu überflüssig. Die Anpassung an „die Realitäten“ und alltäglichen Sachzwänge erfolgt freiwillig und vor allem: sie ist ein ganz individuelles Projekt. Das Politische ist in der Praxis längst privat geworden. Ein Beispiel sei hier auch die Hinterfragung des Begriffs der Selbstbestimmung anhand der Vielfalt der technologischen Angebote an Diagnose- und Behandlungsmethoden in der Medizin, die in der Reproduktionstechnik Frauen keine wirklichen Entscheidungsalternativen eröffnen, sondern die Übereinstimmung mit den herrschenden sozialen Erwartungen - zum Beispiel mit der Erwartung, kein behindertes Kind zur Welt zu bringen – voraussetzen. Hier scheint es nicht um Selbstbestimmung zu gehen, sondern um Tauziehen und die größere Macht der Durchsetzung moralischer Werte, denen frau und man sich unterzuordnen haben – die Frau wieder einmal mit ihrem Körper. Aber gegen Gesundheit kann frau nicht argumentieren. Und hier scheint es auch egal zu sein, gegen welches Verständnis von Gesundheit. Abschließend zur offenen Diskussion ein Zitat von Andrea Truman: „Eine feministische Theorie und Praxis, die nicht der Anpassung der Frauen an die neuesten Herrschaftsmechanismen 24

dienen will, sollte sich zumindest ein Bewusstsein davon bewahren, dass wahre Selbstbestimmung erst in einer wahrhaft freien Gesellschaft möglich ist.“ Damit meint sie wohl, dass die Gleichheit der Geschlechter, der individuellen Leistungsfähigkeiten, der Staatsbürgerschaften oder auch nicht, der ökonomischen und sozialen Werte analysiert und diskutiert werden müssen, bevor wir erahnen können, was Selbstbestimmung sein könnte. Und wenn ich nun versuche, Selbstbestimmung in Hinblick auf die SüdtirolerInnen zu denken, dann bin ich mir ganz sicher, dass wir alle als Individuen sehr damit beschäftigt wären, wenn wir alle es ernst meinten, uns untereinander die persönlichen eingeforderten und zugestandenen Selbstbestimmungen auszuhandeln. Und dann könnten wir immer noch schauen, ob es einen Sinn ergäbe, Selbstbestimmung für ein personifiziertes territoriales Gebilde zu fordern.

> Uli Spitaler

Es sind Bart und Bauch und (phantasierte) Brustbehaarung, welche für ein Jahr die aalglatten, depilierten, metrosexuellen Körper in den Köpfen der Südtiroler verdrängen werden. Out sind rosa T-Shirts und AugenbrauenStyling und auch das Experiment an der

männlichen Rolle.Ur-Mann is back again und in seinem Gefolge sind es die alten, auch die alten jungen Männer. Tracht wird zur Rüstung, Uniform ist Kampf, ist Hahnenkampf. Deutsche Schützen marschieren gegen italienische Wastl und als Preis winkt die Heimat, die weiblich ist und als solche zum Objekt männlicher Eroberung bzw. Besetzung wird. Männer haben wieder die (Leder) hosen an. Sie, die Heimat, die

Geschlechterkampf. Die Geschichte, die weiblich ist, wird zugerichtet, man zerrt an ihr und zwingt sie. Es wird wieder marschiert, im Gleichschritt und im Trommelwirbel, gegen den Faschismus, oder das, was man darunter verstehen will, der - übrigens – auch ein männlicher ist. Ein jeder ein Held für einen Tag, im Gleichschritt, im rhythmischen Donnern der ledernen Sohlen. Da wird es eng für die, die lieber tanzen wollen statt an der Front zu toben und rumoren, deren Füße gleichzeitig in zwei verschiedenen Schuhen stecken, im Berg- und im Stöckelschuh.

weibliche, darf als Symbol des Leidens, als Dornenkrone, mit, wird getragen. Dass sie nicht mehr auf eigenen Füßen stehen kann, dafür haben die alten und alten jungen Männer schon gesorgt. Wem immer nur die Opferrolle zugedacht ist, die hat es dreifach schwer, sich von dieser zu befreien. Ganz gentleman-like werden der Dornenkronen-Heimat noch Rosen gereicht, bevor man sie mit und zu Grabe trägt. Es hat sich ausgelitten, ausgeopfert, jetzt brechen neue Zeiten an. Kampf ist angesagt. Und in diesen Feldzug führen die alten Männer ihre alten Symbole. Herr Seppi, der in der Tageszeitung verkündet, lieber schwanzlos als impotent leben zu wollen, präsentiert seine Manneskraft als Waffe, sobald ihn die Argumente verlassen. Vereint fordern die Männer der deutschen Mehrheit und Opposition gleich zu Jahresbeginn die Selbstbestimmung und meinen damit, dass sie selbst bestimmen wollen über die nur durch männliche Hand zu rettende Heimat, die weibliche. Das ist 25

Da wird es eng für die, die den aufrechten Gang auch ohne männlichen Arm beherrschen oder ohne Säbel und Gewehr und die Rosen - gereicht von den alten und alten jungen Männern dankend ablehnen. Da wird es eng für die, die im Dazwischen sich eingerichtet haben, die Grenz- und QuergängerInnen, ihr Raum wird besetzt. Und die Sanften haben - dem Lärm sich ergebend - kampflos in ihren Nischen sich eingerichtet. Wir alle harren und staunen und verstehen nicht, was da gespielt wird im Ernst. Was schreckt diese alten Männer so sehr, dass sie im Rückgang sich fortbewegen, im Rückgriff auf Altes um sich schlagen? Warum sind wir mundtot und sprachlos, überlassen das Feld? Und wie wird der Kampfplatz aussehen nach geschlagener Schlacht? Wer wird die Leichen bergen, die Gräben zuschütten? Am 31.12. wird das Wort „Gedenkjahr“ vielleicht wieder sächlich.

> Georg Vescoli


Schwul und lesbisch zwischen Kufstein und Ala Die ersten waren die Innsbrucker. 1984, als in Tirol die 175-Jahr-Feier des Aufstandes von Andreas Hofer begangen wurde, gründeten mutige Innsbrucker Schwule die HOSI Tirol, den ersten Tiroler Schwulenverein. Andere sollten in den nächsten Jahren folgen, und wer heute auf die homosexuelle Vereinslandschaft schaut, dem bietet sich ein buntes Bild. Wir nehmen die 200-Jahr-Feiern zum Anlass, um zu sehen, welche Vereine außer Centaurus sich in Tirol und den Autonomen Provinzen Trient und Bozen um lesBiSchwule Belange kümmern. Von den wichtigsten wollten wir wissen, wie sie entstanden sind, welche Ziele sie haben, welche Angebote sie Schwulen und Lesben bieten oder wie sie gesellschaftlich Einfluss zum Schutz und Vorteil gleichgeschlechtlich liebender Menschen nehmen.

Arcilesbica Trento Un intervista a Marina e Isabella Quali sono gli obiettivi dell‘ associazione? Combattere ogni forma di pregiudizio e di discriminazione nei confronti delle lesbiche; Creare luoghi di incontro e socializzazione per le donne; Dialogare con le istituzioni locali per ottenere un’apertura in direzione dei bisogni delle lesbiche e di tutte le persone omosessuali; Fornire un servizio di informazione e consulenza. Come vi definite come associazione? Associazione di donne lesbiche o in ricerca che si propone come uno dei punti di riferimento per percorsi di coscientizzazione sia in ambito personale che più politico. Quante socie avete e chi sono le destinatarie? La media delle socie

AFLZ Innsbruck Wir, das Autonome Frauen Lesben Zentrum, haben ca. 90 Mitfrauen und wollen hauptsächlich feministisch, politisch, lesbisch interessierte Frauen ansprechen. Das Frauen Lesben Zentrum Innsbruck stellt seit 25 Jahren einen wichtigen Eckpfeiler in der Landschaft der Innsbrucker Frauenprojekte dar. Durch großteils ehrenamtliche Arbeit wurde das einzige Frauen Lesben Zentrum Westösterreichs aufgebaut und erhalten. Unter anderem werden hochkarätig besetzte Lesungen, wissenschaftliche Forschungsprojekte, gesellschaftspolitisch relevante Kulturveranstaltungen sowie niederschwellige Beratungen in unseren Räumlichkeiten angeboten. Weiters bieten wir regionalen Künstlerinnen

è di una cinquantina. Le destinatarie sono donne che scelgono di “vivere” la loro identità lesbica anche in una dimensione di gruppo. Quali sono le vostre attività? Essenzialmente la richiesta che viene fatta all’associazione è quella di creare occasioni di incontro, per questo organizziamo attività aggregative (gite, feste, grigliate etc.). Proponiamo attività culturali come ad esempio cineforum, dibattiti, presentazioni di libri. Nel 2009 abbiamo proposto ad esempio con Arcigay il film “Improvvisamente l’inverno scorso” al cinema Astra. Ci impegniamo anche a mantenere i contatti con altri gruppi di donne e nel dialogo con le istituzioni. Nel settembre 2009 c’è stata una collaborazione con il coordinamento donne di Trento nell’organizzazione della Staffetta di donnecontro la violenza sulle donne.

und Wissenschaftlerinnen Platz in einem Raum ausschließlich für Frauen und frei von struktureller Gewalt und Machtausübung.Mit den Inhalten der autonomen (und damit einer parteiunabhängigen) Frauenbewegung haben sich auch die Schwerpunkte des Autonomen FrauenLesbenZentrums verändert. Von der Emanzipation der Frau über die Auseinandersetzung zu geschlechtlicher und sexueller Identität hin zu Themen von lesbisch-queeren Fragestellungen finden und fanden im Autonomen FrauenLesbenZentrum Diskussionen, Veranstaltungen und Strukturveränderungen statt. Die Frauenbewegung als Motor von gesellschaftspolitischen Veränderungen, deren Inhalte nach 40 Jahren auch das Familien- Frauenund Gesellschaftsbild konservativer, 26

Iniziativa patrocinata dal comune di Trento e dalla provincia autonoma di Trento. Ci sono manifestazioni e qualche organizzativa già programmata da Novembre 2009 fino giugno 2010? Per ora stiamo cercando di concretizzare delle idee. Av e t e contatti con altri organizzazioni? In quali ambiti? Con Arcigay di Trento per attività culturali e politiche e aggregative. Con Arcilesbica Nazionale per il coordinamento di campagne contro la lesbofobia e per portare avanti una piattaforma politica nazionale. Con il coordinamento donne di Trento nell’ambito di iniziative di donne per le donne con l’apporto della nostra specificità. > Uli Spitaler

christlich-sozialer Parteien beeinflussen, findet ihre Diskussionsräume in Orten wie dem Autonomen Frauen Lesben Zentrum.Ein Ziel des Vereins ist es, Treffpunkt für Kaffeetrinkerinnen, Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen, politisch Ambitionierte, feministisch Interessierte in einem Raum ausschließlich für Frauen/Lesben zu sein. Punktuelle Zusammenarbeit mit der HOSI Tirol findet im Rahmen des alljährlich stattfindenden lesBiSchwulen Straßenfestes statt. Was uns darüber hinaus mit der HOSI Tirol verbindet ist das Sichtbarmachen lesbisch-schwuler Lebensformen und das Angebot einer niederschwelligen Beratung. > Ursula Kraus und Maria Wassermann

Arcigay Trento CM ha incontrato Stefano Cò, Presidente del Comitato Arcigay “8 luglio” di Trento. Stefano ci spiega la struttura, le finalità, il modo di lavorare ed i prossimi progetti della sua associazione. A quali gruppi di persone vi rivolgete? Principalmente ci rivolgiamo alle persone omosessuali, in primo luogo ai gay, ma anche alle lesbiche che si rivolgono a noi, poi anche ai bisessuali e ai trans, che però purtroppo in questi ultimi tempi sono stati pochi e non continuativi. Quali sono i punti chiave della vostra attività? In primo luogo attività culturali e politiche come presentazioni di libri, cicli di film, conferenze e dibattiti sui vari argomenti inerenti le esigenze delle persone omosessuali, ma anche partecipazioni a manifestazioni con altre associazioni sul tema dei diritti civili e attenzione alle relazioni con le istituzioni pubbliche. Quindi anche contatti con altre associazioni culturali e sociali che lottano come noi per i diritti e contro le discriminazioni. Quali sono gli scopi e l’autodefinizione della vostra associazione? Come l‘ArciGay nazionale siamo un‘associazione di promozione sociale che lotta per l‘affermazione dei diritti civili e della visibilità delle persone omosessuali. Ci battiamo per il raggiungimento del „benessere“ psicofisico e sociale di tutti noi gay, lesbiche e trans, far scomparire le discriminazioni e le violenze contro questi gruppi di persone nei posti di lavoro, nella società in generale e nell‘immaginario del mondo etero. Ovviamente siamo laici, apartitici, ma

non antipolitici e lottiamo per avere pari diritti, pari dignità...come tutti/e i/le cittadini/e italiani/e. Avete in programma particolari appuntamenti nel periodo tra dicembre 2009 e giugno 2010? Purtroppo non sono stati ancora definiti, ma pensiamo a un paio di cicli di film: uno fine ottobre-novembre-dicembre e l‘altro in inverno-primavera, tra febbraio, marzo e aprile. Poi ci saranno almeno un paio di presentazioni di libri di narrativa e saggistica gay, alcune gite primaverili in montagna e ai laghi e qualche convegno-dibattito su argomenti che interessano ai nostri soci in primavera. Per di più faremo una serie di seminari in novembre su „religiosità, amori e diversità sessuale“. Poi ovviamente partecipazioni a manifestazioni nazionali. Infine vedremo se continuare a organizzare insieme ad altre associazioni UniversInversi 2010. Avete contatti con altre associazioni o organizzazioni e come si svolgono? Ovviamente sì, sia di interesse più vasto che gay e lesbiche; facciamo incontri continuativi soprattutto con Arcilesbica del Trentino, e le altre associazioni con cui abbiamo fatto le precedenti edizioni di UniversInversi, per decidere anche di fare cose, azioni e dibattiti insieme; con altre associazioni come l‘ANPI, l‘Arci locale e associazioni studentesche, che siano esplicitamente gay oppure no, quando si decide di collaborare insieme per eventi specifici. Quali sono le similitudini e le differenze della vostra associazione rispetto ad altre? Siamo un‘associazione indirizzata a e costituita essenzialmente da gay, quindi ci rivolgiamo più alle persone omosessuali, soprattutto 27

maschili, anche se non ci limitiamo solo al genere maschile per costruire varie iniziative culturali, sociali e politiche e le lotte per i diritti civili. Poi forse siamo un pò più strutturati di altre associazioni più „fluide“ e volontaristiche, anche se anche noi siamo dei volontari. Ma non rifuggiamo dal confronto e dialogo con chiunque sia interessato alle tematiche LGBTQ e alla lotta contro le discrimianzioni in base all‘orientamento sessuale, ma pure a quelle razziali, sessuali ecc. che alla fine ci riguardano non solo come cittadini ma pure come affini di „diversità“ e minoranze sociali. > Andreas Unterkircher


In Bewegung bleiben! 25 Jahre HOSI Tirol Seit 25 Jahren tritt die HOSI-Tirol für die rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung von Schwulen, Lesben und Transgender ein. Ein schönes Jubiläum, um sich an die zarten Anfänge zu erinnern. 1971 fiel im Zuge der sogenannten “Kleinen Strafrechtsreform“ das Totalverbot für Homosexualität in Österreich. Ermutigt von den zur selben Zeit erwachenden Schwulenbewegungen in vielen Ländern fanden sich schließlich auch in Innsbruck einige schwule Männer zu einer Selbsterfahrungsgruppe zusammen, die neben der gegenseitigen Unterstützung für die individuelle Selbstfindung einen offensiv gesellschaftspolitischen Anspruch vertrat. Anfangs traf man sich in privaten Wohnungen oder im KOMM, einem Veranstaltungszentrum der Österreichischen Hochschülerschaft, das verschiedene Gruppen für ihre Kulturarbeit oder als Treffpunkt nutzen konnten. Dort gab die noch junge schwule „Bewegung“ ein verhaltenschrilles Lebenszeichen von sich, als sie im Februar 1983 mit dem erstmals organisierten Tuntenball an die Öffentlichkeit trat. In erster Linie verfolgte die Gruppe aber das Ziel, auf die gesetzlich festgeschriebene Benachteiligung von Schwulen aufmerksam zu machen und vorhandene Vorurteile abzubauen. Die Gründung eines eigenen Vereins bewegte sich allerdings außerhalb der Legalität. Zu dieser Zeit existierte noch der §221, der Vereinsbildungen von gleichgeschlechtlich Liebenden unter Strafe stellte. Dennoch meldete Michael Halhuber im Dezember 1983 die HOSI-Tirol als Verein an, und als ihm am 1.2.1984 der Nichtunterlassung sbescheid der Sicherheitsdirektion Tirol zugestellt wurde, stand der Gründung der fünften Homosexuellen Initiative Österreichs nichts mehr im Wege. Von vereinseigenen Räumlichkeiten war man damals aber noch weit entfernt. Die HOSI-Leute fanden zuerst Unterschlupf

im „Focus“, einem Zusammenschluss der unterschiedlichsten gesellschaftspolitisch engagierten Gruppen. Später übersiedelte man ins A.K.T, der „Arbeitsgemeinschaft kreativer Tätigkeit“, und 1987 nahm die HOSI den Vorschlag der Tiroler Grünen an, die wöchentlichen Treffen in deren Clublokal abzuhalten. Im April 1985 konnte das „Rosa Telephon“ mit Hilfe von Subventionen der Tiroler Landesregierung als anonymer Beratungsdienst eingerichtet werden, der unzählige Schwule durch den Prozess ihres ComingOut begleitete. Das Bewusstsein für die schwierige Lebenssituation von Schwulen war hingegen bei einigen Tiroler Medien nicht vorhanden. So weigerte sich die Tiroler Tageszeitung hartnäckig, über die Existenz dieses Hilfsangebots zu berichten. Dass viele Leute nach wie vor mit Ängsten und Vorurteilen auf offen gelebtes Schwulsein reagierten, musste die HOSI-Tirol erfahren, als sie zusammen mit dem Treibhaus am 27.1.1989 den alljährlichen Tuntenball veranstaltete. Als Reaktion auf den kurz vorher ernannten Salzburger Erzbischof Eder, der von AIDS als Strafe Gottes predigte, wurde unter dem Motto „Kann den Liebe Sünde sein?“ zu einem Liebeskonzil geladen. Ministranten, Nonnen und Kardinäle würden nur den halben Eintritt zahlen. Empört verfasste der damalige Bischof Reinhold Stecher einen Brief an den Kulturreferenten des Landes, und der Redakteur der Wochenzeitschrift „Die Kirche“ erstattete Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen „Herabwürdigung religiöser Lehren“. Die Affäre wirbelte gehörig Staub auf, und im darauf angesetzten Prozess wurde der Treibhaus-Chef schließlich zu einer unbedingten Geldstrafe von 4.200 Schilling verurteilt. In den 1990er Jahren öffnete sich die HOSI, die ja ursprünglich als Zusammenschluss schwuler Männer konzipiert war, für Lesben und Transgender. Szeneintern wurden die 28

sich wandelnden Identitätsdiskurse auch durch die Umbenennung der traditionellen „Gay-Disco“ in die „LesBiSchwule Queer-Attack“ sichtbar. Die organisierte Tiroler Schwulenszene hatte aber abseits von diesen akademisch geführten GenderDebatten mit handfesteren Problemen zu kämpfen. Bei den Grünen häuften sich nämlich die Beschwerden von AnrainerInnen über einige HOSIBesucher, weshalb dem Verein ein Auszug nahegelegt wurde. Bei ihrer Suche nach neuen Lokalitäten wurde die HOSI wieder einmal vom Alltag eingeholt, denn viele Vermieter zogen ihre Angebote zurück, sobald sie erfuhren, welcher Verein sich denn da eigentlich niederlassen wollte. Schlussendlich konnte im Oktober 1993 dann doch das neue Lokal am Innrain 100 eingeweiht werden, wo sich die HOSI noch heute befindet. 2002 fiel dann auch nach jahrelangem Kampf, Dutzenden von Petitionen und intensivster Lobby-Arbeit der Schwulen- und Lesbenorganisationen Österreichs der unsägliche §209 durch einen Beschluss des Verfassungsge richtshofes. Unterstützung im Kampf gegen diesen Paragraphen und in der Gleichstellungspolitik erhielt die HOSI-Tirol nicht zuletzt von jenen schwul-lesbischen Gruppen, die sich seit den 1990er Jahren innerhalb der politischen Parteien gegründet hatten. Die diversen Untergruppen von SPÖ, Grüne, LIF sowie der KPÖ nahmen viele Forderungen der HOSIs dezidiert in ihre Parteiprogramme auf. Mit Manfred Waltl, seit 2004 Gemeinderat in der Unterländer Gemeinde Fieberbrunn, und mit Gebi Mair, 2006 zuerst Innsbrucker Gemeinderat und seit 2008 im Tiroler Landtag vertreten, verfügt Tirol über zwei offen schwule Politiker, die gemeinsam mit der HOSI-Tirol wertvolle Arbeit für schwullesbische Anliegen betreiben. Dieses politische Lobbying führte zu einer ungewöhnlich raschen Umsetzung der EU-Richtlinie im Zuge des Tiroler Anti-Diskriminierungsgesetz vom 1. Mai 2005. Als direkte Auswirkung dieses

Gesetzes auf den Alltag von Schwulen und Lesben in der Landeshauptstadt Innsbruck durften von diesem Moment an auch homosexuelle Lebensgemeinschaften um eine städtische Wohnung ansuchen, sofern das Paar seit mindestens drei Jahren in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Diese Erfolge im Kampf gegen die Aufhebung diskriminierender Bestimmungen für Schwule und Lesben auf politischer Ebene wurden auch durch die ehrenamtliche Arbeit der HOSI-AktivistInnen erreicht. In den Phasen zunehmender Entpolitisierung und Kommerzialisierung der schwullesbischen Szene in Tirol versuchten die jeweiligen Vorstände mit der Einführung einer eigenen jungen Schwulengruppe (Coming Out, später Tuc Tuc), auf die speziellen Bedürfnisse der jungen Schwulengeneration zu reagieren und engagierte junge Menschen für die gesellschaftspolitische Aufklärungsarbeit zu finden. So hoffte man, die durch die Möglichkeiten virtuellen Datings und schwuler ChatRooms versprengte Szene wieder für die traditionelle Vereinsarbeit zu gewinnen. Als einer der größten Erfolge der HOSI-Tirol im neuen Jahrtausend kann die Mitinitiierung und Etablierung von IN[N]LOVE angesehen werden, dem einzigen österreichischen Straßenfest der queeren Szene außerhalb von Wien, das seit 2005 Anfang Juni am zentral gelegenen Marktplatz stattfindet. Über 3.000 BesucherInnen kommen Jahr für Jahr dem Aufruf nach der Einforderung von Rechten nach. Die Zukunft muss zeigen, wie die Veränderungen innerhalb der schwullesbischen Subkultur selbst (etwa durch das Internet) und die Debatte um die rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Beziehungen den schwulen Alltag prägen werden. Was den Kampf gegen Ängste und Vorurteile gegenüber nicht heterosexuell bestimmten Lebensweisen betrifft, bleibt für die HOSI-Tirol jedenfalls auch in den nächsten 25 Jahren viel zu tun! > Alois Unterkircher 29


Libri e DVD | Buch und Film

Racconti da Stoccolma „un thriller sconvolgente“ Tre vicende parallele, tre storie legate da un destino comune: in una Stoccolma tollerante solo in apparenza, la violenza si nasconde dietro il volto stesso delle persone amate. Leyla, figlia di una numerosa famiglia mediorientale, cresciuta secondo un rigido codice morale e religioso, Carina, madre generosa e giornalista di talento, umiliata dalle parole e dalle percosse di un marito meschino e geloso, e Aram, giovane proprietario di un locale, innamorato di uno degli uomini della sicurezza. Costretti a vivere nella paura scelgono di ribellarsi e rompere il silenzio con modi e tempi diversi. È un film con tanta violenza irrazionale e allo stesso momento con tanto coraggio. Un film tosto che fa venire voglia di avere coraggio conquistando la speranza di un nuovo futuro. Ispirato a eventi realmente accaduti, narrato con uno stile incalzante degno dei migliori thriller, Racconti da Stoccolma si avvale anche di un cast straordinario, su cui primegga la celebre musa di Ingmar Bergman, Bibi Andersson. Vincitore del Premio Amnesty International al 57° Festival di Berlino 2007.

Aus unserer Bibliothek | Letto e visto per voi Das Leben könnte gut sein, Tagebücher 1933 bis 1942 Mit dreizehn Jahren beginnt Ruth Maier die vorliegenden Tagebücher zu schreiben, die ohne ihren besonderen historischen Hintergrund und die weitere Lebensgeschichte der mit der Autorin verbundenen Personen vermutlich von geringem Interesse für die LeserInnen geblieben wären. Der dramatische Lebensweg Maiers lässt jedoch die späteren Tagebuchaufzeichnungen zu beinahe literarischer Qualität heranreifen und macht die Lektüre zu einem psychologisch und menschlich ergreifenden Ereignis. Ruth Maier, 1920 in Wien als Tochter einer bürgerlichen und völlig assimilierten jüdischen Familie geboren, erlebte eine behütete Kindheit zwischen Burgtheatervorstellungen, gesellschaftlichen Ereignissen und Sommerferien bei der böhmischen Verwandtschaft. Die politischen Umwälzungen in Deutschland werfen allerdings früh ihre Schatten auf die Familie, und während 1938 der „Anschluss“ von den meisten Österreichern begeistert gefeiert wird, setzt sofort die Verfolgung von Juden, Kommunisten, Sozialisten und Andersdenkenden ein. Auch die Mitglieder der Familie Maier, die so wenig Bezug zum Judentum mehr hatte, dass sie mit ihren Kindern Weihnachten feierte, müssen nun um ihr Leben fürchten. Während Ruths Schwester, die Mutter und schließlich auch die Großmutter nach England flüchten können, entscheidet sich Ruth für Norwegen, wo sie Anfang 1939 von einem Berufskollegen ihres inzwischen verstorbenen Vaters aufgenommen wird und sich schnell in Sprache und Land einlebt. Als verhängnisvoll erweist sich jedoch ihre Entscheidung, die geplante Weiterreise nach England zu verschieben, um vorher die Matura an einer norwegischen Schule zu bestehen. Durch den Ausbruch des Krieges wird es nämlich unmöglich, eine Ausreisegenehmigung zu erhalten, und so sitzt Ruth Maier fest: ohne Arbeitserlaubnis, ohne Kontakt zur Familie, ohne zu wissen, wann die Nazis die britischen Inseln erobern würden, und zum ersten Mal auch mit ernsten Schwierigkeiten in ihrer Gastfamilie. Die auswegslose Lage führt zu einem Nervenzusammenbruch und in die psychiatrische Klinik. Ruhe und Heimat findet Ruth erst bei ihrer Seelenverwandten Gunvor Hofmo, die sie bei einem freiwilligen Arbeitseinsatz kennengelernt hat und mit der sie erfüllte Tage in Oslo und bei weiteren Arbeitseinsätzen auf dem Land verbringt. Die Besetzung Norwegens durch die Wehrmacht setzt dem jungen Glück aber ein jähes Ende: Im Spätherbst 1942 wird Ruth wenige Tage nach ihrem 22. Geburtstag bei einer Razzia verhaftet und mit dem Frachter „Donau“ gemeinsam mit Hunderten anderer Juden nach Auschwitz deportiert. Dort wird sie noch am Tag ihrer Ankunft in die Gaskammern gebracht. Die Erinnerung an dieses so früh ausgelöschte Leben wurde jedoch von Gunvor Hofmo, die nach dem Krieg zu einer der bedeutendsten Lyrikerinnen Norwegens wurde, zusammen mit den Tagebüchern von Ruth Maier bewahrt. Nach Hofmos Tod wurden sie vom Schriftsteller Jan Erik Vold in deren Nachlass gefunden und 2007 zusammen mit Ruths Briefen an ihre Schwester in England in norwegischer Übersetzung veröffentlicht. Wer diese Texte heute liest, staunt über die klare Analyse der politischen Situation und über die subtile Beschreibung der persönlichen Entwicklung dieses großen kleinen Mädchens, das aus dem behüteten Wiener Elternhaus gerissen und nach einer Reise durch halb Europa einsam in Auschwitz ermordet wurde; das sich auch erschreckend früh bewusst wurde, was sie am Ende ihres Weges erwarten würde. Wer sich am Schluss des Buches nicht mit den kargen Notizen über die Ereignisse nach dem letzten Tagebucheintrag begnügen will, wird entdecken, dass allein das Leben der von Ruth zurückgelassenen Freundin Gunvor Hofmo Stoff für ein weiteres Buch liefern würde: Schuldgefühle, Depressionen und Verfolgungswahn machen 1943 einen Aufenthalt Hofmos in der Psychiatrie notwendig, auf den dann Jahre intensiver Publikationen von journalistischen und lyrischen Texten folgen. 1955 beginnt ein 16jähriger stationärer Aufenthalt in der Psychiatrie, in der Hofmos schriftstellerische Kreativität völlig verstummt. Ab 1971 bis zu ihrem Tod im Jahr 1995 veröffentlicht sie wieder Gedichte und wird mit ihrer Partnerin, der Schriftstellerin Astrid Tollefsen, zu einem der ersten offen lesbisch lebenden Paare Norwegens. Der Rückblick auf Hofmos schwieriges Leben gibt schließlich auch den letzten Zeilen von Ruth Maier, die sie noch von der „Donau“ herunterschmuggeln konnte, eine besondere Bedeutung: „Ich glaube dass es gut so ist, wie es gekommen ist. Warum sollen wir nicht leiden wenn so viel Leid ist? Sorg dich nicht um mich. Ich möchte vielleicht nicht mit dir tauschen.“

> Helene Roschatt Racconti da Stoccolma, Svezia 2006, Durata: 133 minuti, Regia: Anders Nilsson. Acquistabile su DVD o da noleggiare presso la sede di Centaurus

Frauen der Grenze. Donne di frontiera 13 Frauenbiographien aus Nord- und Südtirol und aus dem Trentino Bekannte und weniger bekannte Namen sind es, die sich in dieser Publikation treffen - quer durch die Zeiten, Interessensgebiete und auch die gesellschaftlichen und politischen Umstände. Die Gruppe Tanna – eigenmächtige Frauen, engagiert in feministischer Kulturarbeit (was per se schon für Mut und Eigensinn spricht), haben in Zusammenarbeit mit dem Fembio-Institut für Frauenbiographieforschu ng die Herausgabe dieses Textes im Studienverlag gewagt und ein spannendes Gesamtwerk geschaffen. Mit der kurzen Lebensgeschichte der Schriftstellerin Anita Pichler beginnt der Band. Die Biographin charakterisiert kurz und präzise die Frau, die sich nicht mit Frauenliteratur identifizieren wollte, und doch den nach ihr kommenden Schreiberinnen viel Terrain geöffnet hat: „Ihr war klar, dass ihre Texte weder herkömmlich noch gefällig waren – sie hatte weder das Eine noch das Andere jemals gesucht.“ Erzählt wird auch die wahre Geschichte der Geierwally, Anna Steiner-Knittel aus dem Lechtal und wie Mythen gebildet werden und dauern. Maria Ducia war Mitbegründerin der ersten sozialdemokratischen Frauenbewegung in Tirol und erste Sozialdemokratin im Tiroler Landtag. Vor ihrer Zeit war schon Margarete von Tirol als Landesfürstin Politikerin und lange danach auch die Feministin und Rechtsanwältin Andreina Emeri, mit deren Biografie nicht nur eine der engagiertesten Vertreterinnen des Südtiroler Feminismus gewürdigt wird, sondern die zeitgleich auch eine lebendige Beschreibung der Aufbruchstimmung in den 1970er und 1980er ist. Porträtiert wird auch Maria Theresia von Mörl, die Stigmatisierte, derentwegen einst in einem einzigen Sommer 40.000 PilgerInnen in Kaltern sich Wunder erwarteten, Paula Wiesinger, Kletterin, Bergsteigerin, Schirennläuferin und Gastronomin, Gastronomin auch Emma Hellenstainer, die berühmteste ihrer Zunft. Maria Fassnauer ist als die „Riesin von Tirol“ vielen ein Begriff, was in ihrer kurzen und tragischen Lebensgeschichte steckt, lohnt eine nähere Betrachtung. Claudia de’ Medici, besser behandelte Landesfürstin von Tirol als ihre Vorgängerin, Erika Giovanna Klien, Künstlerin und Kunstpädagogin aus der Valsugana, Helene Wastl, die erste habilitierte Medizinerin der Universität Wien, und Johanna Blum, immer noch erinnerte und beliebte Südtiroler Musikpädagogin – sie alle werden in dieser Publikation vorgestellt und ein Funke springt über – eine Ahnung von der Faszination und der Vielschichtigkeit der beschriebenen Frauen. Und Neugierde wächst, auf viele Geschichten, die noch nicht oder nicht mehr erzählt werden. Das nicht nur, um eigensinnige und tatkräftige Frauen zu würdigen, sondern auch um wieder mehr Bezug herstellen zu können zu diesem Lande und seinen Frauen, die manchmal auch Heldinnen sein können, aber nicht müssen und die trotzdem eine Bedeutung haben. Treibende Kraft hinter diesem Buch waren die Herausgeberinnen Heidi Hintner, Donatella Trevisan (Tanna) und Luise F. Pusch (Fembio), auf deren Fembio- Datenbank weitere Frauen-Geschichten nachzulesen sind. > Uli Spitaler

Das Leben könnte gut sein, Tagebücher 1933 bis 1942, Ruth Maier (Hg. Jan Erik Vold), Deutsche Verlagsanstalt, 2008, ISBN 978-3-421-04372-6

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Frauen der Grenze. Donne di frontiera, Studienverlag, Innsbruck, 2009, ISBN 978-3-7065-4645-4

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News

Ich bin, was ich bin Das neue Musical bei den Vereinigten Bühnen Bozen

„Bon soir! Bon soir!“ begrüßt George die Gäste seines Nachtclubs „La Cage aux Folles“. Zu sehen ist die weltberühmte Revue mit der einzigen und einmaligen Zaza sowie den berüchtigten und gefährlichen Cagelles: Ein Käfig voller Narren. Narren? Sind das nicht wunderschöne Damen, ähm, wunderschöne Herren? Oder beides? „Wir sind, was wir sind“, tönt der erste Song des Musicals und die Botschaft ist klar: Hier singen und tanzen Männer, die mit Mut und einer Menge Flitter herkömmliche Denkmuster über Mann und Frau verwerfen, mit ihrer Geschlechtsidentität ein aufregendes Spiel treiben. Und mitten drin Zaza – auf der Bühne strahlende Diva, zu Hause eifersüchtiger Lebenspartner, der aber verantwortungsbewusst in die Mutterrolle schlüpft, sich zwanzig Jahre lang fürsorglich um JeanMichel kümmert, den Sohn seines Partners George. „Zaza ist ein Travestiestar und ein Mann und kein Transvestit“, so Regisseur Peter Zeug. Es ist ihm wichtig, Klischees über Bord zu werfen,

den Fokus auf den inneren Konflikt der Hauptfigur Zaza/Albin zu legen. Denn sein Leben gleicht einer täglichen Zerreißprobe zwischen Glanz und Glamour, Unsicherheit und Selbstzweifel. Wegschminken, alles schön wegschminken, lautet Albins Lebensmaxime. Wenn das nur immer so tadellos funktionieren würde. Als Albin nämlich von seinem Ziehsohn eines Tages für eine Nacht ausquartiert werden soll, weil dieser seiner Braut eine integere Familie präsentieren möchte, ist es aus mit dem Wegschminken. Albin ist mit einem Mal unerwünscht, soll sich verstecken, darf allenfalls als Onkel Al auftreten. Moment mal! Greifen, wenn es darauf ankommt, unbarmherzig die gesellschaftlichen Konventionen? Bedeutet Familie am Ende Familie? Und wieso wird der Sohn plötzlich zum Spießer? Albin ist in seiner Würde verletzt und kann gleichzeitig nicht verstehen, warum Jean-Michel ein Mädchen liebt, kann nicht verstehen, warum er nicht das Beziehungsmuster seines Vaters wiederholt. Er will JeanMichel nicht loslassen, meint ihn durch die Verbindung mit einem Mädchen zu verlieren

und zischt beleidigt ab. Wirkliche Toleranz bringt er seinem Ziehsohn damit keineswegs entgegen. Vater George ist bereit zu kaschieren, die Wohnung von Boas und Federn „zu säubern“ und den seriösen Diplomaten aus dem Auswärtigen Amt zu spielen, alles, um den Moralvorstellungen der Brautfamilie zu entsprechen. Albin hat eine Antwort parat, sein Hauptsong stellt eine schöne Provokation dar: „Ich bin, was ich bin, / und was ich bin, ist ungewöhnlich. / 32

Komm, schau mich nur an, akzeptier dann / mich ganz persönlich. Ich lebe, und will mich dafür nicht genieren, lebe / und will keinen Augenblick verlieren. / Es hat keinen Sinn, / wenn man nicht sagt: Hey, Welt, / ich bin, was ich bin.“ Natürlich ist es nur ein Lied, und natürlich ist alles nur Bühnenshow, trotzdem kommt hier ein klares Statement für eine Lebensweise zum Ausdruck. Nicht hinter vorgehaltener Hand, nein, offen, klar und selbstverständlich. Das Musical „La Cage aux Folles“ feierte seinen Triumph 1983 am Broadway und war das erste Mainstream-Musical mit homosexuellem Liebespaar. Eine rasante und sehr aktuelle Aufführung ist derzeit am Londoner Playhouse zu sehen, 2010 wird das Musical erneut am Broadway gespielt. Kein Wunder! Denn Mitte Oktober 2009 fand in Washington eine Großdemo für Schwulenrechte statt. Nach Angaben der Organisatoren nahmen mehr als 150.000 Menschen an der Demo teil. „Gleiche Rechte überall in den USA“, hieß es auf der Banderole, die an der Spitze des Protestzuges entrollt wurde. Überall Regenbogen-Fahnen, Plakate mit Aufschriften „Gleiche Rechte jetzt!“ oder T-Shirts mit Slogans wie „Küss mehr Mädchen“ oder „Zwei Väter sind besser als einer“ – womit wir mitten drin wären in der Hauptthematik des Musicals „Ein Käfig voller Narren“. „Es gilt Emotionen zu wecken“, so Regisseur Peter Zeug, „Show und Flitter sollen in diesem Stück auch zu ihrem Recht kommen, aber nie das eigentliche Thema überdecken, sondern das Publikum im günstigsten Fall über Witz und Fantasie der Paradiesvögel und Protagonisten staunen und lachen machen“. Damit erhoffen sich die Vereinigten Bühnen Bozen einen Beitrag zu leisten für mehr Respekt, mehr Verständnis und Offenheit gegenüber Menschen, die anders leben als man selbst. > Ein Beitrag von Ina Tartler, Dramaturgin der Vereinigten Bühnen Bozen. vom 14. – 29. Mai 2010, Vereinigte Bühnen Bozen im Stadttheater Bozen. Tickets ab sofort: 0471 065 330 Vereinigte Bühnen Bozen 0471 053 800 Theaterkasse Stadttheater Bozen

Katholische Pius-Bruderschaft sorgt für Provokation und Empörung Einen Proteststurm löste im Jänner die Entscheidung von Papst Benedikt XVI. aus, die “Bruderschaft Pius X“ zu rehabilitieren und wieder in die Katholische Kirche aufzunehmen. Die Vereinigung gilt als äußerst konservativ und lehnt etwa Ökumene oder Religionsfreiheit ab. Auch Homosexualität wird verdammt. Bereits im Vorfeld hatte Pius-Bischof Richard Williamson für Aufsehen gesorgt, da er den Holocaust leugnete – ein Streit zwischen der Organisation und dem Vatikan war die Folge. Im Rahmen der Christopher Street DayVeranstaltungen kam es im Juni neuerlich zu Protesten, da deutsche Pius-Brüder in ihrem „Mitteilungsblatt“ zum Widerstand gegen Lesbenund Schwulen-Paraden aufgerufen hatten und dabei ihre Aktion mit dem katholischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus verglichen.

“profil“ die Umpolung von Homosexuellen propagiert. Auf die Frage, ob Homosexuelle behandelt werden sollen, erklärte Wagner: „Dafür gibt es genügend Beispiele, nur davon spricht man nicht.“ Außerdem würden „unmoralische“ Handlungen wie HomoVeranstaltungen Naturkatastrophen auslösen. Homosexuelle waren 2009 immer wieder Opfer katholischer Ausfälle: So erklärte der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen die Homo-Ehe für „abartig“. Der Salzburger Weihbischof Andreas Laun warnte vor der „Homosexualisierung der Gesellschaft“. Für den 66-Jährigen hätten Schwule „keinen Nutzen für die Allgemeinheit“. www.queer.de

www.queer.de

Auszeichnungen für „Milk“

Linzer Weihbischof in spe tritt nach schwulenfeindlichen Aussagen zurück Für heftige Kritik, zahlreiche Kirchenaustritte in Österreich und schließlich den Rückzug vom geplanten Bischofsamt sorgte im Februar Gerhard Maria Wagner. Der kurz davor von Papst Benedikt zum Linzer Weihbischof ernannte Priester hatte im österreichischen Nachrichtenmagazin

Gus Van Sants packendes Drama über den legendären amerikanischen Bürgerrechtler Harvey Milk ist im Februar mit zwei Oscars ausgezeichnet worden. Sean Penn bekam den Preis in der Kategorie „Bester Hauptdarsteller“. Für das „Beste Originaldrehbuch“ wurde Dustin Lance Black geehrt. Sean Penn hatte für seine herausragende Darstellung bereits im Jänner den „Critics Choice Award“ entgegengenommen. Die Figur, die der US-Schauspieler in dem Film spielt, hat es wirklich gegeben: Harvey Milk war in den 1970er Jahren Stadtrat von San Francisco und Bürgerrechtler, der 33

sich mit Leidenschaft für die Rechte von Homosexuellen einsetzte. Doch er war nicht überall gern gesehen: 1978 fiel er im Alter von 48 Jahren einer Gewalttat tödlich zum Opfer. Der Täter: ein konservativ-religiöser Konkurrent im Stadtrat. Der Film ist auf DVD und Bluray erhältlich. gay-web.de

“Luca era gay” – Polemica al Festival di San Remo Al Festival di San Remo, si sa, non sono mai mancate le polemiche. Quest’anno si sono tinte con i colori dell‘ arcobaleno. Povia, già vincitore del Festival della canzone italiana nel 2005, ha proposto una canzone il cui titolo già preannunciava chiaramente contenuto e finalità. “Luca era gay” racconta la storia di un ragazzo che, cresciuto in una situazione familiare difficile, si scopre gay. Dopo un rapporto morboso ed infelice con un uomo più grande trova la vera felicità con una donna. Nonostante la canzone reciti “non c’è malattia, non c’è guarigione” la comunità omosessuale ha riconosciuto nel testo della canzone le cosiddette “terapie riparative” di Joseph Nicolosi, cattolico integralista USA, le cui tesi sull’omosessualità sono state ampliamente confutate dalla comunità scientifica mondiale. Inoltre il titolo sarebbe un riferimento a Luca Tolve, l’ex-gay più famoso d’Italia che ha dichiarato di essere “guarito” proprio grazie alle teorie di Nicolosi. Povia si è difeso affermando che la canzone racconta una storia sentita in treno e che il titolo originariamente doveva essere diverso, ovvero “Un altro uomo”. L’Arcigay, dopo aver vanamente preteso l’esclusione della canzone dal Festival, ha organizzato nella “Città dei fiori” una manifestazione con lo slogan “Se m’innamoro”, titolo di una famosa canzone dei Ricchi e Poveri. Una protesta che alla fine è servita solo a fare ulteriore pubblicità alla canzone di Povia che non a caso è riuscita ad arrivare seconda nella finale di San Remo.


Bischof Karl Golser für rechtlichen Schutz gleichgeschlechtlicher Paare Der Bischof der Diözese Bozen-Brixen Karl Golser hat sich im März in einem Interview mit der Monatszeitschrift „Jesus“ für den „rechtlichen Schutz gleichgeschlechtlicher Paare“ ausgesprochen. Die Begründung lässt aufhorchen: Die Liebe äußert sich in unterschiedlichen Formen. Allerdings bestehe ein Unterschied zwischen der Liebe zwischen Mann und Frau, aus der Kinder hervorgehen können, und jener zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren, weshalb die Eheschließung zwischen homosexuellen Paaren weiterhin verboten bleiben solle. Rechtlicher Schutz sei jedoch zu gewähren und zwar bei Erbfragen, Patientenbesuchen und dergleichen mehr. Seine Forderung stützte Golser im Interview auf das Naturgesetz aus der Sicht der Kirche. „Wir beziehen uns darin auf die Natur des Menschen. Damit ist nicht die evolutionäre, biologische oder medizinische Natur gemeint, sondern der Mensch an sich, sein Anspruch als freie Person wahrgenommen zu werden, die unveräußerliche Rechte genießt.“

in Bulgarien, Estland, Lettland, Polen und Rumänien zum Teil verboten oder von den Behörden erheblich erschwert worden. Laut Agentur ist die Homophobie jedoch in der gesamten Europäischen Union ein Problem. So sei es beispielsweise auch in den älteren EU-Mitgliedsländern wie Italien und Schweden zu schwulenfeindlichen Übergriffen gekommen. In Italien würden schwule und bisexuelle Männer vor allem in der Öffentlichkeit Opfer von Übergriffen werden, während lesbische oder bisexuelle Frauen Gewalt vor allem im häuslichen oder privaten Bereich erlebten. Der EUBericht kritisiert auch die italienische Rechtslage, nach der Verbrechen oder Hassreden mit schwulem Hintergrund nicht geahndet werden könnten. Dazu zähle auch das in Schulen immer öfter praktizierte „Bullying“. www.queernews.at fra.europa.eu

Schweden öffnet die Ehe Seit 1. Juni dürfen gleichgeschlechtliche Paare heiraten. Ende März hatten 261 von 283 Parlamentsabgeordneten in Stockholm einen entsprechenden Gesetzentwurf gutgeheißen. Schweden ist nach den Niederlanden, Belgien, Spanien, Kanada, Südafrika und Norwegen sowie einigen USamerikanischen Staaten das nächste Land, das Schwule und Lesben im Eherecht gleich behandelt wie Heterosexuelle.

www.sueddeutsche.de

Crescita dei favorevoli a una regolazione legislativa delle coppie omosessuali Due gay fanno una famiglia? Secondo un sondaggio della Demos pubblicato in Agosto sul quotidiano „Il Trentino“ nel Nordest, uno su quattro dice di sì, ma la percentuale sale se si analizzano solo i dati del Trentino. Al matrimonio tra gay risulta essere favorevole il 33% del campione trentino (uno su tre, dunque) rispetto al 31,3% registrato nel Nordest. Ormai, si è quasi ad un terzo della popolazione del Nordest che la pensa così, con una variazione rispetto al 2006 di quasi 5 punti percentuali. Incremento significativo, se si considera che in questo partito dei favorevoli si trovano soprattutto le nuove generazioni, che mostrano di essere più aperte nei confronti della questione del matrimonio gay. www.notiziegay.com

Matrimony gay: Due coppie di Trento si rivolgono alla Corte Costituzionale

www.queer.de

www.stol.it

EU: Homophobie bleibt ein Problem Ein Ende März von der EUGrundrechteagentur verfasster Bericht zu Homophobie macht es deutlich: Homosexuelle sind in vielen Ländern der Europäischen Union immer noch Diskriminierungen, Beleidigungen und gewaltsamen Übergriffen ausgesetzt. Vor allem in Osteuropa sei es in den vergangenen fünf Jahren zu gewaltsamen Attacken auf öffentlichen Kundgebungen von Schwulen und Lesben gekommen, heißt es. Paraden wie der „Christopher Street Day” seien

Menschen getötet und 15 verletzt. Nach Angaben von Polizei und Überlebenden des Blutbades war der Mörder in den Raum der schwullesbischen Vereinigung „Aguda“ eingedrungen und hatte ohne Vorwarnung geschossen. Samstagabends treffen sich in dem Club regelmäßig junge Homosexuelle aus allen Teilen Israels, spielen Karten oder Schach, reden und hören Musik.

Israel: Anschlag auf HomosexuellenZentrum Ein ganz in schwarz gekleideter und mit einer Skimaske getarnter Unbekannter hat Ende Juli in einem Jugendclub in Tel Aviv mit einem Schnellfeuergewehr zwei 34

Si torna a parlare di diritti delle coppie omosessuali. Considerate “fondate le ragioni delle coppie gay” che chiedono di accedere all’istituto del matrimonio, la Corte d’Appello di Trento ha deciso il rinvio alla Corte Costituzionale. Due coppie gay di Trento, una composta da due donne e l’altra da due uomini, si erano viste negare dal Comune di Trento le pubblicazioni matrimoniali. Proprio per questo avevano fatto ricorso al Tribunale. Il giudice di primo grado aveva dato un parere negativo, ma l’avvocato, a luglio, aveva presentato ricorso davanti alla Corte d’Appello di Trento. La memoria difensiva era incentrata sul fatto che il matrimonio civile deve essere un diritto garantito a tutti i cittadini, indipendentemente dal loro orientamento sessuale. Dopo

il tribunale di Venezia anche la Corte D‘Appello di Trento considera fondate le ragioni delle coppie gay che chiedono di accedere all’istituto del matrimonio e per questo ha deciso il rinvio alla Corte Costituzionale. “Consideriamo questo passo una grande vittoria per tutto il movimento lgbt italiano”, commenta Sergio Rovasio, segretario dell’associazione radicale Certi Diritti, spiegando che sono quasi 30 le coppie gay che hanno aderito alla battaglia.

ragazzi gay come quello di un 26enne pestato a sangue da due uomini a settembre nel centro di Firenze o atti intimidatori contro luoghi e locali frequentati dalle comunità omosessuali, come il Qube di Roma, che a fine agosto è stato preso di mira da ignoti che hanno rotto i vetri dell‘entrata e appiccato il fuoco all‘interno del locale. Le fiaccolate tenute a settembre in varie città italiane a cui hanno partecipato migliaia di cittadini erano una risposta contro ogni forma di violenza e contro l‘omofobia e la transfobia.

trentinocorrierealpi.gelocal.it

Caster Semenya – Ausnahmeathletin

Großbritannien entschuldigt sich posthum für die Diskriminierung von Alan Turing Premierminister Gordon Brown hat sich offiziell für die Verfolgung Alan Turings vor über 50 Jahren entschuldigt und eingeräumt, dass absolut ungerecht mit ihm umgegangen worden sei. Der Entschuldigung vorausgegangen war eine Online-Petition, in der über 30.000 Menschen eine posthume Begnadigung des Mathematikers verlangt hatten. Alan Turing (1912-1954) gilt bis heute als einer der wichtigsten Vorreiter des modernen Computerzeitalters. Mit seiner Beschreibung einer universellen Maschine hatte der britische Erfinder eine der Grundlagen für die Computertechnik geschaffen. Außerdem war er im Zweiten Weltkrieg maßgeblich daran beteiligt, den von der deutschen Armee verwendeten Enigma-Code zu brechen. Nichtsdestotrotz war Alan Turing wegen seiner Homosexualität verfolgt worden. Turing war infolge der Ermittlungen rund um eine homosexuelle Affäre – damals noch als „grobe Unzucht und Perversion“ angesehen – vor die Wahl gestellt worden, ins Gefängnis zu gehen oder sich psychiatrisch mithilfe von Hormonspritzen behandeln zu lassen. Er entschied sich für letzteres. Nach monatelangen Depressionen soll sich Turing das Leben genommen haben.

keine

In Berlin feierte sie dieses Jahr ihr WMGold in 800 Meter. Doch die Freude bei Caster Semenya währte nur kurz. Die südafrikanische Läuferin musste sich einer medialen und sportmedizinischen Hetzkampagne ausliefern. Der erstaunliche Drei-Sekunden-Vorsprung beim Lauf, ihr muskulöser Körper, ihre tiefe Stimme und die kaum vorhandene Oberweite hatten den zweifelnden Weltverband IAAF veranlasst, die 18jährige Athletin einem Geschlechtstest zu unterziehen. Dem Testergebnis nach sei Caster Semenya ein Hermaphrodit (Mensch mit männlichen und weiblichen Geschlechtsorganen). Sie habe einen dreifach höheren TestosteronWert als üblich, außerdem keine Gebärmutter und Eierstöcke, dafür aber innenliegende Hoden. Inwieweit dies zu einer Aberkennung ihres WM-Titels führt, war bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Fest steht, dass der Fall Semenya wieder einmal gezeigt hat, wie schwer sich die Öffentlichkeit im Umgang mit Intersexualität tut und wie unsensibel auf diese Thematik reagiert wird. Bereits in der Vergangenheit hatten dies ähnliche Fälle gezeigt, wie etwa 1966 jener der SkiAbfahrtsweltmeisterin Erika Schinegger. Bei der Österreicherin wurde später festgestellt, dass sie eigentlich ein Mann ist, denn ihre Geschlechtsteile waren nach innen gewachsen. Sie ließ sich operieren, nannte sich fortan Erik und ist mittlerweile Vater einer Tochter. derstandard.at

Fiaccolate contro la violenza omofobica Nel 2009 sono stati registrati numerosi episodi di intolleranza omofoba, espressa con aggressioni fisiche a 35

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Slowenien plant Adoptionsrecht für Homosexuelle In Slowenien sollen homosexuelle Paare künftig heiraten und auch Kinder adoptieren können. Dies sieht ein Entwurf des neuen Familiengesetzbuches vor, mit dem sich die Mitte-LinksRegierung vorgenommen hat, homound heterosexuelle Partnerschaften vollständig gleichzustellen. Seit 2006 können Homosexuelle zwar bereits eingetragene Partnerschaften eingehen, doch die Partner haben nicht die gleichen Rechte wie Ehepaare. Der slowenische Staat wolle nun laut Familienminister Svetlik „allen Bürgern gleiche Rechte und eine Gleichstellung ungeachtet der sexuellen Orientierung geben“. Justizminister Zalar fügt in einem Internet-Kommentar hinzu: „Das Familiengesetzbuch schafft die verfehlte Auffassung ab, dass sich Kinder nur in einer ’normalen’ heterosexuellen Familie entwickeln können...Aus wissenschaftlichen Erkenntnissen geht hervor, dass Homosexualität weder eine Sünde noch eine Geistesstörung oder eine erlernte Pathologie ist. Damit endet die Periode des Heterosexismus in unserem Familienrecht.“ > Stefan Windegger


Anno 2059 Die Welt ist wärmer geworden Ich schreibe das Jahr 2059. Die Prognosen der letzten 50 Jahre haben sich bestätigt: Das Erdklima ist durch die sich stark verändernden Umweltbedingungen um 1°C gestiegen und damit wärmer geworden. Die Auswirkungen zeigen sich nicht nur in der erhöhten Klimatemperatur, sondern auch in der Zuneigung für Lesben und Schwule. Die allgemeine Bevölkerung kann die warmen Brüder und Schwestern jetzt besser verstehen und ins Herz schließen. Homosexualität ist keine Besonderheit mehr, sondern nur eine der vielen Facetten des Lebens. Begonnen hat es um 2010, als sich immer mehr Menschen aus Politik und öffentlichem Leben outeten. Schwul oder lesbisch sein wurde „IN“. Die Grenzen innerhalb Europas haben sind gefallen. Es gibt kein Tirol mehr und kein Italien, Deutschland oder Frankreich, keine Schweiz … Es gibt jetzt nur noch EIN Europa. Alle sprechen perfekt englisch und tschechisch und verstehen, was die anderen meinen. Vor 50 Jahren war es noch ganz schlimm! Die Verständigung in unterschiedlichen Sprachen führte oft zu lustigen Vorkommnissen, bei denen mann und frau manchmal mit Händen und Füßen redete und es wurde oft viel gelacht. Das war lustig. Schlimm war es v.a. auf der öffentlich-politischen Ebene. Alle haben miteinander diskutiert und niemand hat verstanden, was der oder die andere jeweils meinte. Es kam immer zu Missverständnissen und dann musste das Gesagte wieder relativiert und in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Und das obwohl schon längst ganz andere Züge ab- und drübergefahren sind! Mittlerweile haben dann jene, die etwas sagten, aber falsch verstanden wurden, bereits vergessen, was sie

eigentlich sagten. Es ging ja immer alles so schnell und war so komplex, damals vor 50 Jahren. Kurzum, jetzt gibt es nur mehr direkte Kommunikation. Alle Europäer/innen beherrschen dieselben Kommunikationsregeln und müssen sich nicht mehr vor Anderen oder dem Fremden fürchten. Wir müssen uns auch gar nicht mehr anschauen beim Reden, denn es geht alles telepathisch. Alle Strahlen vom kabellosen Telefon und Handy und Sendestationen, die es früher gab. Heute sind sie alle weg! Das konnte ja nicht so weitergehen! haupttreffpunkt heute ist das Internet. Dort findet sich alles und alle können sich jederzeit mit allen austauschen, können sich treffen mit wem und wann sie wollen. Dort gibt es noch weniger Grenzen, einschränkend sind nur noch die im eigenen Kopf. Der einzige Nachteil: es ist nie ganz klar, ob die Wahrheit geschrieben wird, da es am Computerbildschirm kein ein reales Gegenüber gibt. Das kann schon manchmal ein Nachteil sein, vor allem wenn sich jemand wirklich verliebt und sich auf jemanden einlassen möchte und sich dann herausstellt, dass die andere Person eine ganz andere ist, als bisher angenommen! Trotzdem ist es aber schön, da es im Internet kein Alter gibt. Alle können reinschauen und mitreden! Es ist zu jeder Zeit möglich, sich zu updaten und alle lesbisch, schwul, transgender und bi-Infos sind sofort verfügbar. In Südtirol gibt es viele niveauvolle Veranstaltungen und interessante Menschen aus ganz Europa kommen hierher. Es gibt nämlich Autos, mit denen wir fliegen können, und so sind Distanzen überhaupt kein Thema mehr. Buchläden gibt es keine mehr, sondern lediglich Maschinen, in

die die Nummer eines Buches und die Kreditkarte eingegeben wird. Innerhalb kürzester Zeit kommt ein gebundenes Buch mit Cover heraus. Der BestSeller ist seit 30 Jahren das Centaurus Magazin. Alle Infos sind digitalisiert und so auch in Kürze und in aller Präzision abzurufen. Es kann sich auch gar niemand mehr vorstellen, wie es sich anfühlt, genüsslich in einem Café zu sitzen und eine Zeitung zu durchstöbern mit Capuccino und Schokoladebrioche. Heutzutage wird que(e)r gelesen und die wichtigsten Daten werden in das Blackberry mit externem Speicher übertragen. Schön ist auch, dass wir keine Held/innen mehr haben. Sie sind ausgestorben in den letzten 50 Jahren. Es ist bewiesen, dass sie nur eine Erfindung waren, Menschen zu leiten und zu lenken. Heutzutage sind wir sind selbst die tollsten Heldinnen und Helden. Und das jeden Tag aufs Neue. Es wird keine „große“ Politik mehr gemacht, sondern jede/r schaut selbstverantwortlich für sich. Das funktioniert bestens! Nicht weil wir das eigene EGO befriedigen, sondern weil alle sowohl die eigenen als auch die Grenzen der anderen respektieren. Die Folge ist, niemand braucht mehr andere und so können alle selbst entscheiden, worauf sie sich einlassen. Alle sind in erster Linie glücklich mit sich selbst. Alles ist super durchorganisiert! Der Einkauf per Computer – strahlenfrei natürlich – Sex mit dem Computer oder mit sich selbst – Arbeiten braucht niemand mehr. Bei physischen Funktionsschäden werden die Gene ausgetauscht, und alles ist wieder perfekt. Am Morgen werden wir von einer freundlichen Stimme geweckt,

die wir je nach Laune aussuchen und es tönt sofort die aktuelle Lieblingsmusik, der Kaffee wird automatisch gekocht und der Geruch lockt uns aus dem Bett. Vor dem Fenster wechseln die Aussichten: heute Strand und Palmen, morgen das Hochland von Tibet. Übermorgen eine wunderschöne Blumenwiese mit schroffen Bergen und blauem Himmel, dann ein Liebespaar… Unser/e Roboter/ in hat schon herausgelegt, was wir heute anziehen werden. Wir waschen uns noch selber, am Frühstückstisch hören wir die neuesten Nachrichten, und wenn wir aus dem Haus gehen startet der vorprogrammierte Staubsauger, die Blumen werden gegossen und der Boden gewischt. Wir setzen uns in unser Flugauto, geben Zielort München ein und schon geht’s los. Wir treffen uns dort mit der Traumfrau bzw. dem Traummanntreffen gemütlich zur Weißwurst mit Weißbier. Die Weißwurst ist natürlich so verarbeitet, dass sie perfekt auf unseren persönlichen Stoffwechsel abgestimmt ist. Wir essen natürlich nichts Ungesundes mehr! Männer braucht es nicht mehr für die Spermaproduktion und die Entstehung neuen Lebens. Sorry! Frauen werden von Frauen schwanger. Humangenetikern ist es nämlich gelungen, künstliches Sperma aus weiblichen Stammzellen herzu-stellen. Allerdings können jetzt auch Männer Kinder austragen. Endlich! Die Medizin hat in diesem Bereich sehr große Fortschritte gemacht. Wenn wir daran denken, dass vor 50 Jahren eine Geschlechtsumwandlung ein Risiko und sogar verpönt war! Allerdings ist es auch heute noch schwierig, eine Geschlechtsumwandlung rückgängig zu machen. Es hat sich gezeigt, dass besonders schwule Männer supertolle

Papis sind und ihre Kinder mit unermesslicher Liebe und Fürsorge großziehen. Oft werden die Kinder auch in größeren Gemeinschaften mit viel Sport und Einfachheit großgezogen. Bewegung ist immer noch gesund! Dafür haben Frauen mehr Zeit, sich zu treffen und sich um die gesellschaftliche und technische Entwicklung zu kümmern. Hier hat sich gezeigt, dass vor allem lesbische Frauen ein gutes Händchen dafür haben. Diese Änderungen haben die Geburtenrate wieder stark ansteigen lassen. Männer und Frauen haben einen Riesenspaß mit ihren neuen Aufgaben. Was auch zu verzeichnen ist: einstmals typisch männliche bzw. weibliche Verhaltensmuster sind aufgebrochen. Frauen können mittlerweile perfekt parken(in der Luft ist mehr Platz) und Männer Windeln wechseln (dafür wurde eine Maschine entwickelt). Die Gesellschaft allgemein hat sich wesentlich verändert. Der starke Indivi dualisierungsprozess hat dazu geführt, dass jetzt alle möglichen Lebensformen möglich sind: in Beziehung lebend, aber nicht verheiratet. In größeren Gemeinschaften organisiert mit dem Ziel, Kinder in Arbeitsteilung gemeinsam großzuziehen oder es einfach fein zu haben miteinander. In Singlehaushalten, mit der totalen Entscheidungsfreiheit, zu begegnen und sich auszutauschen, wann und mit wem man/frau will. Weiblein mit Weiblein, Männlein mit Männlein, beides mit beidem, oder auch zu mehreren. Die Vertreter der Institution Kirche sind ausgestorben und die totalitären Ministerpräsident/ innen haben ausgedient. Die menschenverachtende Moral und der grenzenlose Konkurrenzkampf wurden

von einem positiven Realismus abgelöst. Es ist nicht mehr möglich, Menschen für dumm zu verkaufen. Die Folge ist eine große Freiheit für alle. Die Menschen heutzutage haben ihre Gefühle im Griff und alle kehren vor der eigenen Haustüre. Deshalb ist es auch so sauber geworden. Nach außen und vor allem nach Innen. Diese Entwicklung spart unheimlich viel Energie und hat das Leben wieder verlangsamt. Das Streben nach materialistischen Werten und der ständige Kampf um Anerkennung haben endlich ein Ende gefunden. Erfülltes „Leben im Hier & Jetzt“ ist zur Realität geworden. Ob es in 50 Jahren so sein wird, das weiß ich nicht. Aber freuen würde es mich, wenn wir endlich friedlich zusammenleben könnten, alle so wie wir sind, wenn wir Beziehungen eingehen könnten, die gegenseitig stärken und weiterbringen, wenn alle Menschen gleichwertig und als Bereicherung für die Welt gesehen werden könnten, wenn wir glücklich und beruhigt das eigene Leben leben könnten, ohne Existenzängste aushalten zu müssen, wenn wir die Schönheit unserer Erde wieder achten und schätzen könnten und vor allem, wenn wir uns selbst uneingeschränkt akzeptieren könnten und damit nicht mehr andere bekämpfen müssen. > Helene Roschatt

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