Mutige Feiglinge - Leseprobe

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MUTIGE FEIGLINGE Autorin

Tatjana Stucki

Verlag art of arts ® - www.artofarts.de


- 3Die Rechte an den veröffentlichten Texten liegen bei der Autorin Tatjana Stucki. Vervielfältigungen zum Zwecke der Veröffentlichung – Publikationsrechte liegen beim Verlag art of arts. Alle Rechte vorbehalten. Verwendung zum Zwecke der Weiterveröffentlichung darf nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung des Verlages und des Einverständnisses der Autorin erfolgen. Der Verlag sowie die Autorin übernehmen keine Haftung bei unsachgemäßer Verwendung und Verbreitung und den eventuell daraus entstehenden Folgeschäden. Für Druckfehler keine Gewähr. Nachdruck oder Vervielfältigung ist nur mit Genehmigung des Verlages gestattet, die Verwendung oder Verbreitung unautorisierter Dritter in allen anderen Medien ist untersagt. Die jeweiligen Textrechte verbleiben bei der publizierenden Autorin, deren Einverständnis zur Veröffentlichung vorliegt. Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek. Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie – detaillierte bibliografische Daten im Internet abrufbar über http://dnb.ddb.de Original-eBook

Erstausgabe 2018

ISBN 978-3-86483-071-6 Herausgebender Verlag: art of arts ® Inh. Silvia J.B. Bartl, 95168 Marktleuthen Satz, Layout, Gestaltung, Illustration, Cover Design: art of formation - Silvia J.B. Bartl Titelbild: Jessica (www.jessicajorgensenart.com) Autorin Tatjana Stucki Künstler: Claire:(IG: etoileclaire) Nadine:(IG: kalepipe) Lea:(IG: lamelch) Daria: (www.daria-miller.com) Annika: (IG: annika_linnea_) Kayla:(IG: tea_mice) Ayelet:(IG: ayeleteder) Azul: (IG: azulportillo) Jartline: (IG: jartline) Fotos: Tatjana: (www.bloomingveins.com) Druck und Bindung: inPrint GmbH - published & created in Germany Den nebenstehend abgebildeten QR-Code einfach mit dem mobilen Gerät einscannen und schon verfügt man über Infos zu diesem Buch, wie Buchtitel, Buchseiten, Autor/en, ISBN Nummer, herausgebender Verlag und Buchhandelspreis. QR-Code auch zum Weitergeben für Interessierte geeignet. Nichts mehr merken oder notieren, sondern sofort über die Infos verfügen und auf dem mobilen Gerät dabei haben.


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Ich stellte seufzend das dreckige Geschirr auf die Spüle. Die befleckten Tassen, mit eingetrockneten Zuckerresten, ließen einen unangenehmen Geruch durch das leere Café steigen. „Ich hasse mein Leben!“, rief Hannah gähnend zu mir rüber und warf ihr Handtuch auf die Theke. „Dieser Job bringt mich noch um.“ Sie lehnte sich mürrisch an das Spülbecken und schaute mir beim Aufräumen zu. „Warum schmeißt du es dann nicht einfach hin, anstatt dich jeden Abend zu beklagen?“, fragte ich gelangweilt. „Weil ich mich gerne beklage, deswegen.“, antwortete sie und zog ihre Schürze aus. „Oder liebst du es etwa so sehr, undankbaren Menschen unseren hässlichen Kaffee zu servieren?“ Ich schüttelte den Kopf und schlenderte zur Eingangstür, um das Geöffnet-Schild umzudrehen. „Ja total!“, sagte ich schließlich. „Und der Kaffee ist wirklich hässlich.“ „Also, warum schmeißt du dann nicht hin?“ Ich schaute zu ihr rüber und verdrehte die Augen. „Weil Geld noch nicht auf Bäumen wächst.“ Sie lachte. „Ann, du arbeitest jetzt schon seit bald zwei Jahren hier.“ „Und du seit sechs.“, entgegnete ich


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schlagfertig und fuhr mit einem angefeuchteten Lappen über die Tische. „Du könntest in eine andere Stadt ziehen, dir einen anständigen Job suchen und erfolgreiche Bücher schreiben, anstatt hier zu versauern.“ „Ich versauere nicht.“ Hannah kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. „Wie beschreibst du es denn? Dein Leben leben?“ Ich legte den Lappen hin. „Ich kann hier nicht weg, ok?“ Der warme Abendwind wehte sanft durch meine ungewaschenen Haare, und es lief mir ein kalter Schauer über den Rücken, als ich unter der verlassenen Bushaltestelle stand. Nein, ich konnte hier nicht weg. Ich hatte mir Metallketten um den Hals gelegt, ohne es zu wollen. Sie waren in den kalten Boden einbetoniert und jedes Mal, wenn ich mich aufrichten wollte, zwängten sie mich wieder in die Knie. Es ist nicht so, dass ich nichts mehr von meinem Leben erwarte. Ich war vielleicht nur nicht für ein anderes Leben geschaffen, versteht ihr? Ich war nicht mehr dieselbe wie vor zwei Jahren. Ich rette niemanden mehr. Ich glaubte, vieles im Griff gehabt zu haben und musste schließlich erfahren, dass ich überhaupt nichts im Griff hatte. Ansonsten würde ich mich doch nicht so fühlen, wie ich mich jetzt fühle, oder? Das machte mir keine Angst, es war auch nicht


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unangenehm oder schlecht. Aber es machte mich einfach nicht glücklich, das war alles. Ich konnte das Glücklichsein nicht finden, da ich es nie gelernt hatte, und ich denke schon, dass man das lernen musste. Der Einzige, der es mir hätte beibringen können, hatte es absichtlich vergessen … und hier war ich nun. Das Leben ging weiter … und ich bin stehen geblieben. Schon wieder. Ich bleibe ständig stehen, wenn ich verlassen werde. Es ist ein Schubsen, ein Zurückdrängen, ein Wegdrücken, und es schmerzte jedes verfluchte Mal wie die Hölle. Und trotzdem tat ich es immer wieder, wie dumm kann man sein, verdammt. Du stellst das Glücklichsein eines anderen über dein eigenes … und am Ende sind beide verloren. Daher wusste ich auch gar nicht mehr, ob ich es wirklich lernen wollte: glücklich zu sein. Das Leben spielt unfair, und du kannst nichts dagegen tun. Du kannst nur zusehen, aushalten. Ein kleiner, kalter Regentropfen fiel auf meinen Handrücken, und ich zuckte kurz zusammen. Ich muss nicht gerettet werden. Ich bin der Held in dieser Geschichte, nicht wahr? „Ann?“ Ich öffnete meine Augen und hob meinen Kopf. Die Regentropfen klopften auf das undichte Vordach der Bushaltestelle, ein Auto fuhr vorbei, und die Straßenlaterne vor mir flackerte unkontrolliert vor sich hin. Ich schluckte leer, Schritte kamen auf mich


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zu. Sie klangen laut in meinen Ohren, fast schon unerträglich. Ich hatte ihn schon lange nicht mehr gehört, meinen Namen. Das Gesicht, in welches ich kurz darauf blickte, zauberte mir aber sofort ein Lächeln auf die Lippen. Marc nahm mich auf der Stelle in den Arm. „Lange her.“, murmelte er und ich drückte ihn an mich. „Zwei Jahre, um genau zu sein.“ Der Regen hörte sich an wie eine vertraute Melodie, die ich damals ständig vor mich hin summte. Marc konnte mich nach ein paar Minuten schließlich zu einem Drink überreden. Einen Drink in unserer alten Stammbar mit den ausgeleierten Lederbänken und den befleckten Getränkekarten auf den knarrenden Holztischen. „Wie geht es dir?“, fragte er neugierig und reichte mir mein Bier. Ich nickte und nahm einen großen Schluck. Marc brauchte keine Gegenfragen, sein Leben verlief immer strukturiert. „Unglaublich.“, seufzte er. „Was denn?“ „Na, die Bar.“ Er streckte sich einmal kräftig durch. „Hier hat sich in den letzten zwei Jahren echt nichts verändert.“ „Es hat sich allgemein nichts verändert.“


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„Sag das nicht.“ Ich wich seinem vorwurfsvollen Blick aus und starrte in mein Glas. „Es verändert sich ständig alles, jede Sekunde.“ „In deiner Welt vielleicht.“, antwortete ich und lächelte erzwungen. Marc grinste. „Stell dir vor, wir leben zufälligerweise in derselben.“ Ich verdrehte die Augen, da mir die Stimmung zu ernst wurde und wechselte das Thema. „Wie läuft es mit deinem Studium? Darfst du schon mit Spritzen um dich werfen?“ Er schüttelte den Kopf. „Hm, immer noch Verbandskasten und Fiebermesser?“, witzelte ich weiter, ohne seine versteinerte Miene zu bemerken.

Ich war, ehrlich gesagt,

auch ziemlich in Trinklaune, mein Fehler. „Ich studiere nicht mehr.“ Daraufhin verschluckte ich mich an meinem Bier und Marc klopfte mir ein paar Mal auf den Rücken. „Geht’s wieder?“ „Jaja, alles gut.“, sagte ich und winkte ab. „Dein Kopf ist ganz rot.“ Ich verpasste ihm einen leichten Tritt ins Schienbein und er lachte laut. „Was willst du damit sagen, du studierst nicht mehr?“, fragte ich erschüttert.


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„Na genau das. Ich studiere nicht mehr.“ Ich atmete tief ein und knallte mein leeres Bierglas auf die nicht mehr so stabile Tischplatte. „Verarsch‘ mich nicht!“ „Ich habe nach drei Monaten hingeschmissen.“ Als ich nicht antwortete, beugte er sich vorsichtig zu mir. „Du hast recht, Ann.“ Ich zuckte kurz zusammen. „Ähm, recht womit? Dass du bescheuert bist?“, kreischte ich aufgewühlt. Er hielt mich an den Schultern fest und sah mir tief in die Augen.

„Es hat sich wirklich nichts verändert.“

Veränderung. Was ist das überhaupt? Ein Haarschnitt? Eine Entscheidung? Ein Getränk? Man sieht es manchmal, aber weiß nicht, ob es echt ist. Man hört es manchmal, aber weiß nicht, ob es wahr ist. Man spürt es manchmal, aber weiß nicht, ob es richtig ist. Marc ist echt, er sitzt gerade vor mir. Das gleiche Lächeln, die gleichen Augen und trotzdem. Trotzdem ist es anders, wenn ich ihn ansehe. Seine


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Stimme klingt vertraut und dennoch habe ich das Gefühl, sie zum ersten Mal zu hören. Es ist beängstigend und irgendwie auch ein bisschen grausam. Ich beobachtete, wie er seine Hände in die Luft warf und fing an zu lachen. Seine Augenbrauen bewegten sich immer so lustig, wenn er etwas erklärte. Ok, Klartext. Ich wollte gar nicht wissen, warum er sein Studium abgebrochen hatte. Es fühlt sich nie gut an, aufgegeben zu haben. Ich weiß, wovon ich spreche. Er würde meine Frage also niemals ehrlich beantworten, egal wie oft ich sie stellen würde. Das Schlimme daran war, dass ich ihm so oder so nicht zugehört hätte. Ich wäre ja sowieso keine Hilfe, war es nie und werde es vermutlich auch nie sein. Warum sollte ich in meiner Position urteilen dürfen? Aber anstatt mich deswegen mies zu fühlen, beruhigte es mich. Nein, ich war sogar erleichtert, dass ich und meine Gedanken keine Rolle spielten. Was wahrscheinlich daran lag, dass ich schon einmal die falsche Rolle spielen musste - ohne es zu wissen. Ich nahm eine Rolle an, die nicht für mich bestimmt war, und das durfte mir nicht noch mal passieren. Ich griff nach seiner Hand. „Was machst du hier?“, fragte ich ernst. „Dasselbe könnte ich dich fragen.“, antwortete er nüchtern und verlangte die Bedienung. Marc war mein bester Freund, ist mein bester Freund, wird mein bester Freund. Ich wusste damals


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ganz genau, wer er für mich war, und es war dumm zu glauben, dass ich das nach zwei Jahren immer noch wissen würde. Wahrscheinlich ging es ihm bei mir genauso. Er hielt mir die klebrige Eingangstür auf. „Oh, es hat aufgehört.“, sagte ich überrascht, als ich den wolkenlosen Himmel über mir entdeckte. „Ann?“ „Hm?“ Ich streifte die Haare aus dem Kragen meines kratzigen Pullovers und zog meine Tasche hoch. „Warum bist du hier geblieben?“ Ich lächelte. „Warum bist du fortgegangen?“ „Können wir mal mit diesen bescheuerten Gegenfragen aufhören?“, seufzte er ungeduldig und ich musste erneut lächeln. „Kannst du sie hören?“ „Was denn?“ Ich streckte meine Arme empor. „Die Ruhe?“ Die Straßen schienen so viel größer, wenn keine Autos darauf fuhren. Die Gebäude schienen so viel höher, wenn keine Menschen vor ihnen standen. Es roch nach feuchtem Boden, nach nassem Gras. Ich spürte einen bitteren Geschmack auf meiner Zunge, als hätte ich Benzin auf den Lippen. Dieser eigenarti-


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ge Menschengeruch stieg in die Luft und verdampfte langsam über unseren Köpfen. „Wie kann man sich an einem Ort voller Erinnerungen, bloß so fremd fühlen?“, murmelte ich in Gedanken versunken vor mich hin. Marc legte seinen Arm über meine Schulter. „Bist du deswegen geblieben? Wegen der Erinnerungen?“ Ich schüttelte abwesend den Kopf. „Nein, ich glaube nicht.“ „Sondern?“ Ich drehte mich zu ihm. „Ich denke, ich wollte mich einfach wieder fremd fühlen.“ Ich bin geblieben, weil ich auf jemanden gewartet habe. Ich habe gewartet, weil an diesem einen Tag meine ganze Welt zum Stehen kam. Ich dachte, wenn ich einfach hier bleibe, würde ich mich nicht noch mehr verlieren. Wenn ich hier bleiben würde, finde ich vielleicht wieder zu mir zurück. Schließlich hatte ich mich auch an diesem Ort verloren.


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Wo sollte ich denn sonst nach mir suchen? Ich schaffte es mit einer solchen Leichtigkeit, aus dem Leben anderer zu verschwinden, dass es mich schon selbst schockierte. Die ersten Wochen nach meinem letzten Schultag verbrachte ich damit, mich am Bahnhof neben den Snackautomaten zu setzen und wie besessen die aussteigenden Fahrgäste zu begutachten. Ich konnte ihn überall sehen und nirgends. Ich hörte ihn lachen, und sobald ich mich umdrehte, veränderte sich die Stimme innerhalb von Sekunden. Es machte mich krank. Diese Erinnerungen, die sich mit meiner Gegenwart vermischen wollten. Ich musste damit aufhören, mit dem Warten. Schließlich hat die Zeit auch nicht auf mich gewartet, oder?


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Happy

Kapitel 1

Ed Sheeran „Kannst du mir mal erklären, warum du eine leere Milchtüte in den Kühlschrank zurückstellst?“, brummte meine Mutter an diesem Samstagmorgen genervt in meine Richtung. Ich saß mit angezogenen Beinen am Esstisch und zupfte mir konzentriert ein paar Haare von meinem Pyjama. „Ann?“ „Oh ich dachte, das wäre eine rhetorische Frage gewesen.“, antwortete ich und zog meine Augenbraue hoch. Meine Mutter schüttelte fassungslos den Kopf und schlug die Kühlschranktür zu. „Du gammelst die ganze Zeit auf dem Sofa rum oder verkriechst dich in deinem Zimmer. Wann gehst du mal wieder raus und unternimmst etwas mit deinen Freunden?“ „Welche Freunde meinst du denn?“, murmelte ich. Ich pustete gelangweilt eine lange Haarsträhne zur Seite, die mir ins Gesicht fiel. „Du solltest am Wochenende eigentlich gar nicht hier sein. Dafür bist du noch zu jung.“, seufzte sie weiter. „Was ist eigentlich mit Kim? Wie geht es ihr?“ Ich hob die Schultern. „Keine Ahnung, wir haben keinen Kontakt mehr.“ „Oh!“


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Sie faltete nachdenklich die leere Milchtüte zusammen. „Ist etwas passiert? Habt ihr Streit?“ „Ich hatte keine Zeit, deshalb.“, nörgelte ich. „Und jetzt sieh' mich nicht so an!“

Meine Mutter setzte gerade ihren besorgten MutterBlick auf, und der geht echt gar nicht klar, Leute. „Wenn dir dein Job nicht gefällt, kannst du auch einfach etwas anderes machen, Ann. Niemand zwingt dich, hier zu bleiben.“ „Hä?!“, quietschte ich genervt dazwischen. „Was hat das denn damit zu tun? Ich mag meinen Job!“ „Das sehe ich anders.“ Ich verdrehte die Augen. „Du hast nie davon gesprochen, im Service arbeiten zu wollen. Du wolltest immer nur Schreiben, das war dein Ding.“ „Man muss auch nicht ständig über alles reden Mum!“ Ich hüpfte vom Stuhl und stampfte in den Flur. „Und Pläne ändern sich eben. Ich könnte mir momentan keinen besseren Job vorstellen, ehrlich!“ Und öffnete die Haustür. „Er erfüllt mich mit unendlicher Freude!“ Dann schlug ich die Haustür hinter mir zu.


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Die ersten Sonnenstrahlen kämpften sich langsam durch die dicke Wolkendecke. Die Luft war kühl und ich bekam Gänsehaut, obwohl ich mir eine Jeansjacke übergezogen hatte. Ich zündete mir auf dem Weg zur Bäckerei eine Zigarette an und nahm noch einen letzten, kräftigen Lungenzug bevor ich ein paar Straßen weiter schon die offene Eingangstür sehen konnte. Es roch nach frischem Teig und an der Theke stäubte sich das Mehl. „Du kommst also immer noch jeden Samstag, was?“ Ich spürte Marcs übertriebenes Grinsen in meinem Nacken. „Und du hast erst jetzt damit angefangen, oder?“, antwortete ich und schnappte mir eine Papiertüte von der Ablage. Er drängelte sich neben mich und griff nach einem Brötchen in der Selbstbedienungsbox. Ich versuchte ihn dabei nicht anzusehen. Es war mir wichtiger, ihm auch weiterhin als Morgenmuffel in Erinnerung zu bleiben.

Ihr versteht schon.

Er lehnte sich zu mir und zwinkerte. „Ich weiß ja viel über dich, aber dass du ohne Schuhe zum Bäcker gehst, ist mir neu.“ Ich senkte meinen Blick und bewegte verlegen meine Zehen. „Das ist mir ehrlich gesagt auch neu.“, antwortete ich und drückte mich an ihm vorbei.

Ach, scheiß drauf.

Nach fast zehn Minuten und zwei unnötigen SeniorenDiskussionen über die unterschiedlichen Größen der


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Croissants später, eilte ich hinaus auf die Straße und füllte meine Lunge mit sonnengeküsster Morgenluft. Marc biss in sein Brötchen und sah mir entspannt dabei zu, wie ich den Inhalt meiner Papiertüte studierte. „Geht es dir gut?“, fragte er schließlich. „Klar! Es ist gesund, barfuß zu laufen.“ Ich zog mein warmes Schokoladenbrötchen aus der Tüte. Wir schlenderten gemütlich am Bordstein entlang, ohne dabei ein weiteres Wort zu verlieren. Es war ein wunderschöner Tag und wir hielten kein einziges Mal an. Bis Marc auf das Baseballfeld am Stadtende zusteuerte. Ich schluckte leer und blieb plötzlich stehen. Er drehte sich verwundert um. „Alles in Ordnung?“ Und drückte mir eine Zigarette in die Hand. „Du warst gar nicht mehr hier, hab‘ ich recht?“ „Bescheuert, ich weiß.“, antwortete ich kühl und suchte mein Feuerzeug. „Was ist los? Ich merke doch, dass etwas nicht stimmt.“ „Etwas? Du bist witzig.“, sagte ich spöttisch. Er zog mir die Zigarette aus dem Mundwinkel. „Hey!“ „Nichts hey!“, unterbrach er mich mit lauter Stimme und ich fuhr sofort in mich zusammen. Es ist schon schwierig, jemandem klarzumachen, dass alles gut ist, wenn man gleichzeitig ein trauriges Smiley auf der Stirn kleben hat. Man kann sich nicht aussuchen, welche Erinnerungen am Ende übrig blei-


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ben, und wenn ich diese Plätze täglich aufsuchen würde, könnte ich erst recht nicht mehr weitermachen. Sein Gesicht schwebt vor meinem, wie eine Horde hartnäckiger Stechmücken und ich fürchte mich davor, dass sie eines Tages gar nicht mehr verschwinden werden. Tauchen Stechmücken überhaupt in Horden auf? Ach, keine Ahnung. „Kim kommt nächste Woche in die Stadt.“, sagte Marc und schaute einem Vogel nach, der gerade eine Wolke überflog. Ich reagierte nicht, da ich nicht wusste, wie ich reagieren sollte. „Sie hat dir nichts gesagt?“ Er setzte sich auf und versuchte meinen Blick einzufangen. „Du hast gar keinen Kontakt mehr mit ihr.“

Gute Schlussfolgerung, Detektiv. „Es klingt gleich viel schlimmer, wenn du es aussprichst.“, antwortete ich grübelnd. „Habt ihr euch gestritten?“ Ich schüttelte den Kopf. Er seufzte, und es war eine Weile still. „Seit wann arbeitest du eigentlich in diesem Café?“ „Ich habe nach unserem Abschluss da angefangen.“


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Ich klemmte die hervorstehenden Grashalme zwischen meine Zehen. „Gefällt es dir? Du hast irgendwie nie davon gesprochen, einmal im Service arbeiten zu wollen.“ „Will ich auch nicht, aber es ist ein Job. Also ja, es gefällt mir.“ Er schubste mich zur Seite. „Was denn?“, zischte ich und Marc fing an zu lachen. „Du hast dich mehr verändert, als du denkst.“ „Gar nicht wahr!“ „Vor drei Jahren hättest du das niemals gesagt.“, entgegnete er entschlossen und half mir beim Aufstehen. „Vielleicht habe ich aber damals schon so gedacht.“ „Hast du nicht.“ Ich ließ mich von ihm hochziehen. „Hast du etwas von Symen gehört?“ Er hielt inne, und ich biss verkrampft auf meine Unterlippe.

Warum fragte ich das, verdammt noch mal? Seit

wann spreche ich, ohne vorher nachzudenken? „Nein.“ „Er hat sich nie bei dir gemeldet?“, fragte ich und er neigte seinen Kopf zur Seite. „Bei dir?“ „Ich glaube, du kennst die Antwort bereits.“ „Du weißt doch, wie er ist.“, lachte Marc. „Nimm‘ es nicht persönlich.“ Ich hob meinen Kopf. „Und was, wenn ich es persönlich nehmen möchte?“


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Ich war das Mädchen aus dem Fahrstuhl mit dem roten Teppichboden. Ich war das Mädchen, das ihn retten wollte und scheiterte. Ich war das Mädchen, das gebrochen schien und sich für andere gebrochene Menschen interessierte. Ich war das Mädchen, das sich selbst nicht reflektieren konnte und andere mit in ihr Chaos stürzen ließ. Ich war das Mädchen, das loslassen konnte ohne loszulassen. Das Mädchen, das in einer Hülle lebte und aus einer Hülle ausbrechen wollte. Ich war aber auch das Mädchen, das ohne diese Hülle keinen einzigen Schritt gehen konnte. Wie lange dauert es eigentlich, bis andere deine Veränderung akzeptieren? Musst du es ihnen irgendwie beweisen oder regelt das die Zeit von alleine? Gibt es Mutproben oder Aufnahmeprüfungen - so ähnlich wie bei Gangmitgliedern und wenn du einmal drin bist, kommst du nicht mehr raus? Nennt man das Risiko?


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Autorenvita Tatjana Stucki, geboren am 22. März 1994, wohnhaft in der Schweiz. Die Liebe zum Schreiben entfaltete sich bereits in sehr jungen Jahren. Der Traum, Autorin zu werden, gedieh schon damals in ihrem kreativen Köpfchen vor sich hin und entwickelte sich schließlich zu einem Lebenstraum. Tatjana ist zudem eine leidenschaftliche Mode-Bloggerin, ein weiteres Interessenfeld der 24-jährigen. Auf ihrem Blog kann sie sich frei entfalten und andere Menschen erreichen. „Mutige Feiglinge“, die Fortsetzung ihres ersten Buches „Trauriges Happy-End“, ist ihr zweiter künstlerisch gestalteter Roman mit verschiedenen Illustrationen und Songs, welche die einzelnen Gedankengänge zusätzlich vertiefen - für alle jungen Menschen da draußen, die schon mindestens einmal in ihrem Leben ihr eigenes Gefühlschaos aufräumen mussten.


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Ein großes Dankeschön geht an die folgenden Künstler, die mir Ihre wunderschönen Illustrationen zur Verfügung gestellt haben:

Künstler: Claire: (IG: etoileclaire) Nadine: (IG: kalepipe) Lea: (IG: lamelch) Daria: (www.daria-miller.com) Annika: (IG: annika_linnea_) Kayla: (IG: tea_mice) Ayelet: (IG: ayeleteder) Azul: (IG: azulportillo) Jartline: (IG: jartline) Fotos: Tatjana: (www.bloomingveins.com ) Titelbild: Jessica: (www.jessicajorgensenart.com)


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Verlagswort Wir freuen uns sehr, dass wir für unsere Autorin, Tatjana Stucki, erneut den Traum vom eigenen Buch/eBook Wirklichkeit werden lassen konnten und bedanken uns herzlich für das entgegengebrachte Vertrauen sowie das größte Gut einer Schreibenden – das Manuskript, welcher Idee durch dieses Buch nun Leben eingehaucht wurde. "Mutige Feiglinge" ist die Fortsetzung des traurigen Happy-Ends. Mit einer großen Portion Timing in Punkto Schuldgefühlen, vermischt mit etwas Verzweiflung, geht es zurück auf die Plätze der Gedanken-Wortautobahn. Scheint sich die Geschichte von Ann und Symen zu wiederholen? Seien Sie gespannt auf dieses von Emotionen übersprudelnden Wortspiels, das erneut von Illustrationen und Songs untermalt ist und erkunden Sie den Ursprung der sich hinter dem widersprüchlichen Titel mutige Feiglinge versteckt. Vielen Dank für den Erwerb von "Mutige Feiglinge", und dass wir durch dieses eBook Ihr Leseinteresse wecken durften, auch im Namen der Autorin. "Mutige Feiglinge" ist in gedruckter Form als Buch und elektronischer Form als eBook erhältlich. Das Buch ist im Buchhandel unter der ISBN 978-3-86483-070-9 für 19,95 € zu beziehen, das eBook unter der ISBN 978-3-86483-071-6 für 9,95 € bei der Autorin und beim Verlag art of arts, z.B. im online Buchshop www.artofbookshop.com bei amazon, weltweit bestellbar im Buchhandel oder auf der Buchhomepage der Autorin: http://www.tatjanastucki.webnode.com/


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Verlags-Buchprogramm Bücher & eBooks bisher erschienen seit 2006 bis 2018

Bücher der art of books collection art art art art art art art art art art art art art art

of of of of of of of of of of of of of of

words - Band 1 mind - Band 2 heart - Band 3 mystery - Band 4 man – Band 5 women – Band 6 poetry – Band 7 xmas – Band 8 kids - Band 9 magic - Band 10 erotica – SoBand 1 crime – SoBand 2 live – SoBand 3 fun – SoBand 4

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Bücher einzelner Autoren / Autorinnen Das Zauberwort DAS Die wahnw. m. Geschenkefibel Ohnemilch / Agent 0815 Perfekt – Defekt Unglaubliches unter uns GPS-Millionenjagd ourStory geDANKE ... be your reality Erdennebel in eisblau ourStory2 Die Rose des Todes Impulse Wechselhaft heiter bis wolkig Unselbst Alltägliches Allerlei Prophetische Spiritualitäten Im Eifer des Geschlechts Der Stein der Elemente Die Schlange des Regenbogens Blutige Leckerbissen

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- 205 Das eine Volk und sein energetischer Kalender Seelenschreie Stich ins Herz Ich kann mehr als nur ... Mezedes Fundstücke am Rande der Straße Flucht aus Bern Die griechische Seele suchend Sophia und das Lächeln Im Herzensgarten Ankommen beim Licht Manifest zum Widerstand Fet(t)a ... kann auch anders 1-2-3 für jeden was dabei Kreta kulinarisch Poesie trifft Kunst Maria kocht griechisch The Catalyst for Life Intrinsische Erinnerungen Im Philosophiegarten KlarTraum – Symphonie des Globalen Aufwachens Trauriges Happy-End MusiKARLisch …fränkisch spitzbübische Mutige Feiglinge

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… dieses Werk besteht aus 204 Seiten, 34.601 Wörtern, 211.837 Zeichen. "Mutige Feiglinge" von Tatjana Stucki, die ihre Worte durch dieses eBook der Öffentlichkeit präsentiert. Die Texte sind urheberrechtlich geschützt (c) 2018 - art of arts ® Beiträge gemäß der neuen Deutschen Rechtschreibung. Für Druckfehler keine Haftung.


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Mutige Feiglinge eBook in pdf Format

ISBN 978-3-86483-071-6 206 Seiten – 9,95 € Erhältlich bei der Autorin www.tatjanastucki.webnode.com und im www.artofbookshop.com


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