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Fotograf: Herbert Schulze

Fragen an den Cellisten Johannes Moser

VT: Sie haben mit 22 Jahren den äußerst anspruchsvollen Tschaikowski-Wettbewerb gewonnen, Ihr Debüt mit Riccardo Muti bestritten, Sie konzertieren regelmäßig mit Größen wie Lorin Maazel, Pierre Boulez und Christian Thielemann. Was Ihre Solisten-Karriere betrifft, sind Sie in kürzester Zeit sehr weit gekommen. Wie könnte eine Steigerung noch aussehen? JM: Ich sehe immer große Herausforderungen und Steigerungsmöglichkeiten für meine musikalische Entwicklung; das ist ja das gleichzeitig Herrliche und Schreckliche an der Kunst: die absolute Wahrheit gibt es nicht, die Suche geht immer weiter und weiter. Außerdem wäre es sicherlich vermessen zu sagen, dass die Karriere und die musikalische Erkenntnis immer im selben Tempo wachsen. Deshalb sind mir meine Auszeiten auch so wichtig geworden: um mich musikalisch zu besinnen, oder auch um völlig andere Dinge zu tun, denn das Leben kann nicht nur aus Cello bestehen. Ich werde in diesem Zusammenhang nie vergessen, wie Christian Thielemann bei unserer ersten Begegnung zu mir sagte: „Junger Mann, Freizeit ist das Wichtigste!“ Das Schöne an meinen Reisen sind die Begegnungen mit anderen Musikern, sowohl in der Kammermusik wie auch als Solist; ich profitiere immer von diesem Austausch von Ideen und Inspiration. VT: Stand es für Sie von Anfang an fest, eine Solokarriere machen zu wollen? JM: Nein, eigentlich gar nicht. Wenn Sie so wollen, ist die Karriere zu mir gekommen (lächelt). Bis zum Tschaikowski-Wettbewerb war mein Ziel, das Studium gut abzuschließen und eine Anstellung im Orchester zu bekommen. Erst nach dem Sieg in Moskau war für mich klar, dass ich die Solisten-Karriere will, und zwar hundertfünfzig Prozent.

VT: In den nächsten Tagen präsentieren Sie dem Publikum bei Hänssler CLASSIC Ihre erste CD. Sie haben sich für ein ungewöhnliches Debüt-Programm entschieden. Wie kam es dazu? JM: Zum einen begehen wir in diesem Jahr den 100. Geburtstag von Schostakowitsch, und damit er nicht alleine feiern muss, habe ich ihm auf dieser Einspielung zwei seiner Moskauer Freunde und Wegbegleiter an die Seite gestellt. Die drei führten einen regen Austausch musikalischer Ideen und schätzten einander sehr; so ist zum Beispiel die Sonate von Tschaikowski seinem Freund Weinberg gewidmet. Zum anderen interessiert es mich schon lange, das Umfeld berühmter Komponisten zu beleuchten, um so nicht nur Entdeckungen zu machen, sondern auch das allgemeine musikalische Vokabular – quasi den kompositorischen Zeitgeist – den individuellen Besonderheiten der Komponisten gegenüberzustellen. Diesen Gedanken verfolge ich auch bei meinem nächsten CD-Projekt für Hänssler CLASSIC: Brahms und seine Zeit. VT: Worauf freuen Sie sich in diesem Jahr noch ganz besonders? JM: Mein Konzert mit Lorin Maazel in Tokio – das auch mein Debüt mit den New Yorker Philharmoniker ist – ist etwas, worauf ich mich sehr freue. Als Münchner habe ich viele seiner Konzerte gehört. Mit ihm zu spielen, ist für mich etwas ganz Besonderes. Aber auch meine Kammermusik-Begegnungen in Verbier mit legendären Instrumentalisten wie Emanuel Ax, Leonida Kavakos, Menahem Pressler oder Julian Rachlin sind etwas, was mir große Freude bereitet.

Moisey Weinberg (1919-1996) – Sonate No. 2 op. 63, Dmitrij Schostakowitsch (1906-1975) – Sonate d-Moll op. 40, Boris Tschaikowsky (1925-1996) – Sonate für Violoncello Johannes Moser – Violoncello · Paul Rivinius – Klavier swr music / hänssler CLASSIC CD 93.176

Die Fragen an Johannes Moser stellte Virginia Tutila am 21. April im Innenhof des Taschenberg-Palais in Dresden.


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