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Ralf Schuler

GENERATION GLEICHSCHRITT

Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde

RalfSchuler GenerationGleichschritt www.fontis-verlag.com
«Diemeisten,diesichsch men, miteinemabgelegtenHutoderMantelzugehen, laufenfreudigmitabgelegtenMeinungenherum.»
SørenKierkegaard

Generation Gleichschritt

WiedasMitlaufen zumVolkssportwurde

RalfSchuler

BibliografischeInformationderDeutschenNationalbibliothek

DieDeutscheNationalbibliothekverzeichnetdiesePublikationinder DeutschenNationalbibliografie;detailliertebibliografischeDatensindim Internet ber www.dnb.deabrufbar.

DerFontis-Verlagwirdvon2021bis2024 vomSchweizerBundesamtf rKulturunterst tzt.

2023byFontis-VerlagBasel

Umschlag:Ren Graf,Fontis-Verlag

Satz:JustinMessmer,InnoSetAG,Basel Redaktion:Dr.DominikKlenk

Druck:Finidr

GedrucktinderTschechischenRepublik

ISBN978-3-03848-260-4

Inhalt EinleitungvonDieterNuhr.....................9 Prolog.......................................17 WieeszudiesemBuchkam ......................17 EinKniefallundeineZäsur ......................17 BinnenpluralitätbeiSpringer .....................24 DieLGBTQSafeZone ..........................25 ExpeditionzumUrsprungdesNebels................29 1.Links,zwo,drei… Oder:EineBestandsaufnahme................31 Damals,derGleichschritt .......................31 VorsichtRedeverbot! ...........................32 VielekleinePuzzleteile .........................36 SchleichendeVeränderung .......................41 SmellslikeZensur ............................44 Vielfalt?Klingtgut! ............................46 Links,schwenk–marsch? .......................48 2.Herdentrieb:WieKonformitätdieFreiheit unterwandert..............................51 GewärmteSeelenimGleichklang… Oder:DerMachtmensch ........................56
DerHassderHerde ............................58 DiestillenNetzwerkederMacht ...................64 DieUmwertungderWerte .......................69 UniversitätenundradikaleIntellektuelle .............72 Vom«neuenMenschen»zum«neuenBürger» ..........74 QuotenalsFachwerkeinerneuenGesellschaft .........77 «HassundHetze»alsNebelkerze ..................78 SprachezurUmprogrammierungimKopf ............85 Die(Un-)KulturdesLöschensundVerschweigens .......90 UniversitätenalsNährbödenvonIntoleranz ...........91 Verbissenundverbiestert ........................97 Meinungsfreiheitunddie«falsche»Ausgewogenheit .....102 EineDebattemitnureinerzulässigenMeinungistkeine ...104 TrickreichesAushebelnderMeinungsfreiheit ..........110 DieRückkehrderRäterepublik ....................117 WiemanMeinungmacht ........................120 DerFallKaron ...............................123 DieMassemacht’s–MitlaufenausKollektivgeist ........127 3.DerPreisderMeinungsfreiheit: Mankannallessagen,aber…................131 DieFreiheitdesAndersdenkenden ..................131 Heuldoch! .................................133 FreieMeinung,sozialerTod? .....................144 4.VomJederzumIch… Oder:WiemanmentaleLeitplankenaufbricht...147 RezeptegegendenUngeist .......................149 HeilsameIndividualität .........................153 5.Merkel-Jahre..............................165 DasPhänomenMerkel .........................165
VermeidungkognitiverDissonanzen ................167 Überzeugungen?Flexibel! .......................170 Meinungsstreit-Verweigerung .....................174 UnmusikalischaufderkonservativenSaite ............178 MachtmechanikerinMerkel ......................182 Machtprobe:DieeinsamsteReisederKanzlerin ........186 EntkerntesUnions-Erbe ........................198 Epilog.......................................205 DerVerfassungsschutzchefalsPolit-Kommissar ........213 KüsseuntermRegenbogen:DieFußball-WMinKatar ....218 MeinEndebeiBILD ...........................222 MitfröhlichemErnstausderReihetanzen! ...........227 Personenverzeichnis...........................233 ÜberdenAutor...............................237 AußerdembeiFontiserhältlich..................240

Prolog

WieeszudiesemBuchkam

AlsichAnfangJuli2022nachgut11JahrenbeiBILDkündigte,hatteicheigentlichnuraneinenganznormalenJobWechselgedacht.

MeineBegründungschickteichanChefredakteurJohannesBoieundanSpringer-VorstandschefMathiasDöpfner. DieDiversitätsstrategiedesKonzerns,dasHissenderRegenbogen-FlaggevordemHausunddiepublizistischeVerlagerunghinzuimmeraffirmativerwerdenderBegleitung derLGBTQ-Bewegungwollteichnichtmehrmittragen.

VorausgegangenwardiesemSchritteineheftigeDebatte, diedasMedienhausAxelSpringervieltiefererschütterte, alsdiesaußerhalbvermutlichwahrgenommenwurde.

EinKniefallundeineZ sur

Am1.Juni2022hatteeineReihezumTeilnamhafterWissenschaftlerinder«Welt»einenAufrufandieöffentlichen

Rundfunksenderveröffentlicht,indemsiedazuaufforderten,«biologischeTatsachenundwissenschaftlicheErkenntnissewahrheitsgemäßdarzustellen.Wirforderneine AbkehrvonderideologischenBetrachtungsweisezum ThemaTranssexualitätundeinefaktenbasierteDarstellung biologischerSachverhaltenachdemStandvonForschung undWissenschaft.»Undweiter:

Wir,dieUnterzeichner,beobachtenalsWissenschaftlerseit langem,wiesichderçffentlich-rechtlicheRundfunkdieDarstellungender«queeren»Transgenderideologiezueigen machtunddabeinaturwissenschaftlicheTatsachenleugnet.

AusgangspunktiststetsdieFalschbehauptung,esg be nichtnureinm nnlichesundweiblichesGeschlecht,sonderneineVielfaltvonGeschlechternbzw.Zwischenstufen zwischenMannundFrau.DerklarumrisseneBegriffdesGeschlechts,dasdieanisogameFortpflanzungermçglicht,wird vermengtmitpsychologischenundvorallemsoziologischen Behauptungen,mitdemErgebnis,dasskonzeptionelleUnklarheitentsteht.

EinimGrundeunspektakulärerBeitragmiteinervölliglegitimenSicht,diemanteilenoderinfragestellenkann,die aberinkeinerWeisedieGrenzenderVerfassungüberschreitetundausmeinerSichtsogarsehrnötigwar,weil dieTransgender-TheoriekurzzuvorsogarimKinderprogrammderARDinder«SendungmitderMaus»angekommenwar,diesichanVier-bisNeunjährigewendet.Biologie spielteinderbetreffendenFolgegarkeineRollemehr.

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Dasogenannte«Trans-Personen»deutlichuntereinProzentderBevölkerungausmachen,hättemanallenfallseine sichandemGastbeitragentzündendepublizistischeDebatteerwartendürfen.

Docheskamanders.

DieTrans-Lobby–allenvoranderQueer-Beauftragteder Bundesregierung,StaatssekretärSvenLehmann(Bündnis 90/DieGrünen)–gingaufdieBarrikaden.ErlegteSpringer öffentlichaufTwitternahe,zuüberlegen,wemmaneine Bühnebiete:derunübersehbareWinkeinesMitgliedsder Bundesregierung,PressefreiheithinterpolitischeOpportunitätzurückzustellen.

DaszumSpringer-VerlaggehörendeJobvermittlungsportal«Stepstone»wurdevonderqueerenJobmesse«Sticks& Stones»ausgeladen.«DieExistenzvonLGBTIQ+Menschendarfnichtverhandeltwerden!»,schriebderAusrichterStuartBruceCameronundmachteklar,dassesneben derTrans-Weltsichtkeineweiteregebenkönneunddürfe unddeshalbauchBiologieundWissenschafthinterdie Trans-Agendazurücktretenmüssten.

Nunmagmanakzeptieren,dasseineLobbysolcherart autoritäreTöneanschlägt,alskönneesineinergesellschaftlichenDebatte(somaneinesolchedennüberhaupt fürzulässigerklärt)nurJaoderJageben.

DiewirklicheEskalationbrachtedannjedochDöpfner insSpiel,dersichmiteinembrutalenVerrissdesGastbeitragesderWissenschaftlervom1.JunizuWortmeldete,in demerdenBeitragals«unterirdisch»,«oberflächlich», «ressentimentgeladen»und«herablassend»bezeichnete.

Prolog 19

GleichzeitigließeraufverschiedenenEbenen,auchüber denQueerbeauftragten,sondieren,obSpringernichtdoch nochzurJob-Messewiederzugelassenwerdenkönne.Ein unglaublicherKniefallvorPolitikundderLobbyeinerkrassenMinderheit,denvielebisdahinfürgrundsätzlichundenkbargehaltenhatten,derabervorallemauchimHause desgroßenVerlegersAxelSpringerbeinamhaftenAutoren eineVerstörunghinterließ,diemangetrost«traumatisch» nennendarf.

Springer, das BollwerkgegenZeitgeistundlinkesRevoluzzertumimdeutschsprachigenRaum,knickteeinvoreiner Lobby.DasgroßeHausanderfrüherenBerlinerMauer,das zuRechtdie«DDR»immerinAnführungsstrichengeschriebenunddurchdieZeitendesKaltenKriegesanderDeutschenEinheitfestgehaltenhatte,batjetztdarum,indieGunst derTrans-Lobbywiederaufgenommenzuwerden.

GegenKommunismusundlinks-grünenZeitgeisthatte manalldieJahregestandenundgingjetztindieKniewegeneinerqueerenJob-Messe?

TraumatischwarderVorgangfürvieleimVerlagausverschiedenenGründen:Zumeinenkannesnichtsein,dassgesellschaftspolitischeWeichenstellungenimvorpolitischen Raum–eineTrans-WeltsichtalsalternativloseAgenda–durchBoykottgewissermaßenerzwungenunddieSpielregelndiskursiver,demokratischerWillensbildungdurch offeneMachtdemonstrationenersetztwerden.

ZumanderenistinderNachkriegsgeschichte,politisch wieverlegerisch,bisherseltensooffenbrutalgegeneine völligvertretbareMeinungvorgegangenworden.

UndschließlichbegriffenundbegreifenvieleKöpfeim HauseSpringerdieseEpisodealsZäsurimKonzern,aber auchinderpolitischenKulturderBundesrepubliküberhaupt:WenndieUnantastbarkeitvonPresse-undMeinungsfreiheitschonimHauseSpringeranlassbezogen aufgehobenwerdenkann,anstattsiemitallenMittelnzu verteidigen,dannwerdenkünftigweitereThemenundGelegenheitenfolgen,beidenenpolitischer,wirtschaftlicher oderLobbydrucktriumphieren.

WievieleKollegenauchhieltichdieInterventiondes Vorstandsvorsitzendenfürvölliginakzeptabel.Ichhatte denEindruck,dassauchBILD-ChefredakteurJohannes BoievondenVorgängenüberraschtundüberrolltwurde.

ErludDöpfnerAnfangJuniindiegroßeBILD-Konferenz ein,umüberdasThemaundseinVorgehenzusprechen.

DerAndrangam9.JuniimKonferenzraum,demsogenannten«Glaskasten»im16.Stock,warriesig.Ausallen TeilenderRedaktionwarenMitarbeiterperVideozugeschaltet.

IchhatteimWesentlichensiebenKritikpunkte,dieichin dieserKonferenzvorbrachte:

1.DöpfnersInterventionwurdeinner-wieaußerhalbdes VerlagesnichtalsMeinungsäußerung,sondernalsinhaltlicheBefehlsausgabegewertet.

2.DerinkriminierteTextwarvölligakzeptabelundweit unterhalbderSchwelle,andereinKonzernchefeingreifenmuss.

Prolog 21

3.ImFalleeinesEingriffshättederersteSatzlautenmüssen:«SelbstverständlichmusseinsolcherTextimHause AxelSpringersmöglichsein,aber…»

4.DieAutorendesAufrufshabenundhattenschlichtrecht, weilBiologiesichnichtdurchVerbal-Aikidoüberlisten lässtundFormulierungenwie«imfalschenKörper»eher insMittelalterpassen,woGeisterundSeeleninKörper fahrenundvermeintlichwiederausgetriebenwerden konnten.

5.EsginghierumdiedemokratischeKultur:Aufden DruckeinerpolitischenLobby,durchAusladungund BoykottMeinungskonformitätzuerzwingen,kannman unmöglichmitUnterwerfungreagieren,sondernmuss erstrechtdieFahnedesDiskurseshochhalten.

6.IchhalteesausGründendesJugendschutzesfürvöllig unverantwortlich,Heranwachsendenzusuggerieren,in PubertätundLebenskrisenseiderWechseldesGeschlechtseinprobatesMittelzurLinderung,Behebung odergareingängigerAuswegausihrerIdentitätsverunsicherung.Schonjetztzeigendiestarkgestiegenen ZahlenvonHormonbehandlungenundsogenannte«geschlechtsangleichendeOperationen»(vorallembeiTeenager-Mädchen)einenfatalenTrend,weilvieleirreversibel geschädigtwerden,wenndieerhoffteWirkungausbleibt.

7.DerVerlagmachtesichhiermiteinerBewegunggemein, diemeinerMeinungnachradikalundmilitantden UmbauderGesellschaftbetreibt,das«heteronormative Weltbild»überwindenwillundimÜbrigenbeispielsweiseimAutonomen-Milieuvollanschlussfähigist.

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UnterstütztwurdeichvorallemdurchdenKollegenAlexandervonSchönburg,derebenfallsseinertiefenVerunsicherungüberdasimHauseSpringernochSagbareAusdruckgab.

DöpfnergabmirimPunktdesJugendschutzesrecht, wolltesichaufeineklareAnzahlderGeschlechteraber nichtfestlegenlassen.DingeundSichtweisenänderten sich,schließlichhabemanauchvorwenigenJahrennoch mitdemParagrafen175StGBeinVerbotvonHomosexualitätimGesetzblattgehabt.DassdieLGBTQ-Bewegungauch vonLeutenunterstütztwerde,mitdenenmansonstnichts gemeinhabe,seikeinArgument,undimÜbrigenbedeute Meinungsfreiheitnicht,dassmanimHauseSpringerbeispielsweiseauchoffenseifür«einekritischeHinterfragung desHolocaust».EsgebedaklareGrenzen.

DenHolocaust-Vergleichfandichwenigpassendund ehereinenAusdruckvonArgumentationsnot.Deutlichzur Kenntnisnehmenmussteich,dassdieInterventiondesVorstandschefsihreWirkungnichtverfehlthatte:InderKonferenzselbstäußertensichkaumKollegen.Dafürbekam ichhinterherausallenTeilendesHausesMails,DirektnachrichtenundSMS,diemirfürdieklareAussprache dankten.Daswareinerseitsermutigend,gabmirandererseitsaberauchgehörigzudenken:

Warummusstemanmirsoausdrücklichfüreineoffene Debatte«danken»oder«Respekt»zollen?EssollteeigentlichKonsensherrschen,dasswiralsBerichterstatterin eineroffenenGesellschaftarbeitenundnichtmehrinder DDR,wovermeintlich«falschenMeinungen»tatsächlich

Prolog 23

MutundRespektgebührte,weilsienämlichverfolgtund sanktioniertwurden.

Binnenpluralit tbeiSpringer

DasThemabliebauchinderFolgezeitpräsent.Ichhatte kurzzuvoreinenBILD-KommentarfürdieSeitezweigeschrieben,dersichmitderÄnderungderFlaggenverordnungdurchBundesinnenministerinNancyFaeser(SPD) beschäftigte.MeineBotschaft:EsgibtschoneineFahne, hinterderwirunsalleversammelnkönnen,diemaximalintegrativundinklusivist,unddieseFahneistSchwarz-RotGold.

InTeilenderRedaktionbrachdaraufhineinSturmder Entrüstunglos,weilderKommentarangeblich«transphob»sei,queerenMenscheninsGesichtschlageundman sichfragenmüsse,obichfürdasHausnochtragbarsei.Der ChefredakteurstelltesichklarhintermichundwiesdieKritikerindieSchranken.

AlswenigspätereinKommentarzumsogenannten «Selbstbestimmungsgesetz»derAmpelanstand,mitdem künftigeinmalproJahreinWechseldesPersonenstandes unddesGeschlechtspereinfacherAnsageaufderMeldestellemöglichseinsoll,wardieLob-FraktionanderReihe undkommentierte,dassdasGesetzAusdruckdesRespekts vorTrans-Menschensei.

ObderKommentareinZeichenderBinnenpluralitätund eineArtKompensationfürmeinenRegenbogen-Kommen-

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tarwar,weißichnicht,nahmaberzurKenntnis,dassder KursdesHausesaufdiesemGebietderIdentitätspolitik künftigwenigerklarundentschiedenseinwürde.

ZudenkleinenKuriositätendesVorgangsgehörteübrigens,dassdreiTagespäterderVortrageinerBiologinan derBerlinerHumboldt-UniversitätunterdenProtestender Queer-Lobbyabgesagtwerdenmusste,undderselbeKommentatorimHauseSpringerjetzteinenBeitragnachschob, indemerklarstellte,dasssolcheArtderRepressioninForschungundLehrenatürlichnichthilfreichsei.

Undebenhier,imHinundherdesKollegen,zeigtsichdas Dilemma:WennmansichmiteinerBewegunggemein macht,dannsitztmanebenauchmitdenRadikalinskisim gleichenBoot.

DieLGBTQSafeZone

Wieicherwartethatte,führtedieDöpfner-Interventionin einemhierarchischgeordnetenHauswieSpringerzueinemdeutlichenSchubfürdieQueer-Communityundeiner tiefenVerunsicherungalleranderen.

MankönnteesaucheinStillhaltenoderWegduckennennenimLagerderKritikerderQueer-Ideologie.Manspürte hierauchdieSorgeumdeneigenenArbeitsplatz.WenndieserwegendifferenzierterBerichterstattunginGefahrgerät, dannallerdingsistnochweitmehrinGefahr:Demokratie übenbedeutetdenWidersprucheinüben.

IndieserHinsichtwarDöpfnersEingriffeinehistorische

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BruchstelleimHauseSpringer.KurzdaraufübertrugBILD TVdenChristopherStreetDaylive,undeinstellvertretender ChefredakteurschriebindermorgendlichenRundmail,die MarkeBILDstehefestanderSeitederLGBTQ-Bewegung.

IneinempersönlichenGesprächmitMathiasDöpfner,in demermirdurchausdieWertschätzungfürmeineArbeit versicherte,entnahmichverschiedenenAndeutungen–SchadenvomUnternehmenabwenden,denKonzernvon dieserSeiteherunangreifbarmachen…–,dassderRegenbogen-KursvonSpringerzumindestauch,wennnichtgar inGänze,verlagsstrategischenÜberlegungenfolgte.Das bedeutet,dassnichtlängerderjournalistischeAnspruch, sondernökonomischeundkonzernstrategischeÜberlegungendieAgendasetzen.

VerschiedeneTop-ManagerdesHausesmachenkeinen Hehldaraus,dassderinzwischengrößteGeschäftsbereich desUnternehmens,derHandelmitunddieBeteiligungan Online-PlattformenundhoffnungsvollenStartups,gefährdetsei,wennmansichnichtklarzudenZielenDiversität, VielfaltundLGBTQ-Communitybekenne.

VoralleminAmerika,inderTech-BrancheanOst-und West-Küste,seiesgeradezueinMarktausschluss,wenn manindieserHinsichtZweifelhinterlasse.

SoähnlichistesauchimHauseSpringer:DieTech-CEOs machenDruckinSachenRegenbogenundkritisiereninternetwaauchdenliberalenKursder«Welt»indieserFrage,währenddiepublizistischenAushängeschilder«Welt» undBILDnochimmerzuweilenmokantundkritischmit demThemaumgehen.

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EindeutlichesZeichendafür,dassdasdemokratischnie legitimierte,sondernüberdieGeschäftsordnungderBundesregierungeingesickerte«Gender-MainstreamingalsgesellschaftlicheQuerschnittsaufgabe»auchindenletzten freienjournalistischenHochburgenangekommenist:Mit demkonzerninternenProgramm«GenderBalance»wird auchimHauseSpringerandergezieltenHerbeiführung vonmehrDiversitätgearbeitet.

DamitaberverlässtmandenBodenjournalistischklarer undneutralrecherchierterGesichtspunkteundreihtsich einindasbunteSpielpolitischkorrekterSommersprossen.

EineeigensetablierteAbteilungmitdemNamen«People &Culture»engagiertsichebenfallseifriginderSache,produziertAufkleber,diediesexuelleOrientierungalseineArt hippenLifestyledarstellen(«Ohdeer–I’mqueer»oder«Ich bineinHomo-Saurus»).

AnallenEingängenderSpringer-ZentralefindensichinzwischenRegenbogen-AufklebermitderAufschrift«LGBTQ SafeZone»,alswürdenTranssexuelleinDeutschlandregelmäßigdurchdieStraßengetriebenundkönntensichzu Springerflüchten.

IneinerverlagsinternenUmfragezurUnternehmenskulturbeganndieErhebungmitderFrage:«WelchesGeschlechtwurdeIhnenbeiderGeburtzugewiesen?»

UndauchVersuche,eineverquaste,vermeintlichsensible Spracheeinzuführen,müssenvondenRedaktionenimmer häufigerzurückgewiesenwerden.SowurdeetwainRundmailsnahegelegt,denBegriff«Behinderte»nichtmehrzu verwenden,weildaseingeschränktunddefizitärklinge.

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«AndenRollstuhlgefesselt»,erinnereanFolterundErleidenvonRepressionundsolltedeshalbnichtmehrverwendetwerden.

IchantworteteinsolchenFällenregelmäßigdemgesamtenVerteiler,dassichnichtbereitsei,micheinemSprachverständniszuunterwerfen,dasinseinerDenkfigurder wortwörtlichenBibel-AuslegungderZeugenJehovasentspreche,unddassichnurdavorwarnenkönne,solcheAnsätzeweiterzuverfolgen.Antwortenerhieltichregelmäßig nicht.

UmmöglichenMissverständnissenvorzubeugen:Ichbin selbstverständlichgegenjedwedeArtvonDiskriminierung. AuchgegenDiskriminierungvonMenschen,diesichselbst eineranderengeschlechtlichenIdentitätzuordnen,alses ihrbiologischerSexusvorgibt.Deshalbbinichaberganz entschieden nicht TeilirgendeinerBewegungundlasse michvonkeinerleipolitischenIdeologievereinnahmen.

InmeinerAusbildungzumJournalistenhabeichgelernt,PositionenandererzuverstehenundHintergründe undMotivezurecherchierenunddarzustellen.Undich habedaszentraleGebotjournalistischerRedlichkeitverinnerlicht,michdabeiimmermiteinemgewissenAbstandzudenMenschenundThemenzuverhalten,über dieichberichte.EinJournalisthatsichmitniemandem gemeinzumachen,nichtmitden«Guten»undnichtmit den«Schlechten».Wennallerdings«dierichtigeHaltung» zueinemzentralenKriteriuminderBerichterstattung wird,dannsindderJournalismusunddieDemokratiein Gefahr.

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ManchermagalldasvielleichtfürPetitessenhaltenund sichlängstmitsolchenEntwicklungenarrangierthaben. WomöglichliegtesanmeinemeigenenbiografischenErlebeninderDDRunddaran,dassderdamalsallgegenwärtige BekenntniszwangunddieumfassendeIndoktrinierungin mireinentiefenWiderwillenundeinuntrüglichesGespür fürtotalitäreWabernebelhinterlassenhat.

IchhabemichseinerzeitunterdenBedingungenderRepressionnichtverbogen,warumsollteichesheutetun?

Mirwurdeklar,dassichmichentscheidenmusste,obich michdieserMelangeweiteraussetzenwollte.ImGrunde genommenwussteichsofort,dassichdasnichtmitmeinen Grundsätzenvereinbarenkonnte.Darumreichteichdie Kündigungein.

ExpeditionzumUrsprungdesNebels

NachBekanntwerdenmeinerKündigungundderGründe AnfangAugust2022brachmeinHandyschierzusammen unterHunderteneingehenderMails,Nachrichten,Anrufen, diedurchwegBedauern,vorallemaberRespektfürdie KonsequenzmeinesSchrittesausdrückten.

DieReaktionenkamenvonaktivenundehemaligenPolitikern,vonComediansundKabarettisten,vonKollegenaus demeigenenHausundvonanderenJournalistensowievon HundertenvonLesern,Facebook-FreundenundTwitterNutzern.

DasEchowarüberwältigend,aberaucheinwenigver-

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