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Tommy Tenney

Wo Gott sich zuhause fühlt

Leuchter Edition GmbH · Erzhausen


Titel der amerikanischen Originalausgabe: Godʼs Favorite House Erschienen bei Destiny Image Publishers, Inc. P.O.Box 310, Shippensburg, PA 17257-0310, USA Copyright © 1999 by Tommy Tenney Copyright der deutschen Ausgabe © 2004 Leuchter Edition GmbH, Erzhausen Bibelzitate sind, sofern nicht anders angegeben, der revidierten Elberfelder Übersetzung © R.Brockhaus Verlag, Wuppertal/Haan, 1991 entnommen. Aus dem Amerikanischen von Reimer Dietze, Erzhausen Umschlaggestaltung: Peter Karliczek, Uhingen Gesamtherstellung: Schönbach Druck GmbH, Erzhausen Im Hinblick auf die anhaltende und begründete Uneinigkeit in der Diskussion um die neue Rechtschreibung haben wir uns entschlossen dieses Buch in der bewährten „alten“ Rechtschreibung herauszugeben. ISBN: 3-87482-227-3 Bestell-Nr.: 547.227 Leuchter Edition GmbH Postfach 11 61 64386 Erzhausen verlag@leuchter-edition.de www.leuchter-edition.de


INHALTSVERZEICHNIS

Widmung ..............................................................................

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Einführung ...........................................................................

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Kapitel 1 Wo Gott sich zuhause fühlt................................

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Kapitel 2 Falsche Ziellinien und parfümierte Türklinken ..............................

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Kapitel 3 Den Himmel öffnen, die Tore der Hölle verschließen .........................

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Kapitel 4 Einen Gnadenstuhl bauen – keinen Richterstuhl ............................................

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Kapitel 5 Das Licht seiner Herrlichkeit einschalten ..........

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Kapitel 6 Trau niemanden, der nicht humpelt! .................. 102 Kapitel 7 Geistliche Pornographie oder geistliche Intimität? ................................... 118 Kapitel 8 Der Tag, an dem die Musik erstarb – und der Tag, an dem sie wiederauferstehen wird 140 Kapitel 9 Die Thronzone ausweiten – auf Erden wie im Himmel ................................. 159 Kapitel 10 Entdecken Sie die geheime Macht eines Türhüters – wenn er am rechten Ort steht 177


EINFÜHRUNG

Erinnern Sie sich gerne an das Haus, in dem Sie aufgewachsen sind? Und von welcher Art sind diese Erinnerungen? Ist es das Haus selbst, an dem Sie hängen, oder nicht vielmehr das, was in diesem Haus geschah? Ich wage zu behaupten, die einzigen Gründe, aus denen Sie sich gern an ein bestimmtes Gebäude erinnern, hängen mit dem zusammen, was Sie darin erlebt haben: Sie verbrachten Zeit mit Ihrem Vater, spielten mit Ihren Freunden, wurden von Ihrer Mutter auf den Schoß genommen. Was Sie manchmal „Heimweh“ verspüren läßt, sind die Gedanken an das Glück Ihres Zuhauses, nicht so sehr das Haus selbst. Würde Gott nach irgendeinem der Gotteshäuser auf Erden „Heimweh“ verspüren, dann, davon bin überzeugt, wäre es die Hütte Davids. Sie hat er in die himmlische Agenda aufgenommen, um sie wiederherzustellen und dann zu erhalten, und das nicht, weil dieses Bauwerk so außerordentlich schön und kunstvoll gewesen wäre, sondern wegen des leidenschaftlichen Lobpreises, der ihm darin entgegengebracht wurde. Was Gott so für dieses Haus einnimmt, sind die Erfahrungen und Begegnungen, die er darin mit leidenschaftlichen Anbetern hatte. Während in Salomos Tempel die tragenden Pfeiler aus Bronze gegossen wurden, so bestanden die „Pfeiler“ in der Hütte Davids aus Menschen! Gott ist auf der Suche nach neuem Baumaterial, das zu jenem alten Bauplan paßt, denn er möchte sein Lieblingshaus wieder aufbauen. Wollen Sie sich zur Verfügung stellen? Er könnte gut und gern noch einen „lebendigen Stein“, einen Anbeter von Davids Art und Wesen, gebrauchen.


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Dieses Buch handelt nicht vom buchstäblichen Wiederaufbau oder der Wiederherstellung des gesetzmäßigen Opferdienstes der Hütte Davids. Es handelt von der Wiederherstellung leidenschaftlicher Anbetung, also des Herzens Davids. Die Strukturen des Baus werden der Leidenschaft nachfolgen, genauso wie die Ehe der Liebe folgt und schließlich eine Familie gegründet wird.


KAPITEL 1

Wo Gott sich zuhause fühlt Ich wußte gar nicht, daß es ein Haus gibt, mit dem Gott sich besonders verbunden fühlt, bis ich eines Tages meine Familie auf eine Reise in die Vergangenheit mitnahm: Wir besuchten gemeinsam das Haus meiner Kindheit. Wir waren ohnehin in meinen Geburtsort, West Monroe, Louisiana, gereist, um meinem Großvater einen Besuch abzustatten. Und weil wir nun schon einmal da waren, packte ich an einem dieser für Louisiana so typischen heißen Nachmittage meine Familie in unseren Kombi, und wir drehten eine Runde durch die Nachbarschaft. Dabei kamen wir auch zu dem Haus, in dem ich aufgewachsen war. Viele Leute würden sagen, an West Monroe sei nun wirklich nichts Besonderes. Für mich ist es ein einzigartiger Ort, weil er mir Heimat bedeutet. Wir bewohnten damals ein weißes, mit Schindeln getäfeltes Haus an der Slack Street Nr. 114. Der riesige Magnolienbaum am einen Ende des Vorgartens steht immer noch (Magnolien sind die besten Kletterbäume, die kleine Jungs überhaupt finden können), während die Stieleiche, die am anderen Ende stand, längst verschwunden ist (Stieleichen eignen sich nicht besonders gut zum Klettern). An jeder Straßenecke überfiel mich irgendeine durchdringende Erinnerung, die ich meiner faszinierten Familie im Vorbeifahren unbedingt mittei-


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len mußte. Ich zeigte meinen Kindern die Schule, in die ihr Papa gegangen war, und schilderte alles, was sich entlang unserer Rundfahrtstrecke so zugetragen hatte (wobei ich das kaum verhohlene Gähnen vom Rücksitz überhaupt nicht wahrnahm). Als wir vor unserem alten Haus hielten, zeigte ich auf den Graben, in dem der größte Rüpel der Gegend, Clint, und ich miteinander gerauft hatten, nachdem er meine Schwester beschimpft hatte. Seinerzeit war mir das wie eine Schlacht von biblischen Ausmaßen vorgekommen, dabei spielte sich in Kurzfassung bloß folgendes ab: Ich verpaßte Clint einen Nasenstüber, er boxte mich in den Bauch, und wir rannten alle beide heulend nach Hause. Ich liebte das Haus, in dem ich lebte und aufwuchs, und hielt es für die natürlichste Sache der Welt, daß meine Kinder es auch lieben würden. Es war offensichtlich, daß an jenem Nachmittag dort niemand zu Hause war, aber in Nordlouisiana stehen sich die Einheimischen sehr nahe, und es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, das es einem erlaubt, jederzeit das Haus seiner Kindheit zu besuchen. Ich habe keine Ahnung, wem das Haus heute gehört, aber ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß sich irgend jemand daran stören sollte, wenn die Tenneys ein wenig auf ihrem alten Grundstück herumstreiften. Starke Erinnerungen an ein Haus, das mir viel bedeutete Die große Besichtigungsrunde fing im Vorgarten an (der genug Geschichten lieferte, um eine gute halbe Stunde damit zu füllen). Ich war voller nostalgischer Erinnerungen an das, was in jenem Haus in der Slack Street Nr. 114, das mir so viel bedeutete, alles passiert war, und wollte meinen Kindern einen Sinn für das Erbe vermitteln, das auch das ihre war. Sie sollten sich ihrer historischen Bindung an dieses Haus bewußt werden. Langsam arbeiteten wir uns um das Haus herum, während ich auf die bedeutendsten historischen Stätten hinwies und mich in Erzählungen über das Leben im „Paradies“ erging. Als wir die Pforte an der hinteren Veranda durchschritten, war ich


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bei der Episode angekommen, in der der Hund den Lieferanten des Supermarktes gebissen hatte. Nie zuvor hatte ich einen Supermarkt-Lieferanten mit Paketen unter beiden Armen einen so grazilen Tanz vorführen sehen. Mein Hund war eigentlich gar kein großer Hund, führte sich aber inspirierend genug auf, um jenen Mann in preisverdächtigem Ballett über unseren ganzen Hinterhof wirbeln zu lassen. Ich für meinen Teil fand die Vorstellung absolut vergnüglich, während der Lieferjunge wohl nicht allzu glücklich darüber war. Meine Familie war längst ausgestiegen Ich beschrieb die Spielhütte, die im hinteren Hof gestanden hatte, und unsere selbstgebaute Baumschaukel, an der meine Schwester die Befürchtungen meiner Mutter erfüllte und sich tatsächlich den Arm brach. Allmählich begann mir unser Rundgang richtig Spaß zu machen, als ich mich, nachdem das Haus zu etwa drei Vierteln umrundet war, zwischendurch umdrehte – um festzustellen, daß meine Familie gar nicht mehr da war! Ich dachte: Hm, sie werden irgendwas total Interessantes entdeckt haben, wovon sie sich immer noch nicht losreißen können! Gerade eben hatte ich ihnen unseren Haustierfriedhof gezeigt, auf dem meine Schwester und ich unsere Lieblinge zu Grabe getragen hatten, und ich dachte, sie wären dort vielleicht andächtig stehen geblieben. Oder war es das Stiefmütterchenbeet, auf dem meine Mama mir beigebracht hatte, wie man Blumen pflanzt, das sie so faszinierte? Doch als ich den Weg zurückging, den ich gekommen war, stellte ich fest, daß meine Familie mich völlig im Stich gelassen hatte. Ich gebe zu, es war ein heißer Tag in Louisiana mit 40 Grad Außentemperatur und fast 100 Prozent Luftfeuchtigkeit – aber was heißt das schon, wenn man im Paradies sein darf? In Wahrheit waren meine Lieben überzeugt, daß ich in meine Kindergartenzeit zurückgefallen sei und so bald nicht wieder in die Gegenwart finden würde. Sie hatten sich ins Auto zurückge-


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zogen und die Klimaanlage hochgedreht. Ihre Gesichter sahen äußerst gelangweilt aus, während sie darüber diskutierten, welche Kassette sie hören sollten, „solange Papa seine kleine Tour durch die Vergangenheit macht“. Ich war verletzt – nein, mehr als das: Ich war wütend. „Was ist bloß mit euch Typen los?“ fragte ich. „Da zeig’ ich euch nun all diese schönen Dinge –“ „Das ist langweilig“, fiel mir meine Jüngste, Andrea, ins Wort. „Papa, dieses Haus hier bedeutet uns nicht das geringste“, pflichtete Natasha, die Mittlere, bei. Einen Augenblick lang war ich so entrüstet, daß ich mich nicht gewundert hätte, wenn ein Blitz in unser Auto gefahren wäre. So redet man nicht über heiligen Boden – alles, was recht ist! Das war ja beinah ein Sakrileg! Da sagte meine von keinerlei Ehrfurcht gebremste älteste Tochter: „Papa, der einzige Grund, aus dem dir dieses Haus etwas bedeutet, sind die Erinnerungen, die sich für dich damit verbinden. Aber wir haben zu diesem Haus keinerlei Beziehung.“ Da dämmerte mir, daß sie recht hatte. Warum sollte meine Familie sich auch für die Slack Street 114 ebenso interessieren wie ich? Ich kann ihnen Geschichten über das Leben in diesem Haus erzählen, aber für mich sind es mehr als Geschichten. Es ist mein Leben, eingewoben in meine Erinnerungen an dieses Haus, das mir so viel bedeutete. Wieso möchte Gott gerade dieses Haus wieder aufbauen? Ein paar Tage später schlug ich verschiedene Verse in meiner Bibel nach, als mein Augenmerk auf folgenden Abschnitt aus Apostelgeschichte 15 fiel: „Nach diesem will ich zurückkehren und wieder aufbauen die Hütte Davids, die verfallen ist, und ihre Trümmer will ich wieder bauen und sie wieder aufrichten …“ 1


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Ich dachte bei mir selbst: Warum Gott wohl ausgerechnet jenes „Haus“ wieder aufbauen will? Wieso nicht Moses Stiftshütte, naturgetreu und mit allem Drum und Dran? Das war doch schließlich die erste von Menschenhand geschaffene Behausung Gottes auf Erden! Und dann gab’s da den noch weitaus herrlicheren Tempel Salomos – warum wollte Gott nicht den in all seiner Pracht wiedererrichten? Wie kam es, daß Gott sagte, er wolle die Hütte Davids wieder bauen? Im selben Augenblick war mir, als hörte ich die Stimme Gottes mir zuflüstern: „Weil diese Hütte mir sehr viel bedeutet, sie ist das Haus, in dem ich mich zuhause fühle.“ Was für ein Satz! Wieso sagt er das? fragte ich mich. Darauf schien Gott mir mit meiner eigenen Erfahrung zu antworten: „Wegen meiner Erinnerungen.“ Ich glaube, Gott hegt einige kostbare Erinnerungen an Ereignisse in jenem Heiligtum, die mit nichts anderem vergleichbar sind. In diesem Buch geht es nicht darum, irgendwie die Hütte Davids nachzubilden, sondern um eine Neugeburt der Leidenschaft, die der Beweggrund war, aus dem diese Hütte überhaupt gebaut wurde. Davids Heiligtum war weniger Bauwerk als „Ereignis“. Die Gemeinde unserer Tage ist mehr Bau und weniger Ereignis. Genau das macht den Unterschied aus zwischen einem „Haus“ und einem „Heim“, jenen Unterschied, der die Slack Street Nr. 114 für mich so ungemein lebendig, für meine Kinder dagegen belanglos machte. Gelingt es, die Leidenschaft, die David in seinem Herzen trug, wiederzubeleben, so wird Gott selbst uns helfen, das Heiligtum – den Ort, wo Er wohnt – wiederaufzubauen. Dafür hat er sich verbürgt! Wieso sonderte Gott aus all den Bauten, Zelten und Tempeln, die Menschen errichteten und ihm weihten, ausgerechnet Davids behelfsmäßiges Heiligtum auf dem Berg Zion aus, um davon zu sagen: „Dieses Eine hier will ich wiederaufbauen.“? 1

Apostelgeschichte 15,16. Jakobus zitiert hier Amos 9,11 f.


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Die Antwort auf diese Frage wird einige unserer liebgewordenen Ideen darüber, was Gemeinde sein oder nicht sein sollte, in Frage stellen. Diese Antwort hat mein Leben verwandelt und die Botschaft entstehen lassen, die das vorliegende Buch vermitteln möchte. Davids provisorische Hütte eignet sich kaum als Heiligtum Wie bereits gesagt, muß es uns doch erstaunen, daß Gott sich nicht entschloß, Moses Wüstenheiligtum wiederaufzubauen. Das war doch der ursprüngliche Plan! Moses Zeltheiligtum steht am Anfang: Es repräsentiert das Konzept des Heiligtums in seiner schlichtesten, reinsten Form. Die meisten von uns würden sich dagegen wahrscheinlich für den Tempel Salomos in seiner milliardenschweren Pracht entscheiden. Warum sagte Gott nicht, er werde sich diesen königlichen Palast wiederherstellen? Verglichen sowohl mit Moses Stiftshütte als auch erst recht mit Salomos Tempel eignet sich Davids provisorische Hütte kaum als Heiligtum, stellte es doch wenig mehr dar als eine über ein paar Zeltpflöcke gespannte Plane, die die Lade vor der Sonne und den Elementen schützen sollte. Und doch sagte Gott: „Diesen Ort der Anbetung werde ich mir wiederherstellen.“ Offenkundig besteht zwischen dem, was Gott, und dem, was Menschen beeindruckt, ein Unterschied. Als Gott sagte: Ich will „zurückkehren und wieder aufbauen die Hütte Davids, die verfallen ist, und ihre Trümmer will ich wieder bauen und sie wieder aufrichten“, stellte er klar, daß nicht Er es war, der diese Hütte einst abriß. Sie fiel von sich aus zusammen. Das deutet auch darauf hin, daß es irgendwie mit menschlichem Einfluß zu tun haben musste Davids Hütte aufrechtzuerhalten. Wie ich darauf komme? Nun, nichts, was vom lebendigen Gott aufrechterhalten oder gestützt wird, kann in sich zusammenfallen, denn er wird niemals schwach oder matt. Mir scheint, Gott wolle sagen: „Ich weiß ja genau, daß Davids Heiligtum ein menschliches Heiligtum war und daß


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menschliche Hände schwach und schlaff werden. Darum werde ich einen Prozeß in Gang setzen, der die Menschheit stärkt und sie wieder in eben das Haus führt, das David hatte – mein Lieblingshaus, ein Haus, in dem ich mich zuhause fühle.“ Gebäude haben Gott noch nie beeindruckt Aus irgendeinem Grund scheint die christliche Welt vergessen zu haben, daß Gott sich noch nie von Gebäuden beeindrucken ließ. Pastoren, die sich mit ihren Gemeinden in sehr einfachen oder gar provisorischen Räumlichkeiten versammeln, stehen in einem ständigen Kampf darum, in ihrer Stadt als seriöse Kirchengemeinden anerkannt zu werden. Dabei ist es womöglich so, daß in derselben Stadt etliche millionenteure, prachtvolle Kirchenbauten stehen, deren Nutzer im Himmel um Anerkennung als seriöse Kirchengemeinden ringen müssen. Unsere Neigung zu Prachtbauten und Bleiglasfenstern kann sich zu einem Hindernis für echte Anbetung entwickeln. Wenn Gott die Wahl hat, bevorzugt er Passion vor Palästen! Erinnern Sie sich noch? David wollte Gott einen Tempel bauen, doch Gott sagte ihm, daran habe er gar kein Interesse. Wenn Sie die Bibeltexte genau nachlesen, die die Weihe von Salomos Riesentempel beschreiben, werden Sie Gott Dinge sagen hören wie: Wenn ihr euch aber von mir abwendet, ihr und eure Kinder …, dann werde ich Israel ausrotten aus dem Land, das ich ihnen gegeben habe; und das Haus, das ich meinem Namen geheiligt habe, werde ich von meinem Angesicht wegstoßen. So wird Israel zum Sprichwort und zur Spottrede unter allen Völkern werden. Und dieses Haus wird eine Trümmerstätte werden; jeder, der an ihm vorübergeht, wird sich entsetzen und pfeifen. 2 2

1. Könige 9,6 ff. (Hervorhebung durch den Autor).


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Als Jesu Jünger über die herrliche Schönheit des herodianischen Tempels in Jerusalem sprachen, weissagte ihnen der Herr: „Diese Dinge, die ihr seht: Tage werden kommen, in denen nicht ein Stein auf dem anderen gelassen wird, der nicht abgebrochen werden wird.“ 3 Dergleichen sagte Gott von Davids Hütte niemals. Was er darüber sagte, ist gerade das Gegenteil. Es scheint, als sagte er nicht: Sie soll abgebrochen werden, sondern vielmehr: „Kann ich euch helfen, eure Zeltstangen wiederaufzurichten? Kann ich dabei helfen, wiederzugewinnen, was die Zeit geraubt hat und was menschliche Schwachheit hat einstürzen lassen? Dieses Haus möchte ich bewahren, weil mir meine Erinnerungen an Begegnungen, die ich hier mit Menschen hatte, so viel bedeuten.“ Uns geht es um Gottesbegegnungen, Gott aber wünscht sich Menschenbegegnungen; denn es sind Begegnungen mit seinen Kindern, die ihn berühren. Er „zerreißt Vorhänge“ und läßt die Zeit stillstehen, um Gemeinschaft mit seinen Kindern zu haben. Lasse ich meinen Terminkalender beiseite, um auf dem Fußboden mit Andrea Tee zu trinken oder in ihr Spielhäuschen zu kriechen, so wird das lebhafte Erinnerungen bei ihr hinterlassen – zugleich aber auch kostbare Erinnerungen bei mir! David ging es um die blaue Flamme Das grundlegende Element der Hütte Davids reicht weit vor den Zeitpunkt zurück, an dem das physische Bauwerk errichtet wurde. Seine Wurzeln gründeten im Herzen Davids zu einer Zeit, als er noch ein Hirtenjunge war, als er lernte, auf freiem Feld Gemeinschaft mit Gott zu haben und ihn anzubeten. Zu voller Blüte gedieh es, während David damit befaßt war, die Bundeslade nach Jerusalem heimzuführen. Diese Unternehmung Davids ist wichtig für uns, weil sie auch eine Illustration für unsere Bemühungen, heute Gottes Gegenwart wieder in seine Gemeinde 3

Lukas 21,6.


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zurückzubringen, ist. Folgende Passage aus meinem Buch Die Gott nachjagen schildert, welche Motive David dazu brachten, der entschlossenste „Gottjäger“ seiner Tage zu werden: „Als David anfing, davon zu reden, daß er die Bundeslade wieder zurück nach Jerusalem bringen möchte, war er nicht an der vergoldeten Kiste mit den heiligen Kunstgegenständen interessiert. Ihm lag an der blauen Flamme, die sich zwischen den ausgebreiteten Flügeln der Cherubim auf der Bundeslade befand. Die wollte er. Denn etwas an der Flamme zeigte an, dass Gott Selbst da war. Überall, wo auch immer diese Herrlichkeit oder offenbarte Gegenwart Gottes hinkam, da war Sieg, Kraft und Segen. Aus der vertrauten Nähe wird ‚Segen‘ hervorgehen. Aber dadurch, daß wir nur dem ‚Segen‘ nachjagen, wird nicht immer eine vertraute Nähe zu Gott entstehen.“ (Seite 60) Davids Verlangen nach seiner Gegenwart gefiel Gott sehr Irgendwie begriff David etwas von Gottes tiefstem Wesen, etwas, das offenkundig all seinen Zeitgenossen entging. Obwohl auch ich nicht im Tiefsten verstehe, was es war, so weiß ich doch, daß der entscheidende Punkt Davids leidenschaftliches Verlangen nach Gottes Gegenwart war– und ich kann nur hoffen, daß es ansteckend wirkt. Seit jenem schwülen Nachmittag in West Monroe, Louisiana, habe ich den Fingerzeig vom Himmel nie wieder vergessen können: „Wenn ihr dieses Haus baut, dann werde ich kommen.“ Halten Sie sich vor Augen, daß wir in der ganzen Bibel keinen zweiten Menschen finden, der so wie David beschrieben wird: „Ich habe David gefunden, den Sohn Jesses, einen Mann nach meinem Herzen, der meinen ganzen Willen tun wird.“ 4 4

Apostelgeschichte 13,22. Meine Aussage wird gestützt vom griechischen Grundtext dieser Stelle und vom hebräischen Wortlaut des hier verwendeten Originalzitats 1. Samuel 13,14.


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Nach meiner Überzeugung wohnen der Wendung „nach meinem eigenen Herzen“ zwei Bedeutungen inne. Üblicherweise wird diese Formulierung so ausgelegt, daß David ein Mann mit einem Herzen gewesen sei, wie es Gott selbst auch hatte. Darüber hinaus glaube ich, daß David ein Mann war, der in dem Sinne „nach“ dem Herzen Gottes war, daß er Gott fortwährend nachjagte. Er war ein „Gottjäger“, einer, der alles daransetzte, die manifeste Gegenwart Gottes zu erfahren. Lebendiger Beweis dieser seiner Leidenschaft ist seine Entschlossenheit, die Lade nach Jerusalem zu schaffen. Diese zweite Auslegungslinie wird gestützt durch Davids einzigartige Schilderungen seiner engen Gemeinschaft mit Gott, wie wir sie in den Psalmen finden. Ohne allzusehr in die Details zu gehen, möchte ich darauf hinweisen, daß es zwischen der Hütte Davids, dem von Salomo errichteten Tempel und der mosaischen Stiftshütte viele Ähnlichkeiten gibt. Sowohl Moses Stiftshütte als auch Salomos Tempel wiesen drei voneinander getrennte, abgeschlossene Bereiche auf: den Vorhof, das Heiligtum und das Allerheiligste. Zwischen Heiligtum und Allerheiligstem war quer durch das Bauwerk jeweils ein großer, schwerer Vorhang aufgehängt, der diese beiden Bereiche voneinander trennte. Im Allerheiligsten, hinter dem Vorhang, war die Bundeslade aufgestellt. Die Lade war eine goldüberzogene hölzerne Truhe, die Mose nach Anweisungen angefertigt hatte, die Gott ihm gab. Auf ihrem Deckel waren zwei massivgoldene Cherubim- oder Engelfiguren angebracht, die einander, die Flügel ausgestreckt, ansahen. Der Raum zwischen den beiden Engeln wurde als „Gnadenstuhl“ bezeichnet und war der Platz, über dem die blaue Flamme der manifesten Gegenwart Gottes schwebte (auch bezeichnet als Šekinah, Herrlichkeit). Die Lade samt Gnadenstuhl und blauer Flamme der Gegenwart Gottes wurde stets hinter dem dicken, festen Vorhang verborgen gehalten. Diesen Vorhang hat Gott nie gemocht. Er war notwendig, aber gefallen hat er Gott nicht. Als Jesus auf Golgatha am Kreuz starb, war Gott derjenige, der den Vorhang im herodianischen Tempel von oben nach unten entzweiriß, und zwar so, daß


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der Riß total irreparabel war. Er haßte jenen Vorhang, wie ein Sträfling seine Zellentür haßt! Der Vorhang repräsentierte die Mauer, die Abschottung, die ihn von der Menschheit trennte. Bis zu jenem Tag auf Golgatha mußte Gott sich hinter dem Vorhang verbergen, damit er der gefallenen Menschheit, die herzutrat, um ihn in seiner Heiligkeit anzubeten, überhaupt das Leben erhalten konnte. Ich bin es leid, von meinen Kindern getrennt zu sein Vielleicht liegt der Schlüssel zum Wohlgefallen Gottes an der Hütte Davids in dem Bestandteil, der dieser abging: Davids Hütte war das einzige der genannten Bauwerke, das keinen Vorhang aufwies. Mit diesem Schlüssel erhalten wir Zugang zu einem der wichtigsten Stücke der Weisheit aller Zeitalter: Gott möchte auf keinen Fall von uns getrennt sein. Ja, er wird alles nur in seiner Macht Stehende tun, um Dinge zu zerstören, die uns von ihm trennen und ihn veranlassen, sich vor uns zu verbergen. Er haßt Sünde, weil sie trennt. Gott ging so weit, daß er auf dem Hügel Golgatha den „Vorhang“ des Fleisches seines Sohnes zerriß. Zugleich zerrissen unsichtbare Hände den Vorhang auf dem Zion, so als wollte Gott sagen: „Ich will, daß dieses Ding niemals wieder zusammengenäht wird! Ich hab’s satt, von meinen Kindern getrennt zu sein.“ Gott möchte nicht nur Besuchszeiten mit seinen Kindern verbringen. Er will das volle Sorgerecht! Er hat „die Zwischenwand der Umzäunung abgebrochen“ 5. Jetzt sehen wir allmählich einige Begründungen dafür, daß Davids Haus Gott besser gefiel als andere, die ihm ebenfalls gebaut wurden. Mose leistete Gottes Anweisungen Folge und baute ein Zeltheiligtum, umgeben von einer fünf Meter hohen Umzäunung, die aus auf Holz genageltem Leinenstoff bestand. Im Gegensatz dazu wies Davids provisorische Hütte weder einen Vorhang noch irgendeine Art von Umzäunung auf. In Davids 5

Epheser 2,14.


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Haus trennte nichts die Menschheit von der blauen Flamme Gottes. Ja, das einzige, was in Davids Heiligtum Gott umringte, waren die Anbeter, die ihm schätzungsweise 36 Jahre lang 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche und 365 Tage im Jahr dienten. Wenn König David während dieser 36 Jahre nachts mit königlichem Bauchweh erwachte, konnte er vom Tabernakel her Gesänge, Lieder und klingende Zimbeln hören. Dann konnte er aus dem Fenster seines Palastes zu den angrenzenden Hügeln hinüberschauen, um dort, vom flackernden Licht der Kerzen und Fackeln angestrahlt, die Schatten der um die Lade herum tanzenden Füße zu sehen. Vielleicht war es in einer solchen Stunde, daß er niederschrieb: Auf! preist den HERRN, all ihr Knechte des HERRN, die ihr steht im Haus des HERRN in den Nächten! Erhebt eure Hände im Heiligtum und preist den HERRN! 6 Tag und Nacht standen, tanzten und priesen die Anbeter in der Gegenwart Gottes. Es ist, als hätten sie mit ihren erhobenen Händen die Himmel offengehalten. Wenn David nur scharf genug hinsah, den richtigen Blickwinkel hatte und die Körper der Anbeter nicht gerade die Sicht verdeckten, konnte er den blauen Schimmer der Herrlichkeit Gottes zwischen den ausgestreckten Armen und tanzenden Beinen glänzen sehen. In Davids Heiligtum war die Herrlichkeit Gottes für jeden sichtbar Davids Tabernakel war einzigartig. Überall sonst, wo die Lade des Bundes untergebracht war, mußten Anbeter das anbeten, was hinter dem Vorhang war, ohne daß sie jemals genau ge6

Psalm 134,1 f.


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wußt, geschweige denn gesehen hätten, was es eigentlich war. Ausschließlich der Hohepriester konnte sich hinter jenen Vorhang wagen, und selbst das nur ein einziges Mal pro Jahr. In Davids Heiligtum jedoch war die Herrlichkeit Gottes für alle sichtbar, ob es nun Anbeter, zufällige Passanten oder sogar Heiden waren. Unverhüllte Anbetung brachte ungehinderte Anschauung mit sich! Das Wunder von „Gottes Haus, wie er es mag“ läßt sich auf Davids Verlangen nach Gottes Gegenwart zurückführen. Er sagte: „Wie kann ich es anstellen, die Lade Gottes zu mir zu bringen?“ Dieses Verlangen setzte er unter Einsatz seiner ganzen Persönlichkeit um. Sein erster Versuch, die Lade des Bundes nach Jerusalem zu schaffen, endete in einer Katastrophe, doch aus ihr zog David den Schluß, seine Methoden des „Umgangs mit dem Heiligen“ noch einmal komplett neu zu durchdenken. Als David samt seiner Prozession von Leviten und Anbetern nach einem mörderischen 15-Meilen-Fußmarsch endlich Jerusalem erreichte, mag er ebensosehr vor Erleichterung wie vor Freude getanzt haben: „Wir habenʼs geschafft!“ Irgendwo im Verlauf dieses Prozesses des Transports der Lade und der Ehrung Gottes fing David an, das wertzuschätzen, was Gott wertschätzt. Das Gegenbeispiel ist seine Frau Michal: Ihr war Image wichtiger als Heiligkeit. Dafür wurde sie mit Unfruchtbarkeit verflucht, ungeachtet dessen, daß die Tatsache ihrer Kinderlosigkeit ja durchaus auch damit in Verbindung zu bringen war, daß es zwischen ihr und David überhaupt keine intimen Beziehungen gab. Intime Begegnungen mit Gott sind menschlich gesehen manchmal peinlich. Die Landschaft des amerikanischen Christentums ist übersät von unfruchtbaren Kirchen, die der Intimität der Anbetung den Rücken gekehrt haben: Das sind die Michals unserer Tage, die sich ihrerseits entschieden haben, Image für wichtiger zu halten als Intimität mit der Gottheit. Machen Sie sich klar, daß es David nicht um das Gold der Bundeslade ging: Gold hatte er in rauhen Mengen. Es ging ihm auch nicht um die Lade als Möbelstück: Solche Truhen hätte er


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sich zuhauf anfertigen lassen können. Davids Interesse richtete sich nicht auf die Artefakte im Inneren der Truhe: Das waren nette Erinnerungsstücke an Gottes Erscheinen vor anderen Menschen, die lange vor seiner eigenen Geburt gelebt hatten. Nichts daran konnte ihn faszinieren. Worum es David ging, das war jene blaue Flamme der Herrlichkeit Gottes. Durch seine Handlungen sagte David aus: „Ich muß lernen, wie ich jene blaue Flamme vorantragen kann.“ Wir können schönere Gebäude errichten, größere Chöre zusammenstellen, bessere Musik schreiben und begeisterndere Predigten halten, überhaupt alles vollkommener machen als bisher – solange wir nicht die „blaue Flamme“ tragen, hat Gott an alledem kein Wohlgefallen. Und er wird schon dafür sorgen, daß „flammenlose“ Gemeinden genauso unbedeutend für ihn werden, wie sie es für die Menschen längst sind. Wo keine „Flamme“ ist, ist auch kein Feuer, und wo kein Feuer brennt, werden am Ende verrammelte, unfruchtbare Gebäude und leere Herzen übrigbleiben. Irgend jemand müßte sagen: „Hier drin ist es kalt – deshalb gehen alle weg. Laßt uns das Feuer der Anbetung entfachen!“ David gelangte über die todbringende Trennung durch den Vorhang hinaus Im Prozeß seines Umgangs mit der Lade lernte es David auf irgendeine Weise, einen Schritt über die Begrenzungen des aaronitischen Priestertums und der mosaischen Priestergesetze hinauszugehen. Irgendwie bewegte sich dieser pastorale Anbeter über jene Grenze hinaus, die durch den furchterregenden, todbringenden Vorhang gezogen war, und kam in einen Bereich ganz neuer Intimität mit Gott. Dieser Schritt veränderte sein ganzes Verständnis von Lobpreis und Anbetung. Als die erschöpften Leviten endlich an dem provisorischen Zelt anlangten, das David auf dem Berg Zion für die Bundeslade hatte errichten lassen, sagte er zu ihnen: „Eines Tages, wißt ihr, möchte ich schon was Besseres bauen, aber erst mal werden wir


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hier anbeten.“ Froh setzten die Priester die Lade von ihren geschundenen Schultern ab und deponierten sie an Ort und Stelle. Als aber dann einige der Leviten ihrer Wege gehen wollten, hielt David sie auf und sagte: „Nein, ihr bliebt schön hier!“ „Aber David, wir haben gerade etliche Meilen mit der Lade auf unseren Schultern hinter uns gebracht. Wir haben Tausende von Opfertieren zubereitet und dem Herrn dargebracht. Reicht das denn immer noch nicht? Und außerdem gibt es hier überhaupt keinen Vorhang, der das Allerheiligste abtrennt!“ „Nein“, antwortete David ihnen. „Ich habe ja den levitischen Dienst nicht wiederhergestellt, bloß um die Lade hier im Finstern stehen zu lassen, genau wie sie in Silo im Finstern stand. Legt eure Ephode wieder an! Nehmt eure Instrumente wieder zur Hand! Ein paar von euch können ruhig was essen gehen, aber die anderen bleiben bitte hier an Ort und Stelle!“ „Schön, aber wozu sollen wir denn hierbleiben, König David? Möchtest du uns spielen hören?“ „Aber nicht doch. Es geht nicht um mich, sondern um Gott – er ist euer einziger Zuhörer. Er möchte, daß wir ihn fortwährend preisen und anbeten.“ Wir haben die Kunst verlernt, Gottes Gegenwart bei uns zu halten Uns ist es darum zu tun, Gottes Aufmerksamkeit zu gewinnen, doch haben wir ihn dann dazu gebracht, sich um uns zu kümmern, oder spüren wir, wie seine Gegenwart sich unter uns niederläßt, so sagen wir: „Ach, hallo – tut mir leid, aber ich muß weiter!“, und weg sind wir. Viel zu oft wollen wir in unseren Lobpreiszeiten gerade so viel von Gott haben, daß es uns ein bißchen kitzelt oder ein kleiner Schauer unseren Rücken hinabläuft. „Oh, der Herr ist da!“ sagen wir dann – die Frage ist nur: wird er auch dableiben? Schließlich geht es gar nicht um uns, sondern um ihn. An der Sache muß doch mehr dran sein als Gänsehaut


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und frommer Schauer! David gab sich mit Gottes zeitweiliger Anwesenheit nicht zufrieden. Ihm ging es um mehr – deshalb sagte er den levitischen Anbetern: „Ihr geht nirgendwohin. Ich will, daß eure Gruppe die ersten drei Stunden übernimmt. Danach kommt ihr da drüben dran, und ihr dahinten übernehmt die dritte Wache!“ Ich sehne mich nach dem Tag, an dem das Volk Gottes dem Herrn 24 Stunden Lobpreis an sieben Tagen pro Woche bieten, ihn tagtäglich rund um die Uhr anbeten und ehren wird. Mit ganz wenigen Ausnahmen sind Gemeindesäle in Amerika und weltweit die am wenigsten benutzten Räumlichkeiten überhaupt. Während 24 Stunden am Tag geöffnete Ladengeschäfte einen stetigen Zustrom von Kunden verzeichnen, die sich mit vergänglichen irdischen Gütern versorgen wollen, sind unsere Kirchen kaum einmal zwei Stunden die Woche in Betrieb, so gering fällt die Nachfrage nach dem „Produkt“ aus, das sie anzubieten haben. Ehe wir uns auf organisierte Strukturen verlegen, müssen wir einen „24/7“-Lebensstil kultivieren. Machen wir es andersherum, so werden unsere Strukturen über kurz oder lang genauso aussehen wie alles andere, nämlich mechanisch! Dieses Buch verfolgt nicht das Anliegen, Kirchentüren künstlich offenzuhalten. Es möchte die Leidenschaft des Herzens Davids wachrufen, die Leidenschaft der Anbetung. Davids Heiligtum wurde zum liebsten Haus Gottes wegen der Menschen, die dort anbeteten – genauso wie Slack Street 114 nicht wegen des Magnolienbaums, der weißen Farbe oder der grünen Wohnzimmertapete, sondern wegen der Menschen, die dort lebten, zu meinem liebsten Haus wurde: Mama und Papa und der ganzen Familie. Gott möchte Gemeinschaft mit seinen Kindern haben. Als äußerer Rahmen dafür genügt ein Stall – nichts anderes stand in Bethlehem oder der Azusa Street in Los Angeles 7. Hauptsache, Gott und die Menschen kommen sich nahe. Wenn David seine 7

Die Erweckung in der Azusa Street begann in einem zum Gemeindehaus umfunktionierten Stall.


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schäbige Hütte anschaute und sagte: „Irgendwann hoffe ich, was Besseres hinstellen zu können“, antwortete Gott ihm: „Ein Zelt reicht vollauf, David. Paß nur auf, daß dein Herz nicht abkühlt!“ Wir haben wunderschöne Gemeindehäuser gebaut, in denen sich kaum jemand aufhält, denn wenn dort keine Flamme brennt, gibt es nichts zu sehen, weswegen es sich lohnte hinzugehen. In unseren Kirchen gibt es keine Šekinah-Herrlichkeit, weil wir unsere Fähigkeit eingebüßt haben, den Heiligen Geist zu beherbergen. Warum hat Gott gesagt, er wolle Davids Haus wiederaufbauen? Nach meiner Überzeugung, weil Davids Tabernakel weder einen Vorhang noch irgendwelche abtrennenden Wände hatte. Gott sehnt sich nach Intimität zwischen sich und seinem Volk; er möchte seine Herrlichkeit einer verlorenen, sterbenden Welt offenbaren. Er muß Davids Hütte wiedererrichten, weil die schwachen Hände der Menschen der Aufgabe müde geworden sind, die Tore des Himmels durch ihren Lobpreis und ihre Fürbitte offenzuhalten. Sind wir willens, neu zu entdecken, was David lernte, oder langweilt uns Gottes „Reise in die Vergangenheit“ jetzt schon? Sind wir schon ins Auto zurückgeschlüpft, haben die Klimaanlage hochgedreht und gesagt: „Mir bedeutet das hier überhaupt nichts, denn es hat nichts mit meinen eigenen Erinnerungen zu tun.“? Ich frage mich, was es wohl Gott bedeutet haben mag, in all seiner Herrlichkeit in Davids rustikalem Tabernakel sitzen zu können: inmitten seines Volkes, ohne irgendwelche Vorhänge oder Trennwände, die ihn von seiner Schöpfung separierten – und das zum allerersten Mal seit dem Garten Eden … Wenden Sie ihm gerade jetzt Ihr Angesicht zu und fragen Sie ihn, was er wirklich will. Die Antwort, die Sie bekommen werden, wird Sie für immer verändern.


KAPITEL 2

Falsche Ziellinien und parfümierte Türklinken Zu kurz springen und am Wichtigsten vorbeirennen

Was ich jetzt schreibe, mögen einige für gotteslästerlich halten – ich schreibe es trotzdem: Ich habe so viele „gute Gemeindegottesdienste“ besucht, daß es mir für mein Leben reicht. „Gut“ ist einfach nicht mehr gut genug! Ich habe keine Lust mehr auf „gute“ Lieder, ja, nicht einmal mehr auf „gute“ Predigten! Ich habe das alles wirklich richtig satt. Oder würde Ihnen daran liegen, etwas „Gutes“ zu probieren, wenn Sie wüßten, daß in der Küche das „Beste“ nur darauf wartet, aufgetragen zu werden? Ich weiß schon, daß diese Anmerkungen extrem klingen; aber im Zusammenhang dessen, worum es mir wirklich zu tun ist, sind sie noch milde formuliert: Ich will, daß Gott sich in seiner Schekinah, seiner greifbaren Herrlichkeit, zeigt. Im Vergleich zu ihm ist alles und jedes sonst nichts anderes als irgendein Vorspiel, bevor das Richtige beginnt. Ich fürchte, wir haben eine Religion, einen Lebensstil um die Appetithäppchen herum gebaut, das Hauptgericht aber vollkommen vergessen! Immer wenn wir uns an Orten befinden, an denen das ausgebrochen ist, was wir „Erweckung“ nennen, bekommen wir einen kleinen Vorgeschmack der Herrlichkeit Gottes, eine


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flüchtige Ahnung davon. Da diese Herrlichkeit „im Geist“ ist, entzieht sie sich wissenschaftlicher Definierbarkeit oder quantitativer Meßbarkeit. Statt dessen haben wir es mit einem gewissen „Gespür“, einer inneren Wahrnehmung der herannahenden Gegenwart Gottes zu tun, einem Gefühl, das uns sensibel dafür macht, daß sich uns etwas Gewaltiges und Kraftvolles nähert. Wo das geschieht, neigen wir immer wieder dazu, die Situation so anzupacken, wie ein unerfahrener Läufer ein Kurzstreckenrennen angehen würde. Explosionsartig schießen wir von den Startblöcken los und rasen voll eifriger Begierde nach der Gegenwart Gottes, was das Zeug hält, bis wir nach einer gewissen Wegstrecke zu spüren beginnen, wie unbequem ein solches alle Kräfte verzehrendes Rennen um jene Trophäe ist, nach der unser Herz sich sehnt. Einige von uns fühlen, wie ihnen die Kraft schwindet und die Sinne unempfindlich für alles um sie herum werden, während sie japsend dem Ziel entgegenhecheln. Noch einmal reißen wir alle Kraft zusammen, die uns geblieben ist, legen alle Reserven darein, die Linie zu erreichen – bloß um ins Stolpern zu geraten und Zentimeter vor der Linie zu Fall zu kommen. Indem wir zu früh bremsen, es nicht schaffen, die ganze Strecke bis zum Ziel durchzuhalten, rennen wir auf falsche Ziellinien zu und verpassen den Siegespreis. In der Bibel lesen wir, wie drei schläfrige Jünger irgendwo auf einem Berg in Israel die Augen gerade mal so weit auf bekamen, daß sie in einer Herrlichkeitswolke Mose und Elia bei Jesus stehen sahen.8 Blitzschnell waren die Jünger hellwach, und es war Petrus, der Gottes Sohn mit dem Vorschlag ins Wort fiel, an einer falschen Ziellinie stehenzubleiben: dem Vorschlag nämlich, hier an Ort und Stelle ein Denkmal für dieses Ereignis zu errichten. Petrus sprach Jesus mit dem Titel Rabbi, Lehrer, an, und sein Ansinnen lief darauf hinaus, drei einzelne Hütten zu bauen – so, als wären Mose und Elia Jesus gleichrangig. Vielleicht wußte er gar nicht, daß das Beste erst noch kommen sollte. 8

Lukas 9,28-32.


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Mose hatte mehr als zehn Menschenleben lang darauf gewartet, das zu sehen, was nun in Kürze geschehen sollte, und ich glaube kaum, daß die falsche Ziellinie des Petrus ihn interessierte. Er wollte nichts weniger als Gottes Herrlichkeit offenbart sehen. Als nächstes unterbrach der Vater den immer noch redenden Petrus und rückte dessen erdgebundene Perspektive zurecht, indem er sagte: „Dieser ist mein geliebter Sohn, ihn hört!“ 9 Daraufhin verblaßte alles, und nichts war mehr zu sehen außer dem erhöhten Herrn allein. Viel zu oft halten wir an falschen Ziellinien an, weil unser Fleisch von irgend etwas begeistert ist. Wir unterbrechen Gottes Selbstoffenbarung, um Sandburgen zu bauen, mit denen wir die ersten Vorboten seines Erscheinens ehren wollen. Wir haben so viel damit zu tun zu sagen: „Wie gut, dass wir hier sind!“, daß wir überhören, wie Gott sagt: „Ich möchte auch dort mit euch sein!“ Ich hab’s satt, auf falsche Ziellinien zuzurennen Es genügt nicht länger, einfach nur gute Gottesdienste mit guter Musik und guten Predigten zu haben: Wir müssen Gott selbst begegnen. „Beinahe“-Gottesdienste habe ich so über, daß ich in unseren Versammlungen den Menschen manchmal sage: „Falls ihr hergekommen seid, um gute Versammlungen zu erleben, seid ihr auf dem falschen Dampfer. Dafür ist das hier der falsche Prediger, der falsche Ort und der falsche Tag. Kommt ein andermal wieder! Doch wenn es euch um Gott zu tun ist, dann heiße ich euch willkommen in der Bruderschaft der brennenden Herzen.“ Der lauwarmen Gemeinde in Laodizäa sagte Jesus: „Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an; wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, zu dem werde ich hineingehen …“ 10 Der Heilige Geist ist auf der Suche nach dem Ort seiner nächsten Ausgießung. Er steht an den Eingangstüren unserer Kirchen und 9 10

Lukas 9,35. Offenbarung 3,20.


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Gemeindehäuser und hält Ausschau nach einem Menschen wie David, der seiner Heimsuchung einen Ort bereitet hat: einen Ort, an dem Anbeter willens sind, mit ihren erhobenen Händen die Tür zum Himmel aufzustoßen, so daß Gottes Herrlichkeit herabkommen und unter ihnen bleiben kann. Gott sucht nach einem Menschen, einer Gemeinde und einer Stadt, die sein zartes Klopfen hören und ihm die Tür öffnen. Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament finden wir immer wieder Bilder, die Gott als jemanden darstellen, der an Türen klopft. Im Hohenlied wird er prophetisch so dargestellt, daß er an die Tür seines eigenen Hauses klopft und so die Aufmerksamkeit seiner Geliebten, der Gemeinde, sucht.11 Wieso sollte die Tür seines eigenen Hauses abgesperrt sein? Weil er den Schlüssel aus der Hand gegeben hat. Dem Apostel Petrus sagte er: „Ich gebe dir den Schlüssel. Was immer du hier auf der Erde bindest, ist im Himmel gebunden, und was immer du auf der Erde löst, ist im Himmel los.“ 12 Der Herr übergab uns den Schlüssel zu seinem eigenen Erscheinen, als er uns die Fähigkeit verlieh, die Fenster des Himmels zu öffnen und die Pforten der Hölle zu verschließen. Der Riegel ist auf unserer Seite! (Doch womöglich sind die Fenster mit menschlichen Traditionen zugekleistert?) Immer und immer wieder hat der, der unsere Seelen liebt, an die Türen seines Hauses geklopft, aber unsere Antwort ist genau dieselbe wie bei der Braut Salomos: „Ich habe meinen Leibrock schon ausgezogen, wie sollte ich ihn wieder anziehen? Ich habe meine Füße gewaschen, wie sollte ich sie wieder beschmutzen?“ 13 Gottes Verlobte, die Braut, die er liebt, ist zu bequem geworden. Sie will die Tür nicht öffnen, weil es ihr gerade nicht in den Kram paßt. Auf Intimität will sie sich nicht einlassen, die Kosten dafür erscheinen ihr zu hoch. All diese Unbequemlichkeiten ha11 12 13

Siehe Hoheslied 5,2. Nach Matthäus 16,19. Hoheslied 5,3.


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ben uns apathisch gemacht, so daß wir viel zu träge und beiläufig reagieren, wenn unser Geliebter an die Tür unseres Herzens klopft. Es ist seltsam: Sobald das Klopfen aufhört, springen wir alarmiert auf, genau wie Salomos schläfrige Braut. Und wenn wir dann endlich zur Tür rennen, um sie aufzusperren, begegnet uns dort nichts anderes mehr als ein flüchtiger Duft von ihm – er selbst aber ist fort. Ich öffnete meinem Geliebten, aber mein Geliebter hatte sich abgewandt, war weitergegangen. Ich war außer mir, daß er weg war. Ich suchte ihn, doch ich fand ihn nicht. Ich rief ihn, doch er antwortete mir nicht.14 Genau das ist der traurige Zustand unserer heutigen überfütterten Kirche. Womöglich entdecken wir, daß wir genauso unfruchtbar sind wie einst Michal, Davids Frau. Rührte ihre Unfruchtbarkeit, wie bereits angedeutet, vielleicht daher, daß David niemals wieder mit ihr schlief? Ihre Abneigung gegen ihn verschloß jeder Intimität die Tür, so daß es zwischen den beiden keinerlei Freude mehr gab und schon gar keine Fruchtbarkeit. An der Wurzel unserer Unfruchtbarkeit liegt das Widerstreben der Gemeinde Jesu, den vermeintlich gar so hohen Preis intimer Anbetung zu zahlen. Christi Braut hat sich daran gewöhnt, in seinem Haus zu wohnen, während er abwesend ist. Kehrte sie zur Leidenschaft, zum Hunger ihrer ersten Liebe zurück, so würde sie sich niemals zufriedengeben, solange nicht der König selbst das Haus mit ihr teilte. Statt dessen scheint das Klopfen des Meisters bei der Gemeinde unserer Tage keine andere Reaktion auszulösen als ein mürrisches „Jetzt nicht! Siehst du denn nicht, daß ich’s mir gerade bequem gemacht habe? Ich mag jetzt nicht aufstehen! Hat das denn nicht Zeit? Ich hab Kopfschmerzen! Ich hab schon die Schuhe ausgezogen und die Füße hochgelegt. Muß ich dir denn wirklich ausgerechnet jetzt die Tür aufmachen?“. 14

Hoheslied 5,6.


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Wenn das Klopfen aufhört Höchste Alarmstufe ist nicht etwa dann geboten, wenn Gott an unsere Tür klopft, sondern dann, wenn das Klopfen aufhört. Schockartig kehren wir in die Wirklichkeit zurück, sobald uns dämmert, daß unser Geliebter aufgehört hat zu klopfen. Dann vergessen wir auf der Stelle, wie wichtig uns die Bequemlichkeit unseres dahinplätschernden Lebens war. Ich stand auf, um meinem Geliebten zu öffnen, da troffen meine Hände von Myrrhe und meine Finger von flüssiger [wohlduftender] Myrrhe, als ich sie legte an die Griffe des Riegels [wo er die Myrrhe hinterlassen hatte]. Ich öffnete meinem Geliebten, aber mein Geliebter hatte sich abgewandt, war weitergegangen.15 Eine moderne englische Bibelübersetzung sagt, als die Verlobte des Königs ihre Finger um die Türklinke gelegt hatte, tropfte von ihnen die flüssige Myrrhe herab, die der König dort hinterlassen hatte. Anstelle seiner selbst hatte sie nur noch seinen Duft … Meine Befürchtung ist: machen wir die Tür nicht auf, sobald unser Geliebter anklopft und die Taube des Heiligen Geistes sich niederlassen will; versäumen wir es, durch bußfertigen Lobpreis die Fenster des Himmels zu öffnen; verharren wir in der Unwilligkeit, einen Zugang zu schaffen, durch den Gottes Herrlichkeit in die Welt kommen kann, so werden wir an einen Punkt gelangen, an dem uns nichts weiter übrigbleiben wird als sein Duft anstelle seiner selbst. Einigen mag das genügen, sie geben sich damit zufrieden, an dem Ort, wo der Herr stand, nur noch seinen Duft einzuatmen und einen gewissen Kitzel zu verspüren. Mir für meinen Teil reichen vergangene Heimsuchungen Gottes nicht mehr aus. Und wie steht es mit Ihnen? Mich vermögen nachempfundene, in Geschichtsbüchern gelesene Heimsuchungen Gottes nicht mehr zu befriedigen. Ich bin es müde, von Erweckung zu lesen – ich will dem „Erwecker“ begegnen! 15

Hoheslied 5,5 f.


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