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COACHING ... damit Entwicklung stimmig wird

– Grundlagen und Werkzeuge –

Hartmut Knorr www.conceptonline.de

Leuchter Edition · Erzhausen Seite 1


Cover: Melanie van den Berg Satz und Gestaltung: Hartmut Knorr Druck und Verarbeitung: Schönbach-Druck, Erzhausen ISBN 3-87482-241-9 Bestell-Nr. 547.241 Leuchter Edition GmbH Postfach 1161· 64386 Erzhausen Fon: (0 61 50) 97 36 - 0 · Fax: (0 61 50) 97 36 - 36 E-Mail: verlag@leuchter-edition.de Internet: www.leuchter-edition.de Kontakt zum Autor über: www.conceptonline.de

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Vorwort von Pastor Lothar Krauss Seit fünf Jahren stehe ich mit Hartmut Knorr im engen Austausch zu vielen persönlichen und geistlichen Themen. Ein Thema hat uns die ganzen Jahre besonders beschäftigt: die Förderung und Begleitung von angehenden Leitern und Mitarbeitern.

Für uns beide ging das Thema weit über die Theorie hinaus. Mit anderen Leuten unterwegs zu sein, sie zu fördern und in ihrer Entwicklung zu beobachten, fasziniert uns. Seine Praxis hat Hartmut in den vergangenen Jahren immer wieder theoretisch reflektiert und in einzelnen Konzepten für den Gemeindealltag zusammengefasst. Die Sammlung dieser Arbeiten hat er jetzt in diesem Buch unter dem Stichwort COACHING zusammengestellt.

Nach einer kurzen Einführung in den Begriff COACHING zeigt er neun Grundfertigkeiten von Führungskräften auf, die auch für den COACH wichtig sind. Dazu greift er auf anerkannte Fachliteratur zurück und verbindet sie mit der gemeindlichen Arbeit. Durch seine strukturellen Vorschläge ebnet er den praktischen Weg zum gemeindlichen COACHING und stellt im 4. Kapitel eine Fülle von Arbeitsblättern vor, die diesen Prozess wirksam und effektiv gestalten können. Diese gezielte, konstante und qualifizierte Förderung von Mitarbeitern und Leitern in den Gemeinden stellt eine der großen Aufgaben von heute dar, wenn wir mit Gottes Hilfe gesunde Gemeinden bauen wollen.

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Das alles orientiert sich am Vorbild Jesu, der den großen Teil seiner Zeit zwölf Männern geschenkt hat, die durch sein COACHING das tun konnten, was ihrer Berufung entsprach: in der Kraft des Heiligen Geistes den „Erdkreis auf den Kopf stellen“ und ihre Generation mit dem Evangelium erreichen. Dazu will dieses Buch Anstoß und Hilfe sein.

Pastor Lothar Krauss Im August 2001

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Inhaltsverzeichnis Vorwort von Pastor Lothar Krauss Vorwort vom Autor

1.

Coaching – Definition und Beschreibung

1.1 1.2

1.6

Coaching und Mentoring – Definition Coaching – die umfassendste Gestaltung von Mentoring Eingebunden in ein Mentoring-Geflecht Aufgabenbereiche des Coaching Formen von Coaching Einzelcoaching Gruppen- und Systemcoaching Projektcoaching Coaching als Führungs- und Lebensstil Anlässe und Auslöser für Coaching

2.

Coach – Person und Kompetenz

2.1

Zum Coach geeignet Fallbeispiel: Barnabas Den richtigen Coach finden Professioneller und nicht-professioneller Coach Persönliche Kompetenz eines Coaches Methodisch-fachliche Kompetenz eines Coaches 2.4.1 Kommunikative Grundfertigkeiten 2.4.2 Effektiv mit Fragen arbeiten 2.4.3 Hilfreich Feedback geben 2.4.4 Aktiv zuhören

1.3 1.4 1.5

2.2 2.3 2.4

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2.4.5 Führungsstile 2.4.6 Persönlichkeitsdiagnostik 2.4.7 Werteprofil 2.4.8 Konfliktmanagement 2.4.9 Selbstmanagement

3.

Coachingprozess – Ablauf und Gestaltung

3.1 3.2

Erstgespräch – Beauftragung und Vertrag Typisches Vorgehen im Coachingprozess Element 1 – Zielsetzung Element 2 – Ist-Situation analysieren Element 3 – Erwägen der möglichen Handlungsoptionen Element 4 – Liste der Aktivitäten Abschluss des Coachingsprozesses

3.3

4.

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Coachingwerkzeuge – Arbeitsblätter und Instrumente

Übersicht Analysewerkzeuge zur Rundumbetrachtung Gesamtmodell für ein stimmiges Leben Berufs- und Ausbildungsweg Wünsche und Bilder der Zukunft Was Gott gesagt und gezeigt hat Persönlichkeitsstruktur (Selbstwahrnehmung) Persönlichkeitsstruktur (Fremdwahrnehmung) Persönlichkeitsstruktur-Selbsteinschätzung (PSSE190) 4.9 Priorität im Verhaltensstil 4.10 Priorität im Denken und Lernen 4.11 Potential zur Führungspersönlichkeit (Selbsteinschätzung)

4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8

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4.12 Potential zur Führungspersönlichkeit (Ratgebereinschätzung) 4.13 Arbeitsblatt: Fragen und Aspekte zum Konflikt 4.14 Der Konflikttisch 4.15 Die „Innere Bühne“ 4.16 Rolleneinschätzung 4.17 Übersicht: Natürliche Fähigkeiten und biblische Gaben 4.18 Interessenschwerpunkte und Gabentendenzen Selbsteinschätzung und Ratgebereinschätzung 4.19 ZIEL – Arbeitsblatt 4.20 Zieldefinition (global – mittelfristig – kurzfristig) 4.21 Jahresprogrammplan 4.22 Entscheidungsfindung: Was spricht dafür – was dagegen? 4.23 IST – Zeitanalyse (Tagesblatt) 4.24 Selbstbeobachtung von Verhaltensweisen 4.25 Werteprofil

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Literaturhinweise Quellen und weitere, empfehlenswerte Literatur

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Vorwort vom Autor „Mentoring“ – „Coaching“ – „Psychologische Beratung“ All das scheint zur Zeit einen enormen Boom zu erleben. Es ist wie mit vielen Trends, die auf einmal hervorbrechen, in aller Munde sind und sich eine Zeit lang halten, um danach abgelöst zu werden und wieder in Vergessenheit zu geraten. Eine Studentin berichtete mir aus ihrem Umfeld, dass ihre Mitstudentinnen mehr oder weniger alle ihren psychologischen Berater (Coach) für Entscheidungsfindungen haben. Eine Mitarbeiterin, der ich von dem Vorhaben, ein Coaching-Buch zu erstellen, erzähle, reagiert mit den Worten: „Ich kann’s nicht mehr hören: Überall ,Coaching, Mentoring’ ... – mir ist das alles bald zu viel!“ Auch im christlichen Bereich kommen viele Verlage mit Publikationen zu diesem Thema auf den Markt. Jugendorganisationen veranstalten Coaching-Seminare und Kongresse und geben Mappen, Werkzeuge und Instrumente an die Hand. Aber viele der Leute, die sich nun mit dieser Thematik konfrontiert sehen und auch mit Arbeitsmaterialien eingedeckt sind, haben das Wesen des Coaching und Mentoring gar nicht verinnerlicht. Ist Mentoring und Coaching wirklich nur ein Trend, auf den es lohnt aufzuspringen? Unmittelbar nach meiner Entscheidung, als Christ zu leben, traf ich auf Menschen, die mir Vertrauen schenkten und mich an ihrer Erfahrung und ihrem Wissen teilhaben ließen. Viele Fragen wurden in solchen Eins-zu-Eins-Begegnungen angesprochen. Hinweise, Korrektur und Feedback sind so vermittelt worden und haben mich mit dem Wesen von Coaching vertraut gemacht, ohne dass dies jemals so bezeichnet und begrifflich belegt worden wäre.

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Inzwischen sind über zwanzig Jahre vergangen. In dieser Zeit habe ich zunächst als Jugendleiter, als Gemeindepastor, als Schulleiter einer Jüngerschaftsschule, Mitverantwortlicher für die Ausbildung von jungen Pastoren, Referent und Leiter einer regionalen Pastorengruppe von über hundert Leitern vielfältige Erfahrungen im Bereich von Mentoring und Coaching sammeln können. In den letzten Jahren galt mein Engagement in diesem Bereich der Erarbeitung von Werkzeugen und schriftlichen Unterlagen, die „aus der Praxis für die Praxis“ erstellt wurden. Eine Internetpräsenz, die Arbeitsmaterial und Konzepte zur Verfügung stellt, konnte aufgebaut werden (www.conceptonline.de). In diesem Sinne ist Coaching für mich viel mehr als ein Trend, zu dem noch etwas publiziert wird. Einen Menschen förderungsorientiert zu unterstützen, Werte und Erfahrungen durch einen Prozess der Begleitung zu vermitteln und auf diesem Wege prägend zu leben, entspricht nach meinem Verständnis in seinen Grundzügen genau der Art, wie auch Gott mit einer Persönlichkeit umgeht und sich in einen Menschen investiert. Mit dem vorliegenden Buch und den darin enthaltenen Materialien verbinde ich den Wunsch, eine Unterstützung zu geben für die, die im Coaching eher eine zeitlose, biblische Tradition entdecken, als darin einen Trend zu vermuten.

Darmstadt, im August 2001

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Kapitel 1

Coaching – Definition und Beschreibung 1.1 Coaching und Mentoring – Definition Der Begriff „Coaching“ wird für die Beratung, Begleitung und Entwicklung von Führungskräften gebraucht. Coaching ist eine qualifizierte und individuelle Beratungsunterstützung bei der Bearbeitung und Hilfestellung komplexer Entwicklungen, Probleme und Konflikte. „Coaching ist eine hochqualifizierte Begleitung und Unterstützung eines Mentoranten in seiner persönlichen und beruflichen Entwicklung und Aufgabenstellung. Der Coach ist ein Begleiter, Berater, Helfer und Moderator in Bewertungs- und Veränderungsprozessen des persönlichen und beruflichen Umfelds.“ Coaching ist einerseits mit Begriffen wie „Mentoring“, „Beratung“, „Förderung“ u. a. austauschbar. Es geht in diesem Bereich des Lernens immer um die gleiche Zielrichtung: Menschen ein Begleiter, Ratgeber und Förderer zu sein. Insofern überschneiden sich die Begriffe. Auf der anderen Seite ist Coaching die intensivste, qualifizierteste und individuellste Form der Beratung. Auch die Werkzeuge, die unter den genannten Stichworten benutzt werden, sind grundlegend ähnlich: Neben kommunikativen Grundfertigkeiten und einem emphatischen Wahrnehmungsvermögen, geht

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es um das methodische Einsetzen von Werkzeugen der Analyse und einer Portion Kreativität, die in jedem Bereich des Lernens und der Beratung notwendig ist. Der Begriff „Mentoring“ stammt aus der griechischen Mythologie. „Mentor“ war der Eigenname für den Freund von Odysseus. Als dieser nach Troja zog, übertrug er Mentor die Erziehung und Förderung seines Sohnes Telemach mit den Worten: „Erzähle ihm alles, was du weißt!“ Er sollte einen würdigen Königssohn aus ihm machen. Damit ist das Wesen von Mentoring und Coaching treffend beschrieben. Es geht um Potential, Berufung und Begabung, die beim Mentoranten entwickelt werden soll. Eine erfahrene, reife Person investiert sich und überträgt Werte sowie Lebens- und DienstKnow-how. Der Begriff „Coaching“ ist ursprünglich mit Sport und Training verbunden. „To coach“ meint zunächst: trainieren für einen sportlichen Wettkampf. Der Coach ist aber mehr als ein Trainer. Er ist umfassender Spielerberater, Beobachter, Betreuer, Lehrer, Herausforderer und Kritiker. Ein Trainer beschäftigt sich in der Regel mit den Details der täglichen Leistungsverbesserung. Er will den kurzfristigen, sportlichen Erfolg. Ein Coach dagegen betrachtet das Ganze mit etwas Abstand. Er sieht den Sportler mehr umfassend, mit seinem ganzen Leben, Umfeld und Vermögen. Ein Coach ist daher eher der langfristig und umfassend orientierte Begleiter und Fachmann.

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1.2 Coaching – die umfassendste Gestaltung von Mentoring Es gibt wohl keine einheitliche Überzeugung und Einteilung für die unterschiedliche Intensität von Mentoring. Ich würde das ganze Spektrum der Förderung, Begleitung und Beratung in sechs verschiedene Bereiche einteilen, alles unter den Begriff „Mentoring“ einordnen und folgende Unterscheidung vornehmen: Der historische Mentor ... ist ein Mensch, den ich nie persönlich kennen lernen konnte, der jedoch z. B. durch Bücher und Publikationen prägt und Werte weitergibt. Das Vorbild als Mentor ... kann irgendein Mensch sein, der für andere Vorbild war oder ist, ohne es unbedingt zu wissen. Menschen lernen u. a. am Modell, das andere ihnen geben. In dieser Rolle ist jeder Mensch für seine Umwelt automatisch. Die Frage dabei ist, ob diese positiv angenommen und ausgefüllt wird. Der Ratgeber-Mentor ...gibt einen punktuellen Rat, der sich auf eine Situation oder Fragestellung bezieht. Dies geschieht z. B. auch in der Seelsorge. Während jedoch Seelsorge sich mit problemorientierten Bereichen beschäftigt, hat der Ratgeber-Mentor den förderungsorientierten Ansatz im Blick. Co-Mentoren ... sind Personen und Kollegen, die in gleichen Situationen, Rollen

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und Erfahrungen stehen. Hier geschieht Mentoring auf gleicher Ebene durch Austausch und Freundschaft. Der Förderer-Mentor ... ist oft auch gleichzeitig der Leiter bzw. Vorgesetzte der Arbeit. Er fördert selektiv. Über einen bestimmten Zeitabschnitt investiert er sich zielgerichtet in einzelne Personen, um das vorhandene Potential freizusetzen und in Begabung und Berufung Unterstützung zu geben. Der Coach ... ist ein Begleiter, Berater, Helfer und Moderator in Bewertungs-, Gestaltungs- und Veränderungsprozessen des persönlichen und beruflichen Umfelds.

Beim Mentoring durch einen Förderer-Mentor geht es um einen strukturierten, fest geplanten und zeitlich abgesteckten Prozess der Berufs- und Berufungsfindung. Der Mentor in dem Bereich der Förderung überträgt seine Werte auf den Mentoranten, befähigt und bevollmächtigt ihn zur Weiterentwicklung und bringt ihn (im Idealfall) schließlich über seine eigenen Grenzen hinaus. Beim Coaching handelt es sich um ein individuell-zugeschnittenes Maßnahmenbündel. Ein Coach moderiert, bewertet und hilft bei den angedachten Lösungsmöglichkeiten. Coach und Mentorant suchen und arbeiten miteinander an Fragestellungen, Problemlösungen und Konfliktbearbeitungen im Spektrum der beruflichen und persönlichen Herausforderungen, wobei die grundlegenden Weichenstellungen der Berufs-, Berufungs- und Lebensplanung schon vorgenommen wurden.

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1.3 Eingebunden in ein Mentoring-Geflecht Wer den Wert dieser Konzeption der Förderung und Unterstützung erkannt hat, wird seinen ganzen Lebens- und Ausbildungsstil in diese Richtung ausgestalten. Coaching kann zu einem authentischen, umfassenden Führungsstil werden, bei dem es nicht um ein Aufspringen auf einen „aktuellen Zug“ geht, sondern um ein Nehmen und Geben in einem Geflecht von verschiedenen Mentoringbeziehungen.

Ein Mentoring-Geflecht besteht aus vier Dimensionen: Beim „Aufwärts“-Mentoring ... erhalte ich durch einen Förderer oder einen Coach Unterstützung, Hilfestellung und Begleitung. Dabei handelt es sich immer um Menschen, die bereits erfahrener, kompetenter und reifer sind. Beim „Abwärts“-Mentoring Mentorenmodell Quelle: Mentoring, Verlag f.k.Gemeindebau, CH-Greng-M.,S.138 ... wende ich dieses Prinzip genau in die entgegengesetzte Richtung an. Das, was ich als hilfreich durch einen Coach oder Förderer erlebe, gebe ich an andere Menschen weiter, die entwickelt werden sollen. Das interne Mentoring ... bezieht sich auf die Dimension des Co-Mentoring. Kollegen, die in der gleichen Situation, Rolle und Erfahrung stehen, tauschen sich miteinander aus, geben sich Feedback und unterstützen sich.

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Beim externen Mentoring ... geht es ebenfalls um die Ebene des Co-Mentoring. Hier sind es aber Menschen aus externen, vergleichbaren Arbeiten und Bereichen, die sich auf gleicher Ebene Unterstützung geben.

1.4 Aufgabenbereiche des Coaching Es ist Aufgabe des Coaching, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, sie gemeinsam zu bewerten und bei der Umsetzung und Verwirklichung der ausgewählten Möglichkeiten zu moderieren. Dies ist ein Prozess auf Zeit. Die Zielsetzung ist Selbständigkeit und Eigenverantwortung im Umgang mit Problemen, Konflikten, Erfolgen, Misserfolgen, Erwartungen und Zielsetzungen.

Zum Aufgabenbereich des Coaching gehören u. a. ... • Begleitung in persönlichen und beruflichen Veränderungs- und Weiterentwicklungsprozessen • Hilfestellung beim Erlernen kommunikativer Fähigkeiten • Moderation im umfassenden Spektrum der Konfliktbearbeitung • Beratung im Führen von und Umgang mit Menschen • Hilfestellung im Erlernen von Umgang mit Zeit und Setzen von Prioritäten • Unterstützung bei Erstellung und Bearbeitung eines Werteprofils • Bewertungshilfe im Prozess der Eigenwahrnehmung und Entwicklung der Persönlichkeit

1.5 Formen von Coaching Die Formen, in denen Coaching geschieht, sind vielfältig. Hauptrichtungen sind das ...

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• • • •

Einzelcoaching Gruppen- und Systemcoaching Projektcoaching Coaching als Führungs- und Lebensstil

Einzelcoaching ... ermöglicht Veränderungs- und Selbsterkenntnisprozesse, die das eigene Verhalten durchschaubarer machen. Die Beratung, Betreuung und Einflussnahme bezieht sich hier auf eine einzelne Person. Dabei geht es oft nicht nur um einzelne Aspekte, sondern auch um private Bereiche, die Lebens- und Entwicklungsgeschichte, die Betrachtung der Beziehungen, in denen der Mentorant lebt, u. v. a. m. Einzelcoaching kann an einem neutralen Ort oder dem direkten Arbeits- und Dienstumfeld des Mentoranten erfolgen. Gruppen- und Systemcoaching ... besteht aus einem Bündel von Maßnahmen, an dem mehrere Personen gleichzeitig teilnehmen. Hierbei stehen Beziehungsklärungen, Gruppenprozesse und Rollen im Vordergrund. Eine Gruppe soll zu einem Team werden. Hier geht es um Entwicklungsstufen, Persönlichkeiten, gemeinsame Werte, Ziele, Kommunikationsprozesse und die Entwicklung eines Wir-Gefühls. In das Gruppen- und Systemcoaching werden die Personen einbezogen, die Teil eines Systems sind (eine Arbeitsgruppe, eine Dienstgemeinschaft, ein Vorstand, ein Führungsteam, eine ganze Gemeinde ...). Projektcoaching ... dient dazu, ein Projekt konfliktfrei zu gestalten und zu einer guten Entwicklung eines Projektes beizutragen. Der Auftrag bezieht sich hier auf die Gestaltung eines Projektes und den daran teilha-

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benden Personen. Der Coach stellt sein (Fach-) Wissen in Bezug auf das Projekt zur Verfügung, kann aber auch die einzelnen Projektteilnehmer coachen. Coaching als Führungs- und Lebensstil ... ist jedem Leiter einer Gruppe durch seine Stellung möglich. Dabei wird kein externer Coach engagiert, sondern der Leiter nutzt seine Rolle als Vorgesetzter, seine Mitarbeiter fördernd zu führen. Im Gemeindebereich kann dies jeder tun, der mit einer Kleingruppe arbeitet: Hauskreisleiter, Leiter einer Kindergruppe, einer Projektgruppe, usw. Mitarbeiter werden in ihrem Vermögen und ihrem Gabenprofil selektiv gefördert, um ihre individuellen Fähigkeiten und Kernkompetenzen zu optimieren. Der Leiter lebt einen Führungsstil, der nicht ausschließlich aus Direktiven besteht, sondern Mitarbeiter einbezieht, sie verantwortlich einsetzt und ihnen schrittweise und angemessen Vertrauen schenkt und Verantwortung überträgt. In einem solchen Klima des Umgangs mit Führungsverantwortung kann aus einer Gruppe von unterschiedlichsten Menschen ein echtes Team werden, das in einem Klima der Förderung zur Umsetzung einer Sache und Arbeit hochmotiviert ist. Coaching als Führungsstil muss verstanden und erlernt werden. Dazu braucht es Vorbilder, eigene gute Erfahrungen und den Wunsch und die Bereitschaft, andere nach vorne zu bringen.

1.6 Anlässe und Auslöser für Coaching Oft ist der Mensch nur dann zu einer Veränderung motiviert, wenn er „Leidensdruck“ empfindet.

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Da gibt es aktuelle berufliche Situationen, die sich nicht auflösen, obwohl vielleicht schon Versuche zur Verbesserung unternommen wurden. Oder das permanente Empfinden: „Ich komme einfach nicht über bestimmte Grenzen hinaus.“ Konflikte vertiefen sich und können oft ohne Hilfe nicht gelöst werden. Mancher empfindet seine Zeit- und Prioritätenplanung als chaotisch oder nicht ausreichend, andere haben Probleme, Entscheidungen zu treffen, u. v. a. m. In vielen Bereichen des persönlichen Lebens, der beruflichen Herausforderung und auch der Gestaltung des geistlichen Lebens kann Coaching hier einen sehr hilfreichen Begleitungsdienst tun. Coaching ist immer dann sinnvoll, wenn ... • neue Aufgaben und Situationen qualifiziert gestaltet werden sollen. • Konflikte und Probleme bearbeitet und gelöst werden sollen, die durch einen distanzierten Berater (Coach) moderiert werden können. • Änderungswünsche in Bezug auf den Arbeitsstil, den Arbeitsplatz, das Führungsverhalten, die Prioritätensetzung u. a. m. angestrebt werden. • ein Mentorant seine Kernkompetenzen und sein Potential entwickeln möchte. • ein qualifiziertes Feedback des eigenen Verhaltens und Erlebens gesucht wird. • ein Integrationsprozess in eine bestehende Gruppe gelingen soll. • das Selbstmanagement effektiver und konfliktfreier gestaltet werden soll. • Entscheidungsunsicherheiten im persönlichen, beruflichen und geistlichen Bereich bestehen. • u. a. m.

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Die häufigsten Auslöser für Coaching und damit auch die Zielsetzung des Coaching kann man in fünf Bereiche zusammenfassen: Der Mentorant hat Probleme mit anderen Menschen Die zwischenmenschlichen Beziehungen sind problembeladen und der Mentorant weiß nicht, wie eine Verbesserung der Lage erreicht werden kann. Der Mentorant möchte seine Führungskompetenz entwickeln Die Rolle der Führungskraft stellt eine Überforderung dar und er empfindet, dass er hier Unterstützung, Entwicklung und eine Erweiterung braucht. Er macht z. B. zu viel selbst, anstatt Aufgaben zu delegieren. Der Mentorant ist unsicher in Bezug auf Entscheidungen Wie soll es weitergehen? Der Mentorant ist zögerlich und ängstlich bei zu treffenden Entscheidungen, da diese Konsequenzen nach sich ziehen. Er braucht einen „Bewertungshelfer“, der mit ihm die Dinge reflektiert und qualifiziert Feedback gibt. Der Mentorant erlebt seine Zeitgestaltung als unzureichend Die permanente „Tyrannei des Dringlichen“ überfordert ihn. Ständig lebt er mit dem Gefühl, gelebt zu werden, fremdbestimmt zu sein und das Leben und den Dienst nicht wirklich kreativ gestalten zu können. Der Mentorant möchte seine kommunikativen Möglichkeiten erweitern Er möchte z. B. klarer „Nein“ sagen und seine Meinung deutlicher vertreten können. Er möchte es lernen, Mitarbeitern hilfreich Feedback zu geben und ein Gruppengespräch gut zu leiten.

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Kapitel 2

Coach – Person und Kompetenz Es gibt sicher sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, was ein Coach an Qualifikation mitbringen muss, wie man in diese Aufgabe hineinkommt und wo man Anleitung und Ausbildung als Coach erhält.

2.1 Zum Coach geeignet Auch der Coach steht in einem Entwicklungsprozess. Er muss nicht ein perfektes Vorbild sein, das alles weiß und kann. Zunächst eignet sich jede Persönlichkeit zu dieser Aufgabe, die Erfahrungen gesammelt hat und bereit ist, diese an anderen Personen weiterzugeben. Dabei steigt niemand gleich in einen professionellen Dienst ein, sondern fungiert als Ratgeber, unbewusst oder bewusst wahrgenommenes Vorbild oder als Co-Mentor, ohne dies unbedingt so benennen zu müssen. In der Rolle der Führungskraft stellt sich diese Aufgabe als Coach viel bewusster. Von dem Leiter, der Mitarbeiter zu führen hat, wird ein qualifizierteres Führungsverhalten erwartet. Hier geht es nicht mehr „nur“ um einen punktuellen Rat, sondern um Entwicklung von Menschen, Projekten und Gruppen. Dazu braucht es auf der einen Seite die bewusste Bereitschaft, in die Rolle eines Coaches hineinzuwachsen, und auf der anderen Seite

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auch eine persönliche, soziale und fachliche Voraussetzung, die durch Beratungserfahrung wächst und durch Schulung, Fachseminare und Literatur aufgebaut wird.

Fallbeispiel: Barnabas An dem biblischen Beispiel von Barnabas soll dies skizzenhaft veranschaulicht werden. Zugrunde liegende Texte: Apg. 4,36-37 / Apg. 9,26-30 / Apg. 11,19-30 / Apg. 12,24-25 / Apg. 13-15 / Kol. 4,10 / 2. Tim. 4,11 Barnabas hieß eigentlich Joseph („Er möge hinzufügen“), war vom Stamm Levi und stammte aus Zypern. Er besaß dort ein Stück Land als Erbteil, verkaufte dieses und brachte den Erlös zu den Aposteln. In der Beschreibung der Persönlichkeit des Barnabas lassen sich Grundlagen und Voraussetzungen für einen Coach ableiten: • Ein Coach muss selber authentisch leben. Barnabas wird z. B. als vorbildlich im Umgang mit seinem Geld geschildert. Er hat ein wahrhaftiges Herz. • Ein Coach muss selber Autoritäten anerkennen können. Er respektiert und anerkennt die Stellung der Apostel. • Er braucht die Fähigkeit zur Entscheidung. Der Acker gehörte Barnabas. Er hätte ihn nicht zu verkaufen brauchen, stellt sich aber als eine Persönlichkeit vor, die fähig und bereit ist, eine weitreichende Entscheidung zu treffen. In Apg. 9 wird die Umkehr eines Saulus beschrieben, der in der Folge dieses Ereignisses viele Irritationen und Ängste bei den Jüngern auslöste.

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Von Barnabas wird berichtet: • „Er nahm ihn zu sich ...“ Coaching ist nicht auf Distanz hin angelegt. Der Coach muss sich auf eine Persönlichkeit einlassen können, ihr einen Raum im Herzen geben. Barnabas glaubte an die Umkehr eines Saulus. Er hebt sich damit von der allgemeinen Meinung ab. • „... und führte ihn zu ...“ Coaching hat immer etwas mit Führung zu tun. Der Coach ist nicht der Experte, der alles weiß und alle Probleme lösen kann. Er nimmt nur genau wahr, hört gut zu, stellt Überlegungen an, was in einer Situation hilfreich wäre, und ist geduldig. Ein Coach spricht auch für seinen Mentoranten, nutzt seine ihm gegebene Stellung, um Türen zu öffnen und Förderer zu sein. Im Abschnitt Apg. 11,19-30 und Apg. 12,24-25 werden wichtige charakterliche und geistliche Grundzüge eines Barnabas deutlich. • Barnabas bringt die Fähigkeit zur Teamarbeit mit. Er nimmt an ihn herangetragene Aufträge ernst, kann zuhören und zeigt, dass er mit anderen zusammenarbeiten kann. • Ein Coach muss gut hinhören, geistlich betrachten und ein sensibles Wahrnehmungsvermögen entwickeln können („Barnabas sah die Gnade Gottes ...“). • Er zeigt echte Anteilnahme am Erleben und Befinden eines Paulus mit Empathie (einfühlendes Verstehen). • Ein Coach hat trotz aller Arbeit und Herausforderung den Einzelnen im Blick. Barnabas erlebt eine aufblühende Gemeindearbeit in Antiochien. Viele kamen zum Glauben, und damit ist sicher die Arbeitsherausforderung gewachsen. Doch trotz der Vielen sucht Barnabas den Einen: Paulus. Das ist ein typisches Verhalten für einen Coach. Er investiert sich in Einzelne. • Barnabas – Begleiter und Förderer des Paulus im Gemeindedienst („Sie blieben bei der Gemeinde und lehrten viel Volks“). Paulus wird durch das Coaching eines Barnabas mit dem Bereich der

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Gemeindearbeit vertraut gemacht. Er lernt, wird geprägt, entwickelt sich – alles unter dem Coaching eines Barnabas. Schließlich werden Barnabas und Paulus zu einem missionarischen Dienst berufen (Apg. 13-15). In dem Umfeld und den Erfahrungen dieses Dienstes entwickelt sich Paulus schließlich zum führenden Leiter. Dabei zeigt sich: Barnabas war in der Lage, in das zweite Glied zurückzutreten. Er hatte als Coach einen Paulus so fördern können, dass dieser bekannter wurde als er. Zuerst spricht die Bibel in der Aufzählung immer von: „Barnabas und Paulus“ ... – später fast immer von: „Paulus und Barnabas ...“ bzw. „Paulus und seine Begleiter“.

Dieser Umriss verdeutlicht ein wachstümliches Profil für die Rolle als Coach Barnabas bringt zunächst eine persönliche Haltung mit: die Bereitschaft zur Investition in andere. Er beginnt nicht als Profi, sondern als Persönlichkeit mit Integrität und einer angemessenen charakterlicher Reife. Er wächst an den Herausforderungen und macht seine Erfahrungen, immer mit dem Ziel vor Augen, Menschen aufzubauen und sie, wenn möglich, über ihre Grenzen hinaus wachsen zu sehen. Zum Coach eignen sich Persönlichkeiten, die großes Interesse haben, andere Menschen zu befähigen und aufsteigen zu sehen, die über persönliche, charakterliche und geistliche Grundqualitäten verfügen und fachliche Kompetenzen entwickeln.

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