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Kapitel 8

Der Feind wird entlarvt

A

m darauffolgenden Sonntag hatte Judd den Eindruck, dass Bruce etwas vor der Gemeinde verbarg, die dicht gedrängt in den Bänken der New Hope-Gemeinde saß. Sicher, Bruce war so ernst wie immer. Aber er hatte Judd und den anderen Jugendlichen erzählt, dass er Nicolai Carpathia, den neuen Generalsekretär der Vereinten Nationen, für den zukünftigen Antichristen hielt. Bruce hatte sie gebeten, dies für sich zu behalten, und er sagte, nur vier andere Erwachsene, die eine Art inneren Kreis innerhalb der Gemeinde bildeten, wüssten im Augenblick über seinen Verdacht Bescheid. Als Judd an diesem Sonntag die Predigt von Bruce hörte, wurde ihm klar, dass Geheimhaltung sehr wichtig war. Anhand der Bibel beschrieb Bruce die Charakteristika des Antichristen, und jeder, der für diese Möglichkeit offen war, konnte erkennen, dass er von Carpathia sprach. Aber Bruce vermied es sorgfältig, seinen Namen und den der Organisation, der er vorstand, zu nennen. Scheinbar hatte Bruce große Pläne und wollte überleben, um sie auch ausführen zu können. Er wollte seinen Dienst ausweiten und in ganz Amerika und vielleicht auf der ganzen Welt mit kleinen Gruppen von Menschen arbeiten. Wenn er von der Kanzel einer großen Gemeinde aus offen aussprach, wen er für den Feind hielt – und mit seinem Verdacht vielleicht auch noch Recht hatte –, wäre sein Leben keinen Pfifferling mehr wert. Bruce hatte den Jugendlichen versprochen, ihnen Aufzeichnungen von großen Nachrichtensendungen vor80

zuspielen, die er seit Tagen sammelte. Obwohl er sehr viel zu tun hatte, hatte er die Zeit gefunden, diese Bänder zu sichten und zu ordnen. Er erklärte Judd, er und die anderen drei würden sicherlich daraus erkennen, was von Carpathia zu halten sei. Am Montagnachmittag trafen sich die Jugendlichen mit Bruce in der New Hope-Gemeinde. Bei früheren Begegnungen waren schon mal einige Erwachsene oder Bruces Sekretärin dabei gewesen, aber dieses Mal war Bruce allein. Er hatte ein Fernsehgerät und einen Videorecorder aufgestellt und einige Notizen, ein gelbes Klemmbrett und natürlich seine Bibel vor sich liegen. Nachdem sie über ihre jüngsten Erlebnisse, ihre neuen Erkenntnisse aus der Bibel und ihre Gebetsanliegen gesprochen hatten, beteten sie miteinander. Danach spielte Bruce ihnen die Aufzeichnung der Talkshow Nightline vor, die einen Tag nach Carpathias Rede vor den Vereinten Nationen ausgestrahlt worden war. »Hier erleben wir diesen Mann als Meister der Rhetorik. Ich weiß, ihr alle habt seine Rede vor den Vereinten Nationen mitverfolgt. Wie ihr wisst, war er nur zu Gast. Doch diese Rede und sein Verhalten brachte die Verantwortlichen dazu, ihm das Amt des Generalsekretärs anzutragen. Jetzt seht einmal, wie hervorragend man ihn vorbereitet hat. Entweder das oder er ist ein Naturtalent.« Wann immer es möglich war, blickte Carpathia in die Kamera und schien direkt zu jedem einzelnen Zuschauer zu spechen. Judd konnte den Blick nicht von diesem gut aussehenden, engagierten, häufig lächelnden Gesicht wenden. Er stellte fest, dass er sich wünschte, dieser nette, beredte und scheinbar freundliche Mann wäre nicht der Antichrist. Und er fragte sich sogar, ob Bruce nicht vielleicht doch Unrecht hatte. Er hoffte es, aber andererseits hatte Bruce bisher immer Recht gehabt. Sein Gesprächspartner in der Sendung war der Reporter Wallace Theodore. 81


»Ihre Rede vor den Vereinten Nationen«, begann dieser, »die Sie zwischen zwei Pressekonferenzen gehalten haben, scheint New York elektrisiert zu haben. Da sowohl in den Nachrichten am frühen Abend als auch in den Spätnachrichten sehr ausführlich darüber berichtet wurde, sind Sie scheinbar über Nacht zu einem bekannten Mann in diesem Land geworden.« Carpathia lächelte. »Wie jeder aus Europa, vor allem aus Osteuropa, staune ich über Ihre Technologie. Ich –« »Aber stimmt es nicht, dass Sie eigentlich Westeuropäer sind? Obwohl Sie in Rumänien geboren wurden, sind Sie nicht eigentlich italienischer Herkunft?« Bruce hielt das Band mit der Fernbedienung an. »Wisst ihr noch, was ich über den Antichristen gesagt habe?«, fragte er. »Dass er romanisches Blut in sich haben würde?« Die Jugendlichen nickten und Bruce ließ das Band weiterlaufen. »Das trifft bei mir zu wie auch bei vielen anderen Rumänen. Daher der Name unseres Landes. Doch ich sprach von Ihrer Technologie. Sie ist erstaunlich, ich muss jedoch gestehen, dass ich nicht in Ihr Land gekommen bin, um eine bekannte Persönlichkeit zu werden oder dazu gemacht zu werden. Ich habe ein Ziel, eine Mission, eine Botschaft, und das hat nichts zu tun mit meiner Popularität oder meiner persönlichen …« Bruce ließ das Band ein Stück vorlaufen und erklärte, dass Carpathia an dieser Stelle sein Interview mit dem People Magazine verteidigte. Er setzte wieder ein, als Carpathia gerade sagte: »Ich befinde mich auf einem Kreuzzug, damit die Völker der Erde vereint werden. Ich strebe keine Machtposition an. Ich bitte nur darum, dass man mich anhört, und hoffe, dass meine Botschaft in dem Artikel verstanden wird.« Vicki hob die Hand. »Moment mal«, sagte sie. »Was ist denn so falsch daran? Ist das nicht genau das, was wir in einer Zeit wie dieser hören wollen?« 82

»Sicher«, erwiderte Bruce. »Aber pass weiter genau auf.« Wallace Theodore fuhr fort: »Aber Sie haben doch bereits eine Machtstellung inne, Mr. Carpathia.« »Nun, unser kleines Land hat mich gebeten, ihm zu dienen, und ich war bereit dazu.« »Wie reagieren Sie auf böse Zungen, die behaupten, Sie hätten das Protokoll umgangen und Ihre Einsetzung als Präsident in Rumänien sei nur durch eine starke Hand im Hintergrund möglich gewesen?« »Augenblick!«, platzte Lionel kopfschüttelnd heraus. »Halten Sie mal an. Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Was will er wissen?« Bruce lachte leise. »Ich will es dir erklären. Ein Protokoll ist eine akzeptierte und allgemein übliche Handlungsweise. In Rumänien gibt es demokratische Wahlen, aber einige Leute behaupten, Carpathia habe diese irgendwie umgangen, indem er sich selbst zum Präsidenten gemacht habe, obwohl ein anderer das Amt noch ausübte. Carpathia war zum damaligen Zeitpunkt nur Mitglied des Unterhauses der Regierung.« Lionel nickte und das Band lief weiter. »Ich würde sagen, das ist der richtige Weg, einen Pazifisten anzugreifen, jemanden, der nicht nur für die Abrüstung in Rumänien und Europa plädiert, sondern weltweit«, entgegnete Carpathia auf diesen Vorwurf. »Mit anderen Worten«, warf Bruce schnell ein, »er sagt, dass er gegen den Krieg und die Waffenindustrie ist.« »Dann streiten Sie also ab«, fuhr der Reporter fort, »dass Sie vor sieben Jahren einen Konkurrenten ermorden ließen und Einschüchterungstaktik und einflussreiche Freunde in Amerika zu Hilfe genommen haben, um die Präsidentschaft in Rumänien zu übernehmen?« »Der so genannte ermordete Konkurrent gehörte zu meinen engsten Freunden und ich trauere noch heute um ihn. Die wenigen amerikanischen Freunde, die ich habe, 83


mögen hier sehr einflussreich sein, doch ihr Einfluss würde keinesfalls Auswirkungen auf die rumänische Politik haben. Sie müssen wissen, dass unser früherer Präsident mich aus persönlichen Gründen gebeten hat, ihn abzulösen.« »Aber damit haben Sie doch das in der Verfassung vorgeschriebene Verfahren vollkommen ignoriert.« »Er meint damit das Verfahren, wie ein Präsident gewählt wird«, erklärte Bruce. »Das Volk war mit großer Mehrheit dafür und in der Regierung wurde der Beschluss ebenfalls mit großer Mehrheit verabschiedet«, entgegnete Carpathia. »Aber die Tatsache bleibt bestehen.« »In gewisser Weise, ja. Doch andererseits, wenn dieser Beschluss nicht sowohl von Seiten des Volkes als auch von beiden Regierungshäusern ratifiziert worden wäre, wäre ich der Präsident mit der kürzesten Regierungszeit in der Geschichte unserer Nation gewesen.« »Warum die Vereinten Nationen?«, fragte Wallace Theodore ihn. »Einige würden sagen, dass Sie mehr erreichen könnten, wenn Sie vor unserem Senat oder dem Abgeordnetenhaus sprechen würden.« »Ein solches Privileg würde ich mir nicht einmal erträumen«, entgegnete Carpathia. »Aber sehen Sie, ich wollte nichts erreichen. Die UNO war ursprünglich eine Organisation zur Wahrung des Friedens. Sie muss zu dieser Aufgabe zurückkehren.« »Sie haben heute angedeutet, und ich spüre das auch jetzt Ihren Worten ab, dass Sie einen ganz bestimmten Plan für die UNO haben, der sie sehr verbessern würde und in diesen außergewöhnlich schlimmen Zeiten nützlich sein könnte.« »Das habe ich tatsächlich. Ich hatte nicht das Gefühl, solche Veränderungen vorschlagen zu können, als ich dort zu Gast war; hier jedoch habe ich keine Scheu, darüber zu sprechen. Ich bin ein Verfechter der Abrüstung. Das ist kein Geheimnis. Zwar bin ich beeindruckt von 84

den weit reichenden Möglichkeiten, Plänen und Programmen der Vereinten Nationen, doch ich glaube, dass mit kleinen Veränderungen und der Mitarbeit ihrer Mitglieder diese Organisation ihrem ursprünglichen Auftrag wieder besser gerecht werden könnte. Wir müssen wirklich eine weltweite Gemeinschaft werden.« »Könnten Sie das in ein paar Sätzen erläutern?« Carpathias Lachen schien von Herzen und ehrlich gemeint zu sein. »Das ist immer gefährlich«, sagte er, »doch ich will es versuchen. Wie Sie wissen, hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen fünf ständige Mitglieder: die Vereinigten Staaten, die russische Staatengemeinschaft, Großbritannien, Frankreich und China. Außerdem gibt es zehn nicht-ständige Mitglieder, jeweils zwei aus unterschiedlichen Regionen der Welt, die dem Rat für zwei Jahre angehören. Mein Vorschlag ist, weitere fünf Mitglieder dazuzunehmen, jeweils aus fünf verschiedenen Gebieten der Welt. Die zehn nicht-ständigen Mitglieder sind dann nicht mehr vonnöten. Dann hätte man zehn ständige Mitglieder im Sicherheitsrat und eine gewisse Kontinuität wäre so gewährleistet. Der Rest meines Planes ist revolutionär. Gegenwärtig haben die fünf ständigen Mitglieder ein Vetorecht. Für die Abstimmung über Verfahrensfragen ist eine NeunStimmen-Mehrheit erforderlich; Abstimmungen über sehr wichtige Themen erfordern eine einfache Mehrheit, auch die der fünf ständigen Mitglieder. Ich schlage ein strafferes System vor. Ich plädiere für Einstimmigkeit.« »Wie bitte?« »Die Vertreter der zehn ständigen Mitglieder müssen sehr sorgfältig ausgewählt werden. Sie müssen Unterstützung und Hilfe von allen Ländern ihrer betreffenden Region bekommen.« »Das klingt nach einem Alptraum.« »Aber es würde funktionieren. Ich will Ihnen auch den Grund dafür nennen. Ein Alptraum ist, was uns al85


len in der vergangenen Woche passiert ist. Die Zeit ist reif, dass die Völker der Erde sich erheben und darauf bestehen, dass ihre Regierungen ihr gesamtes Waffenarsenal bis auf zehn Prozent abrüsten und zerstören. Diese zehn Prozent würden den Vereinten Nationen unterstellt werden, damit diese Organisation zu ihrem rechtmäßigen Platz als weltweites Organ zur Schaffung und Erhaltung des Friedens zurückkehren könnte mit der für diese Aufgabe nötigen Autorität, Macht und Ausrüstung.« Bruce hielt das Band an und entschuldigte sich bei den Jugendlichen. »Es tut mir Leid, dass ihr euch diese Details über die Vereinten Nationen anhören müsst, aber ich denke, ihr versteht, worum es hier geht. Ist euch etwas aufgefallen, das nach dem, was wir aus dem Buch der Offenbarung wissen, verdächtig klingt?« Judd setzte zum Sprechen an, doch Vicki kam ihm zuvor. »In der Offenbarung steht doch alles Mögliche über die zehn Könige! Meinen Sie, dass Carpathias Konzept der zehn Herrscher dazu passt?« »Was meint ihr?«, fragte Bruce. »Ich glaube, dem kann man nur schwer widersprechen«, meinte Vicki. »Ich werde euch noch ein paar Minuten vorspielen. Da werden Dinge gesagt, die ich noch alarmierender finde.« Bruce ließ das Band weiterlaufen. »Was ist Ihr persönliches Ziel? Eine Führungsrolle im gemeinsamen europäischen Markt?« »Wie Sie wissen, ist Rumänien nicht einmal Mitglied. Aber nein, mein persönliches Ziel ist nicht die Führung, ich möchte nur die Stimme sein. Wir müssen abrüsten, wir müssen den Vereinten Nationen mehr Macht geben, wir müssen eine einheitliche Währung einführen und wir müssen eine weltweite Gemeinschaft werden.« Bruce stellte den Videorecorder ab und nahm die Kassette heraus. »Ist es nicht verständlich, dass viele Leute, mit denen ich gesprochen habe, Nicolai Carpathia höchst eindrucksvoll fanden?« 86

»Das überrascht mich gar nicht«, erwiderte Vicki. »Er ist tatsächlich sehr beeindruckend. Er wirkt so aufrichtig und demütig.« »Der Antichrist ist«, sagte Bruce, »ein attraktiver, charmanter und großer Betrüger. Wir sollen klug sein wie die Schlangen und sanft wie die Tauben, heißt es in der Bibel. Aber denken wir doch mal einen Augenblick darüber nach. Falls der neue Generalsekretär der Vereinten Nationen der Antichrist ist, was wird passieren, wenn die Welt tut, was er fordert?« Die Jugendlichen schwiegen. Judd sah die anderen an. Sie wirkten verwirrt. Er hatte schon darüber nachgedacht. »Er bezeichnet sich selbst als Pazifisten«, erklärte Judd. »Und wenn er das nicht ist? Wenn er nun ein Diktator ist? Er überredet alle, einen Großteil ihrer Waffen zu vernichten und ihm den Rest zur Verfügung zu stellen. Und dann hat er die absolute Macht. Wir können nur hoffen, dass er tatsächlich Pazifist ist!« Bruce nickte. »Und jetzt möchte ich euch eine Aufzeichnung von CNN zeigen. Dieser Bericht kommt aus Israel. Ihr werdet eine Menschenmenge vor der bekannten Klagemauer sehen. Die Leute hören zwei Predigern zu. Seht es euch an.« »Niemand kennt diese beiden Männer«, sagte der CNN-Reporter, »die sich Eli und Moishe nennen. Schon seit der Morgendämmerung stehen sie hier vor der Klagemauer und predigen im Stil der alten amerikanischen Evangelisten. Natürlich sind die orthodoxen Juden hier sehr aufgebracht und werfen den beiden vor, sie würden diesen heiligen Ort entweihen, indem sie verkünden, dass der Jesus Christus aus dem Neuen Testament der in der Thora verheißene Messias sei. Bisher hat es noch keine Gewaltausbrüche gegeben, obwohl die Gemüter sehr erhitzt sind und die Behörden ein wachsames Auge auf die Vorgänge haben. Die israelische Polizei und das Militär betreten diesen Bezirk nur sehr ungern und überlassen es den religiösen Eiferern 87


dort, ihre Probleme selbst zu regeln. Dies ist die explosivste Situation im Heiligen Land seit der Vernichtung der russischen Luftwaffe. Diese neureiche Nation hat sich bisher vorwiegend mit Bedrohungen von außen beschäftigen müssen. Für CNN berichtete Dan Bennett aus Jerusalem.« Judd bemerkte, dass Bruce sehr aufgeregt war. »Ich weiß, ihr habt einige dieser Berichte bereits gesehen, und bestimmt habt ihr die beiden Männer als die in der Bibel vorhergesagten Zeugen erkannt. In der Bibel heißt es, dass diesen beiden Männern nichts geschehen kann und in der ersten Hälfte der Trübsalszeit werden sie sogar Macht über die Niederschläge in Israel haben. Sie haben die Macht zu verhindern, dass Regen fällt, und sie können Wasser in Blut verwandeln, sie können Feuer auf Menschen speien, die versuchen, sie vor dem festgesetzten Zeitpunkt umzubringen. In der Bibel steht weiterhin, dass sie, wenn sie schließlich ermordet werden, vor den Augen der ganzen Welt drei Tage auf der Straße liegen werden. Früher war das nicht vorstellbar, und Bibel-Experten waren der Meinung, dass dies bildlich oder symbolisch gemeint war. Wie könnte die ganze Welt zwei Männer auf der Straße liegen sehen? Mit der heutigen Technologie ist das durchaus machbar. Die meisten werden dies auf CNN oder anderen Fernsehsendern verfolgen. Die Menschen, die diese beiden Männer hassen, werden ihren Tod ausgelassen feiern. Doch nach drei Tagen wird Gott Eli und Moishe in den Himmel rufen.« Lionel beugte sich vor und schüttelte lachend den Kopf. »Das sollte einigen Menschen aber zu denken geben.« »Wisst ihr noch, was ich über die 144 000 Juden gesagt habe, die an Christus glauben und beginnen werden, die Welt zu evangelisieren?«, fragte Bruce. »Ich denke, diese beiden werden diese Entwicklung einleiten.« 88

Bruce ließ das Band weiterlaufen. Eine Nachrichtensprecherin von CNN gab nationale Nachrichten weiter: »New York ist nach den verschiedenen Auftritten des neuen rumänischen Präsidenten Nicolai Carpathia immer noch tief beeindruckt. Von dem 33-jährigen Staatsoberhaupt waren die Medien nach einer Pressekonferenz an diesem Morgen und seiner meisterhaften Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen restlos begeistert. Der ganze Saal war auf den Beinen und applaudierte, sogar die Pressevertreter. Wie berichtet wurde, hatte man Fotos für die Titelseite vom ›People Magazine‹ gemacht, und er wird der erste erotischste Mann des Jahres sein, der diesen Titel weniger als ein Jahr nach seinem designierten Vorgänger bekommt. Aus Kreisen Carpathias verlautet, dass er seinen Zeitplan bereits geändert hat und länger in New York bleiben wird, um an den internationalen Konferenzen, die im Laufe der nächsten beiden Wochen stattfinden werden, teilnehmen zu können. Außerdem ist er von Präsident Fitzhugh eingeladen worden, eine Nacht im Weißen Haus zu verbringen. Bei einer Pressekonferenz am Nachmittag forderte der Präsident Unterstützung für das neue Staatsoberhaupt.« Das Bild des Präsidenten füllte den Bildschirm aus. »In dieser schwierigen Stunde der Weltgeschichte ist es wichtig, dass die Verfechter von Frieden und Einheit vortreten und uns daran erinnern, dass wir Teil einer weltweiten Gemeinschaft sind. Jeder Freund des Friedens ist ein Freund der Vereinigten Staaten und Mr. Carpathia ist ein Freund des Friedens.« Ein Reporter stellte dem Präsidenten eine Frage. »Sir, was halten Sie von Carpathias Ideen für die UNO?« »Dazu möchte ich nur eines sagen: Ich glaube nicht, dass ich jemals einen Menschen gehört habe, ob innerhalb oder außerhalb der UNO, der so gut über die Ge89


schichte, Organisation und Führung dieser Institution Bescheid wusste. Er hat seine Hausaufgaben gemacht und er hat einen Plan. Ich habe zugehört. Ich hoffe, die betreffenden Botschafter und Generalsekretär Ngumo auch. Niemand sollte eine neue Vision als Bedrohung betrachten. Ich bin sicher, jedes Staatsoberhaupt in der Welt teilt meine Ansicht, dass wir in dieser Stunde alle Hilfe brauchen, die wir bekommen können.« Die Nachrichtensprecherin fuhr fort: »Am Abend verlautete aus New York, dass ein Reporter des ›Global Weekly‹ von allen Vorwürfen und Verdächtigungen im Zusammenhang mit dem Tod eines Beamten von Scotland Yard befreit worden ist. Der Verdacht hatte sich ergeben, weil Cameron Williams, Preisträger und Journalist des ›Weekly‹, ersten Meldungen zufolge bei dem Bombenanschlag, der seinen Freund Officer Alan Tompkins das Leben kostete, ebenfalls ums Leben kam.« »Ich muss euch von diesem jungen Reporter erzählen«, sagte Bruce. »Ich weiß, wer er ist«, rief Lionel. »Ich habe neulich mit ihm telefoniert. Er wollte meine Mutter sprechen.« »Und er hat in der Nacht der Entrückung mit mir im Flugzeug gesessen«, ergänzte Judd. »Nun«, meinte Bruce, »er ist ein Freund von Captain Steele und er hat mit Carpathia gesprochen. Er berichtete, Carpathia habe ihm gesagt, Israel brauche den Schutz der Vereinten Nationen. Israel verfügt über eine Formel, die die Wüste zum Blühen bringt. Im Austausch gegen diese Formel, behauptet Carpathia, würde die Welt Israel nur zu gern den Frieden garantieren. Wenn alle anderen Völker abrüsten und ein Zehntel ihrer Waffen den Vereinten Nationen zur Verfügung stellen, werden die Vereinten Nationen einen Friedensvertrag mit Israel schließen. Und das wird meiner Meinung nach die siebenjährige Trübsalszeit einläuten. Für heute ist unsere Zeit um, aber das nächste Mal werden wir über das sprechen, was ich bereits mit der 90

Gruppe der Erwachsenen besprochen habe. Aus unterschiedlichen Quellen habe ich einen groben Zeitplan erstellt, der uns zeigt, was wir in dieser schwierigen Phase der Geschichte zu erwarten haben.« Judd konnte es kaum erwarten, alles Weitere zu erfahren. Als er an diesem Abend nach Hause fuhr, brachte er kaum ein Wort heraus. Die anderen drei unterhielten sich über das, was sie von Bruce gehört hatten. Ryan fragte schließlich: »Judd, was meinst du? Was erwartet Bruce jetzt von uns? Ich meine, wir können noch nicht nach New York fahren und gegen diesen Carpathia kämpfen, oder?« »Natürlich nicht«, erwiderte Judd. »Ich denke, Bruce ist der Meinung, dass wir besser dran sind, wenn wir unseren Feind kennen. Unsere Aufgabe ist es, in den kommenden sieben Jahren so viele Menschen wie möglich zu Christus zu führen, und wie ihr wisst, wird uns das bei den Feinden Gottes, vor allem bei dem Antichristen, nicht gerade beliebt machen.«

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