1. Kapitel
Konfrontation Gottes Herrschaft ist ewig und weltumfassend. Er war und ist der oberste Herrscher über alle Dinge und er wird es immer sein. Er herrscht über den Himmel, die Engel, die Planeten, die Natur, die Geschichte und alles, was es gibt. Trotzdem erfahren wir in unserem Leben nicht unbedingt seine Herrschaft. Wenn das Reich Gottes kommt, greift Gott auch in den Lauf der Menschheitsgeschichte ein. Seine Macht kommt im Tun und Handeln der Menschen zum Durchbruch und stellt sich den Mächten entgegen, die sich ihm widersetzen und Menschen gefangen halten. Es stellt die gewohnte Gesellschaftsordnung auf den Kopf. Das erlebten die Israeliten, als sie in Ägypten gefangen waren. Ägypten wurde von okkulten Mächten beherrscht, die unter dem grausamen Regierungssystem des Pharaos ihr Unwesen trieben. Die Götter Ägyptens, die Herrschaft des Pharaos und seine Armee hielten Israel in der Sklaverei gefangen. Dann brach das Reich Gottes an. Mose sprach und der »Ich bin« Israels richtete die Götter Ägyptens durch Plagen, Zeichen und Wunder und seinen »ausgestreckten Arm«. Zwei Mächte prallten aufeinander: Die Macht Ägyptens zerbrach und Israel wurde befreit. Das Gleiche geschah, als Israel das Land Kanaan einnahm. Die Heere Israels kämpften gegen die Mächte des Landes, aber Gott ging vor ihnen her und sicherte ihnen den Sieg. Als Gott David zum König salben ließ und ihn mit seinem Geist erfüllte, besiegte er alle Mächte, die Israel gefangen hielten. Der Friede von Davids Herrschaft war gleichbedeutend mit dem Frieden des Reiches Gottes. Er 15
erreichte seinen Höhepunkt in der strahlenden Herrschaft von Davids Sohn, Salomo. Der Herr Israels herrschte durch seine gesalbten Könige. Gott griff so spürbar ein, dass Israel bekennen musste: Unser Gott regiert! Israel erlebte die Herrschaft Gottes und begriff immer mehr, dass die Natur, fremde Nationen, der Lauf der Geschichte, die himmlischen Wesen, das Meer, wirklich alles unter seiner Herrschaft steht. Aber dass Gott regiert, heißt noch lange nicht, dass man damit automatisch unter Gottes Segen steht. Er entscheidet nach seinem souveränen Willen, wann er eingreift. Als Israel Gottes Herrschaft missbrauchte und falsch deutete, griff er auf eine bislang nicht gekannte, schmerzliche Weise ein: Er machte fremde Völker stark, um durch sie Israel zu bestrafen und das Volk wieder in die Gefangenschaft zu führen. In dieser Zeit empfingen die Propheten Verheißungen des Reiches Gottes. Nicht als sofortiges Ereignis wie zu Moses Zeit, sondern als Versprechen, dass ein neues Zeitalter anbrechen wird. Diese Verheißung stellte alles bisher da Gewesene in den Schatten. Gott würde in die Menschheitsgeschichte eingreifen und seine Königsherrschaft der ganzen Welt offenbaren. Die Propheten sprachen von wunderbaren, dramatischen Dingen. Ein Stein wird vom Himmel fallen, alle Reiche dieser Welt zermalmen, dann wachsen und die ganze Erde bedecken. Die Herrlichkeit Gottes wird die Sonne verdunkeln. Der Geist Gottes wird die Wüste in den Garten Eden verwandeln. Gottes Heiliger Geist wird einen Nachkommen Davids erfüllen und er wird mit weltweiter Macht regieren. Alle Völker werden sich vor ihm beugen. Die Gefangenen werden frei werden, die Blinden sehen, die Lahmen gehen und ein neuer, unvergleichlicher Friede wird über Gottes Volk kommen. Das wird der letzte Tag sein, der Tag, an dem Gott kommt. Die Folge ist ein neues Volk Gottes, das in einer neuen Welt lebt. Das Leben in diesem Zeitalter wird sich in das Leben eines neuen Zeit16
alters verwandeln, in dem Gott allein herrscht und alle seine Feinde endgültig besiegt sind. Ein Prophet nach dem anderen sprach von diesem neuen Bund, von einem neuen Priestertum, einem neuen Jerusalem, einem neuen Volk und einem neuen Tag. Sie warteten, aber eine fremde Macht nach der anderen unterdrückte das Volk. War Gottes Zorn so groß, dass er sich für immer von ihnen abgewandt hatte? Jahrhunderte vergingen. Schließlich verstummten sogar die Stimmen der Propheten. Gottes Segen in der Zeit Esras und Nehemias und der von den Makkabäern angeführte Unabhängigkeitskrieg waren ein kurzer Blick auf das, was ihnen verheißen worden war. Wann würde das Reich kommen? Plötzlich und unerwartet geschahen ungewöhnliche und seltsame Dinge. Ein wild aussehender Prophet erschien in der Wüste und kündete das Kommen des Gesalbten an. Er stellte einen Zimmermann aus Nazareth als die Erfüllung von Israels Träumen vor. Und durch diesen Zimmermann geschah etwas Neues. Die »Pharaonen« dieser Zeit blieben vorerst verschont, aber die Mächte der Dunkelheit kamen in schwere Bedrängnis. Lahme gingen, Taube hörten, Gelähmte standen auf, Sünder erlebten Vergebung, böse Geister wurden ausgetrieben, Tote wurden auferweckt, dämonische Stürme legten sich durch ein Wort, und die Nähe des Reiches Gottes wurde mit einer Vollmacht verkündet, wie sie nie zuvor erlebt worden war. Die Menschen kamen in Scharen, um diesen Mann zu hören. Alles, was er tat und sagte, bezeugte, dass Gott durch ihn wirkte. Er sprach ständig vom Reich Gottes: in Gleichnissen und in Seligpreisungen, in Sprichwörtern und in Geschichten. Es bestand kein Zweifel, dass ein Ereignis von großer Wichtigkeit stattfand. Er sprach auf geheimnisvolle Weise vom Reich Gottes, so als sei es bereits da und werde trotzdem noch kommen. In mancherlei Weise schien er die Grenzen dessen, was die Propheten erwartet hatten, zu sprengen. Trotzdem war er anscheinend nicht bereit zu 17
offenbaren, wie das Reich Gottes in seiner ganzen Fülle aussehen würde. Stattdessen wies er auf ein letztes, alles umwälzendes Eingreifen Gottes hin. Die geheimnisvolle Weise, in der er das Reich Gottes ankündigte, war eine Sache. Die Blindheit des Volkes und seiner Anführer war eine andere. War er der Messias? War er ein Betrüger? Die Blinden behaupteten Letzteres; Gott bestätigte das Erstere. Ereignisse, die erst in einem künftigen, letzten Durchbruch des Reiches Gottes erwartet wurden, geschahen in Jesus Christus und durch ihn immer wieder. Das Geheimnis seiner Person und die Blindheit des Volkes führten zu einer Konfrontation, die von den Propheten zwar angekündigt worden war, die aber nur wenige verstanden: Seine Botschaft und sein Leben gerieten immer mehr in Konflikt mit den religiösen Führern seiner Zeit. Jesus nahm die Rolle des Knechtes an, der von Jesaja als derjenige beschrieben wurde, der für das Volk leiden würde. Er wurde gekreuzigt, aber er stand vom Tod wieder auf und verkörperte damit eine Form des Lebens, wie sie erst in der Zukunft erwartet wurde. Nach der Auferstehung sprach er ständig vom Reich Gottes und versprach, dass Gott auch weiterhin mit Macht eingreifen würde. Er gab seinen Jüngern die Vollmacht, das Reich Gottes bis an die Enden der Erde zu verkünden. Dann fuhr er in den Himmel auf und die Macht des Heiligen Geistes kam auf die ersten Jünger. Nach Pfingsten geschahen ähnliche Ereignisse wie während Jesu Wirken auf Erden. Erneut zeigte sich der Durchbruch des Reiches Gottes. Die Gute Nachricht konfrontierte die dunklen Mächte der alten Welt: Dämonen wurden ausgetrieben. Kranke wurden geheilt. Tote wurden auferweckt. Sünder erlebten Vergebung. Städte und Dörfer gerieten in Aufruhr. Die Berichte der Jünger, die diese Ereignisse bezeugten, die in den Evangelien, in der Apostelgeschichte, in den Briefen und in der Offenbarung des Johannes aufgeschrieben sind, sprechen alle vom Reich Gottes. 18
Jesus gab seinen Jüngern die Vollmacht, das Reich Gottes allen Völkern bis an das Ende der Zeit zu verkünden. Wir leben in einer Zeit, in der sich diese Botschaft so schnell verbreitet wie nie zuvor. In der Kirchengeschichte finden wir immer wieder Ereignisse, bei denen das Reich Gottes am Wirken war. In einem Volk nach dem anderen und in einer Generation nach der anderen. Einerseits warten wir auf den endgültigen Durchbruch Gottes in der Menschheitsgeschichte, wenn diese Welt für immer einem neuen Zeitalter weicht und Gott als oberster Herrscher über einen neuen Himmel und eine neue Erde herrscht. Andererseits ist das Ende bereits in Jesus Christus und durch das Ausgießen des Heiligen Geistes gekommen. Die Gemeinde lebt durch die Macht des künftigen Zeitalters, aber die Mächte dieser Zeit bestehen weiterhin um uns herum. Das Reich Gottes ruft uns von der Zukunft aus zu, gelangt in unserem Leben zum Durchbruch und fordert uns auf, uns ganz für ein Leben in diesem Reich zu entscheiden. Es lohnt sich, alles zu verkaufen, was wir haben, um diese eine kostbare Perle zu erwerben. Wir sollten deshalb Jesu Wort befolgen und »zuerst das Reich Gottes suchen« (Mt 6,33).
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