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verursachte ein Riesenchaos in New York. Der Mumie wurde zu ihren Lebzeiten Unrecht getan, doch sie bekam die Gelegenheit, sich später zu rächen. Dracula konnte seine Opfer in den Hals beißen und aussaugen. Sowohl das Phantom der Oper als auch der Glöckner von Notre Dame waren von Narben gezeichnet, hässlich und missverstanden, aber wenigstens für einen kurzen Augenblick hatten sie die Wertschätzung einer schönen Frau. Kein Wunder, dass ich diese Gestalten in meiner Nähe haben wollte. Schließlich war es offensichtlich, dass ich einer von ihnen war – hässlich, zurückgewiesen, verspottet und irgendwie nicht wert, der Welt der normalen Kinder anzugehören. Ich kam in die Pubertät, in dieses schlimme Alter, in dem Größe, Figur und Aussehen so extrem wichtig sind und in dem alle außer mir zu wachsen schienen. Auf der rechten Seite meines Halses war die Narbe deutlich sichtbar und an der Stelle, an der das Lymphom gesessen hatte, war eine Vertiefung geblieben. Wegen des Problems mit meiner Zunge lispelte ich sehr stark, und häufig verstümmelte ich Wörter, wenn mein Verstand schneller arbeitete als mein Mund. Ich trug eine Brille und Tag für Tag einen von meinen beiden Lieblingspullovern, und mal ehrlich, wenn ich auch nicht wirklich eines dieser Monster war, so kam ich denen in meinem Aussehen doch recht nahe. Mädchen? Hey, ich hätte mir keinen besseren Schutz vor dieser Versuchung vorstellen können. Einmal beschwerte ich mich bei meiner Mom: »Ich bin so hässlich, mich will bestimmt später mal niemand heiraten!« Und natürlich war zu erwarten, dass einige meiner Klassenkameraden, die alle größer und stolz auf ihre Körpergröße waren, ein besonderes Vergnügen daran fanden, mir das Leben zur Hölle zu machen. Ich wurde herumgeschubst, angerempelt, zu Fall gebracht, geschlagen, beleidigt, verhöhnt, misshandelt, gehänselt und verspottet, und so wie jedes Monster es einmal satt hat, dass alle bei seinem Anblick erschreckt aufschreien (Warum können sie nicht einfach diesen Teil auslassen und Hallo sagen?), hatte ich es satt, 58


dass die Kinder fragten: »Oh, was ist denn mit deiner Zunge los?«, bevor sie auch nur meinen Namen wissen wollten. Durch die Augen anderer betrachtete ich mich zunehmend als Monster. Aber meine Monster-Freunde hatten einen bedeutenden Vorteil, den ich bewunderte und mir selbst wünschte: Ja, sie waren gefangen und missverstanden, so wie ich, aber sie fanden einen Weg heraus. Sie waren missgestaltet und hässlich, genau wie ich, aber wenn jemand ihnen die Bücher aus dem Arm schlug, sie im Flur anrempelte, beleidigende Bilder von ihnen zeichnete oder ihnen Schimpfnamen nachrief, dann konnte man damit rechnen, dass Frankensteins Monster, das Phantom oder der Glöckner etwas dagegen unternahmen. Sie hatten Macht über ihre Situation. Sie hatten die Kontrolle darüber. Die Leute hatten Angst vor ihnen und nicht umgekehrt. Vielleicht findet ihr euch hier wieder. Habt ihr so etwas schon erlebt? Vielleicht steckt ihr gerade in einer solchen Situation, vielleicht erfahrt ihr, dass jemand euch ständig mit Worten verletzt, euch mit seinem grausamen Verhalten tritt, euch wehtut und euch eure Würde nimmt. Ihr wünscht, ihr könntet etwas dagegen unternehmen, diese Situation überwinden, aber ihr seid umgeben von unsichtbaren Wänden, von Autoritätsgrundsätzen, die euch darin gefangen halten: »Du musst aber nun mal da sein. Du hast keine Wahl. Du musst gehen. Du musst diese Situation aushalten. Wir können das nicht ändern.« Du musst in diese Schule gehen, in diesem Klassenzimmer sitzen, in dieser Kantine zu Mittag essen, in dieser bestimmten Firma arbeiten, den Spott dieser bestimmten Gruppe hinnehmen oder diesen bestimmten Chef, Abteilungsleiter oder Mitarbeiter ertragen. Vielleicht liegst du nachts wach in deinem Bett und hast Angst vor jedem Morgen wegen der Menschen, die in der Schule oder am Arbeitsplatz auf dich warten. Sie haben einen Namen für dich – nicht deinen richtigen Namen, sondern einen Namen, den sie dir gegeben haben, einen Na59


men, der dich als minderwertig, hässlich oder dumm abstempelt. Und da sind andere, die dich nicht einmal kennen, dir aber trotzdem diesen Namen nachrufen, weil es ihnen Spaß macht. Sie haben sich nie die Mühe gemacht, dich nach deinem richtigen Namen zu fragen. Sie betrachten es als ihre Mission, dich deiner Würde zu berauben. Sie spucken dich an, stellen dir ein Bein und treten dir von hinten in die Hacken. Egal welche Kleidung du trägst, sie lachen darüber. Wenn du etwas Neues hast, stehlen sie es, verschütten etwas darauf, zerreißen und zerstören es. Für diese Quälerei gibt es keinen besonderen Grund. Sie nehmen jede kleinste Kleinigkeit zum Anlass. Sie hacken auf dir herum, weil du kleiner bist, weil du eine seltene Blutgruppe hast, weil du gern Äpfel isst, ein bestimmtes Lied singst, einen bestimmten Pullover trägst, einen Ball nicht werfen oder fangen kannst, nicht schnell laufen kannst, weil du nicht die richtige Kleidung trägst oder einfach, weil du anders bist. Und im Sportunterricht haben deine Peiniger die beste Gelegenheit, dich zu piesacken, weil sie dir nahe kommen können und weil alle sich bewegen. Die beste Gelegenheit, ihren körperlichen Vorteil über dich herauszustreichen, weil du klein, schwach oder vielleicht kein besonders guter Sportler bist. Und nichts ist schlimmer, als zusammen mit dieser Meute unter die Dusche zu gehen, nackt vor deinen Feinden zu stehen, bloßgelegt vor ihnen zu sein, so dass sie deine intimsten Körperstellen betrachten und dich verspotten, verhöhnen und quälen können. So etwas hat große Ähnlichkeit mit dem Missbrauch eines Kindes durch ein Familienmitglied, das Autorität über dieses Kind hat. Eltern und Lehrer, der Stiefvater, der ältere Bruder, Onkel oder der im Haus lebende Freund behaupten, es sei in Ordnung. Sie lassen dich schlimme Dinge tun, weil sie sagen, du sollst es tun; sie reden dir ein, es sei nichts dabei, aber obwohl du gehorchst und dich fügst, schreit irgendetwas tief in deinem Innern: »Das ist verkehrt! Das sollte mir nicht passieren!« 60


Die Menschen, bei denen du nach Liebe, Zuflucht und Schutz suchst, raten dir, deine Peiniger zu ignorieren, dich einfach von ihnen fern zu halten, aber die Autoritätspersonen tun nichts, um diejenigen aufzuhalten, die dich verbal, körperlich oder emotional missbrauchen. Was kann man da schon machen? Sie ignorieren? Wir wollen doch ehrlich sein: Ignorieren ist gleichbedeutend mit schauspielern und nichts weiter. Du tust so, als würden die Worte oder das Verhalten deiner Peiniger dich nicht verletzen. Du hörst die Worte, du empfindest die Beleidigungen und erträgst die Schläge. Du kannst dich taub und schmerzunempfindlich stellen, aber die Stiche und Pfeile bohren sich trotzdem in dich hinein. Dich einfach von ihnen fern halten? Wie gern würdest du das tun. Aber kannst du dir etwa aussuchen, in welchem Kantinenraum du dein Mittagessen einnehmen willst, in welcher Reihe du dich anstellen, an welchem Tisch du sitzen, in welchem Bus du heimfahren oder in welcher Richtung du nach Hause gehen willst? Weißt du noch? Nach dem Sportunterricht muss jeder unter die Dusche! Wenn du etwas darüber verlauten lässt, wie sehr du gepiesackt wirst, dann bist du entweder eine Petze oder ein Schwächling, und du verstärkst dadurch das Problem nur noch. Zumindest scheint dies der universelle, ungeschriebene Verhaltenskodex zu sein. Wenn du die Wahl hättest, würdest du nicht dort sein, aber du hast keine Entscheidungsfreiheit. Du bist gefangen durch die Regeln und Anforderungen der Erwachsenenwelt, die Erwartungen, die von Geburt an an dich gestellt werden. Natürlich gehorchst du, natürlich tust du, was man dir sagt, natürlich unterwirfst du dich Autoritätspersonen und Grundsätzen, und ja, in vielen Fällen ist das auch ganz richtig so. Wenn eine Autoritätsperson dir sagt: »Du musst in die Schule gehen«, dann gehst du. Du ziehst dich an, schnappst dir deine Bücher und dein Frühstück und gehst. Wenn eine 61


Autoritätsperson dich daran erinnert, dass dein Vorgesetzter das Recht hat, dich an deinem Arbeitsplatz zu schikanieren, weil er dein Gehalt zahlt, dann schluckst du und gehst mit einem Gefühl der Resignation zur Arbeit, als gebe es das herabwürdigende Verhalten deines Vorgesetzten nicht. Durch ihre Gleichgültigkeit Themen wie Missbrauch, Belästigung und Schikane gegenüber senden Eltern, Lehrer und Arbeitgeber zwischen den Zeilen häufig subtile Botschaften aus: Du musst alles erdulden. So etwas passiert. Das Leben ist schwer. Kinder sind eben Kinder. Wir alle haben so etwas durchgemacht. Das gehört zum Erwachsenwerden dazu. Das geht vorbei. Es wird dich stärker machen. Schluck es hinunter, Kind. Hey, du willst doch hier arbeiten, dann mach nicht einen solchen Aufstand. Gefangen und ohne großen Handlungsspielraum gehst du Tag für Tag, und du wirst Tag für Tag verletzt, du blutest Tag für Tag. Aber Wunden können auch eitern. Sie können sich infizieren, und dann werden andere angesteckt. Und Wunden können sich verändern, wenn du dir nicht nur einfach in den Finger geschnitten oder das Knie aufgeschlagen hast. Du bist in deinem Geist verletzt, und diese Wunde reicht tief, ist schmerzhaft und manchmal sogar unheilbar. Im Buch der Sprüche, Kapitel 18, Vers 14 heißt es: »Der Wille zum Leben unterwirft die Krankheit. Doch wie willst du mit einem zerbrochenen Willen leben?« (Gute Nachricht). Wenn schwierige Zeiten oder Verletzungen kommen, müssen wir in der Lage sein, auf ein Reservoir von Hoffnung, Glaube und Selbstvertrauen zurückgreifen zu können, das Gott durch die Liebe und Ermutigung von Freunden und Familienangehörigen in uns angelegt hat. Wenn Feinde durch Grausamkeit dieses Reservoir erschöpft haben, was wird uns dann noch halten? Wird Gott uns nicht halten? Wird er uns nicht die Kraft geben, die wir brauchen? Finden wir unsere Hoffnung und Kraft denn nicht in ihm? Wird er uns nicht hindurchbringen? 62


Absolut. Ich wäre heute nicht da, wo ich bin, wenn Gottes Gegenwart und Gnade nicht wahrhaftig und erfahrbar wären. Aber das Dilemma ist: Es braucht Zeit und Erfahrung, um so etwas letztgültig zu beweisen. Man muss es eine Zeit lang aushalten, manchmal eine lange Zeit. Dazu gehört ein Prozess. In unserem Leben gibt es viele Probleme zu lösen; Verletzungen sind da, denen wir uns stellen, die wir vergeben und die geheilt werden müssen. Viele von uns Erwachsenen quälen sich seit ihrer Kindheit mit unverheilten Wunden herum. Jetzt, wo ich das schreibe, bin ich fast fünfzig Jahre alt, aber ich erinnere mich noch immer an die Namen und sehe die Gesichter der Personen vor mir, die mir das Leben während meiner Kindheit Tag für Tag zur Hölle gemacht haben. Ich erinnere mich an ihre Worte, ihren Spott, ihre Schläge, ihre Spucke und ihre Demütigungen. Wenn ich auf mein Leben zurücksehe, denke ich an all die Entscheidungen, vor denen ich zurückgescheut bin, all die Risiken, die ich nicht auf mich nehmen wollte, all die Fragen, die ich nie gestellt habe, all die Beziehungen, die ich nicht verfolgt habe – aus dem einfachen Grund, weil ich Angst hatte, erneut verletzt zu werden. Die Tragödie von Littleton in Colorado am 20. April 1999 hat mich tief erschüttert. Wir haben die vielen Theorien und Spekulationen zu der Frage gehört, warum die beiden Schüler Eric Harris und Dylan Klebold in die Columbine High School marschiert sind und ihre Klassenkameraden und einen Lehrer getötet haben. Ich bin davon überzeugt, dass die Theorien in Bezug auf Gewalt im Fernsehen und in den Kinofilmen, Gewaltvideos und Computerspiele, die Verfügbarkeit von Waffen und die Tatsache, dass viele Eltern keine Zeit mehr für ihre Kinder haben, ihre Berechtigung in der Diskussion haben. Ich gebe nicht vor, mit Gewissheit zu wissen, was in den Herzen und Gedanken dieser jungen Mörder vorgegangen ist, und doch ... 63


Ich erinnere mich an das, was ich gedacht habe, wenn ich allein in der Schulbibliothek saß, nachdem D. H. mich am Kragen gepackt hatte oder wenn ich heulend am Straßenrand hockte, nachdem P. B. mir Deospray ins Gesicht gesprüht hatte. Ich erinnere mich, welche Szenarien ich mir ausgemalt habe, was ich tun würde, wenn ich die Kraft, die nötigen Waffenkenntnisse oder einen Baseballschläger zur Verfügung gehabt hätte, der mir Macht über die Peiniger verleihen würde. Natürlich haben mir meine Eltern beigebracht, mich nicht zu prügeln. Ich war Christ; ich konnte mich an einen liebenden Gott wenden, wenn die Situation zu schwierig wurde, und ich hatte einen biblischen Verhaltenskodex, der eine gewaltlose Lösung forderte. Ich kannte den Heiland, der uns gelehrt hat, die andere Wange hinzuhalten und zu vergeben. Und so ignorierte ich die Wunden, die mir von meinen Peinigern beigebracht worden waren, und zog mich in die Einsamkeit und Sicherheit meines Zimmers zurück, wo ich mich mit Monstern identifizierte und versuchte, einfach zu überleben. Aber sich selbst in erdachte Geschichten über Monster zu vertiefen ist nicht die einzige Art, mit dem Schmerz und der Demütigung fertig zu werden, wenn man von Menschen ständig herabgesetzt wird. Anstatt sich mit Monstern zu beschäftigen, kann sich heutzutage das Opfer von Missbrauch gewalttätige Videospiele ansehen, über die es seinen Schmerz und seinen Zorn herauslassen kann, indem es seine Feinde vernichtet. Ein gedemütigter Mensch kann sich Filme ansehen, so viele Filme, in denen der Held sein Problem löst, indem er alle Widersacher erschießt und alles in die Luft jagt. Er kann sich in eine Fantasiewelt zurückziehen, in der alle Macht und alle Waffen ihm gehören. Er und seine Kumpane können ein Video für ein Klassenprojekt drehen, in dem sie dunkle Trenchcoats anziehen, Waffen tragen und alle Feinde erschießen. Er kann das gewalttätige Spiel »Doom« spielen und zwei Schützen anstatt einen schaffen, sie mit zusätzlichen Waf64


fen und unbegrenzter Munition ausstatten und das Spiel so programmieren, dass die Menschen, denen er begegnet, nicht zurückschießen können. Er kann sich auch mit einem historischen Monster identifizieren – zum Beispiel mit Adolf Hitler, der über Millionen von Menschen die totale Kontrolle hatte und über Leben und Tod bestimmen konnte. Er kann sich mit der Nazi-Mythologie beschäftigen, ein schwarzes Hemd mit einem Hakenkreuz tragen und im Internet davon erzählen, wen er hasst und wen er gern töten würde. Er kann seinem Zorn mit Drohungen und Obszönitäten Luft machen. Die Ergüsse der Columbine-Mörder sind wahrlich angstmachend: »... ihr, die ihr mich zufällig kennt und wisst, dass ich euch respektiere, möge Friede mit euch sein und mögt ihr nicht in meine Schusslinie kommen. Für euch andere gilt – versteckt euch besser in euren Häusern, weil ich bald hinter euch her sein werde, und ich WERDE bis an die Zähne bewaffnet sein und ich WERDE ALLES TÖTEN!« »... Tote können nicht viel machen, nicht streiten, jammern ... sich beschweren, nörgeln, Verrat begehen oder auch nur reden. Das ist die Art, wie ihr alle dort draußen einen Streit löst, ich töte nur. Gott, ich kann es kaum erwarten, bis ich euch töten kann. Ich werde einfach in einem Innenstadtbezirk in irgendeiner großen Stadt auf alles schießen, was mir in den Weg läuft. Kein Bedauern empfinden, keine Scham. Ich werde überall in der Stadt Sprengkörper deponieren und jeden einzelnen davon detonieren lassen, nachdem ich einen ganzen Bezirk von euch reichen, überheblichen, wertlosen Stücken Sch.... befreit habe, die ihr so tut, als wärt ihr Gott. Mir ist es egal, ob ich bei diesem Massaker überlebe oder sterbe. Ich möchte nur so viele von euch wie möglich töten und verletzen ...« 1)

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Er kann seinem Hass nachgeben, der durch seine Wunden entsteht und so viel und so lange über einen Plan sprechen, seine Schule anzugreifen, dass schließlich, wie wir in Jakobus 1 in den Versen 14 bis 15 gewarnt werden, der Gedanke zur Tat wird und die Tat den Tod hervorbringt. Am 20. April 1999, an Hitlers 110. Geburtstag, kann er seine grausamen Fantasien in die Tat umsetzen. Und welchen besseren Ort gibt es als die Schule, in der alle, von den Eltern bis hin zu den Lehrern, die Macht haben; wo er machtlos ist? Welchen besseren Ort als die Cafeteria der Highschool, wo die Mitschüler von Eric und Dylan oft Ketchup auf sie gespritzt, sie ausgelacht und sie Homos genannt hatten, während die Lehrer dabeistanden und nichts unternommen haben? 2) Und er kann per E-Mail einen Abschiedsbrief an die Polizei schicken (angeblich von Eric Harris): »... Eure Kinder, die mich verspottet haben, die beschlossen hatten, mich nicht zu akzeptieren, die mich behandelt haben, als wäre ich es nicht wert, dass sie ihre Zeit an mich vergeuden, sind tot. SIE SIND _____ TOT. Bestimmt werdet ihr versuchen, es auf die Klamotten zu schieben, die ich trage, die Musik, die ich höre, oder die Art, wie ich mich gebe – aber nein. Versteckt euch nicht hinter meinen Entscheidungen. Ihr müsst euch der Tatsache stellen, dass dies eine Folge EURER ENTSCHEIDUNGEN ist. Eltern und Lehrer, IHR HABT MIST GEBAUT. Ihr habt diese Kinder gelehrt, wie dumme Schafe zu sein. Zu denken und zu handeln wie diejenigen, die vor ihnen kamen; nichts zu akzeptieren, was anders ist. IHR HABT EUCH GEIRRT. Ich habe ihnen vielleicht das Leben genommen, und auch mir, aber es war EURE Schuld. Lehrer, Eltern, MÖGE DIESES MASSAKER AUF EUREN SEELEN LASTEN, BIS IHR STERBT ... » 3) Es gibt viele verschiedene Theorien. Dies ist meine: Ich glaube, dass das, was in Columbine geschehen ist, die Folge einer verletzten Seele war. 66


Zwar ist nicht ganz klar, wer die oben stehende Nachricht verfasst hat, auch sind viele Details in Bezug auf diesen Tag verwirrend, doch das ist für mich auch nicht wichtig. Wer immer diese Nachricht verfasst hat, er hat das Problem angesprochen. In unserer Gesellschaft gibt es eine Fülle von jungen Menschen und Erwachsenen, die von den herabsetzenden Worten oder Taten von Autoritätspersonen oder Gleichaltrigen tief verletzt werden. Es ist kein Geheimnis, dass die Kids am Rande der »coolen« Gesellschaft von Columbine ihren Teil an Spott und Missbrauch zu verkraften haben. Sie werden Homos genannt, gegen die Spinde geschleudert, mit Steinen beworfen. Sie werden angerempelt oder man verschüttet klebrige Getränke über sie, bespritzt sie mit Ketchup, sie werden sogar auf ihrem Heimweg oder Schulweg mit ihren Fahrrädern von der Straße gedrängt. Ein Teenager, der anonym bleiben wollte, spricht davon, dass er an Schultagen mit einem Knoten im Magen aufwacht, weil er sich vor den Demütigungen in der Schule fürchtet. Bestimmte Flure würde er gänzlich meiden und sogar über den Hof zu den Klassenzimmern gehen, um zu vermeiden, dass er in den Gängen angepöbelt und angerempelt wird. 4) Er wusste, dass Harris und Klebold ebenfalls gequält wurden, und sagte: »Ich sage nicht, dass das, was sie getan haben, in Ordnung war, aber ich weiß, was es bedeutet, Tag für Tag in die Ecke gedrängt und herumgestoßen zu werden. Sagt den Menschen, dass wir schikaniert werden und dass es manchmal unerträglich war. Sagt den Menschen, dass irgendwann jemand mal überschnappen musste.«5) Ich weiß, wie man sich dabei fühlt. Vielleicht weißt du das auch. Warum ist es so wichtig, dass wir dieses Problem der Schikane und der Herabsetzung anderer in unserer Gesellschaft ansprechen? Weil einer von vier dieser »Schläger« im Strafvollzug enden wird. 6) Weil diejenigen, die verletzt worden sind, häufig zu Menschen werden, die andere verlet67


zen. Weil wir vielleicht die Entstehung weiterer Monster zulassen – die Art von Monstern, die man nicht sieht, nicht erwartet, bis sie zuschnappen und verzweifelte, gewalttätige Maßnahmen ergreifen. Und wir alle – sowohl diejenigen, die verletzt worden sind als auch diejenigen, die andere verletzen – brauchen Heilung, Vergebung und eine neue Einstellung unseren Mitmenschen gegenüber. Wir können den Kopf nicht mehr in den Sand stecken und so tun, als würden schlimme Dinge wie in der Columbine High »bei uns« nicht passieren. Wir können nicht mehr länger in der Leugnung verharren und so tun, als würde es in unserer Familie, in unserer Gemeinde oder an unserem Arbeitsplatz keinen Missbrauch geben. Es ist Zeit für eine Veränderung.

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