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Gebet, das die Welt verändert Während meiner Zeit in Solothurn pflegte ich noch immer einen regelmäßigen Kontakt zu meinem Freund Beni aus Vevey. Eines Tages ermutigte er mich, meine Ferien mit Operation Mobilisation (nachfolgend OM genannt) zu verbringen. Diese inzwischen international in über 80 Ländern tätige Missionsbewegung wurde in den 60er Jahren von George Verwer, einem Amerikaner, geleitet, der mittlerweile zu meinen engeren Freunden zählt. Es war im Sommer 1964, als ich gemeinsam mit anderen Christen zu meinem ersten OM-Einsatz fuhr. Dieser begann mit einer Schulungswoche in Holland. Über 1000 Personen aus verschiedenen Teilen der Welt nahmen daran teil, vor allem junge Leute aus Nordamerika und Europa. Das Ganze fand in einer leer stehenden, heruntergekommenen alten Fabrik statt. Die Räumlichkeiten, die uns dort zur Verfügung standen, waren alles andere als luxuriös. In dem großen Raum, in dem die Konferenz abgehalten wurde, saßen wir auf alten, klapprigen, unbequemen Stühlen. Wenn man einen Blick auf die Wände warf, hatte man den Eindruck, dass nicht mehr viel geschehen müsste, bis einem alles über dem Kopf zusammenfiel. Der verblichene Farblack war mehr als nur spröde, und es waren zahlreiche größere Risse zu sehen, die uns das Schlimmste befürchten ließen. In einem weiteren Raum, dessen Zustand ebenfalls eher fragwürdig war, wurde mir und 500 weiteren Jugendlichen eine Schlafstätte zugeteilt, und ich breitete auf einem mir zugewiesenen Stück Karton meinen Schlafsack aus. Die Unterkunft war sehr bescheiden, doch man hörte kaum Beschwerden. Eines der größten Probleme, die während dieser Konfe39


renz auftraten, schien jedoch die Organisation dieser Großveranstaltung zu sein. Kaum etwas klappte. Aber trotz allem: Die Atmosphäre war super. Ich war damals 19 und zum ersten Mal im Ausland. Für mich war alles ein Abenteuer. Während dieser Woche wurde in einer Form gepredigt, wie ich es noch nie gehört hatte. Ich wurde dabei an die Bibelstelle aus dem Markus-Evangelium, Kapitel 1, Vers 27 erinnert, in der es heißt: „Er hat eine ganz neue Art zu lehren – wie einer, der Vollmacht von Gott hat“ („Die Gute Nachricht“). Was mich aber noch mehr als die außergewöhnlichen Predigten aus den Socken holte, das waren die Gebetszeiten. Nichts geschah ohne Gebet: Gebet allein, Gebet in Gruppen, Gebet vor den Veranstaltungen, Gebet nach den Veranstaltungen, Gebet ... als ob es nichts Wichtigeres als Gebet geben würde. Ich persönlich hatte geplant, mich am Freitagabend etwas früher als sonst in meinen Schlafsack zu verkriechen, da wir am folgenden Morgen bei Tagesanbruch nach Österreich aufbrechen sollten. Doch es kam anders. In einer feurigen Predigt zeigte uns George Verwer auf, wie wichtig Gebet ist, damit wir einen geistlichen Durchbruch in unseren Einsatzländern erleben konnten. „Lasst uns deshalb die ganze Nacht Alle beteten so hindurch beten und von Gott die entspreinbrünstig, wie ich chende Frucht erwarten“, ermutigte er es bis dahin noch uns. So erlebte ich meine erste Gebetsnie gehört hatte. nacht. Der Geist der Fürbitte und des Bisher hatte ich Glaubens erfüllte den ganzen Raum. Alle Gebet als etwas beteten so inbrünstig, wie ich es bis daeher Formelles hin noch nie gehört hatte. Bisher hatte ich erlebt. Doch hier Gebet als etwas eher Formelles erlebt. war alles ganz Doch hier war alles ganz anders. anders. Während einige Gott anflehend durch den Raum gingen, lagen andere auf dem Boden oder verbrachten ihre Zeit auf den Knien. Wiederum andere saßen auf den Stühlen oder standen, an die Wand angelehnt, einfach da. Dann gab es aber auch noch eine Gruppe von feurig betenden Amerikanern, die laut schrei40


end und gestikulierend fast die Zentralheizung im hinteren Raum aus der Wand rissen. Für uns Schweizer und Deutsche war dies beinahe zu viel. Viele weinten auch, während sie Gott um Gnade für die verlorenen Menschen anflehten. Die ganze Gebetszeit war wie ein Orkan und man konnte kaum das eigene Wort verstehen. Mir stand in diesem Augenblick plötzlich klar vor Augen, dass auch ich jahrelang innerlich sehr hart gewesen war. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Doch dann kniete ich vor meinem Stuhl nieder und durfte sofort erleben, wie diese Hartherzigkeit von mir wich. Ich erlebte Gottes Feuer und spürte zum ersten Mal so richtig, was es bedeutet, ohne Jesus und ohne Glauben für immer und ewig von Gott getrennt zu sein. In dieser Nacht erlebte ich, wie meine Gebete durch Glauben erfüllt wurden. Bisher hatte ich nur harmlose und zahme Gebete gesprochen. Hier jedoch erlebte ich eine neue Glaubensqualität. Von diesem Zeitpunkt an sehnte ich mich danach, die Verheißung Jesu, dass „dem alles möglich ist, der da glaubt“ (Markus 9,23), im Gebet in Anspruch zu nehmen. Durch meine Kontakte mit OM kam ich in eine neue Dimension des Glaubens hinein. Ich spürte mehr und mehr, dass Gott real erfahrbar ist, und machte die tägliche Erfahrung, dass seine Worte und seine Zusagen stimmten und sich in mein Leben übertragen ließen. Bei OM wurde Bei OM wurde so so gepredigt, dass man als Zuhörer den gepredigt, dass Eindruck hatte, sie glaubten wirklich man als Zuhörer das, was in der Bibel steht. Es war kein den Eindruck Vergleich zu dem, was ich bis dahin in hatte, sie glaubden meisten Kirchen und Gemeinschaf- ten wirklich das, ten zu hören bekommen hatte. Man was in der Bibel spürte so viel Glaube, Begeisterung und steht. Enthusiasmus, als würde es um Leben oder Tod gehen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich immer gedacht, dass bei der christlichen Verkündigung vor allem die richtige Lehre das Entscheidende ist. Doch nun wurde mir klar: Jesus kam, um den 41


Menschen den Weg von der Hölle zum Himmel zu bahnen. Statt ewiger Verdammnis war ewiges Leben sein Ziel mit uns Menschen.

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