706191

Page 1

Gerhard Jan Rötting

Als mit der Dorfhochzeit der Friede kam Berichte und Erzählungen aus der Mission


Inhalt Ein Wort zuvor

7

Als mit der Dorfhochzeit der Friede kam

13

Die Zeit ist reif zum Vergeben

29

Mao Tse-tung arbeitet heute noch

45

Bis in die Regierungsspitze

59

»Die Apostel kommen!«

83

5


Mao Tse-tung arbeitet heute noch

3



47

China

Chinesische Pastoren und Diakone arbeiten während der Woche in Staatsbetrieben, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Oder sie arbeiten als »freie« Handwerker: Sie stellen Seifen her, ziehen Kerzen oder arbeiten als Zuckerbäcker. Ihre Ware bringen sie als Hausierer an den Mann. Wo immer sich ihnen die Gelegenheit bietet, geben sie Zeugnis vom auferstandenen Herrn Jesus Christus. Trotz Verfolgungen und Hinrichtungen wächst die christliche Gemeinde in China. Gab es 1970 schätzungsweise vier Millionen Christen in China, so sind es 2009 wahrscheinlich mehr als 62 Millionen. Es darf nicht verschwiegen werden, dass seit dem Ende des letzten Weltkrieges in China mehr als 1,88 Millionen Christen inhaftiert und über 800 000 hingerichtet worden sind. Ausländische Missionare gibt es offiziell nicht im Lande, aber Christen aus den verschiedensten Ländern üben ihre Berufe als Lehrer, Ärzte, Professoren, Ingenieure, Fachleute in Forst- und Landwirtschaft aus. Sie verstehen sich als »Salz der Erde« und als »Licht der Welt« und machen aus ihrem Glauben keinen Hehl. Sie sammeln Menschen um sich – wer immer sich sammeln lässt.


China

Religionsfreiheit ist zwar in China gesetzlich garantiert, aber ihre Ausübung will der Staat kontrollieren. Das hat Millionen Christen dazu veranlasst, ihre Gottesdienste im »Untergrund« zu halten. Im Verborgenen feiern sie in unzähligen Kreisen – hin und her in den Häusern – die Auferstehung des Herrn Jesus Christus. Es vollzieht sich ein modernes Wunder neutestamentlichen Christseins in China. Die Liebe Gottes bricht sich unaufhaltsam Bahn – trotz Verfolgungen und Gefängnisstrafen für Christen, trotz allem Hass gegen die Gläubigen. Mit diesen Christen drei Wochen zusammen zu sein, um sie biblisch zu unterrichten – das ist mir eine bleibende Freude.

48


A

n diesem Sonntagvormittag habe ich vor einer der großen Gemeinden der Hauptstadt Peking gepredigt, eine der Drei-Selbst-Kirchen. Zwei bis zweieinhalb Tausend Menschen füllten dichtgedrängt das Gebäude, das vor Jahren eine Weberei war. Es ist »eine Kraft von mir ausgegangen«. Somit bin ich erschöpft – aber doch dankbar und froh. Jetzt sitzen mein Sekretär Kai und unsere chinesische Übersetzerin in einem engen Taxi. Der Fahrer weiß, wohin er uns chauffieren soll, denn es wartet bereits eine nicht registrierte Gemeinde auf uns. Der Taxifahrer schaut fast mehr in seinen Rückspiegel als auf den lebhaften Verkehr dieser Millionenstadt, der ihm nicht zu schaffen macht. Uns schon. Sein Fahrstil ist nicht kompliziert, wohl aber strapaziert er unsere Magennerven. Das Taxi verfügt nicht über eine Klimaanlage, dafür sind alle Fenster des Autos geöffnet: Brütende Hitze schlägt mir ins Gesicht. Vielleicht hat der Taxifahrer noch nie aus49


ländische Fahrgäste befördert und will nun zeigen, was er kann. Ich lege ihm die Hand auf die Schulter und hoffe, er versteht mein Englisch: Please. Drive slowly. Bitte, fahr langsam. Aber das scheint ihm unmöglich zu sein, denn er steckt mitten im Verkehr, der ihn treibt. Sein Fahrstil ist diesem Verkehrsstrom angepasst. »Darf ich Ihnen eine große Attraktion zeigen?«, fragt er. Ohne unsere Antwort abzuwarten, preist er mit erhobener Stimme seine Attraktion. Ich bin gespannt, was er meint. »Wie Sie wissen, ist unser großer Parteivorsitzende Mao Tse-tung der größte Mann der Weltgeschichte. Ich habe ihn noch erlebt – und bin noch heute von ihm begeistert. Was er für China geleistet hat, das erreichte bisher niemand in der Welt. Mehr als eine Milliarde Chinesen haben Essen, Kleider, werden geschult und damit immer klüger, schaffen immer mehr Volkswerte ...« Seine Worte rasen so schnell aus dem Munde, dass unsere Übersetzerin alle Mühe hat, seine Sätze ins Englische zu übertragen. »Und nun erzähle ich Ihnen, was mir so an Mao imponiert: Er ist zwar tot, aber er bewäl50


tigt täglich immer noch einen Zehn-StundenTag.« Nun werden seine Worte auch für mich interessant. Also, dein Parteivorsitzender Mao ist tot und arbeitet trotzdem? Kannst du mir das erklären? »Das kann ich. Aber ich kann noch mehr: Ich kann euch Mao Tse-tung zeigen. Er liegt im Mausoleum. Wir werden gleich daran vorbeifahren. Ich schlage vor: Ihr überzeugt euch selber, welch großen Volksheld wir mit seinem Tode verloren haben. Unser geliebter Parteivorsitzender wurde einbalsamiert und dann kam sein Körper in einen Glas-Sarkophag. Er liegt sozusagen auf Eis. Morgens wird dieser Sarkophag aus dem gekühlten Keller des Mausoleums nach oben gehievt, damit jeder, der kommt, ihn tagsüber anschauen und bewundern kann. Das meine ich damit: Mao arbeitet immer noch heute für sein Volk. Wer von den Weltgrößen macht das schon? Manche Genossen reisen von weit her, um voller Ehrerbietung an Mao’s Sarg vorüberzuschreiten. Aber wenn sie ihn dann sehen, sind sie ergriffen. Sie weinen vor Rührung. Er war 51


eben ein übergroßer Mann, der unserem Volke viel Gutes getan hat. Abends kommt er wieder in den eisigen Keller, damit sein Körper für lange Zeit uns Chinesen erhalten bleibt. Also: Fahren wir hin?« Der Taxifahrer schaut uns gespannt im Rückspiegel an, so, als wollte er nun sehen, ob uns sein Angebot überzeugt hat und wir dem zustimmen, was er uns mit Überzeugungskraft anbot. Ich weiß, er ist ein Parteifunktionär, denn sonst hätte er keine Lizenz für ein Taxi erhalten. »Schaut, dort steht der Prachtbau, das Mausoleum!« Ja, es ist wirklich ein gewaltiger Bau – für einen einzigen Toten. Das stimmt. »Fahren wir nun hin – ja oder nein?« Jetzt redet der Taxifahrer nicht mehr in seinen höchsten Tönen. Mit seinen Augen signalisiert er, dass er uns zum toten Mao gern hinbringen will. Er drosselt das Tempo des Autos. Langsam manövriert er sein Taxi durch den dichten Verkehr rechts ran. Er schaut, wie wir uns entscheiden werden, und bringt schließlich vor der Einbiegung zum Mausoleum sein Taxi zum Stehen. 52


Sein abwartendes Schweigen tut meinen Ohren gut und ich nutze die Gelegenheit, ihm zu sagen: »Auch wir drei in Ihrem Taxi haben einen allerhöchsten Chef ...« »Liegt er auch im Eis und arbeitet noch täglich zehn Stunden? Aber so mächtig wie unser Mao kann er nicht sein. Kommt, lasst uns einen Besuch bei ihm machen.« Der Himmel bezieht sich mehr und mehr. Ob es bald ein Gewitter geben wird? Der Taxifahrer schaut mich im Rückspiegel ungeduldig an, als ob er fragen will: Wie ist das mit deinem »Vorsitzenden?« Ich lehne mich zurück: »Nein, mein Chef liegt nicht im Eis. Er starb vor zweitausend Jahren. Er wurde gekreuzigt. Und schon nach drei Tagen ist er auferstanden. Und seitdem lebt er.« Diese Nachricht bringt den Taxifahrer aus der Fassung: »Dein ›Vorsitzender‹ lebt? Und was macht er tagsüber?« Auf der Autoscheibe klatschen die ersten Regentropfen. »Unser Chef regiert die ganze Welt und verändert sie laufend. Und dann tut er noch et53


was ganz Wichtiges: Er vergibt den Menschen ihre Sünden. Und er begleitet uns auf Schritt und Tritt. Und überhaupt: Er liebt alle Menschen – auch Sie und mich. Das macht den Riesenunterschied zwischen Ihrem toten Vorsitzenden auf Eis und unserem Chef. Er heißt übrigens Jesus. Den Namen sollten Sie sich merken.« »Den Tod hat dein Chef hinter sich gelassen? Das ist ja unglaublich. Sensationell! Das ist etwas, was ich heute zum ersten Mal in meinem langen Leben höre. Hhmm, wie sagtest du, er lebt? Sag mir, wo kann ich ihm begegnen?« Nun schaut der Taximann uns nicht mehr mittels seines Rückspiegels an. Er dreht sich uns zu: »Haben Sie noch mehr solche Neuigkeiten? Als ich Sie zu dritt vorhin ins Taxi einsteigen sah, habe ich mir gleich gedacht, dass ihr ganz besondere Menschen seid. Nein, ich meine nicht euer ausländisches Aussehen. Ich meine, ihr müsst etwas in euch haben, was meine Aufmerksamkeit sofort herausgefordert hat. Ihr strahlt Frieden aus. Und noch sensationeller ist, was ihr da behauptet: Euer Chef ist aufer54


standen. Und warum steht darüber nichts in der Zeitung?« Ich merke, wie Kai aus seinem Gepäck etwas herauskramt. »Noch interessanter als die beste Zeitung ... ist dieses Buch. Klipp und klar steht hier, was Gott durch seinen Sohn Jesus für uns Menschen getan hat«, sagt Kai mit strahlendem Gesicht und reicht dem Fahrer ein chinesisches Neues Testament. »Ich habe einen Papierschnipsel zwischen die Seiten gelegt, dann finden Sie schneller die Tatsachen, von denen wir reden.« »Ich kriege das ja noch immer nicht auf die Reihe: Jesus ist Gottes Sohn, sagt ihr. Das allein schon zu wissen, ist ja übernatürlich. Und das mit dem Auferstehen ist wirklich passiert? Kann ich das nachher meinen Taxikollegen und heute Abend meinen Verwandten erzählen, ohne mich zu blamieren?« »Wir schenken Ihnen dieses Buch. Fangen Sie bei den Schnipseln an, die ich hineinlegte. Und wenn es Sie interessiert, lesen Sie, was der Berichterstatter Markus geschrieben hat. Ich habe dort ein Eselsohr in dem Buch gemacht. Später können Sie das ganze Buch lesen.« 55


»Mach ich!« Und der Taxifahrer bedankt sich mit Handschlag bei uns dreien. Ich will die Tour bezahlen. »He, Mann, daraus wird nichts. Sie schenken mir ein Buch und dann soll ich Ihnen noch das Fahrgeld aus der Tasche ziehen? Daraus wird nichts!« Als wir aussteigen wollen, bittet uns der Fahrer: »Drei Minuten noch, bitte! Nur drei. Aber bestätigen Sie mir noch einmal: Ihr Chef ist auferstanden. Stimmt’s?« Wir nicken. »Er ist Sohn eines Gottes. Stimmt’s? Aber welchen Gottes?« Die Augen des Fahrers richten sich fragend an jeden von uns. Auf mich gerichtet bleiben sie stehen. »Es gibt viele Götter in der Welt. Aber es existiert nur ein Gott, der im Himmel wohnt. Und das ist der Vater unseres Herrn Jesus Christus.« »Und wozu ist Jesus Christus auferstanden?« »Das ist die beste Frage, die Sie stellen konnten. Ich freue mich, Ihnen eine klare Antwort geben zu können, an der auch Sie sich ein Leben lang freuen werden: Jesus ist auferstanden, um die göttliche Liebe uns Menschen zu zeigen. Und diese Liebe wohnt in uns. Sie ist der 56


Motor in unserem Leben. Und nun kommt etwas, womit Sie nicht gerechnet haben: Diese göttliche Liebe will Jesus auch Ihnen schenken. Umsonst. Das alles steht in diesem Buch.« Der Taxifahrer schüttelt den Kopf: »Das kann ich nicht fassen! Leute, mir schwirrt der Kopf. Das fasse ich nicht: Jesus will mir ... göttliche Liebe schenken?« Er reicht uns die Hand. Die Übersetzerin hat einen Zettel vorbereitet mit der Anschrift einer christlichen Gemeinde: »Bei diesen Leuten erfahren Sie mehr über Jesus. Gehen Sie hin. Diese Leute werden ihnen wohl tun. Wirklich.« »Das werde ich tun. Noch nie habe ich solche Leute wie Sie in meinem Auto transportiert! Ich kann es noch nicht fassen. Aber ich lese euer Buch. Ich gehe zu diesen Leuten, um mehr zu erfahren.« Er startet den Motor. Durch die geöffneten Fenster höre ich seine hohe Stimme: »Das kann ich nicht fassen. Ich werde ...« Weg ist er, dem ich nachwinke und in Jesu Namen segne.

57


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.