Grüne Saite: Ergänzung zur Partitur des öffentlichen Raums

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Ergänzung zur Partitur des öffentlichen Raums

Grüne Saite Einleitung Vision Strategie

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einleitung

EINLEITUNG

Die Grüne Saite stellt eine Abfolge an lokal verankerten, erholsamen, grünen Freiräumen dar, die im Verbund mit dem übergeordneten Netzwerk an Landschaftsräumen stehen. Dieses Netzwerk wird von Landschaftskorridoren gebildet, die den Bisamberg im Nordwesten und den Nationalpark Donau-Auen im Südosten miteinander verbinden. Im näheren Zusammenhang betrachtet, steht die Grüne Saite in direkter Verbindung zu dem Grünen Gürtel, der die Seestadt in Form eines natürlich gestalteten Freiraums umrahmt.

Das Netzwerk von Grüner Saite und Grünem Gürtel soll die unterschiedlichen Wohngebiete miteinander verknüpfen. Die BewohnerInnen der benachbarten Gebiete sollen mit Hilfe der Freiräume eingeladen werden, womit Stadtteil-trennenden Barrieren entgegen gewirkt werden kann. Es entsteht ein Landschaftsraum mit einem breitgefächerten Angebot an verschiedenartigen Nutzungsmöglichkeiten, der Biodiversität und einen erweiterten Lebensraum für Tier- und Pflanzenwelt unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte schafft. Die Originalversion der Partitur im Netz: https://www.aspern-seestadt.at/downloads/partitur_des_oeffentlichen_raums

BISAMBERG

GRÜNER GÜRTEL

GRÜNE SAITE BLAUE SAITE

Die Lage von aspern Die Seestadt Wiens zwischen den zwei großen Landschaftskorridoren

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NATIONALPARK DONAU-AUEN

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vision

VISION

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Eine Wohnstraße als Treffpunkt für das Grätzl Die Grüne Saite wird stark durch den Charakter des umliegenden Wohnquartiers geprägt und stellt einen wichtigen Treffpunkt für die Nachbarschaft dar. In den Erdgeschoßzonen befinden sich neben Wohnen auch nachbarschaftliche Funktionen – dies soll auch im Straßenraum ablesbar sein: Grüne Nachbarschaftsgärten und private Vorbereiche beleben die Straße und fördern die Interaktion zwischen den BewohnerInnen. Die Grüne Saite bietet für jeden etwas und wird dadurch zu einem wichtigen Treffpunkt verschiedener Alters- und Interessensgruppen.

Eine wichtige Verbindungsachse An erster Stelle kommt der Grünen Saite eine verbindende Funktion zu: Sie verbindet die „grüne Peripherie“ (Grüngürtel) und damit die umgebenden Siedlungsgebiete miteinander und mit der Seestadt. Außerdem verknüpft sie die Grätzlparks der Seestadt miteinander und das Herz der Seestadt – die Rote Saite – mit den Wohngebieten. Sie verbindet also ganz unterschiedliche – grüne, intensive, extensive – Freiräume miteinander. Besondere Bedeutung soll auf die Knoten- und Verbindungspunkte der Grünen Saite mit den anderen Saiten gelegt werden – dort soll die Grüne Saite deutlich spürbar sein und das Grün in die anderen Räume hinauswachsen.

Sicherheit als Bedingung für Spiel Die Grüne Saite ist ein sicherer, ruhiger und kinderfreundlicher Korridor. Durch Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung wird für Fuß- und Radverkehr großzügig Platz geschaffen – PKW Verkehr ist nur in Schrittgeschwindigkeit zugelassen und beschränkt sich auf AnrainerInnenverkehr und Liefertätigkeiten. Die Grüne Saite wird so zu einem entschleunigten Ort, an dem BewohnerInnen zum Verweilen eingeladen werden. Dies geht einher mit einem „wegbegleitenden Spiel“ – nicht entlang der gesamten Länge, sondern konzentiert auf bestimmte Bereiche entlang der Straße in Zusammenhang mit belebenden, nachbarschaftlichen Funktionen in den Erdgeschoßen.

Üppiges Grün - mit reicher Biodiversität Spezielles Augenmerk soll entlang der Grünen Saite auf das „Eye Level Green“, also das Grün, welches sich auf Augenhöhe befindet, gelegt werden. Zusätzlich sollen auch die Gebäude grün sein – sowohl durch den Einsatz nachhaltiger Architektur als auch vertikaler Bepflanzung sowie grüner Terrassen und Dächer. Durch vielseitige Bepflanzung soll nicht bloß ein grüner Charakter geschaffen, sondern vor allem auch die Biodiversität hervorgehoben werden, indem ein erweiterter Lebensraum für die lokale Tier- und Pflanzenwelt geschaffen wird. Gleichzeitig soll durch Vegetation das Mikroklima gezielt verbessert werden.

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IDENTITÄT Die Grüne Saite ist eine Wohnstraße mit spielerischen Elementen und einem starken Nachbarschaftscharakter.​ Neben Wohnen beleben die Spielzonen und nachbarschaftliche Funktionen die Straße punktuell. Die folgenden Fotos und Illustration sollen den Charakter und die Aktivitäten entlang der Grünen Saite beispielhaft veranschaulichen.

Schnittstelle mit der Roten Saite Es entstehen zwei grüne Taschen an der Schnittstelle von Grüner Saite und Roter Saite. Gute öffentliche Sitzgelegenheiten und ein nettes Café oder Restaurant laden dort zum Verweilen ein. Saisonal blühende Bäume und eine Variation qualitativer Bepflanzung bieten eine Pause von der belebten Einkaufsstraße.

Vertikales Grün Obwohl der Hauptfokus auf dem „Grün in Augenhöhe“ liegt, soll Gebäudevegetation auf vielfältige Weise, auch an den Fassaden, Terrassen und Dächern stattfinden – vielseitiger Lebensraum für Flora und Fauna.

Rote Saite

Wohnen

So

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alle

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Schule

Einladungen in der Randzone entlang der Grünen Saite Grüngürtel Der Staßenquerschnitt der Grünen Saite ermöglicht, dass sich in den Randzonen der Straße verschiedene nachbarschaft­ liche Aktivitäten und Treffpunkte befinden. In der sonnigen Randzone der Straße liegen Spiel­plätze, Nachbarschaftsgärten, Gemüsegärten und Bereiche zum Verweilen ­– in direktem Bezug zum Erdgeschoß.

Spiel & Sport für alle

Pocket Park (West)

Einkaufen

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Asperner See

Ein intensiv grüner Straßenraum Durch den Fokus auf „Grün in Augenhöhe“ wird vor allem der Bereich, in dem Menschen gehen und sich aufhalten, begrünt. Bäume, Pflanzenbeete, Rückhaltebecken, grüne Fassaden und grüne Vorgärten schaffen ein intensives, vielschichtiges grünes Erlebnis.

Spiel und Sport für alle Ein Spielplatz mit unterschiedlichen Komplexitätslevels für alle Altersgruppen. Sport und Bewegung für Jung und Alt – auch für den nahen Schulstandort.

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Mischverkehrsflächen mit sehr geringem Verkehrsaufkommen und starken Geschwindigkeitsbeschränkungen. In den ruhigen Bereichen der Straße soll informelles Spiel stattfinden können (Rollerfahren, Inline-skaten, Springschnurspringen, Tempelhüpfen, usw.)

Die zwei grünen Taschenparks Die neuen Taschenparks sollen einen intensiven grünen Charakter haben, ähnlich einem Garten. Sie verfügen punktuell über spielerische Sitzelemente, die zur Erholung und zum Spielen einladen – es soll sich jedoch nicht um einen Spielplatz handeln.

Wohnen

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So Grüngürtel

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alle

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Spielen

Pocket Park (Ost)

Arbeiten & Gewerbe

Grüner Work-Life Bereich

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Arbeiten & Gewerbe Jugendzentrum

Vorplatz Campus der Religionen

Schule

Park am Seebogen

Spielen

Work-Life-Aktivitäten Grüne Bürogebäude mit Aktivitäten im Freiraum für die Mittagspause und die Stunden nach der Arbeit. Sie können von Erwachsenen und Teenagern gleichermaßen genutzt werden.

Grüne Nischen Blockrandbebauung: Gebäudeöffnungen und Eingänge in Höfe besonders grün gestalten.

Schnittstellen mit der Sonnenallee Gekennzeichnet durch sichere, komfortable Querungsmöglichkeiten für Fuß- und Radverkehr, für einen möglichst nahtlosen Übergang. In den Parks soll eine Aktivität in Nähe der Sonnenallee platziert werden, die durch ein „Kuckuck“ die Verbindung zur Grünen Saite betont und den FreizeitCharakter dieser hervorhebt. gehl

Legende Grüne Saite Parks Grüne Nischen Bäume Spielzone/Aktivität Sonnenallee Rote Saite

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GESTALTUNGSPRINZIPIEN ORGANISATION DER GRÜNEN SAITE Die Verkehrsberuhigung der Grünen Saite ist die Vorraussetzung dafür, dass in dieser Achse Spielen und Wohnen in so hoher Qualität stattfinden kann. Die Grüne Saite ist in verschiedene Abschnitte gegliedert: „Standardzonen“ (v. a. Wohnen), Spielzonen und Taschenparks.

Die zwei Taschenparks treten in den Straßenraum hervor. An jeden Park grenzt eine Spielzone, die zusätzlich durch aktive Erdgeschoßfunktionen belebt wird. In den Standardzonen befindet sich Wohnen im Erdgeschoß mit grünen Nachbarschafts- oder Vorgärten.

Rote Saite Spielzone Taschenpark Standardzone belebende EG-Funktion

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Die Grüne Saite ist eine sichere Wohnstraße mit Mischverkehrsflächen, die Fuß- und Radverkehr klar priorisiert: PKWVerkehr beschränkt sich auf AnrainerInnen und Anlieferung, es gibt keine Parkplätze (außer für kurzfristiges Halten und Behindertenstellplätze) und das Tempo ist Schrittgeschwindigkeit.

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Rote Saite Mischverkehrsfläche Spielzone Fußverbindung Straße belebter öffentlicher Raum


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SCHNITTSTELLEN MIT ANDEREN TYPOLOGIEN Die Grüne Saite verbindet die Grünen Gürtel, Sonnenallee, Rote Saite und den See miteinander. An den Schnittstellen der verschiedenen Raumtypologien bedarf es sorgfältiger Planung. Hier ist die Schnittstelle mit der Einkaufsstraße (Rote Saite) illustriert, wo durch „grüne Taschen“ großzügige Aufenthaltsbereiche grünen Charakters entstehen.

Rote Saite trifft auf Grüne Saite. Wie kann die Grüne Saite das Leben im öffentlichen Raum der Roten Saite unterstützen?

Die Grüne Saite bietet in den Taschen der Roten Saite Aufenthaltsbereiche abseits der belebten Einkaufstraße. Diese können ruhige wie auch lebendige Funktionen, in Abhängigkeit der jeweiligen Erdgeschoßnutzung, haben.

Die ruhigen Nischen zwingen den Verkehr im Vorhinein die Geschwindigkeit stark zu reduzieren.

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Die Grüne Saite sagt „Kuckuck“, ist somit von Weitem sichtbar und lädt ein einzutreten.

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GESTALTUNGSPRINZIPIEN POCKET PARKS Die Taschenparks entlang der Grünen Seite sollten intensiv sein, also üppige grüne Perlen mit blühenden Sträuchern, Bäumen und vielen Blumen – nicht nur „Wiesen-Parks“, von denen es in der Seestadt bereits viele gibt. Die Taschenparks sollten sich von den aktiven Parks unterscheiden, können jedoch spielerische Sitzelemente beinhalten. Folgende Prinzipien sind bei der Gestaltung zu beachten:

Die Identität des Parks wird von üppigem Grün geprägt – bis an die Gebäudefassaden

Der Park sagt „Kuckuck!“ mit Grün, das im Straßenraum hervortritt.

Mit dem Mikroklima planen: den Schatten- und Sonnenbereichen besondere Aufmerksamkeit schenken – sowohl im Park als auch in den Erdgeschoßen.

Ein Nachbarschaftscafé im Erd­ geschoß als Treffpunkt für das Grätzl und zur Belebung des Parks.

Spezielle Oberflächengestaltung rund um den Park.

Schattenwurf durch hohe um­ liegende Gebäude vermeiden – kollektive Baumassen-Studien.

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SCHNITT A-A STANDARDZONE

N

Die Grüne Saite besteht aus „Standardzonen“ mit privaten Vorgärten und Nachbarschaftsgärten, sowie „Spielzonen“. Hier ist eine „Standardzone“ beispielhaft illustriert. - Die Breite der Grünen Saite ist mit 18 m festgelegt, und soll von dieser Breite so wenig wie möglich abweichen. - Punktuell ist es möglich Fassadenrücksprünge zuzulassen, um private Vorgärten zu ermöglichen (maximal 4 m). Wichtig ist jedoch dies nicht entlang der gesamten Grünen Saite zu forcieren, da zu viel zu programmierende Fläche entstehen würde, und auch der Straßenquerschnitt zu breit ausfallen würde.

A

Grüne Saite

A

Norden

Süden

Dem Süden zugewandte Seite:

Dem Norden zugewandte Seite:

- Punktuelle Fassadenrücksprünge im EG: Nutzung als private Vorgärten (bis zu 4 m)

- Keine Fassadenrücksprünge im EG (falls notwendig, dann kleine Rücksprünge an der gegenüberliegenden, dem Süden zugewandten Seite)

- Öffentliche Fläche vor Fassade: Nutzung als gemeinschaftliche Vorgärten für BewohnerInnen des angrenzenden Gebäudes bzw. grätzlbezogene Nutzungen - Zonierung durch Hecken (70 cm hoch)

Obere Stockwerke für mehr Sonnenlicht im Straßen- und Wohnraum zurückversetzt

- Klimaanpassung – Regenwassermanagement durch Rückhaltebecken - Begrünung durch Schattenpflanzen - Fahrradabstellplätze - Behindertenparkplätze - Hauseingänge - Sitzbänke

öffentlich

semi-öffentlich

a Wohnen

Wohnen

18 m 6-7 m dem Süden zugewandte Seite

7m

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dem Süden zugewandte Seite

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4.5 m 18.5m Mischverkehrsfläche (partiell nur 3.5 m, bei „informellem Spiel“, verkehrsberuhigt) 4.5m

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Shared space

6-7 m dem Norden zugewandte Seite

7m dem Norden zugewandte Seite


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SCHNITT B-B SPIELZONE

N

B

Die Spielzonen sind punktuell entlang der Grünen Saite und neben den Taschenparks angeordnet. - Keine Fassadenrücksprünge an der dem Norden zugewandten Seite zulassen. - Spielzonen docken an die Pocketparks an und verbinden somit Grün- und Spielraum. - Klimaanpassung durch Gebäudebegrünung, grüne Freiräume und Regenwassermanagement z. B. mithilfe von Rückhaltebecken.

Grüne Saite

B

Norden

Süden

Dem Süden zugewandte Seite:

Dem Norden zugewandte Seite:

- Punktuelle Fassadenrücksprünge im EG: Nutzung als private Vorgärten (bis zu 4 m)

- Keine Fassadenrücksprünge im EG (falls notwendig, dann kleine Rücksprünge an der gegenüberliegenden, dem Süden zugewandten Seite)

- Öffentliche Fläche vor Fassade: Nutzung als gemeinschaftliche Vorgärten für BewohnerInnen des angrenzenden Gebäudes.

Rücksprung der oberen Stockwerke, um mehr Sonnenlicht im Straßen- und Wohnraum, sowie grüne Dachterrassen zu gewährleisten

- Erweiterte Spielzone und Verengung der Fahrbahn oder breitere Fahrbahn mit flexibler Nutzungsmöglichkeit durch Spielzone (Bodenbelag) - Spezielle Funktionen im Erdgeschoß (soziale, interaktive und gemeinschaftsfördernde Funktionen, wie z. B.: Kindergärten, Nachbarschaftsräume, Seniorentreff, etc.)

Kindergarten

Stadtteilmanagement

18 m interaktive Funktion im Erdgeschoß

6-7 m dem Süden zugewandte Seite

7m dem Süden zugewandte Seite

3.5 - 4.5 m 6-7 m 18.5m Mischverkehrsfläche dem Norden zugewandte Seite (Fahrbahnbreite in Abhängigkeit der 4.5m 7m Spielzonenbreite, verkehrsberuhigt) Shared space

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dem Norden zugewandte Seite

gemeinschaftliche Funktion im Erdgeschoß

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Juli 2018 Im Auftrag der Wien 3420 aspern Development AG Gehl Team: Lærke Jul Gagner— Projekt Managerin, Associate, Architect MAA Karolina Petz — Architektin, Dipl.-Ing. Lisa Müller — Architektin, Dipl.-Ing., M.Arch. Gehl Vesterbrogade 24, 5th floor 1620 Copenhagen V Denmark gehlpeople.com mail@gehlpeople.com


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