Frankfurt inTakt - Sommersemester 2016

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Frankfurt in Takt Magazin der Hochschule f端r Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main

Schwerpunktthema

STUDIERENDE 16. Jahrgang, Nr. 1 Sommersemester 2016 www.hfmdk-frankfurt.de


www.facebook.com/FrankfurterSparkasse Eugen Hahn | Musiker und Jazzkeller-Betreiber | Kunde seit 1986

Mein Leben, meine Vibes, meine Frankfurter Sparkasse „Worauf’s beim Jazz ankommt? Dass man genau zuhört und aufeinander eingeht. Talente, die auch meinen Berater auszeichnen.“ Die Gewerbekundenbetreuung der Frankfurter Sparkasse. Wir haben ein Ohr für Ihr Business.


INHALT

2 EDITORIAL

34 Vom „Schutzraum Hochschule“

von Prof. Christopher Brandt

4 Präsident zu werden ist leichter,

35 PlanSpiel: Kunst und Kunst

als Präsident zu sein

Interview mit Thomas Rietschel

und der Realität danach macht Künstler

von Michael Steven Carman

9 Impressum

36 Eine tänzerische Selbstbefragung

10 Ein Lächeln belohnt schon

38 Volltreffer auf ganzer Linie

vor dem Konzert

von Julia Huk

40 In Opas Geist und doch ganz eigen

von Lisa Ochsendorf

12 Mit Hänsel und Gretel auf der Flucht

42 Klassenausflug ins Tonstudio

14 Herausforderung Demokratie

von Johannes Müller-Hornbach

44 Interdisziplinäres Arbeiten –

19 Weibliche „Schlagkraft“

von Charlotte Sutthoff Ein Erfahrungsbericht

selbstverständlich

von Mirijam Wallau

46 Götterfunken belohnen die Einsamkeit

20 Brasilianischer Esprit und deutsche Präzision

von Richard Millig von Philippe Schwarz

48 Mit „Ave Maria“ im Tragetuch

21 Bildung anders erfahren

50 Geburtshelfer einer Karriere

22 Szenische Interpretation von Musik-

theater an der Staatsoper Berlin

51 Wenn Publikum Künstlern

von Elâ Aydin 24 Die Kunst Frankreichs –

von Caspar Vinzens das Leben lehrt

53 Creditpoints statt Reifungszeit

Exkursion der Regieklasse

von Bastian Sistig

54 Das beste Jahr meines Lebens

von Roxana Littau

26 Eine alles andere als alltägliche

56 Das Gute ist auch das Gefährliche

Möglichkeit der Weiterbildung

58 Mit deutscher Freiheit zum Crescendo

von Paula Stenger und

59 Prof. Dr. Katharina Deserno im Portrait

Jule Heidmann

60 Prof. Eva Maria Pollerus im Portrait

28 „Il Quadro Animato“ beim

Selifa-Wettbewerb in San Ginesio

an meinen Lehrer Peter Cahn †

von Lorenzo Gabriele und Flóra Fábri

von Prof. Dr. Wolfgang Lessing

30 In Memoriam Gisela Christ von Carben 31 Die Hochschule in Zahlen 32 Unterschätztes Potenzial

62 Recht eigentlich frei – Erinnerungen

von Riccardo Romeo

64 Erfolge unserer Studierenden


F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, noch immer kann ich mich gut an meinen Studienbeginn an

Die Lehrendenperspektive war mir damals noch fremd: Von

der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am

dem, was es an akademischer Selbstverwaltung gab, bekam ich

Main (HfMDK) erinnern: Neu in Frankfurt, frisch immatrikuliert

als Studierender nichts mit, ich war begeistert von den vielfältigen

als Student der Schulmusik und der Germanistik, war das erste,

Angeboten und Möglichkeiten, die mir das Studium eröffnete,

was mir auffiel, die Aufbruchsstimmung, die am Haus herrschte.

und trotz der Gerüchte, die über das damalige Schulmusikstudium

Nach Jahrzehnten äußerster Raumnot war der Neubau gerade

kursierten (wegen der vollkommenen Überlastung seien die

eingeweiht worden, den das Haus dem jahrelangen und unermüd-

Examenssemester alle in psychologischer Behandlung; vor den

lichen Engagement des damaligen Rektors Hans-Dieter Resch

Abschlussprüfungen solle man Sunblocker auftragen, damit

verdankte; durch die Vielzahl neuer Unterrichts- und Überräume

die Prüfer nicht merken, dass man im Urlaub oder an der frischen

gab es endlich die Möglichkeit, bis in den Abend hinein (Öff-

Luft gewesen ist, statt sich gewissenhaft vorzubereiten; einmal

nungszeiten bis 21Uhr!) zu üben; eine neue Mensa war gerade

traf ich eine Kommilitonin in der U-Bahn, sie war als Georg

eröffnet worden, so dass man seine Nahrungsaufnahme nicht

Friedrich Händel ausstaffiert, komplett in Perücke und Livree –

mehr über „Hauser’s Hoflädchen“ organisieren musste; ein noch

sie kam gerade vollkommen erschöpft aus ihrer Examenslehr-

mit Matritzendrucker vervielfältigtes DINA 4-Blatt, vom Vor-

probe), war ich vor allem begeistert über das im Vergleich zu

zimmer des Rektors, das auch die Veranstaltungsorganisation

meiner Schülerkarriere überwältigende Maß an persönlicher

verantwortete, erstellt, kündete von den Veranstaltungen und

Freiheit, das ich durch Üben, Lesen, Komponieren, Studieren,

Konzerten – es müssen fast 20 gewesen sein! – des kommenden

Knüpfen neuer Kontakte und Freundschaften sowie das Erkunden

Semesters. Gleichwohl sind mir auch Kommentare damals schon

einer mir damals unbekannten Stadt und Region ausschöpfen

lang am Haus ansässiger Professoren in Erinnerung: Früher sei

konnte.

das alles besser gewesen; die Kommunikationswege unkomplizierter; wichtige Entscheidungen seien quasi im Treppenhaus

Vieles ist seitdem passiert. Heute stehen wir – wie immer – vor

ohne lästige Gremienarbeit gefällt worden; überhaupt würde

neuen und anderen Herausforderungen: Das aus der Wirtschaft

„die Verwaltung“ immer mehr überhand nehmen. Plötzlich

stammende Konzept des Qualitätsmanagements zwingt die

sollten die Künstler lernen, wie man unterrichtet. Lampenfieber?

Institution, sich als System und Regelkreis zu definieren und zu

Wer darunter leide, habe seinen Beruf verfehlt, und wer nicht

reflektieren, was in einem aufwändigen, aber auch spannenden

mindestens sechs Stunden am Tag übe, solle sich doch bitte

Prozess der Akkreditierung münden wird; Bologna und die Folgen,

einen anderen Lehrer suchen.

die Manifestation von studentischer Leistung in Credits, haben zum Teil zu vollkommen überladenen Studiengängen geführt, die es zu überarbeiten und zu entrümpeln gilt; die Arbeit an der Konzeption des Kulturcampus wird nach jahrelangen Vorarbeiten jetzt konkret, obgleich seine Eröffnung noch in ferner Zukunft liegt. Vor allem aber, und sie merken es am Editorial, steht ein Führungswechsel an der Spitze der HfMDK an, nachdem Thomas Rietschel nach zwölf Jahren, nach zwei erfolgreichen und prägenden Amtszeiten, das Haus verlassen wird. Im Rückblick

2


Editorial

auf meinen Studienbeginn wird mir wieder bewusst, was in

Thomas Rietschel wird in dieser Ausgabe selbst noch ausführlich

diesen zwölf Jahren passiert ist: Die Hochschule entwickelte sich

zu Wort kommen und seine Arbeit an diesem Haus resümieren;

zu einer zentralen und vielfältig vernetzten Größe im Frankfurter

es soll nicht unerwähnt bleiben, dass zu den Herausforderungen,

Kulturleben und in der öffentlichen Wahrnehmnung; viele

denen sich die HfMDK stellen muss, auch die Wahl einer neuen

Bereiche innerhalb der Hochschule wurden professionalisiert

Präsidentin/eines neuen Präsidenten gehört. Dass eine solche

oder neu eingerichtet, darunter die Öffentlichkeitsarbeit, das

Wahl Anlass sein kann, sich über die verschiedenen Fach- und

Fundraising, das Künstlerische Betriebsbüro, die Veranstaltungs-

Statusgruppen hinweg in einen Austausch zu begeben, um ge-

technik und das Qualitätsmanagement. Wer sich über das

meinsam darüber zu reflektieren, was von einer Hochschulleitung

Anwachsen „der Verwaltung“ beklagt, womit nicht nur zuverläs-

realistisch zu erwarten ist, was für eine Person man sich wünscht

sig und effizient arbeitende Bereiche wie die Personal- und die

und welcher gemeinsame Nenner definiert werden kann (denn

Finanzabteilung, sondern all das gemeint ist, was nicht unterrich-

diesen braucht eine Hochschule wie die unsere mit ihren vielen

tet oder künstlerisch agiert, kann sich ja mal ausmalen, wie ein

disparaten Ausbildungsbereichen und Interessengruppen ohne-

derartig komplexes Gebilde wie unsere Institution funktionieren

hin), ist in diesem Zusammenhang mein persönlicher Wunsch

soll ohne die Kolleginnen und Kollegen, die in den genannten

und meine Hoffnung.

Bereichen engagiert und loyal ihre Arbeit machen. Darüber hinaus zeugen neue und zeitgemäße Studienangebote wie die Institute

Bei den vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen, die uns –

für zeitgenössische Musik und für historische Aufführungspraxis,

wie immer – bevorstehen, können Fehler passieren und werden

die Internationale Ensemble Modern Akademie und die Kronberg

Fehler gemacht werden. Das ist nicht schlimm, denn Fehler

Academy, die Masterstudiengäne Musikpädagogik und Instru-

sind produktiv, wenn man mit Bedacht mit ihnen umgeht (ich

mentalpädagogik, aber auch ein Studiengang wie MA CoDE, der

verweise hier nochmal auf das wie immer lesenswerte Büchlein

im zeitgenössischen Tanz und seiner Pädagogik internationale

„Exzellenz durch differenzierten Umgang mit Fehlern“, an dem

Strahlkraft besitzt, von einem zeitgemäßen und einzigartigen

die geschätzten Kolleginnen Sybille Cada und Maria Spychiger

Profil der HfMDK im Spannungsfeld von Kunst, Pädagogik und

mitgewirkt haben). Es gibt eigentlich nur einen einzigen, zentra-

Wissenschaft

len Fehler, den es zu vermeiden gilt: nämlich den, die Perspektive der Studierenden zu ignorieren. Aus diesem Grund freue ich mich ganz besonders über den Themenschwerpunkt dieser Ausgabe des Magazins, der allen Interessierten aufzeigt, was heutige Studierende an der HfMDK prägt, was sie bewegt, welche Perspektiven sie sehen und welchen ihrer Anregungen wir unbedingt Beachtung schenken sollten. Eine interessante Lektüre wünscht Christopher Brandt, ab Mai 2016 geschäftsführender Präsident der HfMDK

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F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

Ein Abschlussinterview mit Thomas Rietschel, der nach zwölf Jahren Hochschulleitung neue berufliche Wege gehen will

PRÄSIDENT ZU WERDEN IST LEICHTER, ALS PRÄSID ZU SEIN M

Können Sie nach zwölf Jahren Amtszeit als Präsident der

die zweite sechsjährige Amtszeit als Präsident der Hochschule

HfMDK eine Zielbilanz ziehen? Haben Sie erreicht, was Sie

für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main. Dr. Sylvia

sich vorgenommen hatten?

it Ablauf des Monats April endet für Thomas Rietschel

Dennerle und Björn Hadem baten Thomas Rietschel um ein Als ich ankam, war mir vor allem eines klar: Die

Resümee seines zwölfjährigen Wirkens an der Frankfurter

THOMAS RIETSCHEL

Hochschule.

Hochschule verkauft sich unter Wert, und sie kann viel wirksamer sein in die Gesellschaft, als ihr das bewusst ist. Meine weiteren Ziele haben sich Schritt für Schritt in der Auseinandersetzung mit der Hochschule und ihrer Situation entwickelt. Und die Situation der Hochschule gab durchaus Aufgaben vor, die anzugehen waren: Die Hochschule war in Frankfurt und im Rhein-MainGebiet als Kulturinstitution fast nicht sichtbar. Der BolognaProzess steckte 2004 an der Hochschule noch in seinen Anfängen. Das neue Hochschulgesetz und die damit größer gewordene Autonomie der Hochschule erforderte eine Umstrukturierung, die dann u. a. zu einer deutlichen Stärkung der Fachbereiche führte. Viele Verwaltungsvorgänge, die bis dato in den Ministerien stattgefunden hatten, musste nun die Hochschule schultern,

Beim Besuch von Boris Rhein, dem Hessischen Minister

was unsere Hochschulverwaltung nachhaltig verändert hat.

für Wissenschaft und Kunst, an der Hochschule, erläuterte

Und schließlich war die Finanzsituation der HfMDK vor zwölf

ihm Thomas Rietschel die Pläne des Hochschulneubaus. Mit dabei die HfMDK-Kanzlerin Angelika Gartner.

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Jahren äußerst angespannt.


Präsident zu werden ist leichter, als Präsident zu sein

ENT Wie und dank welcher Maßnahmen hat sich die finanzielle

Welches Gesicht konnten Sie der Hochschule im Laufe

Situation der Hochschule seitdem verbessert?

von zwölf Jahren geben?

THOMAS RIETSCHEL

Der Jahresetat wuchs seit 2004 von 9 Millionen

THOMAS RIETSCHEL

Es ist schwierig, einer Hochschule wie der

auf heute 16 Millionen Euro. Voraussetzung für diese Entwicklung

unseren ein spezifisches Gesicht zu geben, weil sie naturgemäß

war die Öffnung der Hochschule nach außen – hinein in die

eine Breite in der Ausbildung anbieten muss. Aber wir haben

Stadtgesellschaft und das Land Hessen. Uns ist es gelungen,

uns auf den Weg gemacht, wobei auch hier gilt: Nicht der

die Hochschule als kulturellen „Player“ bekanntzumachen, und

Präsident gibt der Hochschule das Profil – es muss sich aus der

zwar als Hessens Hochschule für Musik, Theater und Tanz. Die

Hochschule heraus entwickeln, sonst ist es langfristig nicht

Erfolge, die sie und ihre Studierenden aufweisen können, haben

glaubhaft. Wir haben interessante und erfolgreiche neue

wir öffentlich dargestellt. Das steigerte ihre Anerkennung und

Studiengänge entwickelt und die meisten Studiengänge inhalt-

Akzeptanz und beeinflusste den Blick der Politik auf die Hoch-

lich reformiert. Einen Akzent – neben anderen – haben wir auf

schule: Die Landesregierung ließ sich mehr und mehr von der

zeitgenössisches Kunstschaffen gelegt. In der Darstellenden

Notwendigkeit überzeugen, für die HfMDK etwas tun zu müssen,

Kunst spielt dies bei uns eh eine ganz große Rolle. Im Musik-

und dafür sind wir dem Land dankbar. Dahinter steht aber auch

bereich haben wir dafür das Institut für zeitgenössische Musik

die hervorragende Arbeit der Hochschulverwaltung mit unserer

etabliert, wir haben den Masterstudiengang „Internationale

Kanzlerin an der Spitze. Ohne sie als Sparkommissarin hätten

Ensemble Modern Akademie“ geschaffen und die Stiftungspro-

wir das nicht geschafft. Und nicht zuletzt resultieren 800.000

fessur „Vermittlung Neue Musik“ eingerichtet. All das entwickelte

Euro unserer Einnahmen heute aus unseren sehr erfolgreichen

sich übrigens zeitgleich mit dem Wachstum unserer Abteilung

Fundraisingbemühungen.

für Historische Interpretationspraxis – nicht als Gegensatz, sondern als befruchtendes Pendant dazu. Zu unserem Profil gehört auch, dass wir hervorragend vernetzt sind und mit vielen Partnern kooperieren und inzwischen bundesweit einen hervorragenden Ruf als lebendige innovative Hochschule haben. 5


F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

Öffentlichkeitsarbeit war bei Ihnen „Chefsache“. In diesem

giert, denn das ist der Ast, auf dem wir sitzen. Von der Hoch-

Zusammenhang brachten Sie auch die Fundraising-Aktivität an

schule initiierte und getragene Projekte wie „Primacanta“,

den Start – damals ein Novum im Bereich der Kunsthoch-

„Response“ und „MusikMonatMai!“ dokumentieren seit Jahren

schulen. Warum war Ihnen dies so wichtig?

unser Engagement. Wir haben im Moment eine ganz eigenartige Situation: Auf der einen Seite ist ein bemerkenswerter Boom

THOMAS RIETSCHEL

Die durch Fundraising eingeworbenen Mittel

von Vermittlungsprojekten bei Einrichtungen wie Museen,

ermöglichen uns die Realisierung von Projekten, die Vergabe

Theatern, Orchestern und Opernhäusern zu beobachten. Auf

von Stipendien für Studierende und unterstützen die Lehre. Aber

der anderen Seite stellen wir fest, dass dort, wo wirklich alle

Fundraising ist auch „Friendraising“. Wir haben eine große

erreicht werden, nämlich in den Schulen, die kreativen, die

Anzahl von Unterstützern um uns scharen können, die bereit

künstlerischen Fächer Stück für Stück weiter beschnitten

sind, sich für die Hochschule zu engagieren. Solch eine Basis

werden. Letzteres halte ich für gefährlich. Da ist es Aufgabe der

in der Bürgergesellschaft zu haben, ist etwas unschätzbar Wert-

Hochschule, entschieden dagegen zu halten – indem wir uns

volles. Diese Fürsprecher haben uns beispielsweise bei der

äußern und indem wir vorbildhafte Modellprojekte entwickeln

Debatte um die Vision des Kulturcampus sehr weitergeholfen.

und dafür unser wissenschaftlich-künstlerisches Potenzial nutzen.

Sahen Sie die Öffnung der Hochschule als eine Pflichtaufgabe? Wie steht es aus Ihrer Sicht um den Auftrag der HochTHOMAS RIETSCHEL

Der Steuerzahler hat ein Recht darauf zu wissen,

wie wir sein Geld an der Hochschule einsetzen. Deshalb laden

schule, eine künstlerische Leistungsspitze auszubilden, nämlich die Stars von morgen?

wir ihn ein, sich selber ein Bild zu machen. Zum anderen wollen Künstlerische Leistungsspitze: ja, Stars: nein. Es

wir unsere Studierenden optimal auf den Beruf vorbereiten und

THOMAS RIETSCHEL

bilden sie deshalb in engem Kontakt mit dem Kulturleben aus.

ist nicht die erste Aufgabe der Hochschule, Stars auszubilden.

Und wie schon erwähnt: Die Öffnung der Hochschule sichert

Wir tun natürlich alles, was wir können, um herausragend begabte

uns die Akzeptanz der Gesellschaft, auf die wir dringend ange-

junge Menschen zu großen KünstlerInnen zu formen. Aber das

wiesen sind, gerade in Zeiten, in denen der Stellenwert von

ist nicht unsere einzige Aufgabe. Alles nur darauf zu fokussieren –

Kunst und Kultur sinkt.

und das wird uns von außen oft nahegelegt –, legitimiert nicht den Aufwand einer künstlerischen Hochschule. Unser Auftrag

Welches Selbstverständnis von und bei Studierenden war

geht viel weiter: Wir sind für ein auch in Zukunft lebendiges Kul-

Ihnen als Präsident wichtig?

turleben in unserer Gesellschaft da. Für mich ist es ein genauso schöner Erfolg, wenn es uns gelingt, eine Lehrerin auszubilden,

THOMAS RIETSCHEL

Im Idealfall sollte jeder, der als Künstler unsere

Hochschule verlässt, wissen, warum er was für wen an welchem

die später in der Schule 30 Jahre lang ihre Kinder und Jugendlichen für Theater oder Musik begeistert.

Ort spielt. Ich erwarte also von reflektierten Künstlern, dass sie ein Bewusstsein für ihre Rolle und Aufgabe in der Gesellschaft

Aber auch im Inneren der Hochschule mussten Sie Überzeugungs-

entwickeln. Diese Art von Verantwortung hat auch die Hoch-

arbeit leisten. Es gab ja immer wieder Stimmen, die forderten,

schule selbst: Ihr Auftrag sollte weiterreichen, als nur für die

sich mehr auf das Kerngeschäft, also das Lehren zu konzentrieren,

Ausbildung von Künstlerinnen, Wissenschaftlern und Lehrerinnen

statt Projekte in gesellschaftlicher Mission zu starten.

verantwortlich zu sein. In kaum einer anderen Institution sammelt Oft wurde kritisiert, die Hochschule initiiere zu

sich solch eine Vielfalt an künstlerischer und intellektueller Kom-

THOMAS RIETSCHEL

petenz wie an einer Kunsthochschule. Dieses Potenzial sollte

viele Projekte, wodurch Studierende nicht mehr wirklich zum

die Hochschule für die öffentliche Diskussion fruchtbar machen.

Üben und Studieren kämen. Derlei Bedenken sind ernst zu

So habe ich mich sehr für das Thema kulturelle Bildung enga-

nehmen. Das richtige Augenmaß ist hier auch in Zukunft gefragt.

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Präsident zu werden ist leichter, als Präsident zu sein

Aber ich möchte betonen: Es macht die Qualität der Frankfurter

Müssen wir dann nicht auch die Studierendenzahl erhöhen?

Hochschule aus, dass wir Studierenden die Möglichkeit bieten, Das hat für mich damit nichts zu tun. Um unsere

sich vielfältig zu engagieren und zu erproben. Dazu gehört die

THOMAS RIETSCHEL

Unterstützung von „Live music now“, aktuell die Hilfe bei Projekten

Inhalte zu ändern, brauchen wir keine neuen Studierenden. Eine

mit Flüchtlingen oder auch die Möglichkeit, eigene künstlerische

Erhöhung der Studierendenzahl in der Lehrerausbildung halte

Vorhaben zu entwickeln, wie beim „Tanz der Künste“.

ich für sinnvoll, denn wir brauchen in Hessen mehr Musiklehrerinnen und -lehrer. Doch im Augenblick haben wir in Frankfurt für

Muss die Hochschule mit ihrer Ausbildung auf jede

derlei Pläne nicht die räumlichen Voraussetzungen.

gesellschaftliche Veränderung reagieren? Mit der Raumfrage bringen Sie uns zum Thema Kulturcampus: THOMAS RIETSCHEL

Das kann sie gar nicht. Hochschulen sind lang-

Sie haben mit der Idee eines Neubaus der Hochschule die

same Institutionen. Wenn wir eine Studienordnung ändern, ist

Vision eines Kulturcampus entwickelt und vorangetrieben. Sie

dies ein Prozess, der innerhalb eines Jahres kaum umzusetzen

haben die Weichen dafür gestellt, sind aber jetzt nicht mehr an

ist, und bis die Änderung wirkt, braucht es in der Regel noch-

der Umsetzung beteiligt. Was ist das für ein Gefühl?

mals mehrere Jahre. Allein schon deshalb können wir nicht Dass der hessische Minister für Wissenschaft

jedem neuen Trend hinterherlaufen – das halte ich auch nicht für

THOMAS RIETSCHEL

sinnvoll. Das würde uns auch überfordern, jede Veränderung ist

und Kunst, Boris Rhein, eine Zusage für einen Hochschulneubau

ja auch eine große Kraftanstrengung. Aber dass man immer ein

in Bockenheim gegeben hat, ist eine unglaubliche Chance für

Auge auf die langfristigen Veränderungen hat, das halte ich für

die Hochschule und eine wahnsinnig reizvolle Aufgabe für

unbedingt notwendig. Ich nenne das Stichwort Digitalisierung

jemanden, der jetzt die Leitung unserer Hochschule übernimmt.

und in ihrer Folge die umfassende Verfügbarkeit von Musik, die

Es steckt so viel Potenzial dahinter, dass man sich das Projekt

Entwicklung neuer Distributions- und Produktionsmöglichkeiten.

gar nicht groß genug vorstellen kann. Die Hochschule hat damit

Über solche Entwicklungen müssen wir nachdenken und über-

die einmalige Chance, sich in einem europäischen Kontext

legen, welche Konsequenzen dies für Ausbilung und Konzertleben

hervorragend zu positionieren.

haben kann. Wo werden die Künstler, die wir heute ausbilden, in 15 Jahren tätig sein? Wird das Live-Konzert durch die Digi-

Warum gehen Sie dann gerade jetzt?

talisierung vielleicht wieder wichtiger oder wird es sich verändern Die Entscheidung, dass ich nicht mehr für eine

müssen? Ein zweites großes Thema wäre die demografische

THOMAS RIETSCHEL

Entwicklung: Wie gehen wir damit um, dass unsere Gesellschaft

dritte Amtszeit antrete, habe ich schon vor zwei Jahren getrof-

immer älter wird? Und brennend aktuell ist das Thema Globali-

fen. Ich kam zu der Überzeugung: Zwölf Jahre sind genug,

sierung: Müssen wir uns nicht auch mit den vielfältigen kultu-

sowohl für die Hochschule als auch für mich. Es ist vieles erreicht

rellen Hintergründen unserer Mitbürger (und in Zeiten weltweiter

worden, aber ich bin in der Hochschule an verschiedenen

Fluchtbewegungen auch unserer zukünftigen Mitbürger) beschäf-

Stellen auch an Punkten angekommen, wo ich das Gefühl hatte,

tigen und konsequenterweise unseren Fächerkanon ausweiten?

nicht weiterzukommen. Und deshalb ist es für die Hochschule

Ist unsere Beschränkung – vor allem in der Musik – auf das

und für mich gut, wenn jetzt jemand anders kommt – und an der

europäische kulturelle Erbe noch zu rechtfertigen? Das ist natürlich

Stelle, an der es bei mir gehakt hat, weitermacht. Außerdem

eine hochpolitische Frage angesichts zunehmender nationalis-

bin ich ein Mensch, der den Wechsel liebt, jemand, der gerne

tischer Töne. Die Hochschule muss da Stellung beziehen – und

anfängt, und ich möchte nach 12 Jahren noch etwas Neues

nichts zu ändern, wäre auch eine Stellungnahme, aber, wie ich

machen. Daher war jetzt für mich der richtige Zeitpunkt.

finde, eine falsche.

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F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

Was haben Sie vor?

und alle, die in der Selbstverwaltung, in Gremien und Ausschüssen mitgewirkt haben. Dazu gehört auch unsere ungeheuer

THOMAS RIETSCHEL

Ich habe mit Freunden gemeinsam eine

Kulturberatung gegründet und werde als selbstständiger

engagierte Verwaltung, die großartige Arbeit leistet und sich mit den Zielen unserer Hochschule identifiziert.

Kulturberater tätig sein. Sie sind bekannt für Ihre Begeisterungsfähigkeit. Welche Illusionen Noch ein Blick auf die Arbeit im Inneren der Hochschule:

mussten Sie in zwölf Jahren Hochschularbeit begraben, oder

Der Leitbildprozess, den wir durchlaufen haben, ist so partizipativ

anders gefragt: Wie hat die Hochschule Sie verändert?

vonstattengegangen, wie es wohl beispielhaft war. Wie blicken Sie auf diesen Prozess zurück?

THOMAS RIETSCHEL

Ich habe sehr schnell gemerkt: „Präsident zu

werden“ ist recht einfach gegen die Aufgabe, „Präsident zu sein“. THOMAS RIETSCHEL

Auf den schaue ich gern zurück. Durch ihn ist

Ich habe einige Jahre gebraucht, um in dieses Amt hineinzu-

viel Energie in der Hochschule geweckt worden, auch Zusam-

wachsen, und natürlich hat mich das verändert. Ein Beispiel:

menhalt entstanden. Es war und ist alle Anstrengung wert, die

Am Anfang war ich überzeugt, dass in einer künstlerischen

Hochschule mit ihren differenzierten Strukturen von Studien-

Hochschule im Konfliktfall immer die Freiheit der Kunst und des

gängen und Fachrichtungen zusammenzuhalten, weil ich über-

Künstlers höher steht als irgendwelche bürokatisch-kleinlichen

zeugt bin, dass wir uns mit unserer Diversität gegenseitig nur

Hindernisse. Ich vergesse nicht den Kommentar einer Professorin

bereichern können. Und was mich auch freut: Die Ergebnisse

im Gespräch mit mir: Zum Selbstverständnis eines Künstlers

des Leitbildprozesses sind in der Institution fest verankert und

gehöre es doch, Regeln zu brechen. Heute weiß ich den Wert

wirken weiter.

einer gut funktionierenden Verwaltung – oder sagen wir ruhig Bürokratie – zu schätzen: Sie schützt die Schwächeren, klare

Ein Präsident allein kann diese Arbeit aber nicht leisten,

Regeln minimieren Konflikte oder lassen sie gar nicht erst

da ist jedes Individuum gefragt. Der Präsident kann höchstens

entstehen, geregelte Abläufe entlasten alle, weil nicht immer

ein Klima schaffen, das dazu einlädt.

alles immer wieder neu erfunden werden muss, und nicht zuletzt sind wir als öffentlich-rechtliche Institution verpflichtet, all das,

THOMAS RIETSCHEL

Das einzige Instrument, das uns gegenüber der

was wir tun, rechtssicher zu tun. Aber natürlich ist weiterhin

Lehre zur Verfügung steht, um die Institution zu führen – und

richtig: Künstlerische Arbeit und Ausbildung brauchen Freiheit,

das unterscheidet uns von Unternehmen in der Wirtschaft –,

und es ist auch Aufgabe der Bürokratie, diese Freiheit zu

ist die Überzeugungskraft, die Kraft des guten Arguments, die

schützen, die Bürokratie darf nie Selbstzweck werden. Deshalb

gemeinsame Begeisterung für eine große Sache. Wir können

muss sich jede Hochschulleitung permanent darum bemühen,

stolz darauf sein, dass wir 65 Professorinnen und Professoren

die Balance zu halten, damit wir in der Hochschule die Freiräume

haben, die sich alle „für die Kunst begeistern“, wie es unser

erhalten, die eine künstlerische Ausbildung braucht.

Hochschulmotto sagt, und die mit großem Engagement als Hochschullehrer tätig sind. Aber dass alle an einem Strang

Haben Sie privat jetzt Zeit für Dinge, die über Jahre zu

ziehen, das ist nun leider nicht immer der Fall, 65 Künstlerper-

kurz kamen?

sönlichkeiten sind auch 65 starke Persönlichkeiten. Und dann Na klar: Ich werde jetzt wieder Geigenstunden

hilft nur Kommunikation, Reden, Überzeugen, Begeistern. Sie

THOMAS RIETSCHEL

haben aber davon gesprochen, dass der Präsident die Arbeit

nehmen. Ich möchte einfach ein bisschen mehr Zeit haben –

nicht alleine leisten kann. Das möchte ich doch sehr unterstrei-

für Freunde, fürs Lesen, für meine Familie.

chen. Unsere Hochschule steht heute wesentlich besser da als vor zwölf Jahren. Ich sehe das als einen gemeinsamen Erfolg all

Die HfMDK Frankfurt am Main wird Thomas Rietschel

der Hochschulmitglieder, die sich dafür engagiert haben: die

am Samstag, 30. April, ab 17 Uhr feierlich verabschieden.

Mitglieder im Präsidium, die Dekaninnen, Ausbildungsdirektoren

Nähere Infos in der Veranstaltungsvorschau.

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IMPRESSUM

Frankfurt in Takt – Magazin der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main Eschersheimer Landstraße 29–39 60322 Frankfurt am Main www.hfmdk-frankfurt.de Herausgeber Thomas Rietschel, Präsident der HfMDK Redaktionsbeirat Dr. Sylvia Dennerle, Prof. Hedwig assbender, Björn Hadem, Dr. Laila Nissen, Anatol Riemer, Thomas Rietschel, Prof. Eike Wernhard Redaktion Björn Hadem (bjh) bhadem@arcor.de

Autoren Elâ Aydin, Prof. Christopher Brandt, Michael Steven Carman, Beate Eichenberg, Flóra Fábri, Lorenzo Gabriele, Björn Hadem (bjh), Jule Heidmann, Julia Huk, Prof. Dr. Wolfgang Lessing, Roxana Littau, Richard Millig, Johannes Müller-Hornbach, Lisa Ochsendorf, Riccardo Romeo, Philippe Schwarz, Bastian Sistig, Paula Stenger, Charlotte Sutthoff, Caspar Vinzens, Mirijam Wallau Fotos Barbara Aumüller (1), Björn Hadem (31), Hansi Rindsberg (1), Isabelle Schwarz (1) Titelfoto Tänzerin Orla McCarthy im Rahmen der „Klassenlotterie“, einem interdisziplinären Austauschformat im Fachbereich Darstellende Kunst Layout Opak Werbeagentur GmbH, Münchener Str. 45, 60329 Frankfurt am Main Anzeigen Björn Hadem (es gilt die Preisliste 2011) Erscheinungsweise jeweils zu Beginn des Semesters Druck Brandenburgische Universitäts-Druckerei und Verlagsgesellschaft Potsdam mbH Drittmittelkonto Account for Private funds

Musikerleben

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EIN LÄCHELN BELOHNT SCHON VOR DEM KONZERT

Klarinettistin Julia Huk hat an der HfMDK Lehramt studiert und sich trotz Prüfungsstress entschlossen, mit ihrer UniKommilitonin Isabella Kohls ein Konzertprojekt mit Flüchtlingen zu initiieren. Das Ergebnis erklingt am 19. April im Sendesaal des Hessischen Rundfunks. Doch ihre Schilderungen aus den Proben verraten: Das wichtigste Ziel – ein Miteinander über

Hochschulmitglieder veranstalten ein Musikprojekt mit Flüchtlingen – Konzert am 19. April Von Julia Huk

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Sprach- und Kulturgrenzen hinweg – ist schon vor der Aufführung längst erreicht.


Ein Lächeln belohnt schon vor dem Konzert

12.

Januar 2016, 18:30 Uhr: Wir sind in der großen

Kulturen?! Isabella hat viel Erfahrung in mehreren hessischen

Aula der Schillerschule in Frankfurt. Die letzte halbe Stunde

Musikvereinen gesammelt, als Musikerin, als Dirigentin und als

haben wir mit der Hilfe Detlev Draschers (Lehrer der Schiller-

Organisatorin. Meine musikalische und organisatorische Erfah-

schule) damit verbracht, alle Stühle in der Aula zu stellen, die

rung ist vor allem durch das Schulmusikstudium, die Organisation

Räume mit Schildern zu kennzeichnen, Getränke und Essen

des BundesSchulMusikOrchesters 2013 in Frankfurt und diverse

für die Pause vorzubereiten und die Namensschilder alphabetisch

andere musikalische und organisatorische Tätigkeiten geprägt.

zu sortieren. Die Nervosität bei Isabella und mir steigt. Werden

Nachdem wir verschiedene andere Ideen wie beispielsweise

die Musiker auch kommen? Wird die Kommunikation trotz der

eine Bläserklasse mit Flüchtlingskindern und Deutschen verwor-

sprachlichen Barrieren funktionieren? Werden sich Ensembles

fen hatten, entstand die Idee von Bridges – Musik verbindet.

finden? Werden sich die Musiker verstehen?

Wir waren uns sicher, dass unter den Flüchtlingen viele Musiker sind. Schließlich sind unterschiedlichste Bevölkerungsgruppen,

Eine Stunde später ist der Raum gefüllt mit Musikern. Es ist,

egal, welchen Beruf sie ausgeübt haben, auf der Flucht vor Gewalt,

als würde die ganze Arbeit, die wir die letzten Monate in dieses

Terror und Krieg. Diese Musiker wollten wir mit deutschen Musi-

Projekt gesteckt haben, in einem Moment zusammenfließen.

kern zusammenbringen und sie zu einem gemeinsamen Konzert

Jetzt endlich treffen alle zusammen. Neben uns sitzen Arman

führen. Ein Konzert, das den Zuhörern zeigen soll, welch großes

Kamangar und Amir Vafa, die beiden jungen Iraner, die die ersten

Potenzial die Flüchtlinge mitbringen. Ein Konzert, das den vielen

Musiker waren, die wir für dieses Projekt gewinnen konnten.

Individuen in der großen Masse der Flüchtlinge Gesichter geben

Beide sind noch Schüler. Sie sind vor ungefähr anderthalb Jahren

soll. Ein Konzert, das zeigt, wie ein friedliches Miteinander über

allein aus ihrer Heimat geflohen und leidenschaftliche Musiker.

alle kulturellen Grenzen hinweg möglich ist. Ein Konzert, das

Der eine will Geige studieren, der andere schreibt eigene Songs,

die Menschen in ihrem tiefsten Inneren berührt.

spielt Klavier, Gitarre und Cajon. Auf der anderen Seite des Raumes sitzt der syrische Flamenco-Gitarrist Mohanad Almossli.

Den Musikern, die aus ihrer Heimat fliehen mussten, wollten wir

Ihn haben wir vor ein paar Wochen in seiner Flüchtlingsunterkunft

die Möglichkeit geben, wieder auf einer Bühne spielen zu können

besucht. Vor ein paar Tagen hat er endlich seine Frau und seine

und Kontakt zu deutschen Musikern zu bekommen. Jetzt, Anfang

zwei kleinen Kinder nach Deutschland in Sicherheit holen können.

März, anderthalb Monate vor dem Konzert, können wir schon

Unsere Komponisten und Hochschulabsolventen Sina Sadeghpour

die ersten Früchte unserer Arbeit sehen und hören. Die Kompo-

und Jonathan Granzow sowie Rainer Michel und der Dirigent

sitionen für die gesamte Gruppe sind geschrieben und bereits

Lorenz Nordmeyer, Professor für Ensembleleitung an der HfMDK,

einmal angespielt worden. Es haben sich acht unterschiedlichste

sind auch da. Insgesamt sind es ca. 40 Musiker, die zu dieser

Ensembles gebildet; in allen spielen sowohl deutsche Musiker

ersten Probe gekommen sind und nach einer viersprachigen

als auch solche, die aus ihrer Heimat fliehen mussten. Neben

Vorstellungsrunde ihre Instrumente auspacken. An allen Ecken

dem klassischen Ensemble mixt eine andere Gruppe aramäische

der großen Aula ist Musik. Hier stellen zwei Musiker aus Eritrea

Musik mit Jazzklängen, Gitarre und Flöte fügen sich nahtlos in die

deutschen Musikern ihr Nationalinstrument, die Krar, vor, dort

arabischen Klänge der Setar und der Rubab ein, ein Didgeridoo

probieren der syrische Lautenspieler Tarak Zakharia und die

und eine arabische Trommel ergänzen Gesänge und den Klang

deutsche Flötistin Johanna Dahlhof aus, wie ihre Instrumente zu-

der Krar aus Eritrea. Es haben sich auch bereits die ersten Freund-

sammen passen, und in einer anderen Ecke hat sich eine spontane

schaften unter den Musikern gebildet. Einige treffen sich nun

Jamsession mit Trommeln, Gitarre, Geige und Setar gebildet.

außerhalb unseres Projektes, um gemeinsam zu musizieren.

Doch wie kam es zu diesem Projekt, und was wollen wir? Gemein-

Das Konzert am 19. April 2016 im hr-Sendesaal und die dort

sam mit meiner Kommilitonin Isabella Kohls habe ich im August

zu verbreitende Botschaft von „bridges“ sollte eigentlich das

2015 lang über die aktuelle politische Situation diskutiert. Aus

Ziel unseres Projektes sein. Doch wenn sich ein Lächeln auf

dem Gespräch hat sich herauskristallisiert, dass wir, trotz Exa-

das Gesicht des sonst so schüchternen Krar-Spielers Semere

mensstress, etwas tun wollen. Aus den unterschiedlichsten

Gerzigher aus Eritrea stiehlt, während er gemeinsam mit anderen

Ideen hat sich dann ergeben: Wir wollen etwas gemeinsam mit

Menschen, egal wo sie herkommen, Musik macht, habe ich das

Flüchtlingen machen. Was bietet sich für uns besser an als Musik

Gefühl, dass wir bereits jetzt ein viel wichtigeres Ziel erreicht

zur nonverbalen Vermittlung zwischen den unterschiedlichen

haben. 11


MIT HÄNSEL & GRETEL AUF DER FLUCHT

Tänzer und Musiker der Hochschule erarbeiteten gemeinsam mit Flüchtlingen eine Oper

F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

H

änsel, Gretel, Du & Ich“ ging im März als „Eine Oper

auf der Flucht“ in den Frankfurter „antagon Hallen“ über die Bühne. An der Musiktheaterproduktion mit Flüchtlingen beteiligten sich auch Tänzer und Musiker der HfMDK und berichten von ihren wertvollen Erfahrungen. „Shut the door, keep out the devil“ schallt es im Rund der Studierenden und Neuankömmlingen aus verschiedenen Nationen am Ende einer Probe im Theaterraum der Frankfurt University of Applied Sciences. Die Mitwirkenden haben einen geschlossenen Kreis gebildet und beenden mit dieser Art gesungenem Schlachtruf eine ihrer Proben. Ja, der Teufel hat hier nichts verloren – die Stimmung ist von Herzlichkeit und zugleich Arbeitseifer bestimmt. Mittendrin Nadja Simchen, gerade fertig studierte Tänzerin der Abteilung „Zeitgenössischer und klassischer Tanz“ an der HfMDK, sowie die ErstsemesterKommilitonen Lena Paetsch und Michael Carman. Die beiden

12


Mit Hänsel und Gretel auf der Flucht

Debütanten dürften sich im ausgebuchten Stundenplan ihres

Sensibilisiert für die teils heftigen Schicksale der Neuan-

Tanzstudiums über zuviel Freizeit nicht beklagen. Dennoch

kömmlinge wurden die Studierenden bereits vor Beginn der

wollten sie sich das Theaterprojekt mit Flüchtlingen nicht ent-

Inszenierung, für die Maja Wolff, Timo Becker und Charlotte

gehen lassen: „Zu viel geht nie“, sagt Michael. Für ihn hat die

Armah verantwortlich zeichneten. „Wir hatten viel Respekt vor

Inszenierung gemeinsam mit jungen Menschen, die erst kürzlich

den uns unbekannten biografischen Hintergründen“, erklärt

nach einer Flucht in Frankfurt gelandet sind, schon jetzt „eine

Lena; das Thema Krieg sollte jedenfalls nicht aktiv von den

sozio-kulturelle Größe, an der ich künstlerisch wachse“, sagt er.

Initiatoren ins Spiel gebracht werden. Umso heftiger die Dyna-

Einige beglückende Schlüsselmomente hat er in den Proben

mik der Situation, als Flüchtling Sina beim Entwickeln einer

erlebt – zum Beispiel, als sein Mittänzer Hassan plötzlich einen

Szene eine Schießerei szenisch andeutete und die Tänzer die

spürbaren Ehrgeiz entwickelte, die von Michael angebotenen

Anregung sensibel aufzugreifen versuchten. Überhaupt war

Tanzbewegungen nachzuvollziehen. „Es macht Freude, solche

beim Zustandekommen der gemeinsamen Choreographie

Momente des Eifers beim anderen zu erleben – ich konnte

Improvisation auf mehreren Ebenen gefragt: „Nur mit Worten

merken, wie Hassan begann, für unsere gemeinsame Szene zu

ging es eben nicht, dazu reichten die Sprachkenntnisse nicht

brennen“, erinnert sich Michael. Seine Jahrgangskollegin Lena

aus“, umschreibt Nadja Simchen das Herantasten an gemein-

empfand es als beglückend, unter den vielen E-Mails, die sie

sam empfundenen künstlerischen Ausdruck. Am Anfang halfen

zu Beginn ihres Tanzstudiums aus der Abteilung und aus der

Standbilder, sich thematisch anzunähern. Nadja beschreibt

Hochschule erhielt, auch eine Einladung zur Teilnahme an

die Arbeit: „Ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, im Miteinan-

„Hänsel, Gretel, Du & Ich“ entdeckt zu haben: „Es ist schon toll,

der die Aufmerksamkeit überall zu haben und nicht nur auf

dass wir an der Hochschule gleich so vernetzt werden. Und ich

den Tanz fokussiert zu sein.“ Was das gemeinsame Erarbeiten

hatte Lust, mit Flüchtlingen zu arbeiten, also wirklich einen

buchstäblich mit Händen und Füßen gebracht hat, ist für Nadja

Beitrag zur aktuellen politischen Situation zu leisten. Und dass

jedenfalls „mehr, als ich jemals erwartet hatte. Es hat jeder

ich dies auch noch tänzerisch tun kann, ist absolut klasse.“

seine Ideen einbringen können – ich bin total zufrieden.“ Neben den Tänzern begleiteten auch fünf Musikstudierende der HfMDK die Produktion, lieferten musikalische Vorlagen und musizierten während der knapp einstündigen Aufführungen live mit auf der Bühne. Tänzerin Lena hat mehr denn je nochmals erlebt, wie sehr der Weg das Ziel sein kann: „Die Entwicklung und der Prozess waren bei dieser Produktion für mein Empfinden das eigentlich Spannende.“ Nadja geht es ähnlich: Sie wird nun ihre BachelorAbschlussarbeit an der HfMDK zum Thema „Integration durch Tanz“ schreiben. Wenn sie nach den Proben in der S-Bahn Richtung Mainz saß, wo sie aktuell am Staatstheater Mainz tanzt, war sie voll neuer Ideen: „Die Arbeit mit den Flüchtlingen hat mich sensibilisiert, nicht immer nur prozessorientiert zu denken und sich von der Kreativität mehr treiben zu lassen. Ich habe wiederentdeckt, wieviel Spaß das kreative Entwickeln macht.“ bjh

13


F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e POLITISCHE GREMIEN AN DER HFMDK: SENAT Der Senat wird von allen Mitgliedern der Hochschule in „freier, gleicher, geheimer und unmittelbarer Wahl“ alle zwei Jahre gewählt.1 Er bildet das zentrale demokratisch legitimierte Gremium der Hochschule. Ihm gehören nach dem Hochschulgesetz Mitglieder der Gruppen der Professorinnen und der Professoren, der Studierenden, der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der administrativ-technischen Mitarbeiter an. Die HfMDK hat in ihrer Grundordnung darüber hinaus festgelegt, dass ein/e Lehrbeauftragte/r im Senat vertreten ist. Hinzu kommen die Mitglieder des Präsidiums, die allerdings nur eine beratende Stimme haben. Ebenfalls mit beratendem Stimmrecht nehmen die Geschäftsführerinnen/Geschäftsführer der Fachbereiche, die/der Vorsitzende des AStA, die/der Vorsitzende des Personalrats, die Frauenbeauftragte sowie die/der Schwerbehindertenvertreter/in an den Sitzungen des Senats teil. Der Senat befasst sich mit zentralen Angelegenheiten, die tendenziell für die gesamte Hochschule relevant sind. Dazu gehören etwa die Entwicklung der Studiengänge, die Besetzung wichtiger Stellen, die Entwicklungsplanung, in der regelmäßig zentrale Zielsetzungen der Hochschulpolitik festgelegt werden, die Diskussion des Finanzhaushalts und vieles weitere. 2 Nicht zuletzt wählt der Senat als erweiterter Senat die Präsidentin bzw. den Präsidenten der Hochschule. 3

HERAUSFORDERUNG DEMOKRATIE Gedanken zur politischen Kultur an der HfMDK

Von Johannes Müller-Hornbach, Student der Schulmusik für das Lehramt an Gymnasien

S

eit etwa drei Jahren bin ich als studentischer Vertreter

Mitglied im Senat der HfMDK und seit gut zwei Jahren auch Mitglied des Fachbereichsrats im Fachbereich 2. Auf Basis der Erfahrungen, die ich in dieser Zeit sammeln konnte, möchte ich in diesem Text einen kurzen Einblick in typische Abläufe und Inhalte der Arbeit in den Gremien geben und einige Gedanken zur politischen Kultur und zur Demokratie an der Hochschule ausführen. Die Überlegungen beruhen auf meiner subjektiven Einschätzung, erheben dementsprechend keinerlei Anspruch auf allgemeine Gültigkeit und werden sicher von vielen LeserInnen nicht geteilt. Sie können hoffentlich dennoch einen konstruktiven Denkanstoß in bescheidenem Umfang darstellen.

14

Johannes Müller-Hornbach


Herausforderung Demokratie

ABLÄUFE UND INHALTE IN SENAT UND FACHBEREICHSRAT

SACHLICHKEIT UND SELBSTRELATIVIERUNG

Die monatlichen Sitzungen, wie ich sie aus Senat und Fach-

In demokratischen Prozessen, in denen in der Regel ver-

bereichsrat kenne, haben in der Regel einen ähnlichen Ablauf

schiedene, teilweise auch widersprüchliche Perspektiven und

und bestehen aus Berichten verschiedener Gruppen innerhalb

Interessen zusammentreffen, sind Konflikte unausweichlich.

der Gremien und Diskussionen zu den jeweiligen Punkten der

Die politischen Gremien der Hochschule stellen hier keine

Tagesordnung.

Ausnahme dar. Und dies wäre auch keineswegs wünschenswert, insofern sich in jenen Auseinandersetzungen ein frucht-

Typische Themen sind Reformen oder Neuimplementierungen

barer Pluralismus freier, demokratischer Meinungsbildung

von Studiengängen, Änderungen der Regelstrukturen, die in

ausdrückt.

der Verantwortung der Hochschule liegen (Prüfungsordnungen etc. oder Stellenbesetzungen). Dazu kommen Debatten über

Wie ich es in den Debatten in der Hochschule erlebt habe,

verschiedene Inhalte, die für die Hochschule Bedeutung haben

wird ein konstruktives Austragen von Konflikten allerdings

(z. B. die Stellung der Lehrbeauftragten, die Entwicklung des

manchmal dadurch erschwert, dass kontroverse Auseinander-

Leitbildes etc.). Regelmäßig finden im Senat außerdem Wahlen

setzungen von persönlichen Gefühlen bestimmt werden. Das

zur Besetzung wichtiger Ämter statt (z. B. PräsidentIn und Vize-

macht es schwierig, Probleme differenziert zu begreifen und

präsidentIn), und der Finanzhaushalt der Hochschule wird

an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten. Auch geht damit

besprochen.

manchmal die Fähigkeit verloren, die eigene Perspektive ein Stück weit zu relativieren und andere Positionen zu sehen,

Die Themen mögen auf den ersten Blick etwas trocken klingen.

ernst zu nehmen und vernünftig zu prüfen.

Aber bei genauerem Hinsehen zeigen sich meiner Erfahrung nach an vielen Stellen interessante Aspekte. Und die Relevanz

Ein Beispiel für einen solchen Streitpunkt ist meiner Ansicht

der verschiedenen Entscheidungen wird deutlich, da sie in

nach etwa die Auseinandersetzung über die Stellung der

nicht unerheblichem Maße die Richtung der Arbeit und das

Lehrbeauftragten, bei der sich trotz kleiner Fortschritte

Leben an der Hochschule mit bestimmen.

teilweise verhärtete Fronten gegenüber stehen.

EINIGE GEDANKEN ZUR POLITISCHEN KULTUR AN DER HOCHSCHULE

Es muss meines Erachtens in diesem konkreten Fall und

In den Gremien herrscht meiner Erfahrung nach in der Regel

ähnlichen Konflikten darum gehen, bei allen Differenzen stets

eine konstruktive Atmosphäre, die bei entsprechend strittigen

sachlich, zugewandt, offen, aufrichtig und verständnisvoll die

Fragen auch angespannter sein kann. Insgesamt sind die

Gespräche zu führen und immer wieder ein Stück weit die

Gespräche meist von Respekt und Freundlichkeit geprägt. Es

eigene Perspektive zu relativieren, was sicher in vielen, aber

besteht ein offenes Klima. Jeder Beitrag wird gehört, und

vielleicht nicht in allen Fällen geschieht.

jeder hat so die Möglichkeit sich einzubringen. Die freundliche Umgangsweise, das Bemühen um Transparenz und gemeinschaftliche Entwicklung sind auch in der sonstigen politischen Kultur der Hochschule spürbar. PRÄSIDIUM

Gleichwohl gibt es meiner Wahrnehmung nach einige problematische Aspekte, auf die ich im folgenden eingehen möchte, um vielleicht einen kleinen Impuls zur Reflexion und konstruktiven Entwicklung zu setzen.

Dem Präsidium gehören die Präsidentin/der Präsident sowie die Vizepräsidentinnen/die Vizepräsidenten und die Kanzlerin/der Kanzler an. 4 Die Präsidentin/der Präsident sowie die Vizepräsidentinnen/die Vizepräsidenten werden vom erweiterten Senat (Senatsmitglieder und die gewählten Vertreter) für sechs Jahre gewählt. 5 Das Präsidium unter dem Vorsitz der Präsidentin/des Präsidenten entscheidet über viele wichtige Angelegenheiten der Hochschule, etwa die Entwicklungsplanung, die Budget-Verwendung, die Veränderung, Aufhebung und Neuimplementierung von Studiengängen etc. Die Präsidentin/der Präsident vertritt die Hochschule nach außen und führt die Verhandlungen mit den Vertretern der Landespolitik.6

15


F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

KRITISCHES BEWUSSTSEIN UND MUT ZU KLARER POSITIONIERUNG

DER BLICK FÜR GRUNDLEGENDE FRAGEN

Abgesehen von den oben angesprochenen sehr strittigen

Meinem Eindruck nach gibt es eine Tendenz, dass bei Überle-

Themen, erlebe ich in den Gremien manchmal eine Tendenz,

gungen zur Hochschulpolitik oft in einem eng umgrenzten

dass die Diskussion wenig kritisch verläuft und viele Punkte

Horizont gedacht wird. Wirklich grundlegende Fragen werden

scheinbar unbedacht abgehandelt werden.

meines Erachtens zu wenig diskutiert und in Betracht gezogen. Beispielhaft war für mich in diesem Zusammenhang der

Dieser Punkt ist zu einem guten Teil auch Selbstkritik. Denn

Leitbildprozess. Hier gab es eigentlich eine ausgezeichnete

ich habe immer wieder Anlass, mit meinem eigenen Verhalten

Möglichkeit, grundlegende Fragen zu diskutieren. Aber nach

unzufrieden zu sein, weil ich problematische Aspekte übersehe

meinem Eindruck blieben viele Gespräche eher oberflächlich.

oder nicht den Mut aufbringe, meine Bedenken direkt zu

Es wurde lange über einzelne Formulierungen diskutiert, ohne

äußern. Auch habe ich erlebt, dass die Äußerung unerwarteter

der Sache wirklich auf den Grund zu gehen und eine stimmige

oder unbequemer Einwände heftigeren Unmut und Vorwürfe

Struktur mit substanziellen Inhalten zu entwickeln. Der Aspekt

auslösen kann, was nicht immer nur angenehm ist.

der gesellschaftlichen Einbettung von Kunst beispielsweise klingt zwar hin und wieder an. Aber die genannten Aspekte

Aber diese Konsequenzen gilt es zu akzeptieren. Denn ein

wirken in ihrer Auswahl und Struktur eher zufällig. Und

kritisches Bewusstsein und der Mut zu aufrichtiger, klarer

zentrale Fragen wurden in der Diskussion, soweit ich sie mit

Positionierung sind meines Erachtens von größter Wichtigkeit

erlebt habe, kaum behandelt: Was bedeutet Kunst für den

für eine fruchtbare politische Arbeit und überhaupt für ein

Menschen? Welche Verantwortung entspringt daraus für

konstruktives Miteinander.

diejenigen, die sich in unterschiedlicher Form professionell mit Kunst befassen? Und was bedeutet das dann für die Arbeit an einer Kunstinstitution wie die HfMDK? Diese und ähnliche Fragen mögen allzu allgemein klingen.

FACHBEREICHSRAT Der Fachbereichsrat wird von allen Mitgliedern des Fachbereichs in freier, gleicher, geheimer und direkter Wahl alle zwei Jahre gewählt. Auch hier sind wieder Mitglieder sowohl der Professorinnen und Professoren, der Studierenden, der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der administrativ-technischen Mitarbeiter vertreten. Auch in den Fachbereichsräten gibt es durch die Grundordnung der Hochschule eine Beteiligung von Lehrbeauftragten (zwei Lehrbeauftragte im Fachbereichsrat 1 und jeweils ein/e Lehrauftrage/r im Fachbereichsrat 2 und im Fachbereichsrat 3). Die Aufgaben ähneln im Grunde denen des Senats. Allerdings betreffen sie die spezifischeren Angelegenheiten, die vorrangig für den Fachbereich relevant sind.7 HOCHSCHULRAT Der Hochschulrat ist ein bis zu zehnköpfiges Gremium, das zur Hälfte vom Präsidium in Absprache mit dem Senat und zur anderen Hälfte vom Ministerium für in der Regel vier Jahre benannt wird. Der seit 2015 eingesetzte Hochschulrat der HfMDK hat sechs Mitglieder. Die Mitglieder sind Vertreter aus der Wirtschaft, der beruflichen Praxis oder aus Wissenschaft und Kultur. Der Hochschulrat nimmt an der Verwaltung des Eigenvermögens teil und nimmt Stellung zum Rechenschaftsbericht sowie zur Einrichtung und zur Aufhebung von Studiengängen. Außerdem spielt er eine erhebliche Rolle bei der Wahl der Präsidentin/des Präsidenten und der Vizepräsidentinnen/der Vizepräsidenten. Denn zum einen stammt die Hälfte der Mitglieder der Findungskommission, die geeignete Kandidatinnen und Kandidaten für die Präsidentschaft aussuchen und dem Wahlgremium vorschlagen, aus diesem Gremium. Zum anderen ist die Zustimmung des Hochschulrats zu den Kandidatinnen und Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten bzw. Vizepräsidentin erforderlich. 8

16

Aber es scheint mir wichtig, auch über diese grundlegenden Dinge einen lebendigen und fortwährenden Diskurs zu führen. Denn nur so kann die Arbeit an der Hochschule differenziert und vernünftig immer wieder neu ausgerichtet und entwickelt werden. Und ein Teil dieses Diskurses gehört meines Erachtens auch in die Arbeit der politischen Gremien. Denn die hochschulpolitischen Entscheidungen sollten sich gerade auch an diesen grundlegenden Überlegungen orientieren. Und es wäre dazu weiter notwendig, immer wieder genau zu prüfen, inwieweit die konkrete Praxis an der Hochschule grundlegenden Überlegungen und Werten tatsächlich Rechnung trägt. Ansonsten ist ein Grundlagenpapier wie das Leitbild nicht mehr als ein Aushängeschild.


Herausforderung Demokratie

DER BLICK FÜR DAS GANZE

ZUSAMMENHALT UND GEGENSEITIGE UNTERSTÜTZUNG

Ein weiterer, damit verwandter Aspekt ist für mich ein Be-

Ohne damit das weitgehend freundliche Zusammenleben

wusstsein für größere Zusammenhänge. Manchmal scheint mir

und -arbeiten an der Hochschule in Abrede stellen zu wollen,

die Gefahr zu bestehen, dass wir als Vertreter verschiedener

empfinde ich hin und wieder einen Mangel an gegenseitigem

Gruppen in den Gremien und anderen politischen Zusammen-

Verständnis und Unterstützung zwischen den Menschen an

hängen nur unseren eigenen Bereich im Blick haben, d.h.

der Hochschule, die sich auch in der Gremienarbeit zeigt.

beispielsweise den eigenen Fachbereich, das eigene engere

Natürlich hat jeder seine persönlichen Interessen, seine indi-

Arbeitsfeld oder die eigene Personengruppe, seien es Studie-

viduelle Perspektive und sein eigenes Netzwerk von Kontakten,

rende, Professoren, Mitarbeiter in der Verwaltung etc.

Freundschaften und Arbeitsbeziehungen. Aber auch darüber hinaus wäre eine Anteilnahme an den Belangen anderer, ein

Als Beispiel hierfür wären etwa die Befragungen bei der

Eintreten füreinander wünschenswert.

zurückliegenden Präsidentschaftswahl zu nennen. Mir schien es immer wieder so, dass die meisten Fragen, die an die

Ein Beispiel für ein Defizit in dieser Hinsicht stellt nach

Kandidaten gerichtet wurden, nur auf den engeren Interessen-

meiner Wahrnehmung wiederum die Diskussion über die

bereich des Fragenden bezogen waren. Nur selten ging es

Situation der Lehrbeauftragten dar. Natürlich handelt es sich

um größere Kontexte.

dabei um eine schwierige und kontroverse Thematik. Aber dennoch empfand ich es mitunter als traurig, wie wenig

Damit verfehlen wir aber den Anspruch, als demokratische

Unterstützung es für die Lehrbeauftragten in dieser Thematik

Vertreter stets alle Menschen der Institution und letztlich auch

von den anderen Beschäftigten der Hochschule gab, und dies,

der uns umgebenden Gesellschaft und deren Perspektiven zu

obwohl es mir recht offensichtlich erscheint, dass die Forde-

berücksichtigen. Diese Anforderung sollte uns allen, die wir in

rungen nach einer Besserstellung, wenngleich schwer zu

einer demokratischen Gesellschaft leben, meines Erachtens

realisieren, doch nach einer grundlegenden Vorstellung von

noch präsenter vor Augen stehen und unser Handeln leiten.

Fairness und Gerechtigkeit völlig legitim sind. Dementsprechend sollten wir meines Erachtens insgesamt den Anspruch verfolgen, noch mehr und öfter von unseren persönlichen Interessen abzusehen, den Blick zu heben und

STUDIERENDENPARLAMENT

an der Situation anderer Anteil zu nehmen, um so mit mehr

Das Studierendenparlament besteht aus Mitgliedern der Gruppe der Studierenden, die von selbigen einmal im Jahr gewählt werden. Es ist das zentrale Gremium für Fragen, die für die Studierenden relevant sind, und kümmert sich um Belange des studentischen Lebens an der Hochschule. Allerdings können seine Mitglieder an manchen hochschulpolitischen Entscheidungen nur indirekt mitwirken, da sie in den entsprechenden Gremien (Senat, Fachbereichsrat) nicht automatisch stimmberechtigt sind.

gegenseitigem Verständnis, Einsatz und Unterstützung miteinander leben und arbeiten zu können.

An der HfMDK existieren weitere Gremien, die der Kommunikation dienen und dadurch die Arbeit der politischen Gremien befördern sollen: Zum Austausch und zur Klärung wichtiger aktueller Anliegen treffen sich die Mitglieder des Präsidiums in der Regel drei Mal im Semester in der sogenannten Dekanerunde mit den Dekaninnen und Dekanen sowie den Geschäftsführerinnen und den Geschäftsführern der Fachbereiche. Im Gesetz ist weiterhin vorgesehen, dass das Präsidium und die Dekane mindestens einmal im Semester gemeinsame Angelegenheiten in den Bereichen Haushalt, Personal, Organisation und Verwaltung von grundsätzlicher Bedeutung mit der Frauenbeauftragten, der Vertrauensperson der Schwerbehinderten sowie der/dem Vorsitzenden des AStA und der/dem Vorsitzenden des Personalrats erörtern. 9 Diese Treffen des sogenannten Erweiterten Präsidiums finden an der HfMDK in der Regel ein bis zwei Mal im Semester statt.

1: Hessisches Hochschulgesetz, zuletzt geändert 2015, §35. 2: Ebd., §36. 3: Ebd., §39. 4: Ebd., §37. 5: Ebd., §40. 6: Ebd., §38. 7: Ebd., §44.

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F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

EINIGE GEDANKEN ZUR DEMOKRATIE

DEMOKRATISCHE STRUKTUREN

DEMOKRATISCHE VERANTWORTUNG

Beginnen möchte ich mit einem kritischen Blick auf die

Einen wichtigen Punkt, der sich sehr wohl auch auf das politische

politischen Strukturen der Hochschule. Vieles sieht auf den

Handeln in der Hochschule bezieht, möchte ich abschließend

ersten Blick nach einer vorbildlichen Struktur in demokra-

unter dem Begriff der demokratischen Verantwortung ansprechen.

tischem Sinne aus. Wichtige Gremien und Positionen werden

Die große Errungenschaft der Demokratie ist die gleiche Mög-

z. B. durch freie und gleiche Wahlen besetzt, und wichtige

lichkeit für alle, an wichtigen Entscheidungen in der Gesellschaft

Entscheidungen werden von jenen demokratisch gewählten

mitzuwirken und ihre Perspektive dabei einfließen zu lassen.

Gremien verhandelt. Wenn man allerdings genauer hinsieht,

Damit einher geht allerdings auch die Verantwortung, diese

fallen einem doch einige Punkte auf, bei denen demokratische

Partizipationsmöglichkeit wahrzunehmen und dies letztlich nicht

Standards, spätestens nach den Änderungen des Hochschul-

primär nach Maßgabe der eigenen individuellen Interessen,

gesetzes 2009, zumindest aufgeweicht sind. So hat der Senat

sondern im Sinne aller Mitglieder der Gesellschaft. Denn eine

als zentrales demokratisches Gremium bei manchen wichtigen

Demokratie ist immer nur so gut, wie es das Engagement, die

Entscheidungen wie etwa der Entwicklungsplanung und der

Urteilskraft und die Integrität der Mitglieder der jeweiligen Gesell-

Einführung und Aufhebung von Studiengängen nur noch das

schaft oder Gruppe zulassen. Und jeder Einzelne beeinflusst durch

Recht zur Stellungnahme. Die Entscheidung trifft am Ende das

sein Tun oder auch Unterlassen tendenziell die Belange aller.

Präsidium. Und es ist eine glückliche, aber keineswegs selbstverständliche Situation, wenn sich diese Entscheidung dann an

Dass dieses Merkmal der Demokratie Segen und Fluch zugleich

der Auffassung des Senats orientiert, wie es aktuell bei uns

sein kann, zeigt sich zur Zeit insbesondere auch auf größerer

erfreulicherweise meist der Fall zu sein scheint. Weiter hat der

politischer Ebene, wo Populismus, Ignoranz, Angst und Engher-

Hochschulrat als nicht demokratisch gewähltes Gremium bei

zigkeit vielerorts eine besorgniserregende Dynamik entwickeln.

der Entwicklungsplanung und der Auswahl der Präsident-

Eine zentrale Problematik in diesem Zusammenhang zeigt sich

schaftskandidaten nicht unerheblichen Einfluss. Schließlich

auch in der Hochschulpolitik: Es herrscht meinem Eindruck nach

sind in Bezug auf die HfMDK insbesondere die Lehrbeauftrag-

teilweise, gerade auch unter den Studierenden, eine Abwesen-

ten in den wichtigen Gremien, gemessen an ihrem Anteil an

heit von politischem Bewusstsein. Über Politik, ob auf Hoch-

der Lehre, erheblich unterrepräsentiert.

schulebene oder in größerem Rahmen, wird kaum gesprochen und, wie ich befürchte, auch wenig nachgedacht. Da ist es kaum

Tatsächlich liegen Veränderungen auf dieser Ebene teilweise

verwunderlich, dass die Wahlbeteiligung bei hochschulinternen

nicht im Einflussbereich der Hochschule, sondern werden auf

Wahlen noch deutlich hinter den ohnehin schon bedenklichen

Landesebene entschieden. Aber es erscheint mir doch wichtig,

Prozentzahlen auf Landes- oder Bundesebene zurück bleibt.

ein Bewusstsein für diese Probleme zu entwickeln und sich

Und es ist dann auch nicht weiter erstaunlich, dass manche

eine Meinung darüber zu bilden, um etwa bei Landtagswahlen

Gremien nicht vollständig mit der möglichen Zahl von Studie-

auch auf diese Dinge Bezug nehmen zu können.

renden besetzt werden können, weil sich nicht genügend KandidatInnen bereit erklärt haben, ein solches Amt zu übernehmen. Aber die Demokratie, ob in der Hochschule oder auf größerer Ebene, lebt von der engagierten und verantwortungsvollen Teilnahme. Jede Stimme, die nicht gehört wird, macht die Welt, in der wir leben, ein Stück ärmer. Und jedes Sich-Heraushalten bietet potenziell Raum für destruktive Einflussnahme. Und somit schließe ich diesen Artikel mit einem nachdrücklichen Aufruf zu politischer Beteiligung, egal in welchem Lebensbereich.

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We i b l i c h e „ S c h l a g k r a f t “ s e l b s t v e r s t ä n d l i c h Von Mirijam Wallau, Schlagzeugstudentin in der

Als „Hiwi“ ist Mirijam Wallau für über 500 Instrumente verantwortlich

WEIBLICHE „SCHLAGKRAFT“ SELBSTVERSTÄNDLICH

Künstlerischen Instrumentalausbildung an der HfMDK

F

rauen am Schlagzeug sind seit einigen Jahren schon

keine Seltenheit mehr. Trotzdem werde ich nach Konzerten noch oft darauf angesprochen, wie ich eigentlich zu dem Instrument komme, da es ja hauptsächlich Männer spielten. Schaut man aber in unsere Abteilung an der HfMDK, trifft das Bild der Männerdomäne am Schlagzeug überhaupt nicht zu. Seit meinem Studienbeginn war das Verhältnis zwischen Männern und Frauen immer sehr ausgeglichen. Benachteiligt wird bei uns auf jeden Fall niemand! So bin ich auch im letzten Sommersemester zum „Hiwi“ in unserer Abteilung geworden. Dadurch bin ich jetzt verantwortlich für die Instrumentenwartung und Organisation, wodurch ich so ziemlich über alles Bescheid weiß, was in der Abteilung los ist. Mal ein neues Fell aufziehen, ein bisschen reparieren oder einfach mal kurz aufräumen gehören zu den gängigen Aufgaben. Da ich sowieso den ganzen Tag an der Hochschule bin, lässt sich die Arbeit prima in den Alltag integrieren. Der Hiwi-Job läuft für mich einfach neben dem normalen Studium mit und ergänzt es in vielerlei Hinsicht auch. Zu den handwerklichen Tätigkeiten kommt auch noch die Organisation. Hier mal ein Raum für ein Probespiel vorbereiten, Instrumentenausleihen koordinieren und die Kollegen über alle wichtigen Themen informieren – sei es für den kommenden Unterricht, über Raumbelegungen oder Instrumententransporte. Für mich ist es gerade bei diesen organisatorischen Aufgaben wichtig, schnell die Anfragen zu beantworten und die Instrumente zuverlässig und pünktlich bereitzustellen. Natürlich muss ich dann auch kontrollieren, ob die Instrumente wieder rechtzeitig zurückkommen und unbeschädigt sind. Übrigens kann jeder an der Hochschule aus der Schlagzeugabteilung eines der über 500 Instrumente ausleihen, wenn sie in der Hochschule bleiben und wir sie nicht gerade selber brauchen. Einfach eine Mail an mich schreiben und dann wird das organisiert (eine Adressenliste hängt in der Abteilung). Mir macht die Arbeit als Hiwi jedenfalls sehr viel Spaß, da ich so nicht nur einen besseren Überblick über unsere Instrumente habe, sonder auch viel Neues lerne wie zum Beispiel das Aufziehen von Naturfellen. Ich finde es super, dass die Hochschule diese Möglichkeit der Hiwi-Jobs bietet, bei dem man sein Instrument einfach noch mal anders kennenlernt und seine organisatorischen Fähigkeiten ausbauen kann. 19


F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e schwert über dem Studium der Mezzosopranistin. Doch die Krise machte sie stark: „Ich hatte deswegen schlaflose Nächte,

BRASILIANISCHER ESPRIT & DEUTSCHE PRÄZISION

Die Mezzosopranistin Josy Santos verließ ihre Heimat, um an der HfMDK ihre Talente zu vervollkommnen

I

hren Masterabschluss Gesang hat sie seit Anfang dieses

aber alle Hebel in Bewegung gesetzt, die mir zur Verfügung standen, und gekämpft wie eine Löwin.“ Das war im Herbst 2014, als ein Stipendium für sie auslief und das Geld knapp wurde. Das Studium an der HfMDK deswegen abrupt beenden zu müssen, „wäre für mich eine Katastrophe gewesen“, erinnert sie sich. Doch sie fand neue Unterstützer, unter anderem aus dem Umfeld der Hochschule, die ihr finanziell halfen und damit ihren weiteren Aufenthalt in Deutschland möglich machten. „Das Wollen in mir ist ganz stark“ ist ein typischer Satz von Josy Santos. Ihre Willensstärke führte sie nach ihrem BachelorAbschluss in Gesang und einer gut angelaufenen Karriere als Sängerin aus ihrer Heimat Brasilien zum Masterstudium nach Deutschland. „Ich habe in meinen Rollen immer alles gegeben, aber das war vielleicht manchmal auch zu viel“, erinnert sie sich an ihre Bühnenauftritte auf den Opern- und Konzertbühnen Brasiliens, wo Bühnenpräsenz und die Freiheit des Ausdrucks eh mehr ausgekostet würden als hierzulande. Was in diesem Enthusiasmus auf Kosten der stimmlichen Genauigkeit ging, wollte sie in Deutschland „unter Kontrolle bringen“. Eine versierte „Trainerin“ dafür fand sie in Prof. Ursula Targler-Sell, bei der sie bis Anfang 2016 an der HfMDK studierte. Josy Santos lobt ihre Gesangslehrerin: „Sie wusste, was ich gut konnte, und hat verbessert, was ich dringend brauchte.“ Nein, am Charakter der energiegeladenen Brasilianerin mit dem dunklen Teint – äußerlich wohl ideal für die Besetzung einer „Carmen“ – hat sich nichts verändert: „Ich bin die Josy so, wie ich gekommen bin. Vielleicht bin ich ein wenig leiser geworden – in mehrerlei Hinsicht –, aber nur ein bisschen, und geduldiger und musikalisch präziser. Außerdem habe ich gelernt, pünktlicher zu sein, als ich es von Brasilien gewohnt war.“ Dorthin will sie irgendwann später zurück, Masterclasses geben und noch strukturierteres Arbeiten aus Europa mitbringen, vor allem aber bei „den Musikern dort die Hoffnung verstärken, dass sie sich verbessern und weiterentwickeln können – als Musiker und als Menschen.“ Als Sängerin mit einer festen Stelle ein gutes finanzielles

Jahres ebenso in der Tasche wie ihren Vertrag als Ensemblemit-

Auskommen zu haben, ist ihr aus Brasilien fremd – ihren Platz

glied im Opernstudio der Oper Stuttgart. Klingt optimal, ist es

im Stuttgarter Opernstudio empfindet sie daher als wahres

auch. Doch bis dahin war es ein steiniger Weg für Josy Santos.

Privileg. Und ein Privileg war für sie die Möglichkeit, ihre Heimat

Eine Zeitlang musste die Brasilianerin darum bangen, ob sie ihr

zu verlassen, um fremdes Terrain kennenzulernen. Ihre Überzeu-

Studium bei Prof. Ursula Targler-Sell überhaupt zu Ende bringen

gung gibt sie gern weiter: „Jeder sollte einmal für längere Zeit

könnte. Fehlendes Geld und die damit gefährdete Verlängerung

im Ausland gewesen sein. In Deutschland bin ich erwachsen

des Visums in Deutschland hingen zeitweise wie ein Damokles-

geworden.“ bjh

20


BILDUNG ANDERS ERFAHREN

Bildung anders erfahren

Was haben ein Wettbewerb für Alte Musik in Italien, eine kunstgeschichtliche Spurensuche in Paris, eine Folk-Tournee durch Irland und ein Musiktheater-Seminar an der Staatsoper Berlin gemeinsam? Auf den folgenden Seiten berichten Studierende von Erfahrungen außerhalb des Unterrichtsalltags, die ihrer Ausbildung an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main ganz besondere Impulse gegeben haben. Ermöglicht wurden diese Bildungserlebnisse von der Gesellschaft der Freunde und Förderer der HfMDK. Sie unterstützt unter anderem studentische Exkursionen und die Teilnahme an Wettbewerben und Meisterkursen mit einem Zuschuss zu den Reisekosten.

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SZENISCHE INTERPRETATION VON MUSIKTHEATER AN DER STAATSOPER BERLIN Exkursion des Seminars „Musiktheaterpädagogik“

Von Elâ Aydin, Lehramtsstudentin Musik (Gymnasium) im 8. Semester

I

m Dezember 2015 nahmen wir im Rahmen des Seminars

Die Szenische Interpretation besteht aus fünf Phasen. In der

„Musiktheaterpädagogik“ gemeinsam mit unserem Dozenten

ersten Phase, dem Aufwärmen, verband Rainer O. Brinkmann

Volker Schindel an einer Lehrerfortbildung zu Szenischer

die aktuelle Realität und das Frankreich des 19. Jahrhunderts, in

Interpretation in Berlin teil. Leiter dieses Workshops war Rainer

dem die Oper spielt. Jede Person sollte sich in einer dieser Zeit

O. Brinkmann, einer der Experten auf diesem Gebiet, insbeson-

entsprechenden Pose vorstellen und vorher jeweils die Haltung

dere der Szenischen Interpretation von Musiktheater.

des Vorgängers nachahmen. Anschließend folgten weitere Warm-Ups: In Fünfergruppen stellten wir spontane Standbilder

Im Seminar hatten wir uns vor allem theoretisch mit

dar – wir erfuhren also erst unmittelbar vorher, was für eine

Szenischer Interpretation beschäftigt. In Anbetracht dessen

Figur wir gleich verkörpern sollten. Danach erarbeiteten wir

sahen wir dem Workshop mit großer Erwartung entgegen,

rhythmisch die Namen der Hauptrollen und bildeten einen Klang-

um praktische Erfahrungen zu sammeln und Klarheit über

teppich, über den eine Person mit verbundenen Augen geführt

Punkte zu bekommen, die uns beim Lesen der Texte unverständ-

wurde. Sie wurde von Geräuschen oder Stimmen der Gruppe

lich geblieben waren. Die dem Seminar zugrundeliegende

geleitet, die jeweils das Abkommen vom Weg signalisierten.

Oper war Verdis La Traviata.

Diese Übung ist mit dem Titel der Oper verbunden: La Traviata bedeutet „die vom Weg Abgekommene“.

22


Szenische Interpretation von Musiktheater

Zwischendurch ließ Rainer O. Brinkmann uns jeweils die

Der letzte Schritt vor dem abschließenden Feedback ist die

Übungen reflektieren und beurteilen. Dies war besonders für die

„Ausfühlung“ aus den Rollen. Gerade in der Schule ist diese

Lehramtsstudierenden unter uns wichtig, da immer im Hinblick

Phase von großer Bedeutung, denn die Schüler sollen sich

auf die Arbeit mit Schulklassen argumentiert werden konnte.

darüber im Klaren sein, dass die „Einfühlung“ zeitlich begrenzt und von der Wirklichkeit abgegrenzt ist. In unserem Fall

Der zweite Schritt der szenischen Interpretation ist das Ein-

bestand die Ausfühlung darin, auf dem Körper der „toten“

fühlen. Jeder der Teilnehmer durfte sich aussuchen, welche

Violetta eines unserer Kostümstücke abzulegen und einen

Rolle er während der beiden Seminartage verkörpern wollte.

abschließenden Satz zu sagen. Diese „Bestattung“ haben wir

Die Besonderheit lag darin, dass zusätzlich zu Verdis Figuren

sehr kritisch gesehen. Es ist durchaus wichtig, das Thema Tod

weitere, neu erfundene Rollen hinzukamen. Die Einfühlung ist

auch mit Jugendlichen zu behandeln, doch als abschließende

uns besonders positiv in Erinnerung geblieben, da Rainer O.

Ausfühlung war dies für die meisten von uns ein zu harter und

Brinkmann diesen Prozess so langsam aufbaute, dass der

emotional sehr aufgeladener Schritt. Mir persönlich ging es

Schritt auf die Bühne nachher ganz natürlich erschien. Zunächst

so, dass ich mich in dem Augenblick noch einmal besonders

sollten wir uns selbst unsere Rollenkarte in Ich-Form vorlesen.

stark mit meiner Rolle identifiziert habe. Somit wurde also

Anschließend liefen wir alle in einem Kreis kreuz und quer

eine gegenteilige Wirkung erzielt.

durcheinander und sagten uns einen prägnanten Satz auf, der die Figur charakterisierte. Währenddessen stellte uns der Work-

Trotzdem waren diese zwei Tage für uns alle sehr lehr-

shop-Leiter Fragen zur Geh-, Sprech- und Singhaltung, die

und aufschlussreich. Es war eine tolle Gelegenheit, einen der

unsere Person einnehmen würde. Schließlich präsentierten

wichtigsten Forscher und Praktizierenden auf dem Gebiet

wir unsere Rollen auf der Bühne.

als Lehrer zu erleben und sich unter seiner Anleitung mit Szenischer Interpretation für Musiktheater zu beschäftigen.

Im nächsten Schritt erarbeiteten wir eine Szene. In unserem

Szenische Interpretation ist eine attraktive Alternative zu

Fall wurde unterschieden zwischen improvisierten Szenen,

stupidem Auswendiglernen einer Opernhandlung und beispiel-

bei denen nur die Situation vorgegeben war, sowie Textszenen.

haftem Behandeln der wichtigsten Arien, wie es in Schulen

Zwischendurch wurden noch für die spätere Präsentation Arien

häufig praktiziert wird.

in der Gruppe erarbeitet (beispielsweise das berühmte Brindisi und das Liebesmotiv Alfredo Germonts). Die Präsentation der

Zu guter Letzt sollen noch zwei Höhepunkte des zweiten

einzelnen Szenen wurde jeweils durch ein Musikbeispiel beendet.

Tages hervorgehoben werden: Zunächst durften wir bei der

Hier hatten manche Studierende den Eindruck, dass die Diffe-

Bühnen-Orchesterprobe zu La Traviata an der Staatsoper dabei

renz zwischen der eigenen Interpretation und der Musik des

sein. Danach stand uns der Hauptdarsteller Abdellah Lasri

Opernausschnittes zu subjektiv bewertet wurde. Viele von uns

(Alfredo) für Fragen zur Verfügung. Wir lernten einen humor-

hätten sich gewünscht, mehr Feedback zu erhalten – bei manchen

vollen und äußerst sympathischen Tenor kennen und machten

gab es eine Nachbesprechung, bei anderen nicht. Im Nachhinein

die Erfahrung, wie unterschiedlich die Wirkung ein und der-

erklärte uns Volker Schindel, dass es bei der Szenischen Inter-

selben Person auf und hinter der Bühne sein kann!

pretation weniger um Rückmeldungen, etwa zur darstellerischen Qualität, sondern vielmehr um das Entstehen und Interpretieren

Bald nach unserer Rückkehr aus Berlin entwickelten wir die

der Szenen, also das Ausführen gehe.

Idee, das Seminar im Sommersemester als Blockveranstaltung fortzusetzen und den „Sängerkrieg der Heidehasen“ von James Krüss für den „Musik Monat Mai!“ als Kindermusiktheater zu inszenieren. Das Abenteuer geht also weiter!

23


F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

Von Bastian Sistig, Student Theaterregie im 5. Semester

DIE KUNST FRANKREICHS – EXKURSION DER REGIEKLASSE A

m 6. Oktober 2015 erreichten wir morgens den Gare

So sprachen wir vor der Kathedrale von Notre-Dame zunächst

de L’Est. Jeannette Rohrbacher, unsere Dozentin für Kunst-

über die Entwicklung der Gotik in Frankreich, ihre Charakteristika

geschichte, erklärte, dass wir die Augen vor allem auf die

und den Einfluss der christlichen Ideenwelt. In der berühmten

Entwicklung der französischen Kunst vom Mittelalter über die

Sainte-Chapelle dann breitete sich ein ergreifendes farbiges

Renaissance, den Barock bis hin zur modernen Kunst richten

Licht im Raum aus, als würde sich die irdische Existenz in einem

würden. Exemplarisch würden wir so die verschlungenen Wege

farbigen metaphysischen Lichtraum auflösen. Ein äußerst katho-

der Kunstgeschichte in Paris physisch und natürlich auch

lischer, imposanter Raum, der ebenso einen Höhepunkt der

intellektuell erfahren. Wir sollten diese Exkursion begreifen

Gotik wie unserer Exkursion darstellte.

wie eine Landschaft, die wir durchwandern würden, und bei der man nicht immer alles bis ins letzte Detail verstehen müsse.

Wir spazierten durch das Quartier Latin zum Musée Rodin, um

Den Eindrücken, Erfahrungen und Erinnerungen, die die Bilder

uns den Skulpturenpark Auguste Rodins anzusehen. Ein Künstler,

anregen und die untereinander viele Verbindungen erkennen

der es vor allem im Zuge der Haussmannisierung von Paris Mitte

lassen, könnten wir nur begegnen und sie kritisch befragen.

des 19. Jahrhunderts zu Ruhm brachte. Rodin erhielt viele Aufträge für Denkmäler in Paris und prägte das moderne Stadtbild mit; seine Kunst verstand er als Brücke zwischen dem Gestern und Morgen. Als einer der ersten Künstler seiner Zeit fertigte er von einer Arbeit mehrere Versionen an und war so Wegbereiter für eine Kunst, die sich technisch reproduzieren und vermarkten lässt.

24


Die Kunst Frankreichs – Exkursion der Regieklasse Den nächsten Tag begannen wir vor dem Musée du Louvre.

Über des Innenausbau des Musée D’Orsay sollten wir am Freitag

Interessant ist schon die Baugeschichte, an der sich auch die

des Öfteren fluchen. Ein ehemaliger Bahnhof, der in seiner pracht-

Geschichte Frankreichs ablesen lässt. Von der ursprünglichen

vollen Hülle von altem Glanze zeugt, jedoch in seinem Inneren von

Idee einer Festung über den späteren Einfluss der italienischen

vielen marmornen Hallen durchzogen wird, die an Lenins Mauso-

Renaissance, als die repräsentativen Anforderungen unter

leum auf dem Roten Platz erinnern. Martialische Gewalt unter

Heinrich dem II. die Fassade in den Mittelpunkt rückten, bis zum

Zuckergusshallen. Doch dafür hat man es mit einer bedeutenden

während der Zeit der Pariser Kommune abgebrannten Tuilerien-

Sammlung des 19. Jahrhunderts zu tun, die die Lücke zwischen

Palast, dem das Gebäude seine heutige U-Form verdankt.

dem Louvre und dem Centre Pompidou schließt. Wir sahen die

Dann die Funktion als Stadtschloss, als Ludwig der XIV. seinen

wichtigsten Impressionisten Frankreichs wie Cézanne, Van Gogh,

Regierungssitz nach Versailles verlegte. Der klassizistische

Manet und Monet. Eingehend beschäftigten wir uns mit Gustave

Barock, der für den Ausbau der Kolonnaden und die folgenden

Courbet, der als Vertreter des Realismus gilt. Ein Begräbnis in

Epochen in Frankreich prägend werden sollte. Erst nach der

Ornans ließ uns lange darüber sprechen, wie erstmals in der Male-

französischen Revolution entschied die Nationalversammlung,

rei das „Profane“ dargestellt wird. Keine Kaiser, keine Heiligen,

in dem Palast wichtige Werke der Wissenschaft und Kunst zu

keine Helden, weder Mythos noch Geschichte, sondern eine all-

sammeln. So wurde der Louvre das erste nationale Museum

tägliche Beerdigung. Die Mittel, mit denen Beiläufigkeit in der

Frankreichs.

Handlung oder ein unbedeutender Zustand der Melancholie auf den Gesichtern zum Ausdruck kommt, waren lange Gesprächs-

Im Louvre beschränkten wir uns angesichts der großen kom-

stoff. Auch Courbets Gemälde Der Ursprung der Welt, dessen Titel

pletten Sammlung auf die französische Kunst. Wir besprachen

auf die doppelte Natur des weiblichen Geschlechtes hinweist –

Malereien von Rubens, Poussin, Watteau , Gericault, Delacroix

Begierde und Geburt –, sorgte für Diskussionen.

1

und anderen und bekamen einen vielseitigen Einblick in die französische Kunstgeschichte. Die vorbereiteten Vorträge von

In Aubervilliers dann, einem Vorort von Paris, sahen wir im

uns Studierenden bildeten zentrale Punkte in der Auseinander-

Theater La Commune eine Aufführung zu Strindbergs Andreas.

setzung und lieferten bei der Bildbetrachtung wichtige Impulse

Leider verstanden wir wenig, wohl auch, weil wir die Vorlage

für tiefergehende Gespräche und Beobachtungen.

nicht kannten. Trotzdem war es gut, in Paris einmal im Theater gewesen zu sein. Auf der Rückfahrt unterhielten wir uns über

Der Donnerstag stand mit dem Besuch des Centre Pompidou

die sozialen, kulturellen und ökonomischen Unterschiede

im Zeichen der modernen Kunst. Mit seinen Glasfronten, dem

zwischen Vororten und der Innenstadt von Paris.

außen angeordneten Tragwerk, den Rolltreppen und den Rohren der Gebäudetechnik vermittelt die Fassade einen industriellen

Den Samstagvormittag nutzten wir für die Basilika Sacre-Coeur.

Charakter und grenzt sich damit stark von der gewohnten Muse-

Neben dem herrlichen Ausblick über Paris hatte es uns der

umsarchitektur ab – es bildet gar das Gegenstück zum Louvre.

Gottesdienst, dem wir zufällig beiwohnten, angetan. Wir stellten

Wir besprachen Matisse, einen Hauptvertreter des Fauvismus,

fest, dass die Katholiken Ästheten in Bezug auf Bilderwelt,

sowie Werke von Picasso, Braque, Balthus, Man Ray, Duchamp

Zeichen- und Gestenreichtum sind, und unterhielten uns über

und Magritte, anhand derer wir die Entwicklungen in der Moderne

Gemeinsamkeiten zwischen der Kirche und dem Theater.

nachvollzogen. Wie das Ornament beispielsweise bestimmend wurde für die Darstellung eines Körpers. Bei Arbeiten von Joseph

Wie engmaschig und zugleich äußerst lose eine sogenannte

Beuys bis Thomas Hirschhorn dann konnte einem der Gedanke

nationale Identität und Kultur von der Kunstgeschichte, Philo-

kommen, die Installation löse das Bild als solches zunehmend ab.

sophie, Religion und Literatur geprägt und immer wieder verändert werden, merkt man in solchen Momenten auf erstaunliche Weise. Unsere Kulturgeschichte ist eben auch eine Landschaft, die man durchwandern kann, die sich aber zum Glück nicht auf

1: Auf das von uns wenig besprochene herrliche Gemälde

eine Formel bringen lässt. Danach schlenderten wir noch ein

Gilles von Watteau, das einen melancholischen Clown an der

wenig umher, genossen die Sonne und tranken einen letzten

„Rampe“ zeigt, sollte ich zurück in Frankfurt im Rahmen meiner Auseinandersetzung mit Büchners Woyzeck und dem Harlekin

Kaffee, bevor wir in den Zug zurück nach Frankfurt stiegen. Am

in der Commedia zurückkommen. So sind sie, die Landschaften,

Fenster zieht die Landschaft vorbei. Sie bleibt still, stumm,

die man durchwandert: Sie verbinden sich zu einem Netz.

vermeintlich unbeweglich. Der Zug durchfährt sie. 25


F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

Von Paula Stenger und Jule Heidmann, Lehramtsstudierende für Musik

I

m Frühjahr 2015 spielten wir einen Support Gig für eine uns

unbekannte irische Folk-Rock-Band mit dem Namen In Their Thousands im Kulturclub Schon Schön in Mainz. Damals ahnten wir noch nicht, wohin uns diese Bekanntschaft bringen würde. Wir waren vollends begeistert vom Zusammenspiel der vier jungen Musiker und den Songwriting-Künsten, die uns nach wie vor sprachlos stehen lassen und beeinflussen. Aus der Bekanntschaft entwickelte sich im Laufe einer gemeinsamen Tour durch Deutschland eine Freundschaft, und die Musiker luden uns ein, auf einem Festival in ihrer Heimat Donegal zu gastieren.

EINE ALLES ANDERE ALS ALLTÄGLICHE MÖGLICHKEIT DER WEITERBILDUNG

„Romies“ Tour-Diary aus Irland

Wir waren Feuer und Flamme und sagten natürlich sofort zu!

Wir reisten im Zeitraum vom 5.-13. Juli durch unsere neue

Mit Unterstützung von In Their Thousands stellten wir eine Tour

Wahlheimat Irland und verliebten uns sofort in die Menschlich-

zusammen, die auf dem Swell Festival enden sollte. Im Vorfeld

keit, Aufgeschlossenheit, Ruhe und Gastfreundschaft der Ein-

probten wir uns die Finger wund, organisierten Flug und Unter-

heimischen. Außerdem ist Irland voller Musik! Es gehört zur

künfte, wofür wir die Kosten – dank der Übernahme von 70

Kultur, dass abends in den Pubs Live-Musik gespielt wird – und

Prozent der Reisekosten durch die Gesellschaft der Freunde und

zwar nicht nur Popmusik, sondern auch traditionelle, irische

Förderer – stemmen konnten, und holten uns die Erlaubnis, für

Volksmusik. Ein berühmter Songwriter unserer Generation,

diese alles andere als alltägliche Möglichkeit der Weiterbildung

Glen Hansard, sagte einst über sein Heimatland, dass es gut sei,

eine Woche der Hochschule fernzubleiben.

dass es in Irland so viel regne. Da könne man in seinen Häusern gemeinsam mit Freunden und Verwandten im Wohnzimmer bei Kerzenschein musizieren. Das schult in Repertoirekenntnis, Harmoniegesang, Improvisation und Instrumentenkenntnis. Und ist natürlich wunderschön!

26


E i n e a l l e s a n d e r e a l s a l l t ä g l i c h e M ö g l i c h k e i t d e r We i t e r b i l d u n g Diesem Publikum, das von Musik auf so natürliche Weise so

Wir übernachteten in Declans Haus, das in der schönen Idylle

viel versteht, mussten wir uns nun also mit Musik aus unserer

von Donegal County liegt. Ein winziges Dorf an der Nordwestküste

Feder stellen. Hilfe! Seit langer Zeit waren wir mal wieder auf-

Irlands. Freitag war es uns vergönnt, unseren freien Tag in der

geregt, wie am ersten Tag, an dem wir uns mit unseren Songs

Natur zu verbringen. Wir werden an dieser Stelle nicht weiterer-

einem Publikum präsentierten. Unsere Sorge war aber unbe-

zählen. Das Fernweh nach dem Frieden dieses Fleckchens Erde

gründet, denn die irischen Zuhörer empfingen uns mit offenen

würde uns zerreißen. Jeder, der schon einmal in Irland war, wird

Armen und Ohren, gaben uns brauchbare Kritiken, lobten unseren

uns vollkommen verstehen können, und denen, die diesen Ort

Liedermacherstil und ließen uns in ihren Formationen mit-

noch nicht kennen, möchten wir ans Herz legen, unbedingt eine

musizieren.

baldige Reise dorthin anzutreten! Wir durften glücklicherweise noch weitere Tage im Paradies verbringen.

Den ersten Gig hatten wir am Montag in der International Bar in Dublin bei der Circle Session, wo Poeten, Comedians und

Am Abend des 10. Juli, unser erster Abend ohne Auftritt,

Musiker auftraten. Am darauffolgenden Tag bekamen wir einen

nahmen wir die Fähre nach Arranmore Island. Diese kleine Insel,

Slot im über die Grenzen Dublins bekannten Whelan’s, wo wir

15 Minuten von der Küste entfernt, hat nur 500 Einwohner und

gemeinsam mit anderen Bands und Songwriter-Kollektiven die

war der Schauplatz des Swell Festivals. Dieses wurde erst vor

Folk Night gestalteten. Bei unserem Auftritt am Vortag waren

einem Jahr von einem lokalen, sehr geschätzten Musikerpaar –

wir einem Dubliner Radiomoderator aufgefallen, der uns prompt

John und Paula Muldowney – aus der Taufe gehoben und war

in seine Sendung namens The Dublin Sessions einlud, in der die

dementsprechend klein, fein und nur mit unendlichem Aufwand

Studiogäste ihre Originalmusik live spielen, eine Aufnahme von

freiwilliger Helfer möglich. Auch die Musiker, größtenteils Bands

sich präsentieren und interviewt werden. Dublin City FM am Rande

und Formationen aus Donegal, spielten ohne Gage, um dem

der Stadt war also unser nächstes Ziel am Abend des 8. Juli.

Festival auf die Beine zu helfen. Die Hingabe der Künstler und

Wir wurden mit einem Tee begrüßt und bekamen eine Führung

die Liebe zum Detail waren überwältigend und die Stimmung

durch die Studios. Die halbe Stunde Sendezeit eröffneten wir

der insgesamt ca. 1000 Beteiligten (von Kindern bis Senioren

mit einem Live-Tune von uns. Es folgte ein Interview über unsere

waren alle Altersklassen vertreten) unschlagbar gut. Man kannte

Herkunft und unsere bisherigen Erfahrungen und Eindrücke von

sich, besuchte sich gegenseitig bei den Auftritten, hörte einander

Irland. Die Aufnahme, die wir vorspielten, war eine Aufnahme

zu, tauschte sich aus. Wir wurden als das „German Duo“ und

des Songs „Wolves“ in der großangelegten Chor- und Orchester-

einziger internationaler Act herzlichst in die starke Gemeinschaft

version aus dem Konzertmitschnitt von „Romie goes Orchestra“ .

der Lokalen aufgenommen. Unser Auftritt war am Samstag-

Der Moderator war vollends angetan von der Aktivität der deut-

nachmittag auf der Main Stage. Wir sangen unsere Lieder und

schen Schulmusikstudierenden und schlug uns vor, doch noch

ließen es uns natürlich auch nicht nehmen, einen Klassiker von

einmal gemeinsam mit unserem Ensemble nach Irland zurück zu

In Their Thousands‘ zu covern, worüber sich die Jungs und ihre

kommen und aufzutreten. Davon träumen wir noch ein Weilchen.

Fans riesig freuten.

Den darauffolgenden Tag verbrachten wir mit der Reise im

Nachdem unser letzter Gig für diese Tour hinter uns lag, hieß es

Fernbus nach Donegal. In der kleinen Universitätsstadt Letter-

Kopf ausschalten und genießen. Der graue Alltag der Großstadt

kenny gab es das langersehnte Wiedersehen mit Declan

lag ferner denn je, die Inspiration, die uns die anderen Acts des

McClafferty, dem Sänger von In Their Thousands. Er brachte uns

Festivals, die Besucher und die Insel schenkten, war grenzenlos.

nach Dunfanaghy, wo er selbst einen Auftritt hatte und uns 40

Als Hauptact des Swell Festivals schlossen In Their Thousands

Minuten seiner Zeit abtrat, in der wir uns seinem Publikum

den Abend ab und ließen ein beeindrucktes Publikum zurück.

in der Oyster-Bar vorstellen durften.

Die Musik dieser Woche wird noch lange in unseren Seelen

1

nachhallen, und wir freuen uns jetzt schon auf das Wiedersehen 1: Am 14.06.15 fand das erste „Romie goes Orchestra“ statt. Dabei wurden unsere Songs von Schulmusikstudierenden umarrangiert und von einem 50-köpfigen Ensemble, ebenfalls fast ausschließlich Studierende der Schulmusik, im ausverkauften Großen Saal der HfMDK aufgeführt. Wir wiederholen das Konzert am 10.06.16 um 19.00 Uhr im Palmengarten Frankfurt, wozu wir herzlich einladen möchten!

mit unserem Lieblingsland beim Swell Festival 2016, für das wir vor ein paar Wochen die Einladung erhalten haben.

27


F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

IL QUADRO ANIMATO BEIM SELIFAWETTBEWERB IN SAN GINESIO

Lorenzo Gabriele, Student in Historischer Interpretationspraxis (Traversflöte) im 3. Semester, und Flóra Fábri, Korrepetitorin (Cembalo)

W

ir, das barocke Kammermusik-Ensemble „Il Quadro Ani-

Toeschi. Am Abend erfuhren wir, dass wir es mit zwei weiteren

mato“ (Lorenzo Gabriele, Traversflöte, Emanuele Breda, Barock-

Ensembles bis ins Finale geschafft hatten! Unsere Freude war

violine, Francesca Venturi, Barockviola, Isabel Walter, Barockcello,

sehr groß, aber es lag noch eine harte Probe am späten Abend

Flóra Fábri, Cembalo), haben unseren ersten gemeinsamen Wett-

vor uns. Direkt als erstes Ensemble spielten wir die 15-minütige

bewerb in Italien, San Ginesio, bestritten. Der Wettbewerb wurde

Endrunde am nächsten Morgen (ein weiteres Quartett von Tele-

vom 16. bis 18. Oktober 2015 in zwei Kategorien veranstaltet, ins-

mann und eine Wiederholung von Bach aus der ersten Runde).

gesamt waren sieben Ensembles zu der ersten Runde eingeladen. Am Nachmittag gab es das Preisträgerkonzert, wo wir ebenfalls Wir kamen am Donnerstag im sonnigen San Ginesio an, wo wir

vorspielten, jedoch noch unwissend, ob wir tatsächlich einen

unsere Quartiere für die folgenden Tage bezogen und uns in

Preis bekommen würden. Nach den musikalischen Beiträgen

unserer Fünfer-Wohngemeinschaft intensiv auf die kommenden

folgte ein Festakt mit Reden, die eine Stunde lang die Spannung

Herausforderungen vorbereiteten. Das Los hatte entschieden,

steigerten, bis wir dann erfuhren, dass die Preise folgenderma-

dass wir erst am zweiten Wettbewerbstag spielen würden, was

ßen vergeben wurden: 1. Preis ex-aequo: Il Quadro Animato und

uns einen weiteren Probentag bescherte.

das Duo Alter Klang, 2. Preis: Paper Kite. Das Preisgeld von 2000€Euro für den 1. Preis wurde somit durch zwei geteilt. Ferner

Unsere erste Wettbewerbsrunde bestand aus 20 Minuten

erhielten wir die Aussicht auf ein Konzert in San Ginesio sowie

Programm – mit einem Divertimento von Carl Philipp Emmanuel

möglicherweise auf einen Auftritt in Liverpool im November

Bach und einem Quartett von Georg Philipp Telemann. Nach dem

2016. Der Wettbewerb war für uns als Ensemble, das in der

Mittagessen erfuhren wir, dass wir neben drei anderen Ensembles

aktuellen Besetzung neu ist, ein wichtiger Startschuss und dient

in das Semifinale gekommen waren, welches bereits am Nach-

als große Motivation für unsere weiteren Pläne miteinander. Für

mittag stattfand. Wieder spielten wir 20 Minuten, diesmal ein

die Förderung durch die Freunde und Förderer der HfMDK sind

Quartett von Telemann und ein weiteres von Carlo Giuseppe

wir besonders dankbar, weil sie für unsere Wettbewerbsteilnahme eine enorme Hilfe war.

28


Wettbewerbe, Meisterkurse und Exkursionen: Das machen wir möglich – mit Zuschüssen zu Reisekosten und Kursgebühren. Helfen Sie mit!

Mehr Informationen zum Fördern und zur Mitgliedschaft finden Sie hier: www.hfmdk-freunde.de

Spendenkonto: Deutsche Bank Frankfurt IBAN: DE68500700240806507000 BIC: DEUTDEDBFRA

29

Foto: Felix Bold und Tim Werths in „Tschick“ 2015

DAMIT TRÄUME WAHR WERDEN


F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

IN MEMORIAM GISELA CHRIST VON CARBEN

Fotografische Erinnerung an Gisela Christ von Carben (links) bei der Überreichung des Stipendiums an Lisa Eder. Mit dabei Prof. Marion Tiedtke, Ausbildungsdirektorin Schauspiel (rechts).

I

m September 2014 trafen wir Gisela Christ von Carben zum

der Liesel und Gisela Christ Stiftung aus. Aus den fünf Studie-

ersten Mal. Ihre Stiftung, die „Liesel und Gisela Christ Stiftung“,

renden des ersten Jahrgangs Schauspiel, deren Biographien

sollte bald gegründet werden, und die Stifterin wollte sich über

dem Stiftungsanliegen entsprachen, weil sie entweder Dialekt

den Stiftungszweck mit der Hochschule für Musik und Darstel-

sprechen oder aber eine zweite Muttersprache beherrschen,

lende Kunst (HfMDK) Frankfurt am Main verständigen. Gisela

hat sich der Vorstand für die Studentin Lisa Eder entschieden.

Christ von Carben, deren Leben tief verwoben war mit Frankfurt

Die junge bayerische Schauspielstudentin erhält fortan eine

und seinem Volkstheater, wollte, auch im Sinne ihrer Mutter

monatliche finanzielle Unterstützung.

Liesel Christ, die Sprachvielfalt und insbesondere den Dialekt auf der Bühne pflegen und fördern. Stipendiaten der Stiftung

In einer globalisierten Welt, wo sich die feinen und wichtigen

sollten die Schauspielstudierenden der HfMDK sein.

Unterschiede unserer Herkünfte immer mehr zu nivellieren scheinen, hat Gisela Christ von Carben genau den Nerv getroffen:

Mit großer Tatkraft und vielen Ideen erfüllte Gisela Christ

Unsere Heimat ist unsere Sprache! Wir wünschen uns sehr,

von Carben in den darauffolgenden Monaten die neue Stiftung

dass der Stiftungsgedanke, den Gisela Christ von Carben ins

mit Leben und nahm an vielen Vorspielen des Ausbildungs-

Leben gerufen hat, in den nächsten Jahren weiterwächst und

bereiches Schauspiel an der HfMDK teil. Noch kurz vor ihrem

somit das Andenken der Stifterin in der HfMDK und ihrem

Tod am 14. Dezember 2015 wählte sie die erste Stipendiatin

Ausbildungsbereich Schauspiel erhalten bleibt.

30


DIE HOCHSCHULE IN ZAHLEN 909

Studierende insgesamt

15

124

davon Ersteinschreiber

41 Sänger

323

Studierende mit ausländischer Staatsangehörigkeit

18 Regisseure

60%

Anteil weiblicher Studierender (Haupthörer)

33 Schauspieler

60

Studierende aus der Republik Korea als am

44 Tänzer

stärksten vertretene ausländische Nation

16

Studierende in Theater- und Orchestermanagement

55

unter den Studierenden vertretene Nationen

54

Studierende in Historischer Interpretations-Praxis

141

Bachelor-Studierende in Künstlerischer

65 Professoren

Instrumentalausbildung als Studiengang mit

339 Lehrbeauftragte

den meisten Studierenden

31 Studiengänge

75

Masterstudierende Künstlerische Instrumental-

450

Promovenden

Veranstaltungen jährlich

ausbildung Orchester

121.000 Medien in der Bibliothek

24

Konzertexamens-Studierende in der Solistenklasse

379

146

Studierende für das Lehramt an Gymnasien (L3)

250.000 Euro jährliches Fördervolumen der Gesellschaft der

106

Studierende für sonstige Lehrämter

Bewerber auf 8 Schauspiel-Studienplätze Freunde und Förderer der HfMDK

HOCHSCHULE FÜR MUSIK UND DAR STELLENDE KUNST STUTTGART JURY A N N M U R R AY BIRGID STEINBERGER ROBERT HOLL GRAHAM JOHNSON WOLFRAM RIEGER PETER SCHREIER KURT WIDMER FRANZ SCHUBERT HUGO WOLF U. A.

ANMELDESCHLUSS 20. JUNI 2016

10. INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR LIEDKUNST STUTTGART

Musikhaus Werner Cleve

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31


F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

StuPA und AStA räumen den Studierenden viele Möglichkeiten der Mitgestaltung an der Hochschule ein – die Wahlbeteiligung ist indes enttäuschend gering

UNTERSCHÄTZTES POTENZIAL Von Riccardo Romeo, Gesangsstudent, Vorsitzender des Allgemeinen StudierendenAusschusses (AStA) an der HfMDK

D

as Studierenden-Parlament, kurz „StuPa“, ist die von der

Studierendenschaft direkt gewählte Vertretung. In den Sitzungen des StuPas werden aktuelle Belange, Anregungen und Wünsche der Studierenden diskutiert. Es hat an sich keine direkte Macht. Das StuPa kann nur indirekt die Hochschulpolitik beeinflussen, da die Beschlüsse, die in diesem Gremium gefasst werden, keine direkte Wirkung haben. Das StuPa kann sich zum Beispiel entscheiden, zu einem bestimmten Sachverhalt eine Position zu beschließen. Diese wird dann von dem Allgemeinen Studierendenausschuss, kurz AStA, nach außen getragen. Ein Beispiel: Aufgrund der unterschiedlichen Bedürfnisse, was die Öffnungs-

zeiten der Bibliothek in den Semesterferien angeht, entschied das StuPa, dass es besser sei, die Öffnungszeiten möglichst so

Der Arbeit des StuPas sind prinzipiell keine Grenzen gesetzt.

zu gestalten, dass Personen, die ein Praktikum absolvieren, zwei

Das StuPa der Hochschule bietet die Möglichkeit, fächerüber-

Mal pro Woche auch nachmittags hingehen können. Mit diesem

greifend und hochschulweit mitzugestalten, weil es nicht nur in

Beschluss ist selbstverständlich noch nichts geändert. Erst

einem Fachbereich oder in einem bestimmten Aufgabengebiet

nachdem sich der AStA mit der Bibliotheksleitung verständigt

handelt. Die Arbeit am StuPa ist deshalb so besonders, weil die

hatte, konnte eine Einigung in der Verschiebung der Öffnungs-

Sitzungen gewöhnlich nicht von einer allzu festen Struktur

zeiten erzielt werden.

geprägt sind und die Gestaltung und Einbringung von Themen ganz bei den Mitgliedern liegt. Auch Vorschläge von außerhalb des Gremiums werden gern gesehen und diskutiert.

32


Unterschätztes Potenzial Wenn man sich an der HfMDK umhört, so bekommt man ganz unterschiedliche Statements zur Arbeit des StuPas. Die einen wissen nur von der AStA-Party, vielleicht von der Wichtelaktion, die anderen nutzen gerne den Ruheraum. Wiederum andere wissen gar nichts von diesem Gremium, von den Studierenden mal abgesehen, die im StuPa selbst etwas völlig Unwichtiges sehen. Dabei ist jeder, der an der HfMDK studiert, involviert: Abgesehen davon, dass alle Studierenden den AStA-Beitrag bezahlen, wäre es doch ohne die Zusammenarbeit des AStAs mit den verschiedenen Instanzen beispielsweise nicht zur Erneuerung des Überaumsystems gekommen. Auch an manchen „Kleinigkeiten“ ist der AStA „Schuld“: eine Erweiterung des WLAN-Netzwerks dank Rücksprachen mit dem Rechenzentrum oder die Organisation von Gruppentischen in der Mensa. An der HfMDK kennen auch viele nicht wirklich die Unterscheidung des Parlaments vom Ausschuss. Dabei gibt es eine klare Definition: Das Studierendenparlament stellt die direkt gewählte Vertretung der Studierendenschaft dar. Der AStA besteht aus vier Mitgliedern und setzt sich dafür ein, dass die Wünsche und Beschlüsse des StuPas umgesetzt werden. An der HfMDK ist es üblich, dass der Ausschuss aus der Mitte des Parlaments gewählt wird, sodass die gesamte Arbeit ineinander fließt und die Mitglieder des AStAs bei jeder StuPaSitzung mit dabei sind. Es ist erfahrungsgemäß immer nur ein kleiner Teil der Studierendenschaft, der sich wirklich mit der Arbeit des StuPas auseinandersetzt. Aber ich mache hier keinen Vorwurf: Die Studiengänge an der HfMDK lassen bekanntlich nicht viel Raum für großes Engagement. Wer wirklich etwas bewegen möchte, muss auf die eine oder andere Übeeinheit verzichten. Das Interesse, für das StuPa zu kandidieren, ist daher eher niedrig. Umso mehr würde man sich freuen, wenn mehr Studierende vom Wahlrecht Gebrauch machen würden. Bei der letzten Wahl zum StuPa 2016 lag die WahlbeSo unsichtbar das Gremium auch ist, so zeitintensiv ist dessen

teiligung nur bei 15,1 %, im Vorjahr bei immerhin 23,4 %. Es ist

Arbeit. Das Zeitpensum ist nicht einfach: Das StuPa tagt in der

schade zu wissen, dass man immer für die gesamte Studieren-

Regel einmal pro Woche etwa ein bis zwei Stunden. Wer die

denschaft spricht, aber nur ein Teil hinter der Arbeit steht.

Arbeit eines Referates annimmt, liegt zeitlich in der Regel weit darüber. Nicht allzu selten wird den Studierendenvertretern

Das neue StuPa tagt ab April 2016. Für die kommende Zeit

nachgesagt, sie seien nicht aktiv genug. Das liegt aber eher

wird sich die Studierendenvertretung wohl um die Beteiligung

daran, dass die Vereinbarkeit von Studium und StuPa-Aktivi-

an der Gestaltung des Kulturcampus kümmern müssen. Auch

täten für viele eine Schwierigkeit darstellt. Nicht in allen

die Präsidentschaftswahl wird Thema der kommenden

Studiengängen wird eine Beteiligung am AStA/StuPa gern

Sitzungen sein.

gesehen, weil man viel Zeit investieren muss.

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F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

Samantha Gaul – hier im Bild kurz vor ihrem Auftritt beim jüngsten Szenischen Abend – kam schon als Jungstudentin an die Hochschule

VOM SCHUTZRAUM HOCHSCHULE & DER REALITÄT DANACH

schule abzustreifen. „Als ich mit dem Studium anfing, war ich doch sehr naiv“, blickt die Sopranistin heute auf sechs Jahre Hochschulstudium zurück. „Ich bin in und mit der Hochschule erwachsen geworden“. Ein lang erwarteter Meilenstein war für sie erreicht, als sie im November 2015 erstmals im hochschuleigenen Intendantenvorsingen mit dabei sein durfte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie allerdings schon als Elevin auf

S

amantha war gerade 16, als sie sich durch die Website

der Bühne des Theaters Augsburg gestanden, wo sie ein Jahr Berufserfahrung sammelte, bevor sie zum Wintersemester

der HfMDK klickte und sich zu einem Vorsingen bei der dama-

2015/16 an die Hochschule zurückkehrte, um zum Endspurt im

ligen Gesangsprofessorin Heidrun Kordes anmeldete. Ihre vier

Master-Studium anzusetzen. „Als ich an die Hochschule zurück-

Jahre ältere Schwester Gina war ihr bereits als Jungstudentin

kehrte, dauerte es eine Weile, bis ich mich wieder in die Strukturen

im Fach Flöte nach Frankfurt vorausgeeilt, das musikalische

des Studiums eingefunden hatte – die Hochschule ist schon

Talent in der Familie ließ sich längst nicht mehr leugnen. Nur

eine kleine Welt für sich. Sie bietet einen Schutzraum, in dem

ob es die Oboe oder doch der Gesang werden sollte, mit der

sich junge Künstler ausprobieren können. Wenn man hier in

Samantha schon als Gymnasiastin ihren beruflichen Werdegang

einer Rolle oder Produktion scheitert, ist es tragisch für den

einstielte, war ihr anfangs noch nicht ganz klar. Ihr Musik- und

Moment, aber hilfreich für die eigene Entwicklung, denn es ist

Oboenlehrer Michael Glotzbach, selbst Absolvent der HfMDK,

wichtig, auch das vermeintliche Scheitern zu üben“. Gerade

hatte am „Philippinum“ in Weilburg ihr Gesangstalent entdeckt,

deshalb sei ihr Elevenjahr für sie sehr wichtig gewesen: „Es

als Samantha mit dem musikalisch unterlegten Theaterstück

bot mir Gelegenheit, Selbstvertrauen aufzubauen, Bühnenerfah-

„Das Gespenst von Canterville“ auf der Bühne debütierte. Er gab

rung zu sammeln und mich im Theateralltag zurechtzufinden.

sie gesanglich in die Hände von Gabriele Zimmermann, eben-

Auch durch das kollegiale Miteinander im Bühnenbetrieb konnte

falls Dozentin der Frankfurter Hochschule. Sie bereitete Samantha

ich viel lernen.“ Zweifel daran, dass sie beruflich Musik machen

so gut vor, dass diese mühelos die Aufnahmeprüfung als Jung-

wollte, hatte sie nie. So verzichtete sie als 17-Jährige mutig da-

studentin in Gesang bestand – das war 2009. Nicht verwunderlich,

rauf, das Gymnasium mit dem Abitur abzuschließen, und widmete

dass die heute 23-Jährige sechs Jahre später immer noch damit

sich komplett dem Gesangsstudium. Nach vollendetem Gesangs-

zu tun hat, die letzten Reste ihres Image als „Küken“ an der Hoch-

Bachelor stehen ihr nun dennoch weitere Studiengänge offen.

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Plan-Spiel In kaum einem Studium ist eine gute Chemie zwischen

Ein jeder ist darum bemüht, seine Kunst bestmöglich zu erlernen

Lehrenden und Lernenden so wichtig wie im Gesangsstudium,

und darzustellen. Doch das allein reicht nicht! Auf der Bühne

der Ausbildung am persönlichsten Instrument, das es gibt, der

braucht es weit mehr als einen Opernsänger, der nur singt, oder

Stimme. Dass sie von ihrer Professorin Hedwig Fassbender

einen Tänzer, der nur tanzt – die Anforderungen sind höher. Es

noch längst nicht alles gelernt hat, was sie ihr zeigen und worin

beeindruckt doch erst, wenn der Sänger nicht nur singt, sondern

sie ihre Studentin fördern kann, erlebt Samantha Gaul in jeder

die Carmen sich auch noch bewegend und spielend in den Torero

Unterrichtsstunde. Doch sie hat keine Angst mehr vor dem Tag,

verliebt, der Tänzer zudem seine Solopartie des Prinz Siegfried

an dem sie die Hochschule endgültig hinter sich lassen muss,

auf der Suche nach Odette spielerisch im Ausdruck verstärken

um sich auf der Bühne vor zahlendem Publikum zu bewähren.

kann und der Schauspieler den Faust auch mit Bewegungstalent

Sie weiß jetzt schon: „Das wichtigste erscheint mir, über eine

zu seinem Gretchen führen kann.

Technik zu verfügen, auf die man sich in jeder Situation verlassen kann. Es geht darum, sie so zu verinnerlichen, dass man

Das Wissen, dass man seine Kunst am besten ausleben kann,

in der Lage ist, sich selbst zu korrigieren. Anders gesagt: Man

wenn Fähigkeiten auch aus anderen Disziplinen mit einfließen,

kann in dem Moment guten Wissens aus dem Studium gehen,

vergrößert das Interesse, diese kennen zu lernen. Daher soll

in dem man weiß, was man selbst tut und in der Lage ist, sein

es wieder einen Tag im Fachbereich der Darstellenden Kunst

eigener Lehrer zu sein.“ bjh

geben, an dem genau das angeboten wird – die Möglichkeit, in die benachbarten Sparten der Darstellenden Künste schnuppern zu können. Was macht ihr eigentlich den ganzen Tag im Ballett-

Mit dem „Planspiel“ haben Studierende der Darstellenden Kunst ein Verantstaltungsformat entworfen, um einen Tag lang über den Tellerrand des eigenen Studiengangs hinauszuschauen und den Studienalltag in den Nachbardisziplinen kennenzulernen. Damit haben sie weiterentwickelt, was vor wenigen Jahren mit der „Klassenlotterie“ als interdisziplinärer Austausch begonnen hatte. Von Michael Steven Carman, Student „Zeitgenössischer und Klassischer Tanz“

M

an kann aus dem Foyer schon in die Tanzabteilung lugen,

saal, wie laufen die Einzelklassen im Gesang ab, und was kann ich mir unter dem Fach Szene vorstellen? Viele Fragen, und dazu ein Tag, der alle Antworten bietet – zumindest einige.

PLANSPIEL KUNST &KUNST MACHT KÜNSTLER So haben sich aus allen Studiengängen des Fachbereich 3 Stu-

da sieht man, wie sich Extremitäten zu Klaviermusik in alle

dierende zusammengetan und mit Prof. Ingo Diehl (Dekan) und Kirsti

erdenklichen Richtungen räkeln. Plötzlich hört man eine hohe

Paerssinen (Assistenz) ein Programm erarbeitet. Jeder Studiengang

Sopranstimme eine italienische Arie singen, und dann begeg-

bietet an diesem Tag zwei Klassen an, die von Studierenden selbst

net man einem angehenden Regisseur, der nochmal die

angeleitet werden. Am 8. April wird all das stattfinden. Vielleicht hilft

Notizen studiert, bevor er mit den Schauspielern eine weitere

das Verständnis um die Arbeitsweise anderer Fachrichtungen, eigene

Szene probt. Man merkt: Die Anzahl an Studiengängen im

Hürden besser zu überwinden und das Arbeiten noch reichhaltiger

Darstellenden Bereich ist beachtlich.

zu machen. Finde es heraus, lass dich auf etwas Neues ein!

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F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

EINE TÄNZERISCHE SELBSTBEFRAGUNG Valeria Liptschanskaja studiert Tanz und entdeckt ihre Ader als Choreographin

B

is ich 13 Jahre alt war, wusste ich noch gar nicht, dass

Vieles in ihrem Leben ist typisch für das Dasein eines

man Tänzerin als Beruf ausüben kann“, erinnert sich Valeria

angehenden Tänzers in der „ZuKT“-Abteilung der HfMDK: Der

Liptschanskaja. Sie studiert Tanz im Ausbildungsbereich

Stundenplan beginnt um 8.30 Uhr mit Pilates, Yoga oder

„Zeitgenössischer und Klassischer Tanz“ (ZuKT) an der HfMDK

Gyrokinesis. In der Regel folgen klassischer Unterricht, Spitze,

und entdeckt dabei mehr und mehr auch ihre Leidenschaft als

zeitgenössisches Training, Improvisation und Komposition, bis

Choreographin. Im Dezember 2015 ging ihre Choreographie

18 Uhr schließlich die Proben für eine aktuelle Studienproduktion.

„Time Out“ als Koproduktion mit dem Kompositionsstudenten

Ein freies Wochenende ist für Valeria obendrein eher die

Philipp Dragic und damit interdisziplinäres Projekt im Rahmen

Ausnahme, weil sie es auch jenseits des Pflichtprogramms im

von „Tanz der Künste“ über die Bühne des Frankfurt LAB.

Studium der HfMDK-Tänzer liebt, „etwas Neues zu erschaffen“.

Eine derartige Arbeit neben dem Studienalltag brachte sie zwar

So etwa mit „Time Out“, dem Tanz- und Musikprojekt zum

an die Grenzen ihrer körperlichen Erschöpfung, aber nicht von

Thema „Altern“ unter Beteiligung von zehn TänzerInnen und

der Überzeugung ab: „Das ist definitiv meine Welt.“

zwei MusikerInnen. Die szenenartige Rückschau auf das Leben als ein Machtspiel mit Valerias Solo als eine „tänzerische Selbstbefragung des Lebens“ brachte sie an eine „gute Grenze“, wie sie findet. Nicht selten arbeitete sie während der Probenphase bis 23 Uhr im Ballettsaal im Untergeschoss der Hochschule, opferte sämtliche Wochenenden und kämpfte mit den naturgegebenen Widrigkeiten einer spannenden interdisziplinären Zusammenarbeit: „Die Arbeitsweisen von Choreographen und Komponisten sind nämlich sehr unterschiedlich“, weiß sie heute: Während sie ihre Arbeit vor allem im Moment des Erprobens auf der Bühne bzw. im Probenraum weiterentwickelt, erlebte sie mit ihrem Teampartner Philipp Dragic den Komponisten, der als Künstler vor allem am Schreibtisch produktiv ist. Klar offenbarten sich damit logistische Konflikte, „doch die haben wir nie persönlich genommen und konnten uns am Ende der Probe wieder in den Arm nehmen“, erinnert sich Valeria.

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Eine tänzerische Selbstbefragung

Den Lerneffekt des „Tanz der Künste“-Projektes empfand

sechs Wochen Sommerpause machen dürfen. In der von

Valeria als enorm: „Mir ist dabei klar geworden, wie wichtig gute

Prof. Dieter Heitkamp als Ausbildungsdirektor geleiteten

Kommunikation ist, aber auch Management und Durchhaltever-

ZuKT-Abteilung ist Valeria „glücklich“, spürt bei den Lehrenden

mögen. Nicht zuletzt habe ich gelernt, wie wichtig Schlaf ist.“

den genialen Geist von William Forsythe und liebt zugleich die manchmal gar verrückte Experimentierfreudigkeit von Dieter

Ihr Weg zum professionellen Tanz nahm seinen Anfang, als

Heitkamp: „Das Geniale an seiner Arbeit ist, dass er gleich

Valeria im Alter von fünf Jahren begann, Lateinamerikanisch

viele Konzepte des Tanzes auf einmal verfolgt und vermittelt.

und Standard zu tanzen. Später erlebte sie in einer Formation

Dennoch bleibt seine Absicht für uns verständlich.“

mit Jazz- und Modern Dance viele Wettkampferfolge in der Gruppe. Als sie 13 war, kam die Trainerin in Wolfenbüttel

Wo die berufliche Reise für Valeria Liptschanskaja hingeht,

erstmals auf sie zu, um sie individuell zu fördern. Ihre tänze-

wird sich zeigen: Sie möchte Mitglied in einem Ensemble werden,

rische Vorausbildung mit wöchentlich fünffachem Training und

wo Choreographen ihren Tänzern kreative Gestaltungsräume

Wettkämpfen an den Wochenenden begann sie mit 15 Jahren:

ermöglichen. Bewerbungen zum Vortanzen wird sie daher

„Dabei merkte ich schon, wie Freundschaften auseinander-

international verschicken. Und sie wünscht sich, dass daneben

gehen, weil man wenig Zeit für die anderen hat. Doch ich bin

Zeit bleibt, selbst zu choreographieren. Valeria möchte in ihrem

immer meiner inneren Stimme gefolgt.“ Mit 17 zog sie aus

Leben „so lang wie möglich auf der Bühne stehen“, fürchtet sich

und ging aufs Gymnasium in Essen-Werden, wo sie Tanz als

kaum vor dem vergleichsweise frühen Ende einer Tänzerkarriere

Leistungskurs belegen konnte. Mit der modernen „Limón-Technik“

mit Ende 30, zumal sie die Leidenschaft am Choreographieren

vertraut, empfand sie dort die ausgesprochen klassische und

immer mehr packt. Und dann ist da noch ihre tiefe Gelassen-

technisch exakte Prägung der Schule als einen Sprung ins kalte

heit, die sie zuversichtlich macht: „Wenn du den Menschen

Wasser. Doch sie hielt durch, sagt heute: „Dort lernte ich Dinge,

noch etwas geben willst, dann wird es auch geschehen.“ bjh

die ich eben woanders nicht gelernt hätte.“ Ihre Aufnahmeprüfung an der HfMDK klappte 2013 – im Schnitt bewerben sich pro Jahrgang 150 Anwärter auf bis zu zwöf Studienplätze für Zeitgenössischen und Klassischen Tanz. Die Tänzer beginnen ihr Wintersemester übrigens vier Wochen früher als „der Rest“ der Hochschule – ähnlich wie später am Theater, wo die Tänzer nur

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F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

Lisa Ochsendorf verbrachte ein Wintersemester als ErasmusStudentin in Lausanne

VOLLTREFFER AUF GANZER LINIE Von Lisa Ochsendorf, Studentin für das musikalische Lehramt an Gymnasien (L 3)

I

m Wintersemester 2013/14 war ich als Erasmus-Studentin

an der Haute École de Musique de Lausanne in der französischen

Daher wurde ich sehr schnell in das Musikleben, auch außerhalb der Hochschule, eingebunden.

Schweiz immatrikuliert. Die Zusage für das Auslandssemester kam sehr spät, sodass wenig Zeit blieb, eine Wohnung zu finden

Die Stadt Lausanne ist nicht nur Sitz des olympischen Komitees,

oder die eigene zu vermieten. Die Musikhochschule in Lausanne

sondern auch einfach traumhaft schön: Direkt am Genfer See

half mir jedoch bei der Unterkunfts-Suche, da sie in einem Stu-

gelegen, blickt man auf die wunderschönen Berge. Die Stadt ist

dentenwohnheim immer einige freie Zimmer für Musikstudenten

klein und sehr verwinkelt. Man muss viel bergauf und bergab

zur Verfügung stellen konnte. So landete ich in einer WG aus-

laufen. Der einzige Nachteil: Die Schweiz ist sehr teuer, ins-

schließlich mit Musikern, die meisten von der Jazz-Hochschule.

besondere Essen und Kulturangebote.

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Vo l l t r e f f e r a u f g a n z e r L i n i e

MIKROWELLE STATT MENSA Die Formalitäten an der eigenen Hochschule sowie die Kursbelegungen waren etwas kompliziert, aber die Dozenten und auch die Damen vom Studierendensekretariat sehr bemüht und freundlich, sodass sich auch dies innerhalb von drei Wochen regeln ließ. Die Atmosphäre an der Hochschule war vergleichbar mit der an unserer. Es gab ein Foyer, wo man Menschen in seinen Freistunden traf, und eine Bibliothek, in der die Schlüsselausgabe stattfand. Die Hochschule öffnete erst um 8 Uhr und schloss bereits um 22 Uhr. Die Belegung der Übe-Räume wurde online zwei Tage vorher freigeschaltet. Die Hochschule hatte keine Mensa, aber eine Mikrowelle, sodass sich jeder sein Essen selbst mitbringen musste. Das Niveau erschien mir alles in allem etwas niedriger als hier.

Die Erasmus-Studierenden hatten untereinander eigentlich

Das liegt vielleicht auch daran, dass die Struktur mit Bachelor

überhaupt keinen Kontakt. Da die meisten aus Frankreich kamen,

und Master nicht direkt mit dem Staatsexamen zu vergleichen

sprachen sie gar kein Deutsch. Das war sehr hilfreich für mich,

ist und ich in ein niedrigeres Semester eingestuft wurde, da

da ich die Sprache noch besser erlernen wollte. Die Schweizer

man nicht so genau wusste, was meinem Semester entsprach.

waren anfangs etwas reserviert, doch sobald man auf sie zu-

Für mich war dies nicht schlimm, da ich erstklassigen Klavier-

ging, sehr offen und freundlich. Und zu guter Letzt lockerte das

unterricht erhielt, im Hauptfach als Bachelorstudentin eingestuft

starke Schweizer Bier die letzten Berührungsängste. Auch durch

wurde und mir von den übrigen Fächern so oder so nichts

die Wohngemeinschaft mit Musikern fand ich sehr schnell An-

anrechnen lassen wollte.

schluss, war auf vielen (kostenlosen) Konzerten in Bars oder an den Hochschulen, machte Musik mit anderen und erkundete die

Neben zwei Stunden Klavierunterricht in der Woche (auf

Stadt. Am Ende hatte ich mich so gut eingelebt, dass ich gar

Kosten des Gesangsunterrichts) belegte ich Kurse wie Schlag-

nicht mehr weg wollte.

zeug, Chorleitung, Szenischer Unterricht, Schulpraktisches Klavierspiel und Ensembleleitung. Diese Fächer hatte ich alle

Über diese Kontakte wurden mir auch Konzerte und kleinere

mit anderen Schulmusikern gemeinsam. Des Weiteren erhielt

Jobs (Proben, Flyer verteilen etc.) vermittelt. Solange man in der

ich Kammermusikunterricht (in verschiedensten Besetzungen),

Schweiz arbeiten kann, kann man sich auch das Leben sehr gut

Musiktheorie, Musikgeschichte und Gehörbildung. Diese Fächer

leisten. Für das Verteilen von Flyern erhielt ich beispielsweise

standen – wie auch in Frankfurt –allen Fachbereichen offen.

20 Franken in der Stunde! Proben waren ebenso übermäßig gut

Manche Fächer waren anders strukturiert als in Frankfurt. Bei-

bezahlt. Diese kleinen Gelegenheitsjobs halfen mir sehr. Ins-

spielsweise wurden in Chorleitung alle Semester gemeinsam

gesamt war das Auslandssemester ein Volltreffer. Ich habe

unterrichtet, was geringere persönliche Fortschritte zur Folge

extrem viel fachlich profitiert, neue Menschen kennengelernt, neue

hatte. In Gehörbildung jedoch waren die – zumeist aus Frank-

musikalische Erfahrungen gemacht, eine andere Kultur schätzen

reich stammenden – Studierenden uns um Längen voraus, da

gelernt und die zauberhafte Landschaft genossen. Ich würde

in Frankreich bereits mit dem Beginn des Instrumentalunter-

das Auslandssemester in Lausanne jedem empfehlen und

richts Gehörbildungskurse belegt werden müssen.

jederzeit wiederholen!

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F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

IN OPAS GEIST UND DOCH GANZ EIGEN Harfenistin Hila Ofek studiert klassisch bei Francoise Friedrich und konzertiert europaweit mit Klezmer-Musik

E

s war – wie so oft im Leben – das Ungeplante, das Hila

Ofek neue Horizonte öffnete: Der Harfenistin war zur Hochzeit ihrer Freundin in Jerusalem die Flötistin als Duopartnerin abgesprungen, kurzfristiger Ersatz musste her: Der Kommilitone und Saxophonist André Tsirlin sprang ein, und das „Jerusalem Duo“ war geboren. Heute konzertieren beide gemeinsam in ganz Europa, Israel und Russland. Ihre CD „Klezmer in the Galilee“ liefert einen entscheidenden Hinweis auf den Musiziergeist beider: Sie haben den Tonträger gemeinsam mit Giora Feidman auf-

genommen. Der weltbekannte Klarinettist ist Hila Ofeks Opa.

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In Opas Geist und doch ganz eigen „Für mich ist es schon wichtig, dass ich in Musikerkreisen nicht nur als Enkelin von Giora Feidman wahrgenommen werde“, erklärt Hila Ofek, als sie über ihr Werden und Sein als junge Musikerin spricht, die an der HfMDK Frankfurt zurzeit in

RICHTIGSTELLUNG

der Harfenklasse von Prof. Francoise Friedrich ihr Masterstudium absolviert. Und doch zögert sie nicht zuzugeben, dass ihr 80-

Harfenspende stammt vom

jähriger, immer noch konzertierender Großvater für sie zum

WDR Funkhausorchester

Idealvorbild eines Musikers geworden ist. In vielerlei Hinsicht: Beide kennen keine stilistischen Grenzen, die sie einengen

In der vorherigen Ausgabe der „Frankfurt in Takt“

könnten. Giora Feidman, einst 18 Jahre lang Bassklarinettist des

berichteten wir im Rahmen des Portraits über unsere

Israel Philharmonic Orchestra, brachte den Europäern ab den

Harfenprofessorin Francoise Friedrich auch über

80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts den Klezmer wieder

eine großzügige Harfenspende des WDR.

näher, die Musik der osteuropäischen Juden, die als Wandermusiker ihre Lieder durch die Lande trugen und in jüdisch

Fälschlicherweise war davon die Rede, dass die so-

geprägten Städten aufspielten. Mit Klezmer-Musik bringt auch

genannte deutsche Harfe vom WDR Sinfonieorchester

Hila Ofek heute die „Jewish Soul“ auf die Bühnen. Dass sie

Köln stamme. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch

parallel dazu ein klassisches Studium bei einer der ambitionier-

um ein Instrument des WDR Funkhausorchesters.

testen Harfendozentinnen überhaupt absolviert, ist für sie kein

Dessen Solo-Harfenistin Esther Peristerakis hatte das

Gegensatz. Im Gegenteil: „Durch meine Verbundenheit mit der

Instrument bis dahin gespielt und sich persönlich

Klezmermusik nehme ich mir auch in der klassischen Musik viel

dafür eingesetzt, dass die Horngacher Harfe fortan der

mehr Freiheiten, wenn ich spiele.“ Ihr Erfolg gibt ihr Recht: Beim

Harfenklasse von Francoise Friedrich an der HfMDK

„International Harp Competition and Festival“ in Mexico gewann

zur Verfügung steht. Damit sind die Studierenden nun

sie gerade den zweiten Preis, jetzt bereitet sie sich auf einen

in der Lage, ihr Studium auf allen wichtigen Instru-

großen Harfenwettbewerb in den USA vor. Die Voraussetzungen

mentengattungen betreiben und sich somit optimal

sind eben günstig: Die Harfenklasse der HfMDK ist für heraus-

auf Probespiele vorbereiten zu können.

ragende Erfolge ihrer Studentinnen international bekannt. Prof. Francoise Friedrich, zugleich Soloharfenistin an der Oper Frankfurt, ist für ambitionierte Harfenisten eine Top-Adresse. „Ich hatte eine Unterrichtsstunde bei Francoise genommen und wusste sofort, dass ich hier bleiben wollte“, erinnert sich Hila Ofek an ihre erste Begegnung mit ihrer jetzigen Harfenlehrerin, nachdem sie ihren Bachelor an der „Jerusalem Academy of

Als Jüdin in Deutschland zu leben, ist für sie aus politischer

Music and Dance“ absolviert hatte. Das war in ihrer Heimat-

und historischer Sicht kein großes Thema. „Angst habe ich nicht.

stadt, wo Hila Ofek mit elf Jahren das erste Mal an der Harfe

Ich weiß aber durchaus, dass es nicht so einfach sein kann. Ich

saß. Ihrer Mutter wäre die Gitarre als weniger ausgefallenes

kann die Geschichte nicht ignorieren“, sagt sie, ergänzt dann:

Instrument lieber gewesen, doch Hila setzte sich durch. Und das

„Es ist gut, dass ich hier studieren und leben kann.“ Ihre Zukunfts-

in einer Umgebung, wo sie als Teenager so gut wie die einzige

pläne? „Ich will alles, das ist mein Problem.“ Eine Kombination

Harfenistin weit und breit zu sein schien. Mit dem Erwachsen-

aus Orchesterspiel und freien Konzerten könnte ihr gefallen.

werden wurde ihr Israel „zu klein“, sie wollte ihren Horizont

Wichtig bei allem ist ihr künstlerisches Selbstverständnis, das

erweitern – ein Studium im Ausland lockte sie. Ein Jahr

sie wiederum mit ihrem Opa eng verbindet: „Wenn wir allein im

studierte sie in Berlin die deutsche Sprache, nahm dazu privaten

Raum musizieren, macht es nichts mit uns. Wir haben mit der

Harfenunterricht und bereitete sich damit auf ihre Frankfurter

Musik ein Talent anvertraut bekommen, und ich bin überzeugt,

Studienzeit vor. Klassische Musik ist in ihrem künstlerischen

dass wir die Aufgabe haben, es mit anderen Menschen zu

Selbstverständnis „die Basis für alles“, von der aus jeglicher

teilen.“ bjh

stilistische Ausritt erlaubt ist. Mit Saxophon spielt sie ebenso klassische wie jüdische Musik – „eben Musik, die wir lieben“.

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F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

Wie eine Fagott-Studentin eine professionelle CD-Produktion mit Professor und Kommilitonen erlebte

KLASSENAUSFLUG INS TONSTUDIO Foto: Barbara Aumüller

Die Idee, die Goldberg-Variationen von Bach für Fagott-Oktett (mit Superbass: Kontra!) zu arrangieren, kam von Henrik Rabien und wurde von ihm ausgeführt, erst in der Arbeit am heimischen Von Charlotte Sutthoff, Fagott-Bachelor-Absolventin und jetzt Master-Studentin an der HfMDK

(Noten-)Schreibtisch, später in der Probenarbeit mit wechselnden Besetzungen, in der Organisation für verschiedene Konzerte und ebenfalls in der Planung und Vorbereitung des CD-Projekts. Unterstützt von der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hochschule, stand dann final die Planung für die Aufnahme: ein

A

Klassenausflug ins idyllische Marienmünster in Nordrhein-Westcht Fagotte. Ein Kontrafagott. Die Goldberg-Variationen

von Bach. Professor, Studierende und Ehemalige. Das ist die CD

falen, und zwar direkt im Anschluss an ein Konzert mit den Goldberg-Variationen.

der HfMDK-Fagottklasse von Prof. Henrik Rabien. Ein besonders spannendes Projekt, vor allem aus der studentischen Perspektive,

Von morgens um zehn bis abends um acht/neun wurde aufge-

denn wann bekommt man die Gelegenheit, unter professionellen

nommen, ein ehrgeiziger Zeitplan für letztendlich fast 80 Minuten

Bedingungen eine CD aufzunehmen? Einige Rezensionen sind

Musik mit den unterschiedlichsten Charakteren von festiv/

erschienen, über den Inhalt darf sich jeder selbst ein Bild machen;

majestätisch über lyrisch/leidend zu virtuos/beweglich und den

worum es hier gehen soll, das ist der Entstehungs-Prozess.

unterschiedlichsten Besetzungen vom Duo bis zum Tutti der neun

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K l a s s e n a u s f l u g i n s To n s t u d i o Spieler. Die Zeit wollte gut geplant sein, und es galt außerdem,

Am Ende blieb aber kein zerstrittenes Ensemble, sondern ein an

Planungsdetails zu beachten, beispielsweise dass die intro-

vielen Konzerten, Proben und den Aufnahmen gereiftes Fagott-

vertierte, ruhige Aria nicht geschickt nach einer temporeichen

Oktett sowie einiges an Erfahrung, eine geschärfte Selbstkritik

Variation aufzunehmen wäre, sowie Terminschwierigkeiten wie

und gewachsener gegenseitiger Respekt ob dem, was jeder in

zum Beispiel frühere Abreisen. Henrik Rabien und Stephan Krings

der Lage ist, zu leisten, wenn es darauf ankommt.

(Kfg) hatten als Funk-Fagottisten Erfahrung damit, wie es ist zu spielen, während man von Mikrofonen umgeben ist und die

Dass ich nach mittlerweile neun Semestern an der HfMDK

Aufnahme läuft. Ich als Studentin kann (nur) auf gelegentliche

immer noch mindestens (!) ein Semester dableibe, hängt mit der

Aufnahmen mit Jugend-Orchestern zurückblicken. Einige Gemein-

Qualität meines Lehrers zusammen. Aber auch mit der gut funk-

samkeiten gibt es natürlich trotzdem: Wenn einer mit den Füßen

tionierenden Peripherie, die ich mir in vier Bachelor-Jahren auf-

scharrt oder hustet, gibt es böse Blicke, außerdem müssen die

gebaut habe. Schüler, Quintett, meine WG, in der die Miete für

Mikrofone so ausgerichtet werden, dass der Klang des Fagott

Frankfurter Verhältnisse echt ein Schnäppchen ist, und natürlich

möglichst optimal in die Mikrofone kommt, zum Beispiel nicht

mein Freundeskreis und alle Musikerbekanntschaften, die es

aus dem Schallstück, da klingt’s wie ne Gießkanne …

leicht machen, für diese und jene Mugge noch jemanden zu rekrutieren und ein tolles Streicherensemble für den Abschluss

Eine ganz besondere Beziehung entwickelt man zum Tonmeister.

zusammenzustellen. Gern erinnere ich mich an mein „abgefah-

Der hat die (manchmal unangenehme) Aufgabe, Sprachrohr der

renstes Muggenerlebnis“ in Frankfurt: die Gestaltung einer

Technik zu sein, und die hat natürlich das unbestechlichste Ohr,

Messe mit Orchester in einer koreanischen Kirchengemeinde.

abgesehen davon, dass ein gut ausgebildeter Tonmeister auch

Das Orchester koreanisch, die Gemeinde natürlich koreanisch,

immer ein guter Musiker ist. Nachdem man so ein Werk schon

der Dirigent, die Probe, die Messe – alles auf Koreanisch und

teils mehrfach aufgeführt und verschiedene Probenzyklen mit-

mittendrin die deutsche Fagottistin. Es war aber ausnehmend

gemacht hat, entwickelt man an mancher Stelle einen blinden

nett, immer fand sich jemand zum Dolmetschen, und für die

Fleck, sei es in leichter Intonationstrübung, im Timing oder bei

Predigt bekam ich sogar ein Übersetzungsgerät. In der Pause

kritischen Tempoübernahmen.

dann eine Mischung aus deutschen und koreanischen Snacks und Kuchen. Es war auch okay, dass ich mich auf Deutsch

So kann bestimmt jeder in der Runde an diesen Aufnahme-

vorgestellt habe.

tagen auf Momente zurückblicken, in denen man den Tonmeister verflucht, weil diese und jene Stelle schon wieder nicht im

Von der Hochschule werde ich auf jeden Fall zahlreiche Klassen-

Kasten war, oder die Intonation jetzt gut war, aber dafür jemand

abende mit netten Gesellschaften danach mitnehmen, eine tolle

anderes gekiekst hat. Einprägsam in Erinnerung bleiben Tonmeister-

Klassenatmosphäre, schöne Kammermusikkonzerte mit Dozenten

sätze wie „Bitte nochmal, genauso, nur ins Mikro“ oder „Sorry,

(Ich musste einmal meinen Prof vertreten, als der nicht konnte,

aber das hohe D spricht im Pianissimo immer mit so einem leich-

bei einer Probe mit lauter Professoren. Was habe ich geschwitzt!

ten Kratzen und einen Ticken zu spät an, das hätte ich gerne noch

Vor allem, da die Fußstapfen, in die ich da treten sollte, nicht

butterweich und pünktlich“ oder „Irgendwer muss das Mikro an-

gerade klein sind, übrigens sowohl übertragen wie wörtlich

gestoßen haben, das müssen wir nochmal machen, ansonsten

gemeint) sowie Erinnerungen an die Zeiten, in denen der Aufzug

war es perfekt“.

noch ein „Lastenaufzug“ war und weder Pianisten noch Sänger (sprich: im Regelfall Leute ohne nennenswertes Gepäck) in den

Auch beliebt sind jene Momente, in denen man eine schwierige

zweiten Stock mit dem Aufzug fuhren.

Stelle wieder und wieder abliefern muss, weil ein anderer Mitspieler gerade einen Hänger hat. Da versteht man die Gerüchte,

Zum Abschluss dieses Beitrages und auch zum Abschluss

dass sich schon Kammermusikensembles über Aufnahmen

meines Bachelor-Studiums möchte ich festhalten, dass ich es

komplett zerstritten haben. Aber dann kommt mit Sicherheit der

keinen Moment lang bereut habe, in Frankfurt an der HfMDK

nächste Augenblick, in dem man selbst unerklärlicherweise eine

mein Studium zu beginnen (und zu beenden). Und damit das

Stelle nicht tadellos spielen kann, die noch nie ein Problem war,

nicht so furchtbar nach abgeklärtem Fazit zum Abschied klingt:

und man merkt, wie es an den Nerven aller anderen zehrt, das

Zum Glück kommt noch der Master! Ich komme mir immer

gleiche immer und immer wieder spielen zu müssen.

noch vor wie ein Erstsemester. Naja, manchmal.

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F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

Von Richard Millig,

INTERDISZIPLINA EIN ERFAHRUN

Kompositionsstudent an der HfMDK

Die hier verwendete Schreibweise haben wir auf Wunsch

hackerszene bekommen. welch grosse welt dort offen steht

des Autors so belassen.

(stichwort „open source“ und „free software“), ist den meisten an dieser hochschule – und ich moechte behaupten an den

schon frueh in meinem kompositionsstudium habe ich

meisten musikhochschulen – unbekannt. durch meine etwas

gemerkt, dass es mir schwerfaellt, musik fuer sich alleine

fortgeschritteneren programmierfaehigkeiten ist mir erst bewusst

sprechen zu lassen. ich habe schon lange das beduerfnis

geworden, wie unbekannt und fremd mir eigentlich ein computer

gehabt, in meinen stuecken mit sprache zu arbeiten.

ist. natuerlich koennen wir alle dank benutzerfreundlichen oberflaechen mit computer, smartphone etc. gut umgehen, aber

bevor ich hier tiefer einsteige, eine bemerkung vorweg: mir

was hinter dieser oberflaeche steckt, ist ein hochkomplexer, aber

erscheint schon die arbeit zwischen komponist und interpreten

hochinteressanter kosmos, den meiner meinung nach jeder

interdisziplinaer. fragen der interpretation eines stueckes muss

zumindest minimal kennen sollte.

der interpret fuer sich selbst beantworten. natuerlich kann der komponist helfen, er muss aber von dieser frage und letztendlich

nun zurueck zu meiner eingangsfrage: eines meiner ersten stuecke,

von seiner eigenen komposition loslassen. allerdings hat der

naemlich „140430“ fuer akkordeon, klavier, schlagzeug und

komponist die aufgabe, moegliche interpretation einzuengen und

elektronik, das ich noch in freiburg angefangen habe zu kompo-

auszuschliessen oder umgekehrt gerade moeglich zu machen.

nieren und mit dortigen musikern geprobt habe und das bei der

eine zweite vorbemerkung: auch die arbeit mit elektronik ist auf

neue-musik-nacht am 30.04.2014 in der hfmdk uraufgefuehrt

eine weise interdisziplinaer. in meinem studium bei meinem

wurde, habe ich folgendermassen konzipiert: alle musiker sind

professor orm finnendahl habe ich unglaublich viel ueber program-

mikrofoniert und haben einen kleinen lautsprecher. die instru-

mieren gelernt (auch wenn es nur ein bruchteil seiner faehig-

mente werden mit einem delay wieder aus den lautsprechern

keiten ist) und einen minimalen einblick in die programmier- und

ausgegeben. der akkordeonist kann die elektronik steuern: einund ausschalten der mikrofone und lautsprecher sowie steuerung der delayzeit. das klavier verhaelt sich dazu affirmativ, sodass ihm oefter von der elektronik gelegenheit gegeben wird, sich zu aeussern; das schlagzeug verhaelt sich dazu negativ und protestierend, sodass es kaum in der elektronik vorkommt. dazu habe ich verschiedene variationen von (musikalischem) verhalten komponiert. dazu habe ich auch minimal sprache benutzt: der pianist sagt an bestimmten stellen „ja“, „jawoll“ und „doch“; das schlagzeug „nein“ – beide auch in frageform; der akkordeonist ordnet mit „stop!“. am schluss versucht das schlagzeug das klavier von seiner meinung zu ueberzeugen und schafft es auch fast. im letzten moment bietet das akkordeon dem klavier seinen platz, beide tauschen und alles steht wieder wie am anfang. fuer mich war das ein erster versuch in richtung theater bzw. musiktheater zu gehen. der zufall wollte es, dass mich nach der urauffuehrung jan philipp stange fragte, ob ich bei seinem naechsten regieprojekt (shakespeares „titus andronicus“) mitmachen moechte. ich sagte begeistert zu. so erlebte ich

44


interdisziplinaeres arbeiten – ein erfahrungsbericht

AERES ARBEITEN – NGSBERICHT das erste mal mit, wie viele verschiedene disziplinen an einem

gesang mitgestaltet. das galt auch fuer die szenischen proben.

theaterstueck arbeiteten: regie, dramaturgie, buehnenbild,

natuerlich behielt jeder seine kernkompetenz. simon probt die

kostuembild und assistenzen hinter der buehne sowie schau-

szene, ich probe die musik etc., aber jeder konnte sein kon-

spiel und tanz auf der buehne. ich kam als komponist hinzu und

struktives feedback geben.

brachte noch zwei musiker auf die buehne. die meisten theaterleute werden jetzt lachen, weil ich das so beschreibe, aber

nach so vielen interdisziplinaeren projekten habe ich momentan

fuer mich war das damals alles neu und sehr ueberfordernd

das beduerfnis wieder mehr alleine zu arbeiten – jetzt mit einem

(mittlerweile ist es fast schon zu gewohnt, aber dazu spaeter

anderen blick und anderem gehoer. im ansatz habe ich mit

mehr). konzipiert haben wir das stueck zunaechst zu viert: regie,

meinem guten freund bjoern fischer, den ich bei beschriebener

dramaturgie, buehnenbild und komposition. wir haben alle mehr

erster theaterproduktion kennengelernt habe (auch ein vorteil

oder weniger gleichberechtigt und gleichwertig ueber inszenie-

interdisziplinaeren arbeitens: man lernt neue freunde kennen),

rung, buehnenbild und musik gesprochen. und man hat dann

anfang februar dieses jahres gleichberechtigt und gleichwertig

noch abends zusammen etwas getrunken und miteinander

in gemeinsamer kuenstlerischer gesamtverantwortung eine

gequatscht. ueber meine musikalischen probleme mit anderen

performance auf die beine gestellt. natuerlich waren musiker/

zu reden als mit mir selbst einsam an meinem schreibtisch oder

innen und schauspielerin (leider) nicht wirklich gleichgestellt,

allenfalls mit meinem professor oder meinen kompositionskom-

und vielleicht ist das auch gar nicht moeglich. ich diskutiere viel

militonen, war insofern sehr befruchtend, als dass ich andere

mit tobias, der auch schon viele projekte in dieser hinsicht ge-

sichtweisen auf musik (auch im zusammenhang mit dem

macht hat, ueber die „beste“ arbeitsweise. er haelt auch einen

buehnengeschehen) bekam als die im neue-musik-kreis

kleinen kern von bis zu drei oder vier leuten fuer sinnvoll. gerne

ueblichen. die probenarbeit selbst fand ich im nachhinein eher

wuerde ich das arbeiten im kollektiv einmal ausprobieren,

ernuechternd. im gegensatz zu den vorbereitungstreffen war

das heißt, dass wirklich jeder im team gleichgestellt auch zu

man wieder eher auf sich allein gestellt (was ja erstmal wichtig

„fachfremden“ dingen ernsthaft und sachlich mitdiskutiert, was

ist; ich muss ja irgendwann auch die musik schreiben, die

ich mir aber auch sehr anstrengend vorstelle.

buehnenbildernin die buehne bauen). fuer die zukunft wuensche ich mir, mit meinen liebgewonnenen mittlerweile habe ich schon bei einigen theaterproduktionen

freunden tobias und bjoern neue oder besser: andere dinge aus-

mitgearbeitet. es gibt regisseure, bei denen ich voellig frei die

zuhecken und auf die buehne oder wo auch immer zu bringen.

musik gestalten und relativ oft auf der probebuehne proben

ich habe keine grosse lust, mich in den neue-musik-zirkel der

kann; es gibt solche, mit denen man relativ gleichberechtigt und

fast schon altehrwuerdigen darmstaedter ferienkurse und donau-

gleichwertig an der musik arbeiten kann; es gibt solche, die

eschinger musiktage (und was es sonst noch so alles gibt) zu

aenderungswuensche aeussern, ueber die man vernuenftig dis-

begeben.

kutieren kann oder auch gar nicht. gruen hinter den ohren wie ich einmal war, war ich auch derjenige, der nicht angefangen

eigentlich spielt die frage nach interdisziplinaritaet ueberhaupt

hat zu diskutieren.

keine rolle. im theaterbetrieb ist sie sowieso gewohnheit. fuer mich mittlerweile auch schon. es geht darum, etwas der oeffent-

einige beispiele: bei der produktion „glaube.“ unter der regie

lichkeit preiszugeben (was das bedeutet, muesste in einem noch

von simon moellendorf konnte ich sehr frei mit schauspielerin

laengeren text als diesem hier eroertert werden). ob das nun

und schauspieler an einem improvisatorischen gesang eigen-

interdisziplinaer geschieht oder nicht, ist egal – gleich – gleich-

staendig proben. alle (!) am probenprozess beteiligten gaben

wertig. was aber in der oeffentlichkeit gezeigt wird, ist eben

konstruktives feedback, also haben alle auf ihre weise den

nicht egal. 45


F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

Wie Übedisziplin und die Pflicht zu schönen Tönen das Leben eines Instrumentalstudierenden beherrschen

Von Philippe Schwarz, Student für Posaune

Foto: Isabelle Schwarz

GÖTTERFUNKEN BELOHNEN DIE EINSAMKEIT 46


Götterfunken belohnen die Einsamkeit

D

u studierst also Musik? Wie ist das, welche Instrumente

Was macht man denn nun in der ganzen Zeit? Interessanter-

kannst du denn da alle so spielen?“ – „Eigentlich nur eins, ein

weise wird die Übezeit nicht von allen gleich gezählt. Bei

bisschen Klavier muss ich noch lernen.“ – „Echt? Nur eins? Und

manchen geht es lediglich um die Zeit, die man in der Zelle

wie viel übst du da dann so?“ – „Tja, wenn ich es schaffe, so

verbracht hat, andere sind strenger mit sich und lassen nur

vier bis fünf Stunden am Tag …“

die Zeit gelten, in der sie sich tatsächlich mit dem Instrument beschäftigt haben. Und da das Gehirn in den Pausen erst

Vier bis fünf Stunden, täglich, bei manchen sogar noch mehr.

verknüpft, was man sich vorher so mühsam erarbeitet hat, sind

Das ist viel Zeit, die man da mit seinem Instrument verbringt; für

ebendiese auch sehr wichtig – und damit werden aus vier

viele deutlich mehr als zum Beispiel mit dem eigenen Partner. Wie

geübten Stunden leicht sechs tatsächliche. Die Frage ist dabei

ist das eigentlich, wenn man so viel allein ist? Kann man da über-

aber natürlich: Muss ich die Zeit abziehen, in der ich mit dem

haupt noch was lernen? Wird das nicht irgendwann langweilig?

Handy gespielt habe? Oder gechattet? Was, wenn ich aus organisatorischen Gründen gechattet habe? Ist meine Pause

Das Problem beginnt für die meisten leider schon viel früher,

genau so effizient, wenn ich meine Mails checke, oder muss ich

man kann normalerweise nämlich nicht so lange üben, wie man

mit dem Kopf auf dem Klavierdeckel meinen Gedanken freien

gern würde. Selbst wenn man sich die Zeit freigenommen hat,

Lauf lassen? Oder ist die Gefahr zu groß, dass ich einnicke und

muss man dafür auch einen Raum haben. Wer die Hochschule

damit einem meiner Kommilitonen wertvolle Raumübezeit

verlassen hat, wird sich dieses Umstandes noch deutlicher

stehle? Und wie zum Henker soll man diese vielen Noten

bewusst: Manche müssen beinahe eine zweite Miete löhnen,

überhaupt lernen, geschweige denn auswendig können?

um überhaupt weiter Lärm (in den Ohren der Nachbarn) machen zu können. Aber auch in der Hochschule ist aufgrund der Raum-

Ich denke trotz allem geht es den meisten Musikern wie mir,

not das Üben ständig eingeschränkt. Man muss früh da sein,

nämlich, dass ich sehr gern übe. Es ist wunderbar zu spüren,

um eines der freien Zimmer zu ergattern, wo man entweder von

wie sich Musik, mit der man sich vor kurzem noch abgemüht

einem Dozenten vertrieben wird oder, wenn man mehr Glück

hat, plötzlich leicht anfühlt und schwingt. Immer wieder

hat, erst nach zwei Stunden den Schlüssel an den nächsten

faszinierend, welche Komplexität der Körper und Geist zu koor-

Studierenden weitergeben muss. Dann beginnt das Einreden

dinieren vermögen! Aber ich würde lügen, würde ich sagen,

auf den Pförtner, das Herumlungern und Warten, bis man auf

dass es mir immer leicht fiele. Und das ist die Krux an unserem

undurchschaubaren Wegen wieder für zwei Stunden in einem

eigentlich so schönen Studium – ich muss auch schöne Musik

Raum landet. Es gab allerdings auch Tage, an denen ich

machen, wenn ich gerade keine Lust auf schöne Musik habe.

aufgrund bilateraler Raumansprüche mehr auf den Gängen

Wenn ich gefragt werde, ob ich ein Wochenende Skifahren

unterwegs als beim Üben war.

möchte, läuft sofort eine innere Checkliste ab: Wann ist mein nächstes Konzert, was muss ich in nächster Zeit üben, kann

Wenn alles nichts hilft, zwängt man sich schon mal in die

ich es mir leisten, zwei Tage auszusetzen, oder kann ich da

„Übezellen“, die den Platz des Gebäudes sagen wir mal: optimal

wenigstens ein oder zwei Stunden etwas machen? Bei mir

nutzen. Gut, man darf nicht meckern – im Vergleich zu anderen

zumindest haben diese Gedanken so manche Unternehmung

Hochschulen sind wir damit noch ganz gut dran, gerade auch

zu Grabe getragen.

was die Schalldämmung betrifft. Wenngleich auch in der Planung übersehen wurde, dass man über die Heizungsrohre

Glücklicherweise ist eventuell auftretende Übe-Unlust meistens

den Übenden zwei oder drei Zimmer weiter auch noch gut

nur bis zu den ersten Tönen vorhanden. Wenn man den Klang

identifizieren kann.

und den Kontakt zum Instrument wieder gefunden hat (ja, jeden Tag neu!), hat man in der Regel auch wieder Freude am Üben. Und spätestens, wenn man auf der Bühne sitzt, das Orchester mit einem gewaltigen Crescendo seine volle Kraft entfesselt und die Dissonanzen in Götterfunken aufsprühen (oder so ähnlich) – dann weiß man, warum man sich das alles antut: Da ist die Belohnung. Und sie ist jede Minute der Einsamkeit wert.

47


F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

MIT „AVE MARIA“ IM TRAGETUCH Studieren mit Kind ist eine Herausforderung – Sarah Werner und Tochter Lily konnten sich auf die Unterstützung von Freunden und der Hochschule verlassen

48

L

ily ist sechs und fühlt sich in der Hochschule alles andere

als fremd. Wenn sie ihre Mama dorthin begleitet, bleibt sie gern am Tischkicker im Foyer hängen – oder begrüßt den einen oder anderen Studierenden, der auf sie aufgepasst hat, wenn Mama üben oder Vorlesungen besuchen musste. Lily kam zur Welt, als ihre Mutter Sarah Werner im fünften Semester Schulmusik studierte. Unerwartet, „aber rückblickend genau zum richtigen Zeitpunkt“, findet Sarah Werner, denn „Lily hat nicht nur mein Leben, sondern auch mich unglaublich verändert.“ Dabei waren die äußeren Umstände alles andere als bequem. Doch die Hochschule und Freunde unterstützten die kleine Familie, wo sie nur konnten.


M i t „ A v e M a r i a “ i m Tr a g e t u c h „Ich war eigentlich nie richtig weg von der Hochschule – weder

Was Sarah Werner zusetzte und sie rückblickend als „Psycho-

in der Schwangerschaft noch nach der Geburt“, erinnert sich

terror“ bilanziert, war der Kampf mit den Behörden um ein

Sarah Werner an das Jahr 2009, als aus der „Party-Studentin“,

angemessenes existenzielles Auskommen: „Das ist für Studen-

wie sie sich selbst rückblickend beschreibt, eine verantwortungs-

ten als Eltern nicht ohne.“ Vor allem, als Bafög und Elterngeld

volle Managerin wurde. Managerin des eigenen Lebens in der

ausliefen und sie Lilys Anspruch auf „Hartz IV“ durchsetzen

Verantwortung für nun zwei Menschen, obwohl sie selbst noch

musste, spürte sie den enormen Existenzdruck dieser Zeit.

mitten in der Ausbildung steckte. Das Studium zu schmeißen

Die Mutter Sarah ist heute eben nicht mehr die „Partymaus“,

kam für sie ebenso wenig in Frage wie ein Urlaubssemester. Klar

stattdessen viel strukturierter, pünktlicher und in ihrer Planung

brauchte sie insgesamt mehr Zeit für ihr Studium der Schulmusik

um Längen effizienter als zuvor: „Durch Lily habe ich konzen-

(Lehramt für Gymnasien), Instrumentalpädagogik Trompete und

triertes Arbeiten gelernt – zwei Stunden ungestörten Übens

Geschichte als Zweitfach an der Uni. Jetzt, gegen Ende ihrer

weiß ich heute mehr denn je zu schätzen und nutze die Zeit

Studienzeit, bereut sie ihren damaligen Entschluss nicht, die

viel effektiver.“

Mehrfachbelastung einem zeitweisen Rückzug aus dem Studium vorzuziehen: „Der einzige Weg für mich war und ist, mit dem

Was Sarah Studierenden in ähnlicher Situation rät? „Die Nerven

Studium fertig zu werden und arbeiten zu gehen – nicht zuletzt,

bewahren – es geht einfach immer weiter. Und das Kind braucht

um Lily eine gesicherte Existenz bieten zu können.“ Doch sie

nicht alles, was in den Elternzeitungen steht. Was es wirklich

gesteht: „Sechs Jahre Studium und Kind waren wirklich krass.“

braucht, ist eine weitestgehend entspannte Mutter.“ Entspannt und mit verändertem Blick auf die einst als so wichtig empfun-

Dabei war sie von helfenden Händen umgeben, nicht zuletzt

denen Dinge im Leben, zum Beispiel Prüfungen im Studium:

durch die Hochschule selbst: „Manfred Gerhardt und sein Team

„Mir ist mehr denn je klar, dass es Wichtigeres im Leben gibt.“

vom Studierendensekretariat machten für mich vieles möglich

Zum Beispiel ein zufriedenstellendes Fazit über eine anstrengen-

und waren immer unglaublich hilfsbereit.“ Sarahs Dozenten

de Zeit: „Mit einem Kind zu studieren, lohnt sich auf alle Fälle,

gingen tiefenentspannt damit um, wenn Lily während Mamas

und ich bin überglücklich.“ Und welche Spuren hat die frühe

Einzelunterricht auf dem Fußboden des Unterrichtsraums auf

„Hochschul-Sozialisation“ bei Lily hinterlassen? Offenbar nicht

einer Krabbeldecke ihre Runden drehte. Unvergessen bleibt das

die schlechtesten: „Was Musik angeht, ist sie unersättlich“,

anrührende Bild, als Sarah im Übchor Bruckners „Ave Maria“

bestätigt die Mama. Klavierunterricht hat sie längst. Und Mamas

dirigierte – mit Lily im Tragetuch. Während die Chorleiterin mit

Arbeiten mit Bläserklassen in einem Musikverein hat sie auch

den Kommilitonen seriös am Stück arbeiten wollte, hatten die

schon inspiriert: Zum siebten Geburtstag im Dezember wünscht

jedoch – wen wundert`s – vor allem Augen und Ohren für das

sich Lily ein Saxophon. bjh

entzückende Bündel Leben im Tragetuch. Nicht nur dort pflegte Lily die Studieninhalte zu kommentieren: Als die Uni-Vorlesung des Geschichtsdozenten über Piraten vorbei war, fragte Lily ihre Mutter wissbegierig: „Mama, warum hat der Professor von Pippi Langstrumpf gesprochen?“ Unschätzbar auch die Motivationsspritze, als Sarah zur Trompeten-Abschlussprüfung in Schulmusik die Bühne des Großen Saals betrat und Lily von der Empore ein schwärmerisches „Mammmmaaa“ herunterjauchzte.

49


F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e Von Caspar Vinzens, Bachelor-Student für Bratsche

Der Bratschist Caspar Vinzens ist der Jüngste im „Aris

Z

u meinem Instrument kam ich früh, eine echte sogenannte

Quartett“, einem erfolgreichen Kammermusik-Ensemble, das

„Edelbratsche“ bin ich aber nicht. Ich liebe die C-Saite. Ich liebe

mit Katharina Wildermuth, Noémi Zipperling, Caspar Vinzens

Paul Hindemith, ohne den die Welt der Viola düster wäre, und

und Lukas Sieber aus Studierenden der HfMDK besteht und

ja, ich liebe die Witze über die Bratsche. Ich liebe so vieles an

mit zahlreichen Wettbewerbs-Erfolgen auf sich aufmerksam

diesem Instrument, und ich liebe das Streichquartett. Ich weiß

macht (www.arisquartett.de). Caspar Vinzens erläutert aus

noch, dass mich als Kind schon faszinierte, dass man die Bratsche

seiner Sicht, wie die Hochschule den Vieren dabei geholfen

im Streichquartett manchmal nicht heraushören und als eigene

hat, ihr Potenzial entfalten zu können.

Stimme verfolgen kann, jedoch sofort auffällt, wenn sie fehlt. Das war mir immer sympathisch. Das Streichquartett eröffnet einem Bratscher Zugang zu schier unerschöpflichem Repertoire und großartigsten Werken. Seit etwa sieben Jahren spiele ich in einem Streichquartett. Wir – das Aris Quartett – haben uns zusammengefunden, als wir alle noch Jungstudierende waren und zur Schule gingen. Um genau zu sein: Wir wurden zusammengesetzt. Wir kannten uns nicht, als Hubert Buchberger, Professor für Streicher-Kammermusik an der Hochschule, die Idee hatte, uns für ein Projekt zusammenzusetzen. Wir sind für diese Idee heute sehr dankbar, denn schon bald entwickelte sich aus dem anfänglichen Projekt eine große Freundschaft. Wir spielten immer mehr Quartett miteinander, und heute tun wir das – mit mindestens genau so großer Freude wie damals – hauptberuflich. Mittlerweile sind wir mit über 70 Konzerten im Jahr viel unterwegs. Den Rest des Jahres proben wir täglich. Einmal im Monat sind wir für eine Woche in Madrid, wo wir als Quartett bei Günter Pichler studieren. Als junges Ensemble geht es zunächst darum, sich einen Namen zu machen, um sich langfristig etablieren zu können. Wir haben gelernt, dass in zahlreichen Situationen die eigene Vorbereitung das einzige ist, was man beeinflussen kann. Das ist ein Motto und treibt uns an. Einerseits ist das eine große Belastung und erfordert viel Energie, zu Dingen und Interessen neben dem Quartett fehlen

Wie die Hochschule die Musiker des erfolgreichen „Aris Quartetts“ zusammenbrachte

schlicht die Zeit und die Kraft. Auf der anderen Seite ist es eine so wunderbare Arbeit, die jede Mühe lohnt und rechtfertigt. Ich kann glücklich von mir behaupten, ein Hobby zum Beruf gemacht zu haben.

GEBURTSHELFER EINER KARRIERE 50


WENN PUBLIKUM KÜNSTLERN DAS LEBEN LEHRT Die Hochschule war für unsere Entwicklung von großer Bedeutung. Hier haben wir uns gefunden, hier konnten wir unzählige Stunden arbeiten und lernen. Noch heute ist die Hochschule unser Zentrum; über die gute Zusammenarbeit mit der Raumplanung sind wir sehr froh. Froh sind wir auch über die Entwicklung, die wir individuell bei unseren Instrumentallehrern durchlaufen konnten. Dies war

Studierende konzertieren als Stipendiaten von Live Music Now in Krankenhäusern, Heimen und Gefängnissen

W

er auf einer Konzertbühne steht, weiß um sein Exponiert-

sein in diesem Moment – aber auch um den sicheren Abstand zum

letztendlich erst der Nährboden, auf dem unser Streichquartett-

Publikum, um ihm und seinen Reaktionen damit nicht unmittel-

Spiel wachsen konnte. Ich studiere nun schon seit etwa acht

bar ausgeliefert zu sein. Das ist bei den Konzerten von „Live Music

Jahren bei Prof. Roland Glassl, zunächst als Jungstudent und

Now“ anders. Deren Stipendiaten konzertieren in Krankenhäusern,

seit 2012 regulär. Nach wie vor ist meine Begeisterung, ja

Altenheimen, Hospizen, Gefängnissen und Fixercafés, für Men-

Bewunderung, ungebrochen. Roland war für mich immer ein

schen, die nicht mehr in Konzerte gehen können oder dort noch

Lehrer, der das Beste aus mir herausholen wollte – und konnte.

nie waren. Deren Reaktionen auf die Musik ist für die jungen

Er ist unheimlich engagiert, kaum ein Unterricht musste je

Künstler eine wertvolle Schule – als Musiker, aber vor allem als

ausfallen oder verschoben werden, und das bei eigener Konzert-

Menschen, die etwas von sich und ihrer Musik geben wollen.

tätigkeit. Darüber hinaus ist es für mich immer besonders überzeugend, wenn ein Lehrer selbst kann, was er von seinem

Geigerin Katharina Wildermuth, einst Jungstudentin an der

Schüler verlangt! Als Jüngster im Quartett und Letzter, der

Hochschule (Klasse Prof. Susanne Stoodt), jetzt als Primaria

mit seinem Bachelor beschäftigt ist, bekomme ich am meisten

des „Aris Quartetts“ erfolgreiche Kammermusikerin, war einige

zu spüren, dass das Bildungssystem mit dem letztendlichen Ziel

Jahre Stipendiatin bei „Live Music Now“. Eines ihrer für sie

des Studiums – einer beruflichen Konzerttätigkeit – nicht

berührendsten Konzerte gab sie auf der Kinderkrebsstation in

besonders gut vereinbar ist. Immer mehr sind wir unterwegs,

der Frankfurter Uniklinik. Die Zuhörer eine Handvoll kleiner

und immer weniger bin ich konkret an der Hochschule. Das

Patienten und deren Eltern – vielleicht das kleinste, vielleicht aber

bringt Fehlzeiten und macht es schwer, alle Module, die Neben-

auch das intensivste Publikum, vor dem Katharina je musiziert

fächer in der vorgesehenen Zeit abzuschließen. Dennoch: Für

hat. „Die meisten emotionalen Reaktionen auf mein Spiel kamen

mein Studium an der HfMDK, für den Unterricht bei Prof. Roland

von den Eltern – und das war besonders hart für mich.“ Ein Kind

Glassl, bei Prof. Hubert Buchberger und überhaupt für die

fragte nach einem Extra-Ständchen im eigenen Krankenzimmer.

Gründung meines Streichquartetts, für die die Hochschule

„Das Eindrücklichste für mich war bei derlei Konzerten immer,

wesentlich war, bin ich sehr dankbar.

dass es den normalen Abstand zum Zuhörer überhaupt nicht 51


F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

gibt.“ Im Gegenteil: „Das ehrlichste Publikum war das meiner Konzerte an derlei eher ungewöhnlichen Orten.“ Da kann es auch mal – zum Beispiel in einem Seniorenheim – vorkommen, dass ein Musikstück gar nicht beim Publikum ankommt. Auch damit umzugehen und die Situation mit eigener Moderation liebevoll aufzufangen, ist Aufgabe der Musiker. „Es macht dabei viel aus, wie du dich als Gesamtperson gibst. Die Zuhörer bei Live Music Now-Konzerten schätzen es am meisten, wenn du natürlich rüberkommst.“ Für Katharina galt auch hier der Grundsatz, den Anspruch an die eigene Professionalität nicht zu relativieren. „Gleichzeitig war ich mir dessen bewusst, dass musikalische Präzision in diesen Momenten nicht das Wichtigste war.“ Wenngleich von LMN-Mitarbeitern auf Konzerten stets begleitet, entwickeln die Stipendiaten eigene Programmkonzepte inklusive der verbindenden Moderationen. Katharina erklärt: „Es ist wichtig, ein Konzept zu haben, doch wie sich die Begegnung mit dem Publikum entwickelt, bleibt trotzdem ungewiss und spannend.“ Berührungsängste abzubauen, hat sie in jedem Fall gelernt. Im Hospiz stieß sie sogar mit den Gästen mit Sekt an – auf das Leben und eine lebendige Begegnung. Was Musizieren im Angesicht menschlich bedrückender Schicksale mit ihr selbst gemacht hat? „Es kann vorkommen, dass einem eine Melodie, die man spielt, gemeinsam mit dem Publikum neu wichtig wird. Es tut gut, solche ehrlichen, emotionalen und direkten Begegnungen mit Hilfe der Musik haben zu können.“ Und voller Dankbarkeit ergänzt sie: „Für mich war und bleibt es wertvoll, solche Konzerte eben als noch sehr junger Mensch erlebt zu haben. Sie haben mir deutlich vor Augen gehalten, welch ein kostbares Privileg mir das Leben geschenkt hat, musizieren zu dürfen.“ bjh Ansprechpartnerin für Live Music Now in Frankfurt (livemusicnow.de) ist Catharina Bürklin. Als Koordinatorin an der Hochschule für Live Music Now künstlerisch verantwortlich ist Prof. Katharina Deserno in der Nachfolge von Prof. Christopher Brandt.

52

Über die Unmöglichkeit, im Lehramtsstudium allen Anforderungen gerecht zu werden

CREDITPOI REI


Creditpoints statt Reifungszeit Von Roxana Littau, Studentin für das gymnasiale Lehramt

B

evor ich beginne, möchte ich festhalten, dass dies

zwei Tage eine halbe Stunde, 41,5. Das sind nun reine Arbeits-

keine Anklageschrift sein soll. Ich möchte nur möglichst real

zeiten, die weit über den Einzelhandel hinausgehen. Jetzt muss

beschreiben, was mit uns passiert. Wir – das sind die Lehr-

man noch Vorlesungen und Seminare vor- und nachbereiten,

amtsstudierenden (L3, Gymnasium), die Musik an der Hoch-

Texte lesen und natürlich reflektieren. Außerdem gibt es noch

schule für Musik und Darstellende Kunst studieren. Wir – die an

allerhand Blockseminare. Selbst, wenn man jedem Seminar nur

der Goethe-Universität (mindestens) ein zweites Fach belegen

eine Stunde in der Woche zuschreiben würde, hätten wir bei

müssen. Wir – die an der Goethe-Universität die Bildungs-

elf Veranstaltungen schon 52 Stunden in der Woche.

wissenschaften (die im Grunde fast wie ein Extra-Fach gewertet werden) belegen müssen. Wir – die die Zukunft der Kinder

Das war im Sommersemester. Im Wintersemester habe ich alles

mitbestimmen werden.

reduziert, um mich auf Zwischenprüfungen vorzubereiten. Alles reduziert? Heißt: Ich habe dieses Semester einfach nichts an der

Der letzte Punkt macht Druck. Wir gestalten die Zukunft

Universität besucht. Was wiederum bedeutet, dass sich vieles

eines ganzen Landes und hetzen von Campus zu Campus, von

nach hinten heraus kumuliert.

Seminar zu Einzelunterricht, von Kleingruppen zu überfüllten Vorlesungssälen. Zwischen Klausuren, Hausarbeiten, Prüfungen

Wie man es auch macht – man kann nicht jeder Veranstaltung

und Vorspielen wird einem dann wie in einem Mantra immer

gerecht werden. Am wenigsten sich selbst. Creditpoints lassen

wieder erklärt, man brauche Persönlichkeit, um vor einer Klasse

nun mal sehr wenig Freiheiten zu. Aber wie soll ich eine faire,

zu stehen. Aber bitte nicht die selbe Persönlichkeit, die Hausar-

gute, reflektierte Lehrerin werden, wenn es in meinem Studium

beiten schreibt – da sind wir Wissenschaftler. Und auch nicht

nur um imaginäre Punkte geht, an denen angeblich investierte

die selbe Persönlichkeit, die an Vortragsabenden Klavier spielt –

Zeit abgelesen werden soll? Wie soll ich meine Passion für die

da sind wir Künstler. Eine andere, viel wichtigere, und diese

Musik vermitteln, wenn ich nur für Vorspiele übe und keine Musik

müssen wir selbst finden.

mehr mache? Wie soll ich sie vermitteln, wenn ich abends lieber ins Bett falle, statt in die Oper oder auf ein Konzert zu gehen?

Ein Selbstfindungsprozess kann aber nicht zwischen Creditpoints und Semesterwochenstunden passieren. Eine kurze

Ich gebe mein Bestes. Und ich weiß, dass die Regelstudienzeit

Rechnung: Im Sommersemester 2015 hatte ich 16 Semester-

vielleicht nicht einzuhalten ist. Ich weiß, dass ich als Lehrerin

wochenstunden (SWS) Musik, vier SWS Bildungswissenschaf-

viel wissen muss. Aber ich weiß auch, dass ich nicht alles

ten und zehn SWS mein zweites Fach (Englisch). Das macht 30

wissen muss. Trotzdem versucht man doch, alles nach bestem

Semesterwochenstunden Präsenzzeit. Ein Arbeitnehmer fragt

Wissen und Gewissen zu tun. Ich habe mir fest vorgenommen,

sich nun wahrscheinlich, warum 30 Arbeitsstunden in der Woche

Zeit für meine „Persönliche Entwicklung“ zu nehmen. Dafür gibt

so viel wären. Doch die Rechnung geht weiter: Nimmt man an,

es zwar keine Creditpoints, aber „Life-Points“. Vielleicht lässt

dass man sein Künstlerisches Hauptfach eine Stunde pro Tag

sich diese Persönlichkeitsentwicklung ja morgens in der Bahn

übt, sind wir bei 37 (inkl. Samstag und Sonntag). Sein Neben-

oder auf dem Weg zwischen Musikhochschule und Campus

fach übt man alle zwei Tage eine Stunde, macht 40. Gesang alle

vorantreiben? Ich versuche es.

INTS STATT IFUNGSZEIT 53


Hornist Clemens Gottschling war Stipendiat der Internationalen Ensemble Modern Akademie (IEMA) und studiert jetzt Instrumentalpädagogik.

DAS BESTE JAHR MEINES LEBENS „Vor meinem Studium bin ich mit meinen Talenten immer weiter-

W

er weiß: Hätte seine Mutter ihn als 16-jährigen

gekommen, ohne wirklich hart daran zu arbeiten“, erinnert sich Clemens Gottschling. „Erst am Horn entdeckte ich diesen Ehr-

Teenager nicht noch einmal nach seiner Freude am Musizieren

geiz.“ Und zwar intensiv, wie sich zeigte: Innerhalb von zwei Jahren

gefragt – vielleicht stünde Clemens Gottschling heute als Tennis-

wurde er fit für eine Aufnahmeprüfung. Ein guter Pädagoge in

profi auf dem Platz. Wobei: Was mittlerweile so stark in ihm

seiner Heimat hatte ihn motiviert, „das Horn als Teil von mir selbst

selbst geworden ist, wäre womöglich auch ohne mütterliche

zu betrachten und so mit ihm umzugehen“. Als Clemens in Det-

Hilfe wieder aus dem Dornröschenschlaf erwacht. Ist es jeden-

mold Horn auf Bachelor studierte, unterrichtete er schon längst

falls, zum Glück: Clemens Gottschling, der schon als Vorschul-

selbst, hatte gar die Klasse seines in Ruhestand gegangenen

kind die musikalische Früherziehung durchlief und als Primaner

ersten Hornlehrers übernommen. Seine Neigung für Neue Musik

Klavierunterricht bekam, nahm sich als Jugendlicher ein paar

hatte er vermutlich schon als Mitglied im leistungsorientierten

Jahre Musizierpause fürs Tennisspielen im Leistungssport, bevor

Jugendorchester Havixbeck nahe Münster kultiviert, wo moderne

seine „Rückkehr“ zur Muse professionell an Fahrt aufnahm. Heute

Auftragskompositionen keine Seltenheit waren. Günstige Voraus-

ist der 26-jährige Hornist Absolvent der an die Hochschule

setzungen also, um sich im Jahr 2013 am IEMA-Probespiel zu

angegliederten „Internationalen Ensemble Modern Akademie“

beteiligen. Prompt klappte es – Clemens Gottschling wurde für

(kurz: IEMA) und belegt als erster Jahrgang den neuen HfMDK-

ein Jahr Stipendiat der Internationalen Ensemble Modern Akademie

Masterstudiengang „Instrumentalpädagogik“. Kürzlich erhielt

und damit „Teil einer fantastischen neunköpfigen Familie“. So

er schließlich die Zusage für eine Festanstellung als Hornlehrer

viele Musiker zählte sein Stipendiatenjahrgang, mit dem er „das

an der Musikschule Frankfurt.

beste Jahr, das ich im Leben bislang hatte“, durchlebte, durch-

54


Das beste Jahr meines Lebens arbeitete und durchmusizierte: Bis zu elf Stunden arbeiteten

HfMDK vertieft. Und auch hier bekommt er „genau das, was ich

neun Musiker täglich „extrem intensiv zusammen“ – umso mehr

haben wollte“, sagt er. Das liege vor allem an dem pädagogischen

im kollektiven Miteinander, weil der Jahrgang keinen Dirigenten

Selbstverständnis der Lehrkräfte wie Prof. Sibylle Cada und

in den eigenen Reihen hatte. In den Proberäumen der IEMA in

Prof. Katharina Deserno: „Typisch für den Master Instrumental-

der Schwedlerstraße rauchten die Köpfe; „die Zeit zwischen zwei

pädagogik an der HfMDK ist der hohe Grad an Selbstreflexion, der

Projekten reichte gerade einmal, um die nächste Arbeitsphase

herrscht und vom Studierenden gefordert wird. Selbstreflexion

vorzubereiten“, blickt Clemens auf sein Stipendiatenjahr beim

bedeutet hier: zu schauen, was ich kann bzw. können will, und

Ensemble Modern zurück. „Dabei habe ich gelernt, unglaublich

wie ich dahin komme, das zu können, was ich können will.“ In der

effektiv zu sein, sehr schwere Stücke in kurzer Zeit draufzu-

pädagogischen Vermittlung offenbare sich diese Haltung in

schaffen.“ Schon verrückt, wie sich der Anspruch eines jedes

einer gesunden „Balance zwischen konstruktivem Ehrgeiz und

Einzelnen zu einem unausgesprochenen, aber kollektiv spürbaren

der gleichzeitigen Fähigkeit zu loben und offen zu sich selbst

Gesamtniveau formierte. Da war es nichts Ungewöhnliches,

und zum Gegenüber zu sein“.

dass sich drei Blechbläser in einer Probe einer 20-sekündigen Miniatur eine halbe Stunde am Stück widmeten.

Die prägende Mischung klingt vielversprechend: Der geborene Orchestertuttist scheint Clemens Gottschling jedenfalls nicht zu

Auch nach diesem Jahr der Extreme im Hinblick auf Anspruch

sein – dabei würde er individuelle Gestaltungsfreiheit vermissen.

und Output hat Clemens Gottschling den Kontakt zum Ensemble

Er will Musikpädagoge sein und Zeit für Kammermusik behalten.

Modern nicht verloren: „Mit dem bleibt man als Absolvent immer

Die Neue Musik will er seinen Schülern übrigens nicht vorent-

verbunden und steht auf dessen Telefonliste.“ Währenddessen

halten. „Neue Musik im Instrumentalunterricht“ wird jedenfalls

hat er sich in ein Masterstudium in Instrumentalpädogik an der

das Thema seiner Masterarbeit sein. bjh

Frisches Blatt

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Theresa Winterer und Benedikt Fox über die Chancen und Bürden eines vielfältigen Schulmusik-Studiums

DAS GUTE IST AUCH DAS GEFÄHRLICHE T

heresa Winterer und Benedikt Fox haben beide Schul-

musik für das Lehramt am Gymnasium studiert, beide denken über ein anschließendes Referendariat nach. Zugleich haben beide vielseitige Interessen und Begabungen jenseits der Musikpädagogik. Lehrer zu werden, ist für sie daher „nur Plan B – aber ein guter Plan B“, wie sie finden.

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Das Gute ist auch das Gefährliche Theresa Winterer und Benedikt Fox haben mindestens

fächer wie Chor- und Orchesterdirigieren: All das erlebten beide

eine Sache im Studium völlig richtig gemacht: Sie waren

im Schulmusikstudium als reichhaltige Möglichkeit, nicht nur

präsent, standen für Projekte jenseits reiner Studienpflicht zur

für das Lehramt zu reifen: „Ich habe vieles von dem schlichtweg

Verfügung, wirkten zuverlässig und nutzten die Chance, sich

als Gratis-Kurse wahrgenommen“, resümiert Theresa ihr Studium

innerhalb der Hochschule zu vernetzen. Beide profitierten

heute dankbar – was auch immer sie damit anfangen wird. „Der

außerdem von der Vielseitigkeit des Lehramts-Studiengangs,

Druck, sich dauerhaft als Freischaffender zu behaupten, ist

der auf den Lehrerberuf im Fach Musik vorbereiten soll.

natürlich enorm“, weiß sie um das zwiespältige Glück des beruf-

„Das Gute ist aber gleichzeitig auch das Gefährliche“, findet

lichen Ungebunden-Seins. Und Benedikt nimmt derweil jedes

Benedikt; „gefährlich, weil man Gefahr läuft, sich und seinen

künstlerische Angebot an, das seinen Horizont weitet und damit

Schwerpunkt in der Breite der Ausbildung nicht zu finden."

auch seine Entscheidungsfähigkeit stärkt, wohin die berufliche Reise gehen soll. Beide stehen beispielhaft auch dafür, dass ein

Zugleich ist es kein Geheimnis, dass ein Schulmusik-Studium

Schulmusikstudium individuelle Schwerpunktsetzungen erfor-

für einige Absolventen nur ein Sprungbrett in oft freischaffende

dert. Theresa: „Irgendwann im Studium habe ich verstanden,

Existenzen jenseits des Schuldienstes ist und war. Die Frage,

dass man nicht für jedes Fach gleich viel Zeit investieren muss –

ob der Mut zum Ungewissen oder der Wunsch nach einer

und vor allem nicht kann.“ Der in der Abteilung sprichwörtlich

gesicherten Verbeamtung stärker sein wird, ist auch bei Theresa

gewordene „Mut zur Lücke“ sei gefragt, um das Studium

und Benedikt noch nicht endgültig beantwortet. Obwohl beide

individuell und damit so effizient wie möglich zu erleben. Als

dazu neigen, das Referendariat als letzten Ausbildungsschritt

Schwerpunktfach in „Stimme und Kommunikation“ genoss sie

auf sich zu nehmen, locken jenseits dieses Weges viele Ange-

den Unterricht bei Prof. Stefanie Köhler und ihrer pädagogischen

bote alternativen Arbeitens. Beide schöpfen davon reichlich: Als

Begabung, durch subtile Anregungen mit wenigen Worten bei

Pianist mit zusätzlichem IGP-Studium in Klavier (bei Thorsten

den Studierenden viel zu verändern, ebenso den Gesangsunter-

Larbig und Prof. Axel Gremmelspacher) hat sich Benedikt als

richt bei Cordula Stepp. Benedikt hatte sich für das Schwerpunkt-

musikalischer Leiter von Musikprojekten wie den „Blues Brothers“

fach Musiktheorie bei Prof. Ernst August Klötzke entschieden,

und „Der Zauberer von Oz“ bei den Bad Vilbeler Burgfestspielen

sein begeistertes Fazit: „Das muss man einfach erlebt haben.“

einen Namen gemacht. An der Hochschule bringt er sich als

In Ergänzung zur Schulmusik lernten Theresa und Benedikt in

begleitender Pianist in den Liederabenden und damit auch bei den

ihren Aufbaustudien, eigene künstlerische Maßstäbe zu über-

auswärtigen Intendanten-Vorsprechen der Schauspielabteilung

prüfen und zu erweitern. Theresa: „Das kontinuierliche künstle-

ein. Theresa hat ein Aufbaustudium als Flötistin bei Prof. Stephanie

rische Streben und An-sich-Arbeiten, gerade in Hinblick auf

Winker absolviert und für die Hochschule die Koordination des

Disziplin und Arbeitsethos, hat uns in Bachelor und Diplom

Großprojektes „MusikMonatMai“ übernommen. Jenseits der

besonders geprägt.“

Hochschule sammelt sie Erfahrungen als Moderatorin – beispielsweise bei Neujahrskonzerten oder einer Unternehmertagung.

Die Studienzeit von Theresa und Benedikt spiegelt nicht nur

Auch ihr Praktikum im Landesstudio des ZDF in Wiesbaden wei-

deren Fähigkeit wider, aus einem reichhaltigen Fächerkanon das

tete ihren Blick auf die beruflichen Perspektiven. Zudem standen

Beste für sich selbst herauszuziehen, sondern offenbart zugleich

und stehen Theresa und Benedikt – privat übrigens seit fünf

die gute Kommunikationsfähigkeit ihrer Dozenten. Aus der

Jahren ein Paar – oft gemeinsam auf der Bühne: zum einen mit

anfänglichen „Riesenehrfurcht“ vor ihnen, so Theresa, wurde

der Vokalformation five_line, mit der sie an der Landesakademie

ein fachlich für beide Seiten konstruktives Miteinander.

für die musizierende Jugend in Baden-Württemberg in Ochsen-

Dozenten blieben Dozenten, wurden aber auch zu Kollegen:

hausen in diesem Jahr zum dritten Mal Gesangsworkshops mit

„Schließlich kochen sie auch nur mit Wasser.“ Theresa Winterer

Jugendlichen leiten, und als das Duo Winterer & Fox. Als letzteres

und Benedikt Fox scheinen bestens präpariert zu sein, um aus

präsentieren sie ein Chanson-Programm, in dem man sie meist

ihren Begabungen das Beste zu machen. An einer wichtigen

als nachdenklich-missmutige Emanze, ihn als männlichen und

Begabung aber müssen sie fortan jedoch ohne Dozenten feilen:

doch kindlichen Gegenpart erleben kann. Warum sie so gut

herauszufinden, welcher Weg für sie der beste ist. bjh

zusammenarbeiten können? „Vielleicht, weil wir von der Ausbildung in der Hochschule eben ähnlich geprägt sind", vermuten sie. Szenischer Unterricht, Sprecherziehung, Arrangieren, Leitungs-

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F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

Die polnische Pianistin Paulina Lopaciuch studierte im Rahmen des ERASMUSAustausch-Programms an der Frankfurter Hochschule

MIT DEUTSCHER FREIHEIT ZUM CRESCENDO D

eutschland ist der beste Platz für Musiker.“ So hat Paulina

Lopacuich ihr Gastland im Laufe von zwei Semestern erlebt. Als

Professorin daheim und Bernhard Wetz in Frankfurt ihr vermitteln, ergänze sich eher, als dass es einander widerspreche.

sie in der Hochschule an einem Klavierabend eine Mozart-Sonate zum Besten gab, war der Große Saal zu ihrem Erstaunen gut

Auch jenseits ihres Studiums an der HfMDK hatte sich Paulina

gefüllt – „die Menschen geben einem natürlich Energie beim

in Frankfurt bestens eingelebt: Mit einem Studium für Angewandte

Spielen.“ Von ihrer polnischen Heimat ist sie derartigen Klassik-

Linguistik in Deutsch und Englisch in der Tasche, fiel ihr der

Enthusiasmus nicht gewohnt. Dafür aber einen starken Konkurrenz-

deutsche Alltag natürlich besonders leicht. Um Geld zu verdienen,

druck unter den Studierenden in Polen, den sie während ihrer

arbeitete sie als Betreuerin in einem nahegelegenen Senioren-

beiden ERASMUS-Aufenthalte an der Frankfurter Hochschule

heim, ging mit den Bewohnern spazieren, las ihnen vor. Und

so gar nicht empfunden hat. „In Frankfurt habe ich mich besser

entdeckte schnell das hauseigene Klavier dort, wo sie üben konnte

gefühlt, wenn ich vor Kommilitonen vorgespielt habe.“ Und freier:

und schließlich auch Konzerte für die Bewohner gab. „Ich hatte

Für die Art, Chopin zu spielen, gebe es in Polen „ein Muster, und

im Seniorenheim eigentlich nicht das Gefühl, dass ich arbeite.

alle müssen so spielen“, sagt sie; „das hat sich unter anderem

Die Menschen waren sehr lieb.“ Sie dürften Paulina nun ebenso

beim Chopin-Wettbewerb in Warschau gezeigt.“ Überhaupt zum

vermissen wie so mancher Teilnehmer von Fitness-Kursen eines

Umgang mit individuellen Freiheiten beim Musizieren motivierte

Frankfurter Studios, wo Paulina als Trainerin für Bauch, Rücken

sie ihr Frankfurter Klavierprofessor Bernhard Wetz: „Wenn in

und body pump polnisches Temperament versprühte. Von letz-

den Noten kein Crescendo steht, ich aber eines machen möchte,

terem ist sie jetzt wieder rundum umgeben. Mit dem letzten

ist es hier erlaubt – das kenne ich so von Polen nicht.“ Mit ihrer

Wintersemester ging auch ihr Aufenthalt in Deutschland zu Ende.

polnischen Professorin an der Ignacy-Jan-Paderewski-Musik-

Klar war sie traurig, als sie im Februar die Koffer packte. Aber

akademie Posen war und ist sie durchaus sehr zufrieden. Doch

auch glücklich, ihre Familie wiederzusehen und wieder in die

sie ahnte zurecht, dass ein Auslandsemester ihren menschlichen

polnische Mentalität einzutauchen. Denn die sei insgesamt

wie künstlerischen Horizont bereichern würde. Ihr Fazit nach

offener als die der Deutschen. Ihre Rückkehr nach Posen dürfte

zwei Auslandssemestern in Deutschland: „Ich habe mich hier

sie schon würdig gefeiert haben – bei Partys in Polen geht es

sehr weiterentwickelt, das spüre ich jetzt schon.“ Das, was ihre

laut Paulina jedenfalls deutlich ausgelassener zu. bjh

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Unterrichten ist Kunst

UNTERRICHTEN ALS KUNST Katharina Deserno ist seit einem Jahr Professorin für Instrumentalpädagogik

W

as kann angehenden Instrumentalpädagogen und

Instrumentalkünstlern Besseres passieren, als einer charismatischen Persönlichkeit zu begegnen, die hohe künstlerische Reife und Kompetenz im Unterrichten authentisch verkörpert? Die Cellistin Prof. Dr. Katharina Deserno ist und hat beides und mit der HfMDK-Professur für Instrumentalpädagogik die Plattform gefunden, ihr Selbstverständnis der Einheit von InstrumentalFoto: Horst Schmeck

kunst und Instrumentalpädagogik vorbildhaft zu vermitteln. Es ist zu erkennen, dass die gebürtige Frankfurterin damit in direkter „Erbfolge“ zu Gerhard Mantel steht, jenem 2012 verstorbenen Professor für Violoncello an der Frankfurter Hochschule, dessen Jungstudentin sie einst war und dessen pädagogische und

stücken in der ersten Lage für junge Cellistinnen und Cellisten,

didaktische Ansätze wegweisend für die Instrumentalpädagogik

die Katharina Deserno bei Schott Music veröffentlichte, war

überhaupt wurden.

lange Zeit ein Noten-Top-Seller.

Nach der Zeit als Jungstudentin an der HfMDK begann Katharina

Weitere Studien der Musikwissenschaft und der Instrumental-

Deserno ihre künstlerische Ausbildung an der Kölner Musik-

pädagogik führten zu einer Promotion, die sie 2014 mit „summa

hochschule bei Maria Kliegel, wo sie ihr künstlerisches Diplom

cum laude“ abschloss, ihr Buch über Cellistinnen und die Wand-

sowie ihr Konzertexamen absolvierte. Ein Auslandsjahr am CNSM

lungsprozesse in der Instrumentalkunst wird im Böhlau-Verlag

in Paris bei Philippe Muller machte sie mit der französischen

2016 erscheinen.

Bogentechnik vertraut, ein Praktikum im WDR Sinfonieorchester Köln hat sie als „wunderbare Zeit“ in Erinnerung. Doch dass

Verschiedene musikpädagogische und musikwissenschaftliche

Katharina Desernos Berufsweg nicht im Orchester enden würde,

Publikationen prägen ihren beruflichen Werdegang ebenso wie

zeichnete sich spätestens ab, als sie Assistentin von Prof. Maria

ihre nun 13-jährige Konzerttätigkeit mit dem Pianisten Nenad

Kliegel wurde, die die pädagogische Begabung ihrer Studentin

Lecic. Mit ihm nahm sie ihre mittlerweile dritte CD mit Werken

längst erkannt hatte.

von Sergej Rachmaninoff und Alexander Gretchaninoff auf, die gerade beim Label Kaleidos erschienen ist. Auf zwei vorher-

2008 begann sie als eine der jüngsten Lehrenden an der

gehenden CDs präsentierte Katharina Deserno Werke von Clara

Hochschule für Musik und Tanz Köln eine Violoncelloklasse zu

Schumann, Fanny Mendelssohn, Rebecca Clarke, Oxana Omelchuk,

unterrichten, mittlerweile sind viele ihrer Studierenden Preis-

Konrad Lang, Ludwig van Beethoven u. a. Beide Einspielungen

träger internationaler und nationaler Wettbewerbe. Zusätzlich

enthalten Weltersteinspielungen und wurden von der Presse

kam sie als Cellolehrerin an der Rheinischen Musikschule mit

vielfach gelobt.

allen Alters- und Qualitätsstufen im Cellospiel in Kontakt, was nicht zuletzt zu einer erfolgreichen Publikation führte: „Mein

Als Professorin für Instrumentalpädagogik vermittelt Katharina

erstes Konzert“, eine pädagogische Sammlung von Konzert-

Deserno das Selbstverständnis, dass gelingende Instrumental-

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F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

pädagogik fraglos eine Form künstlerischer Identität darstellt. Nach einem Jahr auf dieser Stelle beweist sie mehr und mehr, dass sich ihre drei Kompetenzbereiche – künstlerisches Spiel, pädagogisches Arbeiten und wissenschaftliches Forschen – gegenseitig inspirieren und befördern. Ihre Seminare sind Ausdruck ihres pädagogischen Credos, im Unterricht nicht etwa allein Korrekturen an Menschen und Musik vornehmen zu wollen, sondern die vorhandenen Fähigkeiten der Lernenden zu erweitern und deren Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten am Instrument und mit der Musik zu stärken – detailliert, aber mit Anerkennung – vor allem jedoch: spürbar überzeugt von der Fähigkeit der Lernenden.

Eva Maria Pollerus ist Professorin für Cembalo- und Generalbass-Spiel an der HfMDK

Im Rahmen ihrer Professur baut Katharina Deserno auch Netzwerke auf und strebt Synergieeffekte an. Mit der Elisabethenschule initiierte sie eine Kooperation, von der Gymnasiasten und Studierende gleichermaßen profitieren. Letztere konnten sich jüngst im Wintersemester als Leiter von jungen Instrumentalensembles ausprobieren, Sechstklässler in die Grundlagen des kammermusikalischen und orchestralen Musizierens einführen

JE DIFFERE MEIN VERS

und dabei ihre eigenen pädagogischen Kompetenzen erproben. Aus dieser Schul-Hochschul-Kooperation entstand wiederum ein

AUTHEN M

„Instrumenten-Paten-Programm“, das Jugendlichen Instrumentalunterricht bei Studierenden ermöglicht. Diese wiederum profitieren davon, indem sie mit den Gymnasiasten ihre Lehrproben veranstalten können. Im Jahr 2015 hat Katharina Deserno außerdem von Prof. Christopher Brandt die künstlerische Koordination der Frankfurter

A

ls junge Pianistin – schon mit 14 war sie Klavierstudentin

Sektion von „Live Music Now“ übernommen, bei der Studierende

an der Musikhochschule in Graz – begeisterte sie sich zunächst

als Stipendiaten an ungewöhnlichen Orten für besondere Zuhörer-

vor allem für romantisches Klavier- und Lied-Repertoire, das

gruppen Konzerte geben (siehe auch der Beitrag auf Seite 51

sie mit ihrer singenden Schwester rauf und runter spielte. Das

dieser Ausgabe).

Madrigalensemble ihres Musikgymnasiums öffnete bei ihr dann eine Tür, die sich nie wieder schließen ließ: die Tür zur Welt der

Katharina Desernos persönliche „Energiebilanz“ bei alldem

Musik vor Bach. Mit 16 Jahren „verliebte“ sie sich endgültig in

bestärkt sie in ihrem Tun: „In der Beschäftigung mit Musik und

das Cembalo und dessen Repertoire – es überwucherte ihre

deren Vermittlung habe ich immer gefühlt, dass ich mindestens

pianistische Leidenschaft schnell: „Da war ein für mich ganz

genauso viel zurückbekomme wie ich gebe.“ bjh

neuer Kosmos an Musik – ich liebe bis heute besonders die unglaubliche Vielfalt des Cembalos und die Möglichkeiten und Herausforderungen, die mir die historischen Tasteninstrumente

Die Antrittsvorlesung von Katharina Deserno ist für Samstag,

bieten.“

11. Juni, um 17 Uhr im Kleinen Saal geplant. Am 1. November gibt sie um 19.30 Uhr im Großen Saal der HfMDK ihr Antritts-

Seit 2013 ist Eva Maria Pollerus Professorin für Cembalo- und

konzert. Weitere Informationen finden Sie auf der Website von

Generalbass-Spiel an der HfMDK. Mit ihr, die für eine Cembalistin

Katharina Deserno: www.katharinadeserno.de

ungewöhnlich viel als Solistin tätig ist, hielt in der Abteilung der

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J e d i f f e r e n z i e r t e r m e i n Ve r s t ä n d n i s , d e s t o a u t h e n t i s c h e r m e i n S p i e l

Eva Maria Pollerus und Jesper Christensen bei der Anspielprobe vor einem Konzert.

In diesem Sinne hat Eva Maria Pollerus eine Cembaloklasse aufgebaut, deren Studierende bereits in mehreren Profiproduktionen auch außerhalb der Hochschule involviert sind und sich weit über den Eifer des Creditpoint-Sammelns hinaus engagieren. Die HIP-Abteilung der Hochschule bezeichnet sie als „eine Abteilung von wunderbaren Musikern und Teamplayern, bei denen man mit jedem Atemzug spürt, dass sie die gemeinsame Arbeit an der Musik wirklich tief lieben.“ Die individuelle Förderung stehe hier – ganz in ihrem Sinne – im Vordergrund. Die Diversität von fachlichen Meinungen in der Kollegenschaft

ENZIERTER STÄNDNIS, DESTO NTISCHER MEIN SPIEL

erlebt sie im Miteinander – gerade auch in den Begegnungen mit den anderen Fachbereichen – als „von Respekt getragene gelebte Durchlässigkeit". Eine beglückende Beobachtung über ihre Arbeit als Teilzeitprofessorin ist: „Ich habe das Gefühl, dass diese Abteilung und meine Studierenden hier genau das suchen, was ich persönlich auch geben möchte und kann.“ Für den Bereich des romantischen Hammerklavier-Spiels hat sie sich in der Lehre inzwischen prominente Verstärkung geholt: Mit ihrem Mann und Vater ihres neunjährigen Sohns Valentin hat zwischenzeitlich der in der Fachwelt hochgerühmte Professor für Generalbass und historische Tasteninstrumente, Jesper Christensen, nach 30 Jahren Unterrichtstätigkeit an der Schola Cantorum Basiliensis nun an der HfMDK einen Lehrauftrag für Hammerklavier angenommen. Christensen gilt u. a. als Erster,

Historischen Interpretationspraxis das radikale und konse-

der intensive Forschungen im Generalbass-Spiel einerseits und

quente Selbstverständnis Einzug, dass es als Cembalist „lebens-

zur romanischen Aufführungspraxis auf der Basis historischer

notwendig ist, ein hervorragender Generalbass-Spieler zu sein“,

Tondokumente andererseits betrieben hat und dessen Ansatz

wie sie selbst ihre Mission formuliert: „Ohne Generalbass gibt

wegweisend ist. Die Familie verlegt im Lauf des Sommer-

es kaum Kammermusik im Barock. Und nicht umsonst ist der

semesters auch ihren gemeinsamen Lebensmittelpunkt nach

Generalbass laut J. S. Bach das vollkommste Fundament der

Frankfurt.

Music.“ Heißt in ihrem Verständnis eben auch, zwischen den Zeilen lesen zu lernen, und zwar in aller Differenziertheit von

Vor ihrer Ankunft in Frankfurt war Eva Maria Pollerus sechs

chronologischen, National- und Personalstilen, die die Musikge-

Jahre lang Professorin für Cembalo und Aufführungspraxis an

schichte zu bieten hat. Fragen von Stimmvielfalt, Stimmführung,

der Kunstuniversität Graz und damit zugleich Leiterin des

Kontrapunktik, Verzierungen, Brechungen und Relationen zur

Instituts für Alte Musik und Aufführungspraxis. Wie es ihre

Solostimme sind nur einige jener Parameter, die offenbaren,

jetzige Teilzeitprofessur zulässt, konzertiert sie als Solistin und

dass sich im Generalbass-Spiel die Horizonte dann öffnen,

Basso continuo-Spielerin mit ihrem Ensemble „Musicke`s

wenn die „Vokabeln“ sitzen. „Ich werde immer authentischer im

Pleasure Garden“ sowie als Gast mehrerer renommierter

Spiel, je mehr ich die Musik in ihrer Differenziertheit verstehe“,

Ensembles. Ihre Liebe zum Unterrichten kann dies freilich nicht

erklärt Eva Maria Pollerus. Demnach ist wissenschaftliches

relativieren. Eva Maria Pollerus selbst: „Es reizt mich nach wie

Quellenstudium für sie keine Reglementierung zum Selbstzweck,

vor enorm, Menschen dabei zu begleiten, ihre optimalen

sondern der Weg zu größerem Musizier-Reichtum.

Möglichkeiten zu entdecken und auszuleben.“ bjh

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F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

RECHT EIGENTLICH FREI – ERINNERUNGEN AN MEINEN LEHRER PETER CAHN †

Von Prof. Dr. Wolfgang Lessing

Die Hochschule trauert um ihren emeritierten Professor Dr. Peter Cahn, der am 29. Januar 2016 im Alter von 88 Jahren

I

ch erlebte Peter Cahn zum ersten Mal 1987. Musikgeschichte

für Schulmusiker stand auf dem Programm – nicht gerade ein

verstorben ist. Von 1982 bis 1996 lehrte er als Professor für

Fach, das jungen Erstsemestern wie mir ein Highlight auf unserem

Musikwissenschaft an der HfMDK Frankfurt am Main, die ihm

Stundenplan zu sein schien; der Raum war gerammelt voll. Ich

im Jahr 2011 zu ihrem Ehrensenator ernannte. Als ihm der

weiß noch, dass Peter Cahns eher leise Stimme sich nicht so recht

Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann im November

gegen die Grundunruhe, die im Raum herrschte, durchsetzen

2013 die Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt verlieh, umschrieb

konnte, und mir schien auch, dass er es gar nicht erst versuchte.

er Peter Cahn als „das musikalische Gewissen Frankfurts“.

Das geschah jedoch nicht aus Desinteresse uns Studierenden

Wolfgang Lessing, Professor für Musikpädagogik und Allgemeine

gegenüber und erst recht nicht aus der Resignation eines Musik-

Instrumentaldidaktik an der Hochschule für Musik Carl Maria

wissenschaftlers heraus, zu dessen Aufgaben es nun einmal

von Weber Dresden, studierte und promovierte bei Peter Cahn

gehört, einen allseits als unattraktiv verschrienen Stoff unter die

und blickt nachfolgend auf seinen Doktorvater zurück.

Leute zu bringen. Es war eher die Gleichmut eines Enthusiasten, der für die Sache brennt und es nicht für seine primäre Aufgabe hält, sie hochschuldidaktisch so mundgerecht aufzuarbeiten, dass jeder Erstsemester am Ende der Vorlesung über einen zuvor genau definierten Wissenszuwachs verfügt. Was ich damals rudimentär spürte, verdichtete sich später, als ich ihn besser kennenlernte, zur Gewissheit: Peter Cahns Vorlesungsstil war der einer stillen Einladung. Obgleich stets freundlich und nie am

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Recht eigentlich frei Studenten vorbei, rechnete er doch mit der Bereitschaft, sich

durchaus verschlungenen Anläufen immer wieder näherte. Dass

aus eigenem Antrieb auf die jeweils im Zentrum stehende

es bei Anläufen blieb, gehörte dazu. Der Gedanke, ein Werk

Thematik einzulassen. Wer das nicht tat, wurde weder abgekan-

„erschöpfend“ analysieren zu können, ihm mit intellektuellem

zelt noch gemaßregelt, doch es wurden auch keine didaktischen

Scharfsinn noch genauer auf die Schliche zu kommen als

Verrenkungen unternommen, daran etwas zu ändern. Für den,

andere zuvor, war ihm suspekt. Sich nicht festzulegen, war

der sich darauf einließ – und das waren in unserem Jahrgang

keine Schwäche, sondern Garant einer geistigen Unabhängig-

nicht wenige –, für den waren Peter Cahns Vorlesungen bald

keit, die sich vor niemandes Karren spannen ließ. Ganz im Stil

Orte einer unspektakulären Faszination. Unspektakulär, weil hier

eines heute nahezu ausgestorbenen Privatgelehrtentums, bei

kein blendender Rhetoriker seinen Zauberkasten öffnete. Und

dem auch der größte Ernst immer den Aspekt der Liebhaberei

Faszination, weil sich hier buchstäblich Welten öffneten, von

enthält, überließ er sich ganz seinen Neigungen und Interessen –

deren Existenz man zuvor noch keinerlei Ahnung gehabt hatte.

und weil es derer so viele gab, hatte man niemals das Gefühl,

Wir spürten, dass es um Entscheidendes ging – um Horizonte,

dass hier jemand einfach nur sein Steckenpferd reitet. Ob er

ohne die unsere Praxis als Musiker unvollständig geblieben wäre.

sich dabei politisch korrekt verhielt oder nicht, war ihm wohl

Und das führte dazu, dass man sich schon bald dringend wün-

ziemlich egal: Dass er als Halbjude, der 1943 vom Lessing-

schte, Peter Cahn möge an dieser Praxis teilhaben. Es passiert

Gymnasium geworfen wurde, der im letzten Kriegsjahr in einem

vermutlich nicht allzu oft, dass ein Professor für Musikwissen-

Strafgefangenenlager zusammen mit russischen Soldaten

schaft am Ende der Vorlesung von Studenten zu einer Musizier-

Steine wuchten musste und dessen Vater den Schrecken von

stunde oder einem Vortragsabend eingeladen wird: „Kommen

Buchenwald überlebte und dass er sich immer wieder für die

Sie zu unserem Klassenvorspiel? Ich spiele César Franck; mich

Musik Hans Pfitzners begeistern konnte, haben viele (mich ein-

interessiert, was Sie darüber denken.“ Lange bevor Bologna die

geschlossen) nicht so recht verstehen können. Doch wer erlebte,

Modularisierung erfand, in der Fachinhalte nicht säulenmäßig

wie er am Klavier dessen Lieder spielte und einem dabei zeigte,

nebeneinander, sondern eng aufeinander bezogen vermittelt

in welchem Maße die engen Lagen des Klaviersatzes zum

werden sollen, praktizierte Peter Cahn einen Lehrstil, der

unverwechselbaren Klangbild dieser Musik beitrug, der begriff,

vieles aufgriff und bündelte, was sonst fein säuberlich getrennt

dass er es hier mit jemandem zu tun hatte, für den Musik eine

vermittelt wurde. In seinen Vorlesungen überkreuzten sich

Sphäre darstellte, die sich nicht durch Außermusikalisches

philologische Aspekte, handfeste musiktheoretische Analysen,

vereinnahmen ließ.

allgemein historische Fakten und ein uns damals schier unerschöpfliches kulturgeschichtliches Wissen.

Ähnliches gilt auch für sein Komponieren, das zu keinem Zeitpunkt irgendwelchen Trends folgte und das – ich gestehe es –

Dass diese vielen Stränge nicht beziehungslos nebeneinander

mir lange Zeit etwas „old fashioned“ vorkam. Dass Peter Cahn

standen, sondern immer wieder zu einer faszinierenden Einheit

bereits in den fünfziger Jahren nicht bereit war, dem Serialis-

verwoben wurden, mag auch damit zusammenhängen, dass

mus zu huldigen und an einer durch Paul Hindemith geprägten

Peter Cahn als Wissenschaftler, Künstler und Mensch schwer

Tonsprache festhielt, hat wohl dazu geführt, dass man ihn lange

festzulegen war. Wer war er? Musikhistoriker, Tonsatzlehrer,

Jahre als Komponist nicht so recht ernst nehmen zu müssen

Musiktheoretiker, Komponist oder Altphilologe? Ich vermute,

glaubte. Dabei zeigen die vermehrten Aufführungen seiner

dass er es selbst mitunter nicht wusste, vielleicht sogar nicht

Werke in den letzten Jahren, dass hier alles andere als ein

wissen wollte. Denn indem er sich nicht festlegte, konnte er

blutleerer Traditionalist am Werk war. Im Gegenteil, mir

ungehindert Themenstränge verknüpfen, verdichten und auch

will scheinen, dass die Liebhaberei, aus der heraus er seine

wieder auflösen, um sich plötzlich mit Akribie dem Gegenstand

Partituren schrieb, ihm Freiheitsmomente bescherte, die die

aus einer bestimmten Warte zu nähern. Dass er sich nicht fest-

traditionellen Wurzeln regelrecht transzendierten. Dass sich

legte, eröffnete ihm eine innere Freiheit, die wir damals wohl

in Werken wie seinem Streichtrio plötzlich Momente einer

instinktiv spürten und von der eine eigentümliche Attraktivität

aufregenden Klanglichkeit finden, deren Herkunft sicher nicht

ausging. Dieser Freiheit ist es wohl auch geschuldet, dass er

dem Einfluss seines Lehrers Kurt Hessenberg entsprang, zeigt

generellen Theoriedebatten eher aus dem Weg ging. Im Zentrum

eindrucksvoll, welche unerwarteten Wege ein Mensch zurück-

seines Denkens stand immer das einmalige und konkrete

legen kann, der zu keinem Zeitpunkt bereit ist, seine eigenen

musikalische Kunstwerk, dem er sich in vielen, bisweilen auch

Interessen vermuteten Mehrheitsmeinungen zu opfern.

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F r a n k f u r t i n T a k t 16 /1 – S t u d i e r e n d e

ERFOLGE UNSERER STUDIERENDEN – EINE AUSWAHL Das Ensemble „Il Quadro Animato“

Philippe Schwarz, Posaune (Klasse Prof.

Felix Eberle, Fagott (ehemals Klasse Prof.

hat den ersten Preis (ex aequo mit dem

Oliver Siefert), hat nach erfolgreichem

Henrik Rabien), gewann das Probespiel

„Duo Alter Klang“) beim Selifa-Wettbewerb

Probespiel die Stelle des Soloposaunisten

für Solofagott (Festanstellung) im WDR

für Alte Musik in San Ginesio in Italien

am Stadttheater Gießen.

Funkhausorchester Köln.

Norwin Hahn, Posaune (Klasse Prof.

Mariana Paras Pena, Fagott (ehemals

Karl Kaiser), Emanuele Breda, Barockgeige

Oliver Siefert), hat das Probespiel für

Klasse Prof. Henrik Rabien), erhielt nach

(Alumnus Klasse Prof. Petra Müllejans),

die stellv. Soloposaune an der deutschen

absolviertem Probespiel die Solo-Fagott-

Francesca Venturi, Barockviola (Klasse

Oper am Rhein gewonnen.

Stelle im Oaxaca Sinfonie Orchester,

gewonnen. Das Ensemble besteht aus Lorenzo Gabriele, Traversflöte (Klasse Prof.

Mexico.

Prof. Petra Müllejans und Klasse Prof. Mechthild Karkow), Isabel Walter, Barock-

Sarah Hiller, Klavier, und Florian Streich,

cello (Klasse Prof. Kristin von der Goltz),

Violoncello, haben beim „Liszt-Garrison“

Esther Dierkes, Sopran (Klasse Prof.

und Flora Fabri, Cembalo (Korrepetitorin

Wettbewerb in Baltimore, USA, den zweiten

Hedwig Fassbender), und Josy Santos,

an der HfMDK).

Preis gewonnen. Außerdem wurden sie

Mezzosopran (Klasse Prof. Ursula Targler-

mit zwei weiteren Preisen ausgezeichnet:

Sell), sind im Opernstudio des Staats-

Martin Gierden, Trompete (Klasse

dem Preis für die beste Interpretation eines

theaters Stuttgart engagiert.

Prof. Klaus Schuhwerk), hat das Probe-

Werkes von Franz Liszt und dem Sonder-

spiel für die Solotrompete an der Oper

preis für die beste Interpretation eines

Ella van Poucke, die im Solisten-Studien-

Frankfurt gewonnen.

Werkes eines amerikanischen Komponisten.

gang Kronberg Academy Bachelor Cello an der HfMDK und der Kronberg Academy

Peter Kett, Trompete (Klasse Prof.

Roldon Brown, Flöte (Klasse Thaddeus

studiert, hat den internationalen Cello-Wett-

Klaus Schuhwerk), hat das Probespiel

Watson), hat die Stelle des Soloflötisten

bewerb ISANGYUN Competition 2015 und

für die stellvertretende Solotrompete

des Jordanischen National-Orchesters

somit 30.000 Euro Preisgeld gewonnen.

bei den Bergischen Symphonikern

zugesprochen bekommen.

Remscheid-Solingen gewonnen. Lara Boschkor, Violine (Klasse Prof. Erik Schumann), gewann den ersten Preis beim „Königin Sophie Charlotte, Internationaler Wettbewerb für Violine“.

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