O-Töne 14. Jahrgang | Nr. 2 | Mai 2016
Ein Wort vorweg Vor zehn Jahren hätte sich noch niemand vorstellen können, dass es einmal ein Projekt geben wird, das alle wichtigen Frankfurter Musikinstitutionen vereint – vom Ensemble Modern bis zur Frankfurter Musikwerkstatt, von der Alten Oper bis zur Musikschule Frankfurt, von der hr-Bigband bis zur Hochschule für Musik und Darstellende Kunst. Doch was vor zehn Jahren mit der Idee begann, allen Frankfurter Kindern einen Tag lang Zugang zu klassischer Musik – live und auf höchstem künstlerischen Niveau präsentiert – zu ermöglichen, hat sich zu einem deutschlandweit einzigartigen Format entwickelt. Fast 4000 Frankfurter Schülerinnen und Schüler werden in Konzerten, Probenbesuchen und Workshops von 400 Studierenden und Profis einen Monat lang bespielt, besungen, unterrichtet und gecoacht, und ich bin sehr stolz darauf, dass der Impuls zur Gründung des „MusikMonatMai!“ vor zehn Jahren von der HfMDK ausging und unsere Hochschule noch heute die organisatorische und konzeptionelle Federführung bei diesem Projekt hat und nach wie vor einen großen Teil der angebotenen Veranstaltungen beisteuert. Denn nicht nur die Kinder profitieren: Für unsere Studierenden ist der Mai jedesmal eine gute Gelegenheit, die eigenen Vermittlungskompetenzen zu überprüfen und die gesellschaftliche Relevanz des eigenen Tuns zu reflektieren. Die „Teilhabe aller Menschen an den Künsten“, die im Leitbild der HfMDK zu verankern uns ein großes Anliegen war: Hier wird sie klingende Realität. Noch immer gibt es in vielen Köpfen die unglückliche Unterscheidung zwischen dem seinem Kunstschaffen verpflichteten, autonomen Kreativen und dem engagierten Vermittler und Pädagogen – diese Schranke niederzureißen und unsere Kunst, in der wir höchste Qualität und Exzellenz anstreben, kompromisslos und kompetent unters Volk zu bringen, sollte unser vornehmstes und wichtigstes Ziel sein. In diesem Sinne frohes Schaffen wünscht Ihr Prof. Christopher Brandt, Präsident der HfMDK
Zehnte Staffel von „MusikMonatMai!“ für 3.500 SchülerInnen
400 Künstler sind beteiligt Zum zehnten Mal sorgt „MusikMonatMai!“ dafür, dass Frankfurter Kinder hautnah mit professionellen Musikern in Kontakt kommen, Konzerte erleben, Instrumente ausprobieren dürfen und selbst zu musikalischen Akteuren werden.
dienrepertoire der Instrumentalisten. Eine Überforderung für die jungen Hörer? Katharina Deserno verneint diese Befürchtung: „Das Konzept dieser Art von Konzertpädagogik basiert für mich nicht darin, sich im musikalischen Anspruch oder in der Auswahl der Werke zu reduzieren, sondern vielmehr, das Erklingende kommunikativ, ansprechend sowie pädagogisch angemessen zu präsentieren und zu vermitteln und dabei die Neugier und Offenheit der Kinder anzusprechen und zu stärken.“
Rund 400 Künstler stellen in diesem Jahr über 3.500 Frankfurter Schülerinnen und Schülern ihr Können zur Verfügung, um die jungen Menschen für Musik zu begeistern. Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann überzeugte sich persönlich von dem „MusikMonatMai!“ setzt sich in dieseit Jahren gut funktionierenden sem Jahr aus über 50 Einzelprojekten Konzept, als er zur Pressepräsentation zusammen. Alle großen Musikinstitutivon „MusikMonatMai!“ die Hochschule onen Frankfurts sind besuchte. Studierenbeteiligt, darunter de von Dr. Katharina zahlreiche Lehrende Deserno, Professound Studierende der rin für InstrumenHfMDK, die zugleich talpädagogik an der als Initiatorin funHfMDK, hatten ein giert. Die HfMDKdreiviertelstündiges Absolventin Theresa Konzert vorbereitet, Winterer koordiniert das im Mix aus das Großprojekt, Musik und informazu dem auch der tiver Moderation 1822-Musikwettbealtersgemäße Brüwerb für Schulen cken zum Publikum gehört. Er steht in schlug, das aus diesem Jahr unter Drittklässlern der Frankfurts Oberbürgermeister Peter dem Motto „FrankBerthold-Otto-Schu- Feldmann überzeugte sich an der HfMDK le Frankfurt bestand persönlich von der nun zehnjährigen Erfolgs- furt klingt...in allen geschichte von „MusikMonatMai!“, hier im Farben!“, dessen (Fotos oben). Für Gespräch mit Prof. Christopher Brandt, dem Preisträgerkonzert die Studierenden geschäftsführenden Präsidenten der HfMDK. am Montag, 23. Mai, bedeutete das um 18 Uhr in Dr. Gesprächskonzert Hoch`s Konservatorium stattfindet. eine Herausforderung auf mehreren Ebenen: Neben dem eigentlichen MusiGefördert wird „MusikMonatMai!“ von zieren schult es sie in weiteren Kompeder Stiftung der Frankfurter Sparkasse, tenzen wie pädagogische Vermittlung der Sparkassen-Kulturstiftung Hessenund bühnengerechte Präsentation. Die Thüringen und der Frankfurter Allgeausgesuchten Kompositionen stammmeinen Zeitung/Rhein-Main-Zeitung. ten übrigens aus dem „normalen“ Stu-
O-Töne 14. Jahrgang | Nr. 2 | Mai 2016 Der kommissarische Präsident Prof. Christopher Brandt kennt die Hochschule seit über 25 Jahren
Innensicht aus drei Perspektiven Mit Prof. Christopher Brandt hat ein Künstler und Pädagoge das Büro des Hochschulpräsidenten bezogen, der nach dem Abschied von Thomas Rietschel in vielen Bereichen nahtlos an die Bearbeitung der großen Themen anknüpfen kann, die die HfMDK jenseits der nun aktuell anstehenden Neubesetzung des Präsidentenpostens beschäftigen. Gleich in dreierlei Hinsicht verfügt der 47-Jährige über eine „Innensicht“ der Hochschule, die für die Übergangszeit bis zum Amtsantritt eines vom erweiterten Senat gewählten neuen Präsidenten kaum günstiger sein könnte: Christopher Brandt kennt das Haus noch als Student der Schulmusik und der Künstlerischen Ausbildung im Fach Gitarre, unterrichtete hier mehrere Jahre als Lehrbeauftragter und wurde schließlich Inhaber der Professur für Gitarre. Sowohl seine jahrzehntelange Unterrichtserfahrung als auch seine intensive Konzerttätigkeit qualifizierten ihn, dem HfMDK-Ausbildungsbereich Instrumentalpädagogik als Ausbildungsdirektor vorzustehen. Schließlich wählte ihn der Hochschulsenat im Jahr 2014 zu einem der beiden Vize-Präsidenten an der Seite von Thomas Rietschel. Somit galt er als bestens eingearbeitet, als er nach der erfolglosen Wahl eines neuen Hochschulpräsidenten im Dezember vergangenen Jahres dem „strukturellen Automatismus“ folgte – so formuliert er es selbst –, übergangsweise, eben bis ein für eine sechsjährige Amtszeit gewählter Nachfolger von Thomas Rietschel feststeht, als kommissarischer Präsident zu fungieren. Seine Lehrtätigkeit hat Christopher Brandt für die Zeit seiner Interims-Präsidentschaft weitestgehend an David Kvaratskhelia abgegeben, der nun die Gitarrenklasse der Hochschule betreut. Er schätzt das Gespräch mit seinen Kollegen Derweil intensiviert Brandt neben dem präsidialen Alltag auf administrativer Ebene auch jene Tätigkeiten, die bereits als Vize-Präsident zu seinen großen Themen gehörten: die Systemakkreditierung sowie die Neustrukturierung einiger Studiengänge am Haus. Die sollen nach einer mehrjährigen Phase des Erfahrungsammelns im Rahmen der Bologna-Reform an die Bedürfnisse und Notwendigkeiten, die sich in den letzten Jahren offenbart haben, angepasst werden. Dabei sieht sich Christopher Brandt als ein Präsident, „der sich selbst inhaltlich intensiv mit den Kollegen ins Gespräch begeben will“, um den Umbau von Studiengängen ganz im Sinne eines optimal berufsvorbereitenden Studiums voranzubringen. Bachelor- und Masterstudiengänge bieten seiner Beobachtung nach die Gefahr, die Studierenden in ein einengendes Korsett zu pressen, das bei „sehr enger Taktung“ von Fächern und einer „verschulten“ Ausprägung des Curriculums
Seit 2014 Vize-Präsident, seit 1. Mai 2016 geschäftsführender Präsident der HfMDK Frankfurt am Main: Wo Christopher Brandt jetzt in leitender Funktion ist, studierte der Musiker Schulmusik und Gitarre und lernte die Realität als Lehrbeauftragter kennen. Jetzt ist er Professor für Gitarre.
Christopher Brandt, 47, studierte an der HfMDK Frankfurt am Main zunächst gymnasiales Lehramt für Musik und Gitarre im Rahmen des Studiengangs „Künstlerische Ausbildung“ bei Prof. Michael Teuchert. Zudem studierte er Germanistik an der Goethe-Universität Frankfurt. Musiktheoretische Studien betrieb er bei Dr. Jürgen Blume und erweiterte sein Spektrum mit E-Gitarrenunterricht bei Prof. Michael Sagmeister. Schließlich absolvierte er ein Konzertexamensstudium bei Prof. Jürgen Ruck an der Musikhochschule Würzburg und ein Kompositionsstudium bei Toni Völker an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt. Christopher Brandt konzertiert regelmäßig mit führenden Ensembles der zeitgenössischen Musik, darunter das Ensemble Modern, das Klangforum Wien, die Musikfabrik NRW, die Radiosinfonieorchester Frankfurt, Saarbrücken und Berlin, Concerto
Köln und die Bochumer Sinfoniker. Ur- und Erstaufführungen musizierte er mit Werken von Olga Neuwirth, Wolfgang Rihm, Frank Zappa, Helmut Oehring, Moritz Eggert, Clemens Gadenstädter, Helmut Lachenmann und anderen, unter anderem bei den Berliner Festwochen, den Wiener Festwochen, dem New Yorker Lincoln Center Festival, der RuhrTriennale und den Dresdner Tagen für Zeitgenössische Musik. Sein kompositorisches Schaffen umfasst alle Gattungen. Darüber hinaus engagierte er sich als Musikalischer Leiter, Komponist und Bühnenmusiker für das Staatstheater Kassel, das Badische Staatstheater Karlsruhe und das Schauspiel Frankfurt. Er erhielt mehrere Preise als Komponist sowie als Gitarrist. Aktuell ist er Vorsitzender des Frankfurter Künstlerclubs. Christopher Brandt wohnt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Oberrad.
O-Töne 14. Jahrgang | Nr. 2 | Mai 2016 Fortsetzung zu wenig Freiheiten für eine künstlerische wie berufsbildende Entwicklung von Fähigkeiten lasse. Um herauszufinden, welche Veränderungen bei dieser Art der „Operation am offenen Herzen“ wirklich hilfreich sind, setzt Brandt auch auf einen „sehr guten Kontakt und das permanente Gespräch mit den Studierenden“. Bei all dem möchte Christopher Brandt seine persönliche Überzeugung weitergeben, dass der uralte Konflikt zwischen künstlerischer und pädagogischer Identität dem Verständnis von einem alltagstauglichen „Gesamtpaket“ in der Gestalt eines „authentischen Vorbilds“ Platz macht: „Es geht uns an der Hochschule darum, dass unsere Absolventen integrale Künstlerpersönlichkeiten sind, wenn sie das Haus verlassen.“ Mit einer „wirklich vernünftigen Berufungspolitik“ möchte er die Anziehungskraft der Hochschule auf Studierende obendrein verstärken. Gerade jetzt gilt es, eine Reihe von Professuren nach altersbedingten Abgängen wegweisend neu zu besetzen und in diesem Zuge auch über Veränderungen in Studienstrukturen nachzudenken. Der Kulturcampus bleibt das Alpha-Projekt Das Thema Kulturcampus und Hochschulneubau, das in der öffentlichen Wahrnehmung der Hochschule in den letzten Monaten ganz vorn rangierte, hat für Christopher Brandt selbstverständlich eine hohe Priorität – mehr denn je, nachdem der Hessische Minister für Wissenschaft und Kunst, Boris Rhein, 100 Millionen Euro für einen Neubau zugesagt hat. In seiner Amtszeit möchte Christopher Brandt nicht nur die Vision von einem Hochschulneubau auf dem jetzigen Campus in Bockenheim Schritt für Schritt einer Umsetzung annähern, sondern den Kulturcampus als ein „Gesamtkonzept“ verstanden wissen, von dem Bürger, Stadt und Region gleichermaßen profitieren werden wie die dort ebenfalls anzusiedelnden Nachbar-Institutionen, mit denen die
Hochschule nach wie vor in intensivem Gespräch sei. Bewerbungsverfahren läuft Bis Ende Juni haben nun Interessenten Zeit, sich auf das Amt des HfMDKPräsidenten zu bewerben. Die Frage, ob er selbst kandidieren werde, ließ Christopher Brandt auf der kürzlichen Pressekonferenz offen. Er erklärte, dass das im vergangenen Dezember ergebnislos beendete Wahlverfahren einen konstruktiven „Gesprächsprozess unter den Kollegen“ ausgelöst habe, nachdem die Erwartungen der verschiedenen Fachgruppen der Hochschule an den neuen Präsidenten sehr unterschiedlich ausgefallen seien – all dies bei einem „qualifizierten Teilnehmerfeld“ der Kandidaten. Weitere Amtszeit mit Ernst August Klötzke als Vize Als Indiz für ein konstruktives gemeinsames Weiterkommen wertete Christopher Brandt auch, dass der HfMDK-Musiktheorie-Professor Ernst August Klötzke, dem damals nur eine Stimme für seine Präsidentschaft fehlte, sich bereit erklärt habe, nun für eine weitere Amtszeit als VizePräsident zur Verfügung zu stehen. Der Senat hatte diesem Ansinnen im April dieses Jahres mit großer Mehrheit zugestimmt. Somit bilden fortan Christopher Brandt, Ernst August Klötzke und die Kanzlerin Angelika Gartner das Präsidium der HfMDK. bjh Kanzlerin Angelika Gartner (Foto oben) und Vize-Präsident Prof. Ernst August Klötzke (rechts) bilden gemeinsam mit Prof. Christopher Brandt das aktuelle Präsidium der HfMDK.
Auf großes Medieninteresse stieß das Pressegespräch des geschäftsführenden Präsidenten Christopher Brandt in seinem jetzigen Amtszimmer.
O-Töne 14. Jahrgang | Nr. 2 | Mai 2016 Beruflicher Perspektivwechsel nach zwölf Jahren
Herzlicher Abschied für Thomas Rietschel Der vorläufige „Wachwechsel“ an der Spitze der HfMDK ist vollzogen: Mit einem herzlichen Festakt verabschiedete die HfMDK ihren bisherigen Präsidenten Thomas Rietschel nach zwölfjähriger Amtszeit. Zuvor stellte sich in einer Pressekonferenz dessen kommissarischer Nachfolger Prof. Christopher Brandt der Öffentlichkeit vor.
„Light_Bild“ (Score: Dieter Heitkamp) im Foyer im Anschluss an den Festakt
Bis der erweiterte Senat der Hochschule einen Präsidenten für die Dauer von sechs Jahren gewählt hat, leitet der Gitarrenprofessor und bisherige Vize-Präsident die Hochschule gemeinsam mit Kanzlerin Angelika Gartner und dem wiedergewählten Vize-Präsidenten Prof. Ernst August Klötzke. Thomas Rietschel über Christopher Brandt: „Ich weiß die Hochschule bei ihm in besten Händen.“ Rietschels Verabschiedung flankierten Studierende und Lehrende der Hochschule mit „Reisebildern“, einer Reihe künstlerischer Darbietungen am letzten Abend der „Ära Rietschel“. Die hatte Boris Rhein, Hessischer Minister für Wissenschaft und Kunst, im Festakt ausgiebig gewürdigt: Mit Rietschels Amtszeit gehe „eine ganz bedeutende Zeit zu Ende – und es ist eine wirklich gute Zeit gewesen – für die Hochschule, aber auch für die Stadt Frankfurt am Main, die durch die Hochschule enorm bereichert worden ist im kulturellen Leben, und für das Land Hessen.“
Zwei Formationen des international renommierten „Ensemble Modern“ traten zum Abschied des scheidenden Hochschulpräsidenten Thomas Rietschel auf. Im Bild oben begrüßt er seinen Interims-Nachfolger Prof. Christopher Brandt.
O-Töne 14. Jahrgang | Nr. 2 | Mai 2016 Laudatoren beschrieben Thomas Rietschels Tatendrang und Begabung, Menschen zu motivieren
„Ein Kulturmanager mit Herz“
Gesellschaft geführt“ habe. Im Hinblick auf den geplanten Hochschulneubau auf dem späteren Kulturcampus empfahl er, ein Symposium für die Architektur des Campus zu veranstalten: „Ich werbe dafür, sich mit allen Facetten der organischen, kinetischen und futuristischen Architektur auseinanderzusetzen.“ Kritisch analysierte er indes ein Zitat aus dem von der Hochschule erstellten Leitbild, in dem sie formuliert, dass ihr Bildungsverständnis auf den Werten der Aufklärung beruhe und die Hochschule zugleich den Ansprüchen des 21. Jahrhunderts Rechnung trage. Umberg gab zu bedenken: „Warum genügen einer Hochschule nicht die Werte der Aufklärung? Warum will das Leitbild den Ansprüchen eines jungen Jahrhunderts genügen, das im Begriffe ist, die Errungenschaft ebenso der Aufklärung zu verspielen?“ Vielmehr sei es seiner Überzeugung nach Aufgabe der Hochschule, „entgegen der Leitbildaussage zeitgenössischen Entwicklungen entgegenzuwirken anstatt mitzugestalten – gegen political correctness als prejorativen Kampfbegriff, wie er schon die amerikanischen Hochschulen vergiftet; gegen den fordernden Hang gerade der sozialen Netzwerke zur Affirmation, zum `likeButton`.“
„Ein starker Partner, der zuverlässig, konstruktiv und vertrauensvoll ist, ist für Ministerien durchaus etwas sehr Angenehmes. Und genau das sind Sie in diesen zwölf Jahren gewesen.“ So umschrieb der Hessische Minister für Wissenschaft und Kunst Boris Rhein Thomas Rietschel in seinem Amt als Präsident von Hessens Hochschule für Musik, Theater und Tanz. Rietschel sei ein „Kulturmanager mit Herz und großem Sachverstand, der für die Sache der Kunst und Kultur immer eingetreten ist.“ Er habe die Hochschule geführt „wie ein guter Dirigent sein Orchester leitet“, so der Minister – „einfühlsam, aber auch mit einer klaren, sehr stringenten Linie“. Als „ein positiver Antreiber“ habe Thomas Rietschel auf seine Umgebung eingewirkt – nicht zuletzt mit der Vision von einem Kulturcampus in Frankfurt mit einem Hochschulneubau als Nukleus dieses Ortes. Er hob Thomas Rietschels „unbändige Energie“ hervor, „die auch eine sympathische und tolerante Energie gewesen ist“. Seinen Dank für „zwölf richtig gute Jahre an der Spitze dieser Hochschule“ besiegelte Boris Rhein mit der Übergabe der Abschiedsurkunde und des hessischen Löwens aus echtem Höchster Porzellan. Auch Hochschulkanzlerin Angelika Gartner hob in ihrer Rede auf Thomas Rietschels unaufhaltsamen Tatendrang ab und erinnerte an die Anfänge ihrer Zusammenarbeit im Präsidium vor zwölf Jahren: „Schon nach kurzer Zeit mussten wir Sie um Schonung bitten, weil wir bei dem von Ihnen vorgegebenen Tempo kaum noch mitkamen. Aber Sie waren nicht zu stoppen. Und so zogen Sie die Hochschule allmählich ans Licht; dorthin, wo sie jetzt steht – innovativ, interdisziplinär, vielseitig, unübersehbar, mit einem Wort: modern und allseits bekannt.“ Zwar verzichte sie darauf, eine typische Präsidiumssitzung mit „loriotschen“ Kuriositäten auf der Bühne nachzustellen. Doch bei allem Klärungsbedarf in Leitungsfragen seien am Ende stets „tragbare Lösungen“ erstritten worden – und zwar ohne eine
Stehende Ovationen
„Ich gehe als Beschenkter“ – Thomas Rietschel bei seinen Abschiedsworten.
einzige Kampfabstimmung. Angelika Gartner überreichte Thomas Rietschel schließlich einen hochschulgrünen Schuber, gefüllt mit Papierbögen, auf denen MitarbeiterInnen und Lehrende der Hochschule ihre individuelle Form des Abschieds von ihrem Chef kreiert hatten – vom Gedicht über Bilderbögen bis hin zu einer Komposition für den scheidenden Präsidenten. Kritik am Leitbild
Familienbeistand zum wehmütigen Abschied: Thomas Rietschels Mutter und seine Tochter.
Als Festredner der Abschiedsfeier war der einstige Vize-Präsident der Hochschule, Prof. Gerd-Theo Umberg, aus Wien angereist. Er erinnerte daran, dass sein einstiger Vorgesetzter die Frankfurter Hochschule „von einem Mauerblümchendasein in die Mitte der
Stehende Ovationen erntete Thomas Rietschel am Ende seiner Dankesworte als Fazit von zwölf Jahren Hochschularbeit: „Für mich war es eine unglaublich bereichernde Zeit.“ Das Geleistete sei niemals möglich geworden ohne all die kooperativen MitarbeiterInnen aus der Hochschule. Er dankte „für die vielen Widerworte“, die er als Präsident erfahren habe. Bei allen positiven Veränderungen habe er jedoch den Konflikt um eine adäquate Bezahlung der Lehrbeauftragten nicht lösen können. Zwar sei der Anteil der Lehre durch Lehrbeauftragte in den Jahren seiner Amtszeit von anfänglich 65 auf 53 Prozent gesunken. Doch „diesen ungelösten Konflikt haben wir mitten in der Hochschule, und die Hochschule ist leider nicht in der Lage, diesen Konflikt zu lösen.“ Ausdrücklich hob der scheidende Präsident die qualitätvolle Lehre auch der eben nicht hauptamtlich am Hause Lehrenden hervor: „Auch Sie sind genauso beteiligt daran, dass wir hervorragende Studierende ausbilden.“ Thomas Rietschel zum Schluss: „Ich gehe beschenkt – reich an Freunden, reicher an Erfahrungen, reicher an vielen schönen Erinnerungen.“ bjh
O-Töne 14. Jahrgang | Nr. 2 | Mai 2016
Knapp 300 Gäste nahmen an der feierlichen Verabschiedung von Hochschulpräsident Thomas Rietschel teil. Dem dreistündigen Festakt folgten „Reisebilder“, künstlerische Präsentationen von Lehrenden und Studierenden aller Fachbereiche.
Thomas Rietschel und Festredner Prof. GerdTheo Umberg, einst Vize-Präsident der HfMDK.
Letzte Absprachen vor dem Festakt: Hochschulkanzlerin Angelika Gartner, Thomas Rietschel und Minister Boris Rhein am Eingang des Großen Saals.
Dank auch von Studierenden - weitere O-Töne aus den Grußworten der Verabschiedung Weitere Redner des Festakts zum Abschied von Thomas Rietschel würdigten das zwölfjährige Wirken des scheidenden Hochschulpräsidenten. Dazu zählte Frankfurts Stadträtin Elke Sautner, die im Namen des Oberbürgermeisters lobte, dass die Hochschule mit vielerlei Aktivitäten „in der Stadtgesellschaft präsent“ sei: „Wir brauchen diese verbindenden Elemente.“ Prof. Dr. Martin Ullrich erinnerte im Namen der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen an Rietschels „zündende Ideen“, an seine Beharrlichkeit, an seine pointierten und intelligenten Beiträge und an seine „Leichtigkeit des Gedankenflugs“. Er habe das Gremium immer wieder geerdet und seine Verwurzelung in der musikalischen Bildung betont. Der Vorsitzende des HfMDK-Hochschulrats Prof. Dr. Johann Dietrich Wörner, Chef der Europäischen Weltraumagentur, beschrieb
Thomas Rietschels Wirken bildreich und stellte positiv heraus, dass der Präsident „Neugier als Triebfeder und nicht als Gefahr für eine Einrichtung verstanden“ habe. Wolfgang Kirsch, Vorstandvorsitzender der DZ BANK, zeigte sich in der Funktion des zweiten Vorsitzenden der Gesellschaft der Freunde und Förderer der HfMDK Frankfurt am Main beeindruckt davon, wie Thomas Rietschel „mit einem klaren Zielbild vor Augen und mit festem Schritt“ seine Vorhaben realisiert habe. „Die Verankerung der HfMDK in der Mitte der Gesellschaft haben Sie wahrlich mit Erfolg vorangetrieben.“ Wolfgang Kirsch deutete an, dass Thomas Rietschel auch nach seiner Präsidentschaft der Hochschule im Bereich der Freunde und Förderer erhalten bleibe.
Viel Grund zum Dank fand auch der AStA-Vorsitzende Riccardo Romeo: „Es war Ihnen in Ihrer Amtszeit stets wichtig, sich mit den Studierenden zu vernetzen und sie zu Wort kommen zu lassen, ihre Meinung zu hören, sich mit den Studierendenvertretern zu treffen: Für Ihre Verfügbarkeit und ihre Bereitschaft, ein offenes Ohr für Studierende zu haben, möchte ich mich ganz herzlich bedanken.“ Die Studierenden hätten für ihn im Mittelpunkt gestanden: „Ihr Engagement im Rahmen der GFF hat dazu geführt, dass eine eigene Fundraisingabteilung in der HfMDK gegründet wurde: Studierenden, die eine Unterstützung durch Starterstipendien sowie andere Förderungen benötigten, wurde dadurch sehr geholfen. Es sind solche Stipendien, die im Studium wesentlich helfen können, die Konzentration auf Studieninhalte zu richten und die finanzielle Lage zu erleichtern.“
O-Töne 14. Jahrgang | Nr. 2 | Mai 2016
Eine Komposition zum Abschied: Chorleitungsprofessor Winfried Toll – Handschlag mit Minister Boris Rhein – Herzlich mit Staatsministerin a.D. Ruth Wagner und Uni-Weggefährte Prof. Tilman Allert, jeweils im Gespräch mit Thomas Rietschel beim Abschiedsempfang im Foyer der Hochschule.
Dr. Sylvia Dennerle (HfMDK-Öffentlichkeitsarbeit) im Gespräch mit dem ehemaligen Präsidenten Klaus Neuvians – Schick für den Abschied des Chefs: das Team des Hochschul-Rechenzentrums
Das Gutfreund-Trio beim Festakt
Musiker des Ensemble Modern
„Trio di Bassetto“
Liebeslieder-Walzer mit Gesangsstudierenden beim Festakt
O-Töne 14. Jahrgang | Nr. 2 | Mai 2016
Kagels „Mitternachtsstük“ mit der Gesangsabteilung
Applaus im Foyer für die Tanz-Performance „Light_Bild“ von Dieter Heitkamp (siehe großes Bild auf der Titelseite)
Laurie Reviol und Henriette Meyer-Ravenstein
Julia Glotzbach mit der HfMDK Concertband
Lara Sophie Schmitt in Orm Finnendahls „Fälschung“
„Reisebilder“ – Finale
Die Abteilung „Zeitgenössischer und Klassischer Tanz“ präsentierte sich vielseitig im Tanzstudio.
Goldberg-Variationen für Fagott-Ensemble
O-Töne 14. Jahrgang | Nr. 2 | Mai 2016 Bis auf kleinere Störungen lief das neue Ausleihverfahren in der HfMDK-Bibliothek reibungslos an
Verbuchung per „Zauberhand“ „Wie, das war`s jetzt schon?“ Diesen Satz hören die Mitarbeiter der Hochschulbibliothek seit Februar von deren Nutzern immer wieder. Für manch einen ist es die unsichtbare „Zauberhand“, die mit Einführung des digitalisierten und damit weitgehend papierfreien Ausleihsystems Noten und Bücher verbucht, ohne dass es der Entleiher so richtig mitbekommt. Diesen Eindruck jedenfalls bietet der sogenannte „Selbstverbucher“, der kleine PC gleich auf der rechten Seite hinter der Eingangsschleuse der HfMDK-Bibliothek, der die auf seiner Oberfläche abgelegten Medien schneller registriert, als auch der flinkeste Kugelschreiber jemals einen Leihschein hätte ausfüllen können. Seit dem 29. Februar werden es täglich weniger Leihscheine, mit denen sich das Bibliotheks-Team beschäftigen muss: Es sind die letzten papiernen Belege für die Leihvorgänge der „alten Ära“, die von einer deutlich benutzerfreundlicheren Variante des Ausleihverfahrens abgelöst worden sind. 1.300 scheckkartengroße Benutzerausweise waren vorproduziert worden, bevor der „Relaunch“ zum Monatswechsel zunächst reibungslos gestartet wurde. Ansturm mit Ansage „Grundsätzlich lief die Umstellung erstaunlich glatt“, resümiert Bibliotheksleiter Dr. Andreas Odenkirchen die Umstellungsphase in den Semesterferien. Die hatten einige 100 Studierende und Lehrende bereits genutzt, um sich in die neuen komfortableren Ausleihmodalitäten einweisen und sich Ausweise aushändigen zu lassen. „Dennoch bedeutete die erste Woche des Sommersemesters für uns Riesenstress“, so Andreas Odenkirchen; „da gingen binnen weniger Tage einige hundert neue Chipkarten über den Ausleihschalter.“ Entsprechend dicht getaktet hatte er zuvor den Dienstplan der Mitarbeiter, um dem erwarteten Ansturm gerecht zu werden. Das Ende der Zettelwirtschaft Technisch bedingte „Kinderkrankheiten“ des pc-basierten Ausleihsystems gab es laut Bibliotheksleitung zwar schon; „doch die hielten sich glücklicherweise im Rahmen.“ So blieben eine Zeitlang eigentlich automatisierte Ausleiherinnerungen per E-Mail aus, weil dem System die E-Mail-Adressen der Nutzer wenige Tage nicht zur Verfügung standen. „Mittlerweile läuft es reibungslos und stabil“, bilanzierte Odenkirchen die Umstellungsphase Mitte April. Somit haben er und sein Team die berechtigte Hoffnung, dass lange Warteschlangen am Ausleihschalter ebenso der Vergangenheit angehören wie die alltägliche Bewältigung von Zettelbergen – sowohl für Nutzer als auch Mitarbeiter. bjh
Die neuen Möglichkeiten Jeder Nutzer der Bibliothek identifiziert sich fortan per Kartenleser und Ausweis in Form einer Chipkarte. Anstelle der Leihscheinkästen übernimmt der PC die Registrierung des Nutzers und seiner Ausleihaktionen: Alle Medien sind mit Funkchips ausgestattet und werden beim Ausleihen wie bei der Rückgabe digital ein- und ausgebucht. Bücher und Noten ohne Beilage können Nutzer am „Selbstverbucher“ eigenhändig ohne Hilfe eines Bibliothekmitarbeiters ausleihen und zurückgeben. Bei komplexeren Ausleihvorgängen sowie beim Herbeiholen der gewünschten Noten wird nach wie vor das Personal aktiv. Nutzer haben nun auch online die Möglichkeit, den Status ihrer Ausleihvorgänge zu überwachen und zwei Verlängerungsfristen zu nutzen. Aktuell von anderen Nutzern ausgeliehene Medien können auf diesem Wege auch für eine spätere Ausleihe vorgemerkt und damit sozusagen „reserviert“ werden. Bei allen Vorteilen des neuen Verfahrens ist das aktuelle System aber auch „unbestechlich“: Bei wem die Software eine nicht rechtzeitig erfolgte Rückgabe der Medien registriert hat, der hat keine Chance mehr, durch gutes Zureden einer Mahngebühr zu entkommen. Beim Bezahlen endet allerdings die Hoheit des Computers: Die Euromünzen säumiger Nutzer rollen in der Bibliothek der Hochschule immerhin noch „live“ über den Schalter. bjh
Nicht nur für die Mitarbeiter – im Bild Julie Grutzka und Timo Ratz – bedeutet das neue Verbuchungssystem mehr Service denn je.
Erneut Wettbewerbsieger
Aris Quartett auf Erfolgskurs Beim renommierten internationalen Joseph Joachim-Kammermusikwettbewerb 2016 an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar wurde das Aris Quartett nach drei Wertungsrunden mit dem 1. Preis ausgezeichnet. Darüber hinaus erhielt das Ensemble sämtliche Sonderpreise, darunter die Auszeichnungen für die beste Interpretation eines Werkes der Klassik, der Romantik, des 20. Jahrhunderts sowie der modernen Auftragskomposition. Anna Katharina Wildermuth (Violine), Noémi Zipperling (Violine), Caspar Vinzens (Viola) und Lukas Sieber (Violoncello) erhielten ihre Ausbildung an der HfMDK, als Ensemble bei Prof. Hubert Buchberger. Das Aris Quartett hat sich 2009 an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main (HfMDK) gegründet und ist eines der erfolgreichsten jungen Streichquartette Deutschlands. Sowohl beim Internationalen Johannes-Brahms-Wettbewerb 2012 in Pörtschach (Österreich), beim 5. Europäischen Kammermusikwettbewerb 2013 in Karlsruhe als auch zuletzt beim Internationalen August-Everding Musikwettbewerb 2014 wurde das Aris Quartett mit dem 1. Preis ausgezeichnet.
O-Töne 14. Jahrgang | Nr. 2 | Mai 2016 Das hochschuleigene Studio für elektronische Musik und Akustik nimmt nach und nach Gestalt an
Atelier und Labor der Inspiration Was ein Bildhauer oder ein Maler sein Atelier nennt, ist für Orm Finnendahl und seine Kompositionsabteilung „SELMA“ – das Studio für elektronische Musik und Akustik, als Ort der Inspiration, des Experimentierens und des Produzierens. „SELMA“ ist das jüngste „Kind“ der Hochschule, in der Ausstattung zwar noch nicht ganz erwachsen, aber schon gehfähig. Der Inhaber der Kompositionsprofessur für Instrumentalmusik und Neue Medien, zugleich Ausbildungsdirektor der Kompositionsabteilung an der HfMDK, nennt SELMA auch gern „Labor“. Denn: „Da wollen wir Dinge testen und ausprobieren, von denen wir noch gar nicht wissen, ob und wie sie funktionieren“, so Orm Finnendahl.
SELMA befindet sich im „Atelierfrankfurt“, jenem mehrgeschossigen Haus mit 11.000 Quadratmetern Platz und 130 Künstlerstudios und Projektflächen in der Schwedlerstraße, in dessen dritter Etage die Hochschule auf 100 Quadratmetern zwei Räume angemietet hat. Wer bei der Schwedlerstraße als Seitenarm der Hanauer Landstraße an das dort ebenfalls beheimatete „Ensemble Modern“ (EM) und seinen HfMDK-Studiengang „Internationale Ensemble Modern Akademie“ (IEMA) denkt, stößt nicht etwa auf einen örtlichen Zufall: Orm Finnendahls frühe Gespräche mit dem ehemaligen EM-Geschäftsführer Roland Diry über eine mögliche Zusammenarbeit ließ in der Hochschule vor gut drei Jahren die Idee keimen, im Frankfurter Osten mit der Einrichtung des Studios ein Nachbar vis à vis zum musikalischen Kooperationspartner zu werden. Dass Orm Finnendahl den IEMA-Studiengang mittlerweile inhaltlich von Seiten der Hoch-
schule verantwortet, komplettiert das Bild: Das erste Seminar der IEMA in SELMA hat bereits stattgefunden, und Orm Finnendahl bestätigt: „Die geographische Nähe beider Einrichtungen ist psychologisch günstig; ich möchte in der Tat beide Potenziale miteinander
in Verbindung bringen.“ SELMA soll für die Komponisten zu einem Ort werden, an dem in aufwändigen Versuchsaufbauten neue Instrumente und Möglichkeiten der Klangerzeugung entstehen. Entscheidend dafür ist, dass die Installationen
Das Studio für elektronische Musik und Akustik, das die HfMDK für ihren Lehrbetrieb eingerichtet hat, soll größtmögliche Flexibilität in der Nutzbarkeit bieten. Es befindet sich im dritten Stock des „Atelierfrankfurt“ in der Schwedlerstraße im Frankfurter Osten (Fassadenansicht linkes Bild). Kompositionsprofessor Orm Finnendahl (großes Bild im Vordergrund) stellte die neue Infrastruktur kürzlich den Lehrenden des Fachbereiches 2 vor, die ihren Fachbereichstag dazu nutzten, über die vermehrte Einbeziehung neuer Musik in die Lehramts-Studiengänge nachzudenken.
dort – vom alltäglichen Hochschulbetrieb unbeeinflusst – womöglich über mehrere Wochen weiterentwickelt und genutzt werden können; ein Vorteil, der beispielsweise bei den stark frequentierten Hochschulsälen undenkbar wäre. Größtmögliche Flexiblität
In der Schwedlerstraße, einer Seitenstraße der Hanauer Landstraße, befindet sich SELMA im „Atelierfrankfurt“.
Das Einrichtungsprinzip von SELMA ist größtmögliche Flexibilität: Die Decke des als Studio genutzten Raumes ist durchgängig mit Technikanschlüssen ausgestattet – Strom-, Netzwerk- und
O-Töne 14. Jahrgang | Nr. 2 | Mai 2016 Fortsetzung Audioverbindungen. Das zentrale Produktionsdesk mit PC, Bildschirm und Controller ist auf Rollen mobil, eine unterbrechungsfreie Stromversorgung mit Pufferakkus garantiert. Ebenso flexibel verschiebbar sind die acht auf einer an der Decke befestigten rundlaufenden Schiene montierten Lautsprecher – „es sind praktisch unsere Konzertinstrumente“, erklärt Orm Finnendahl. Dennoch fehlt nicht das rein mechanische Instrument des Komponisten, nämlich ein neuer Steinway-Flügel. Akustik wird noch ausgebaut Experimentieren lässt sich damit bereits gut, wenngleich eine professionellen Ansprüchen genügende Aufnahmemöglichkeit erst dann gegeben ist, wenn ein Akustiker mit schallsteuernden Maßnahmen den Raum kompatibel gemacht hat: Um die bisherige Überakustik in den Griff zu bekommen, werden in naher Zukunft sogenannte „Bassfallen“, Flächenabsorber und Diffusoren installiert, um den bisherigen, sehr unausgewogenen und halligen Klang in eine der vielfältigen Nutzung als Produktions-, Proben-, Experimentier- und Aufnahmeraum angemessene Akustik zu verwandeln. Anders als bei üblichen Studiosituationen müssen diese Verbesserungsmaßnahmen so konzipiert sein, dass sie – der gewünschten räumlichen Flexibilität entsprechend – auf jedem Quadratmeter der Studiofläche wirksam sind. Schon jetzt intensiv genutzt Dennoch wird SELMA bereits intensiv genutzt: Schulklassen aus Landau produzierten hier bereits eigene Filmmusik, Studierende der Hochschule erstellten hier bereits Beiträge für das Projekt der „Visualierten Musik“ und bereiteten Zuspielungen für diverse Konzerte vor. Auch verschiedene Seminare der Kompositionsabteilung werden in SELMA schon seit einigen Semestern abgehalten. Ambitioniertes kompositorisches Arbeiten mit neuen Medien wird für HfMDKStudierende also fortan unter flexiblen und modernsten Bedingungen möglich sein. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass SELMA trotz des weiteren Anfahrtswegs etwas abseits der Innenstadt als äußerst attraktives Angebot angenommen wird. Studio „K 15“ bleibt bestehen Auch wenn das alte elektronische Studio im Keller des Hochschulgebäudes – dem Raum K 15 – aufgrund der räumlichen Nähe zu den verschiedenen Studiengängen der Hochschule weiterhin benötigt und genutzt wird: Spätestens wenn SELMA komplett ausgestattet ist, dürfte es an Attraktivität dem Kellerraum in der Eschersheimer Landstraße den Rang abgelaufen haben. bjh
Die Beschäftigung mit neuer Musik im Lehramts-Studium und im Schulalltag war Thema des jüngsten Fachbereichstages der Fachbereiches 2 (Lehramt, Musikwissenschaft und Komposition). Dabei fanden Diskussionen in kleinen Arbeitsgruppen statt, auf dem Foto oben in dem kleineren von zwei Studioräumen von „SELMA“ in der Schwedlerstraße.
Fachbereichstag über neue Musik im Studio „SELMA“
Mehr Raum für neue Musik Die Beschäftigung mit zeitgenössischer Musik soll in Schule und SchulmusikAusbildung mehr denn je zu einem selbstverständlichen Bestandteil von Unterricht und Lehre werden. Das jedenfalls wünschen sich die Lehrenden des Fachbereichs 2, die auf ihrem Fachbereichstag genau darüber ins Gespräch kamen. In der Schwedlerstraße lernten sie die neuen Möglichkeiten von „SELMA“, dem Studio für elektronische Musik und Akustik, kennen und tauschten sich über Möglichkeiten der Vermittlung und Praxis zeitgenössischer Musik aus. Aus drei Gesprächsgruppen trugen die Teilnehmer die Ergebnisse zusammen. Demnach sollte zeitgenössische Musik ein obligatorischer Bestandteil von künstlerischen Abschlussprüfungen sein; ein Wissensfundament über neue Musik soll theoretisches und praktisches Wissen miteinander verzahnen und durch berufsbezogene Wahlpflichtangebote ergänzt werden. Die Gründung von Ensembles für Improvisation und zeitgenössische Musik könnte ebenso das Studienspektrum bereichern wie verstärkte Medienkompetenz im Umgang mit Studiotechnik. Mehr denn je wünschen sich die Lehrenden, personelle Ressourcen der Hochschule synergetisch zu nutzen. Zudem artikulierte eine Arbeitsgruppe den Wunsch, dass sich alle Lehramtsstudierenden an Projekten der gegenwärtigen Musik beteiligen. Für den Schulbetrieb als wünschenswert erachten die Teilnehmer des Fachbereichstags, dass auch im Musikunterricht Denksansätze interdisziplinär vermittelt werden, und
zwar in „grundsätzlich offener und reflektierender Haltung nicht nur musikalischen Phänomenen gegenüber“. Den Musikunterricht stellen sie sich als „Hörerfahrungsraum“ vor – „im Rahmen praktischer Musiziererfahrungen, bei denen auch im elementarsten Bereich, abgelöst von tonalen Strukturen, der Sinn für sensible Gestaltung geschult wird“. Studienreform für die Lehrämter ist in Gang Die Stoffsammlung als Ergebnis des Fachbereichstags kann übrigens in aktuellen Veränderungsprozessen aufgegriffen werden: Derzeit erarbeitet der Fachbereich 2 eine Studiengangsreform für den Lehramtsstudiengang „L 2“, also für die Sekundarstufe 1. Auf dieser aufbauend, wird schließlich auch der Studiengang für das gymnasiale Lehramt an aktuelle Bedürfnisse und Notwendigkeiten angepasst. Der Fachbereichstag war für die Teilnehmer zugleich eine wertvolle Informationsbörse: Prof. Lucas Fels referierte über den „Umgang mit dem Unbekannten“, nämlich den Möglichkeiten, Lehrern Impulse an die Hand zu geben, sich im Unterricht verstärkt mit neuer Musik zu beschäftigen. Gastreferent Prof. Dr. Matthias Handschick von der Hochschule für Musik Saar stellte Projekte und Möglichkeiten von Platzierung neuer Musik in der Schulmusik vor. Prof. Gerhard Müller-Hornbach und Dr. Matthies Andresen erläuterten dem Plenum das Prinzip des seit Jahren erfolgreichen Schulprojekts „Response“. bjh
O-Töne 14. Jahrgang | Nr. 2 | Mai 2016 Gymnasiasten und Studierende luden geflüchtete Jugendliche in ein Begegnungskonzert ein
„Die Welt ist klein und wir sind groß“ Was für eine gelungene Wertschätzung für ein paar Dutzend unbegleitete Minderjährige, die als Geflüchtete in Frankfurter Unterkünften eine Bleibe gefunden haben und in der HfMDK so herzlich musikalisch empfangen wurden! Schüler und Studierende boten ihnen an der Hochschule am 22. April eine rauschende dreistündige Begegnung mit Musik, Gesprächen und gemeinsamem Büffet. Die Musikstudenten Johannes Kasper und Philippe Schwarz waren nebst Juliane von Herz und Micha Häckel die Motoren dieser geglückten Begegnung zwischen Gymnasiasten, Studierenden und jugendlichen Flüchtlingen im Großen Saal und Foyer der Hochschule: Die Freie Waldorfschule, das Heinrich-von-Gagern-Gymnasium und die Musterschule hatten sich von dem Eifer anstecken lassen, den Neuankömmlingen unter dem Motto „For all Nations“ ein herzliches Willkommensfest zu bereiten: Zu Beginn ein Satz aus Schuberts „Unvollendeter“ in sinfonischer und von Studierenden komplettierten Schulorchester-Besetzung und eine gleich vielsprachige Begrüßung der Gäste bildeten die Eröfffnung eines prall gefüllten Programms mit Instrumental- und Gesangssolisten, erfrischenden Chornummern, launigen wie meditativen Ensemblestücken und einer mutigen Steckbrief-Aktion, die deutsche Schüler und die geflüchteten Jugendlichen in der Pause kommunikativ zusammenbrachte. Studierende der Instrumentalpädagogik-Professorin Dr. Katharina Deserno leuchteten als Moderatoren mit Herzenswärme, und beim gemeinsamen Schlusslied „Die Welt ist klein und wir sind groß“ durchmischte sich das Gewimmel von Gastgebern und Gästen vollends und ohne Scheu. Was bleibt? Der Enthusiasmus eines Konzerts, das Mut machte, auf allen Ebenen und für jeden, der es miterlebte; eine Begegnung, die sich im Geist ungekünstelter und kunstvoller Willkommenskultur in eine Reihe beachtlicher weiterer Projekte von Studierenden und Lehrenden der Hochschule einreiht. Und ein erneuter Beweis dafür, dass die Hochschule – mit ihm auch das Künstlerische Betriebsbüro wie das Hausteam – ein idealer Ort engagierter und authentischer Vermittlungsarbeit sein kann. bjh
> Impressum Prof. Christopher Brandt, Präsident Redaktion und Layout Björn Hadem, bhadem@arcor.de Redaktionsbeirat Prof. Christopher Brandt, Dr. Sylvia Dennerle, Prof. Hedwig Fassbender, Björn Hadem, Laila Nissen, Prof. Eike Wernhard Herausgeber
Beate Eichenberg, Björn Hadem (bjh) Björn Hadem (45) Erscheinungsweise zwei- bis fünfmal im Semester Druck Brandenburgische Universitäts-Druckerei und Verlagsgesellschaft Potsdam mbH Autoren Fotos