atelier oï – Neue Zürcher Zeitung - « Ein Stuhl, gebaut wie eine Kathedrale »

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Neuö Zürcör Zäitung NZZ – ZEITUNG FÜR DIE SCHWEIZ gegründet 1780

Dienstag, 26. November 2013 V Nr. 275 V 234. Jg.

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Erstmals direkte Verhandlungen Syrien-Konferenz in Genf findet im Januar statt Am 22. Januar beginnt in Genf die nächste Syrien-Konferenz. Bei dem Anlass wird es erstmals zu direkten Verhandlungen zwischen dem Asad-Regime und der Opposition kommen. Jean-Pierre Kapp, Genf

MARK HENLEY / PANOS

Chinas Kinder sollen per Gesetz für Eltern sorgen

Seit Juli 2013 gilt in China ein Gesetz, das Kinder verpflichtet, durch Besuche für das Wohl der Eltern zu sorgen. Kurz darauf entschied ein Gericht, dass ein Paar die Mutter der Frau mindestens einmal alle zwei Monate besuchen muss. Das Urteil wirft ein Schlaglicht auf die moderne chinesische Gesellschaft, deren innere Kohärenz immer mehr zerfällt. Feuilleton, Seite 46

Tiefer Graben zwischen Konservativen und moderat Bürgerlichen se. V Mit Sessionsbeginn herrscht wieder emsiges Treiben im Bundeshaus. Gesetzesvorlagen werden üppig angereichert oder herzhaft zerpflückt – und sobald die Glocke läutet, wird abgestimmt. Die Tausenden von Abstimmungen während einer Legislatur bilden denn auch die Grundlage für das jährliche Parlamentarier-Rating der NZZ. Die Ehre, ganz am äussersten linken Rand des Rats zu politisieren, kommt im Nationalrats-Rating 2013 der Sozialdemokratin Susanne Leutenegger Oberholzer zu, ganz am rechten Rand halten dagegen – wenig überraschend – Christoph Blocher und Pirmin Schwander (beide svp.) die Stellung. Das Rating ermöglicht auch differenzierte Analysen zum Abstimmungsverhalten nach Parteizugehörigkeit, Kantonen, Sprachräumen und nach dem Ge-

schlecht. Letztgenanntes hat der Politgeograf Michael Hermann genauer unter die Lupe genommen. Die Frauen im Nationalrat gelten allgemein als links von den Männern stehend – ein Vorurteil, das der empirischen Überprüfung nur bedingt standhält. Zwar stehen die Frauen insgesamt tatsächlich links von den Männern. Aber nur, weil die linken Parteien mehr Frauen nach Bundesbern schicken als die bürgerlichen. Innerhalb der Fraktionen klaffen längst keine ideologischen «Gender-Klüfte» mehr, wie sie früher vor allem die SVP quälten. Gemäss den Resultaten des Parlamentarier-Ratings gehört dieses Geschlechter-Klischee in die Mottenkiste. Auch zeigt sich ein tiefer Graben im bürgerlichen Lager – zwischen Konservativen und moderat Bürgerlichen. Schweiz, Seite 13

Kritik an Netanyahus Kurs im Atomstreit Geheimkontakte vor Iran-Deal fbi. V Die Übergangsvereinbarung zum iranischen Atomprogramm ist eine Niederlage für Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu. Dieser hatte das Abkommen zuvor mit Druckversuchen auf die USA zu verhindern versucht und es danach scharf kritisiert. Für diesen Kurs musste Netanyahu auch in Israel einige Kritik einstecken. Er schade den Beziehungen zu Washington, so der Tenor. Derweil wurde bekannt, dass das Abkommen weitgehend in geheimen Kontakten vorgespurt wurde. Die Vereinbarung hat auch die Finanzmärkte bewegt. Diese hoffen darauf, dass wieder mehr iranisches Öl ins Ausland fliesst. International, Seite 5 Wirtschaft, Seite 23 Börsen und Märkte, Seite 31

Teilnahme Irans ungewiss Unklar ist allerdings noch, wer alles an der Konferenz wird teilnehmen können. Wie Brahimi erklärte, soll die Teilnehmerliste bei einem weiteren Treffen mit Vertretern der USA und Russlands am 20. Dezember fertiggestellt werden. Unklar ist deshalb auch, ob Iran und Saudiarabien an der Friedenskonferenz dabei sein werden. Brahimi bezeichnete die beiden Staaten allerdings als potenzielle Teilnehmer.

Verbreitet Hochnebel und kalt

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Im Norden verbreitet Hochnebel, Obergrenze um 2000 Meter. Am Nachmittag teilweise Auflockerung. Darüber ziemlich sonnig. In den Bergen mässiger bis starker Nordostwind, im Flachland schwache bis mässige Bise. Im Süden sonnig. Temperaturen um den Gefrierpunkt. Seite 53

BÖRSE Dow Jones

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SMI

M A R I N E G M T K O L L E K T I O N – W W W. B R E G U E T. C O M

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Sportresultate 42

TV/Radio 51

Schwierig dürfte sich auch die Zusammenstellung der Delegation der Opposition gestalten. Brahimi erklärte auf entsprechende Fragen von Journalisten, die Nationale Koalition (NK) werde bei den Verhandlungen sicherlich eine wichtige Rolle spielen. Er wollte sich aber nicht genauer festlegen. Angesichts der Tatsache, dass die Gegner Asads heillos zerstritten sind und die NK von Teilen der bewaffneten Opposition nicht anerkannt wird, dürfte die Zusammenstellung der Teilnehmerliste der Opposition nicht nur Brahimi noch Kopfzerbrechen bereiten. Es erscheint deshalb fraglich, ob die Liste bereits bis zum 20. Dezember bereinigt sein wird. International, Seite 5

Start zur Einwanderungsdebatte Drei Bundesratsmitglieder treten gegen die SVP-Initiative auf C. W. V Die Initiative der SVP «Gegen Masseneinwanderung» dürfte in der Schweiz bis zum 9. Februar, dem nächsten Abstimmungstermin, das dominierende politische Thema sein. Am Montag haben seitens des Bundesrats Simonetta Sommaruga, Didier Burkhalter und Johann Schneider-Ammann vor den Medien ihre ablehnende Empfehlung begründet. Die Präsenz zu dritt unterstreicht, dass die Initiative zentrale europapolitische und wirtschaftliche Interessen berührt; sie fordert die Ab-

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WETTER

Zerstrittene Opposition

lösung der Personenfreizügigkeit mit der EU durch ein System von Höchstzahlen für die Zuwanderung. Um Vermeidung alarmistischer Töne bemüht, betonten die Regierungsvertreter den Wohlstandsgewinn, welcher der heutigen Regelung zu verdanken sei. Als Kehrseite erwähnten sie Probleme etwa im Bereich von Infrastrukturen und Wohnungsmarkt, die indessen ohnehin und direkt anzugehen seien. Schweiz, Seite 11 Meinung & Debatte, Seite 20

Rot gegen Schwarz

INTERNATIONAL

WIRTSCHAFT

Seite 3

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INTERNATIONAL

FOKUS DER WIRTSCHAFT

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ZÜRICH UND REGION

SPORT

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Schimpftirade von Swatch stockt Berlusconi gegen Linke im Nahen Osten auf

Ruf nach mehr Staat in Deutschland

Abgekürzte Verfahren immer häufiger

Fahrzeuge 8

Anlagefonds 38

NZZ-Präsident Etienne Jornod im Gespräch

Der FC Basel übt sich in Zurückhaltung

Veranstaltungen 48

Redaktion und Verlag: Neue Zürcher Zeitung, Falkenstrasse 11, Postfach, 8021 Zürich, Telefon +41 44 258 11 11, Leserservice/Abonnements: +41 44 258 15 30, weitere Angaben im Impressum Seite 49

Kino 50

Trauer 10, 18

PD

Wie das Parlament tickt

Nach monatelangem Ringen steht es nun fest: Die Syrien-Konferenz (Genf 2) wird am 22. Januar in Genf beginnen. Dies teilten der internationale SyrienEmissär Lakhdar Brahimi und UnoGeneralsekretär Ban Ki Moon am Montag mit. An der Konferenz werden neben Vertretern der derzeitigen Regierung auch Vertreter der Opposition teilnehmen. Damit dürfte es im Januar erstmals zu direkten Verhandlungen zwischen Vertretern des Asad-Regimes und der syrischen Opposition kommen.

Während Moskau sich immer für eine Teilnahme Teherans – mit Russland zusammen der wichtigste Verbündete Asads – starkgemacht hatte, hatten die westlichen Staaten dies abgelehnt, solange Iran nicht dazu bereit sei, die im Juni 2012 bei der ersten internationalen Syrien-Konferenz verabschiedete Forderung zur Schaffung einer Übergangsregierung ohne Einschliessung Asads anzuerkennen. Nach dem Einlenken Teherans im Atomstreit am vergangenen Wochenende dürften sich die Chancen Teherans allerdings verbessert haben. Zarif traf am Rande der AtomVerhandlungen bereits mit Brahimi in Genf zusammen.

Die linksalternativen Zeitungen der 68er Generation sind grossenteils untergegangen. Im Wallis jedoch gibt es weiterhin ein solches Organ. Dort schreibt die «Rote Anneliese» seit vierzig Jahren gegen die Vorherrschaft der «Schwarzen». Mit ihren Recherchen erregte sie in ihrer wechselvollen Geschichte immer wieder Aufsehen. Medien, Seite 54


Neuö Zürcör Zäitung

Dienstag, 26. November 2013 ^ Nr. 275

ZÜRCHER KULTUR 19

Ein Stuhl, gebaut wie eine Kathedrale Ein Besuch im Atelier O¨ı, das an der Designmesse Neue Räume eine Assemblage neuer Projekte präsentiert Der Designer und Architekt Patrick Reymond vom Westschweizer Atelier O¨ı erklärt, weshalb Möbeldesign für ihn ein Krimi ist, in dem das Objekt einem Phantombild gleicht.

Schlussfolgerungen sich aneinanderketten. «Das Objekt ist wie ein Phantombild: die Nase etwas länger, die Stirn tiefer», ergänzt Reymond. Ein Phantombild, das sich fortwährend ändert, das selbst dann nicht stillsteht, wenn das Projekt abgeschlossen ist. Ideen, Gedankengänge, Strukturen und Formgattungen, Methoden werden weiterentwickelt, gedreht und gedreht. Betrachtet man die Werke des Ateliers, ist klar eine Abfolge von Gedanken erkennbar, die Objekte sind verwandt, entstammen einem Geschlecht. Die Werke stechen durch organische Formen und unerwartete Funktionsweisen hervor. Ein Rundgang durch das Atelier gleicht dem Besuch in einem Kuriositätenkabinett. Hier lässt sich ein Lederhocker einfach zusammenklappen, da bewegen sich Lampen wie Quallen. Die Schatztruhe des Ateliers aber liegt im Keller: Reymond zieht eine alte, verbogene Bürste aus dem Regal, dreht sie in den Händen, zupft an den Borsten und sagt: «Das ist unser Marktplatz, solche Sachen finde ich interessant.»

Katrin Schregenberger, La Neuveville Schwungvoll schiebt Patrick Reymond seine leere Espressotasse in die Mitte des Tisches. «Der Designer ist oft total verliebt in sein Objekt», sagt er, und seine Stimme schlägt fast ins Übermütige. «Deshalb ist es wichtig, das Objekt in den Raum zu stellen, es in der Realität wirken zu lassen und sich als Designer von der Rolle des Akteurs in diejenige des Zuschauers zu versetzen.» Er präzisiert die Position der Tasse. «Die Frage ist dabei: Bringt das Objekt seine Geschichte rüber?» Man mag sich fragen: Welche Geschichte? Ist Tasse nicht einfach gleich Tasse? Nicht für die drei Gründer des Ateliers O¨ı, eines der erfolgreichsten Designateliers der Schweiz, das Möbel für Ikea, Pfister und Röthlisberger entworfen hat und in den letzten Jahren für internationale Firmen wie Luis Vuitton und Bulgari arbeiten konnte. Für Patrick Reymond, Aurel Aebi und Armand Louis ist seine «Geschichte» erst das, was einem Objekt seine Form gibt.

Eine unvergessliche Lampe

Von alten Bürsten fasziniert An diesem Novembermorgen furchen die Wellen den Bielersee regelmässig, die Kälte hat die Menschen von den Strassen gefegt. Hier in La Neuveville, weit weg von städtischem Trubel, befindet sich das Atelier O¨ı, gegründet 1991 und seit 2009 in dem alten Motel eingerichtet. Mittlerweile zählt das Team um die 30 Mitarbeiter. Über drei Stockwerke wird hier entworfen und ausprobiert. «Wir gehen nie vom fertigen Objekt aus, sondern immer vom Material», sagt Patrick Reymond – seine Espressotasse ist noch voll. Materialien: Für die Designer sind sie wie Zutaten für ein Menu. Und wie Köche gehen auch sie auf den Markt, um nach neuen, frischen Zutaten zu suchen. «Anfassen!», das Wichtigste für den Welschschweizer, der in La Neuveville aufgewachsen ist. Doch für jedes Material und das daraus entstehende Objekt braucht es eine Geschichte. «Hier, das ist massives Holz», fährt er fort, zieht einen Stuhl der Kollektion «Allumette» herbei. Mit massivem Holz verbinde man automatisch schwere Möbel. «Also kam die Idee: massives Holz, aber federleichte Möbel.» Bilder, Assoziationen werden gesucht. Eine gotische Kathedrale! Verstrebungen. Immer wird an der Geschichte zusammen gearbeitet, werden Gedanken ausgetauscht, Gesichtspunkte verschiedener Teammitglieder und Aussenstehender einbezogen. Ein gebrochenes Streichholz! Wie in einem Krimi, wo Bild an Bild gereiht wird,

Patrick Reymond, umgeben von einer Lichtinstallation des Ateliers O¨ı.

ADRIAN BAER / NZZ

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Inspirationsquellen in «Neuen Räumen» sru. ^ Neben dem Atelier O¨ı bietet die Ausstellung «Neue Räume 13» vom Mittwoch bis Sonntag in den ABB-Hallen in Zürich Oerlikon weitere DesignDelikatessen. So wird etwa unter dem Titel Von der Kerze zum LED dem Leuchtendesign eine Sonderschau gewidmet. Dem Zusammenhang von Material und Verarbeitung kann man auf sechs Ausstellungsinseln nachgehen: Hier werden verschiedene Manufakturen vorgestellt, die sich so unterschiedlichen Handwerken widmen wie dem Töpfern, Tapezieren, Flechten oder Holz biegen. Ein besonderer Fokus wird auch in diesem Jahr auf das Thema Swiss made gelegt. Vorgestellt werden Produkte renommierter Schweizer Hersteller aus den Bereichen Möbel, Leuchten und Textilien. Auch die Präsentationen unter dem Titel Designer’s Designs beschäftigt sich mit der

Schweiz als Design-Nation, indem sie bisher nie gezeigte Prototypen erstmals öffentlich enthüllt. Im Forum Young Labels können sich die Messebesucher auf die Suche nach möglichen Klassikern von morgen machen. Das Form Forum Schweiz, das sich die Förderung der zeitgenössischen und experimentellen Gestaltung auf die Fahne geschrieben hat, zeigt eine Auswahl herausragender Produkte aus den Denk- und Handwerkstätten seiner Mitglieder. Man kann sich auch von der Vereinigung Schweizer Innenarchitekten beraten lassen oder Neuheiten aus dem Einrichtungssektor bestaunen, die für den Design-ArenaPreis 2013 nominiert sind. Und wer nicht nach Oerlikon pilgern will, begegnet vielleicht den Neuen Räumen in the city, wo Designobjekte in ausgewählten Locations überraschend inszeniert wurden.

Interdisziplinarität oder «Multidisciplinarite», ´ so der französische Wortlaut Reymonds, ist eine zentrale Eigenschaft des Ateliers O¨ı. Es ist eben nicht ein Architekturatelier, auch kein Atelier für Mobiliar oder Innenarchitektur. «Wir sind an allem interessiert, es macht für uns keinen Unterschied», sagt der 51-Jährige. Möbel gehören ebenso zu ihren Projekten wie Parkbänke, Hausfassaden und Ladenausstattungen. Für die Expo 02 entwarf das Atelier die Arteplage in Neuenburg. Eine Philosophie, die von Reymonds und Aurel Aebis Ausbildung herrührt: Mit Alberto Sartoris und Ettore Sottsass als Dozenten gingen sie durch eine Schule, die sich bewusst nicht einer Disziplin verschrieb. Am Anfang war dieser fehlende Fokus eher hinderlich für den Erfolg des Ateliers. Der eigentliche Durchbruch erfolgte 2006 an einer szenografischen Ausstellung in Mailand, getragen durch ein Lampenmodell, «Foscarini». Diese Lampe, eigentlich als Installation und nicht als kommerzielles Produkt gedacht, brannte sich der Szene ins Gedächtnis. Seither kennt man das Atelier O¨ı. Schon vorher konnte das Atelier Stücke für Ikea entwerfen. «Foscarini» aber war ein anderes Kaliber. Wegen des grossen Anklangs wurde die Lampe kommerziell vertrieben. «An diesem Punkt haben die Leute plötzlich verstanden, wie wir arbeiten.» Ob man den Namen des Ateliers kenne, spiele für ihn keine Rolle. Wenn aber die Identität eines Stücks von aussen erkannt werde, dann sei das für ihn «gutes» Design. Auch bei ihrem Auftritt an der Messe Neue Räume gehe es nicht primär darum, Möbel zu verkaufen: «Wir wollen, dass die Geschichte sichtbar wird.» Zürich Oerlikon, ABB-Event-Halle 550, 27. 11. bis 1. 12.

Kurz, aber oho! Kurzstück-Plattform im Tanzhaus

Isabelle Jakob ^ Ein Ort, drei Wochen, fünf Choreografen. So lautet das Konzept der Nachwuchsplattform «5 Min. 20 Max.», die vom Tanzhaus Zürich initiiert wurde. Eine Handvoll national und international tätiger Choreografinnen und Choreografen erhielt die Gelegenheit, während dreier Wochen je ein Kurzstück zu entwickeln.

Beklemmend . . .

Die Arbeiten wurden am Sonntagabend im Tanzhaus präsentiert und bescherten dem Publikum einen vergnüglichen Abend. Den Anfang machte die Griechin Sonia Ntova, die in «Ialemos» ein Klagelied tanzt. Von schmerzender Trauer erfasst, ringt sie um Fassung und verliert sie abermals, während ein von der Decke hängender Mantel wie eine Todesfigur neben der Tänzerin schwebt. Ein sehr beklemmendes Stück Tanz. Etwas leichtfüssiger, aber nicht minder ernst kommt «Nowhere to be found» von Andrew Cummings daher. Der Schotte erzählt davon, wie man in Zeiten der Unsicherheit seinen eigenen Weg findet. Drei Personen tanzen auf einem Lichtstreifen, bewegen sich vorwärts und rückwärts, allein oder gemeinsam, gehen sicheren Schrittes auf dem Scheinwerferpfad, um kurz darauf ins Wanken zu geraten, die Orientierung zu verlieren oder irregeführt zu werden. Das sind Minuten schlichten Tanzgenusses. Den dritten Teil bildet das ursprünglich abendfüllende Stück «The Critical Piece» von Jochen Stechmann, der sich mit dem Verhältnis von Wort und Tanz beschäftigt. Auf humorvolle Weise versuchen drei Performerinnen einzelne Sätze aus Tanzkritiken in Bewegung umzusetzen und verschiedene Typen von Tanzkritikern zu erklären. Die Idee ist wunderbar, kann sich in der verknappten halben Stunde aber zu wenig entfalten.

. . . bis grotesk

Nach diesem intelligenten Amüsement präsentierte der israelische Choreograf Edan Gorlicki sein Duett «A little too close», in dem er die Rolle der Macht in einer Beziehung thematisiert. Diese Arbeit ist eine berührende und zugleich groteske Erprobung von Distanz und Nähe in einer Liebesbeziehung. Der Abend endet schliesslich mit einem Stück fulminanter Extravaganz. Nils Lange und Teresa Vittucci aus Deutschland und Österreich lassen in «You betta cry» die Ausdruckstänzerin Mary Wigman und den Komponisten Igor Strawinsky den Vogue-Tanz vollführen, einen Blumenstrauss leuchten und entblösste Körperteile hüpfen. Das ist ein herrlicher Abschluss der Nachwuchsplattform «5 Min. 20 Max.», die den zeitgenössischen Tanz in sehr unterschiedlichen Facetten zu zeigen vermag. Zürich, Tanzhaus, 24. November. Weitere Aufführungen am 26. und 27. November.

JETZT Konzerte Licht wird Klang, aber wie! Michael Vorfeld erfand für seine Performance Glühlampenmusik aus Lichtreglern, Schaltern, Tonabnehmern und Glühlampen ein Musikinstrument, das eine feine elektroakustische Klangwelt erzeugt. Norbert Möslang wiederum benutzt für seine Installation Capture Fluoreszenzlampen, Magnetspulen und InfrarotEmpfänger, um den Raum zum Knistern und Flackern zu bringen. Zürich, Kunstraum Walcheturm (Kanonengasse 20), 26. 11., 20.30 h.

Giovanni Antonini, der als Dirigent historische Musik mit neuem Leben erfüllen kann, gastiert beim TonhalleOrchester Zürich und interpretiert zwei

Mozart-Sinfonien: die Nummern 33 (KV 319) und 38 (die «Prager», KV 504). Dazwischen erklingt mit der Flötistin Sabine Poye´ Morel das hochoriginelle, stürmische und drängerische Flötenkonzert G-Dur von Carl Philipp Emanuel Bach, das zu einem besonderen Genuss zu werden verspricht. azn. Zürich, Tonhalle, 27. und 28. 11., je 19.30 h.

Lesen Unter dem Motto «Oh Happy Weihnukka!» begrüsst die Zürcher Autorin Marianne Weissberg im Cafe´ Salon in Wiedikon das jüdische Lichterfest Chanukka und die nahe Weihnachtszeit. Weissberg liest aus ihrem neuen Buch «Lili und der Schmock!» (Edition

Vollreif). Angesagt sind «nicht ganz koschere Schnüffeleien», die in eine Männerjagd münden. What else? sru. Zürich, Caf´e Salon (Weststr. 20), 26. 11., 19 h.

Offene Leinwand Kurz vor dem aufkeimenden Weihnachtsrummel findet in der Aktionshalle der Roten Fabrik am Donnerstag die Herbstausgabe der «Offenen Leinwand» statt. Die Veranstaltung bietet Nachwuchs-, Low- und Non-BudgetFilmemachern ein Forum, ihre Produktionen zu präsentieren. Einzige Bedingung: Die Autorinnen und Autoren müssen bei der Projektion anwesend sein. Filme in praktisch allen Formaten können ab 18 Uhr eingeschrie-

ben werden, ab 20 Uhr werden sie vorgeführt. Der Beitrag mit dem lautesten Applaus wird im Sommer im Rahmen des Open-Air-Kinos «Film am See» beim Restaurant Ziegel oh Lac vorgeführt. sru. Zürich, Rote Fabrik, Aktionshalle, 28. 11., ab 20 h.

Grafik Der Verein für Originalgraphik VFO bringt regelmässig neue Serien von mehrheitlich Schweizer Künstlern heraus. Die hervorragend kuratierte Reihe ist schon seit Jahren ein Geheimtipp für Liebhaber von Arbeiten herausragender Künstler zu günstigen Preisen. Zurzeit wird die neuste Serie mit Werken von Barbara Davi, John Grüni-

ger, Zilla Leutenegger, Judith Peters und Peter Püntener präsentiert. Aber auch in der Backlist befinden sich zahlreiche Trouvaillen. sru. Zürich, VFO (Verena-Conzett-Str. 7), bis 29. 1.

Musik Wenn Gogol Bordello die Bühne stürmt, dann wird es laut und lustig. Die acht Musikerinnen und Musiker um den in die USA exilierten russisch-ukrainischen Zigeuner Eugene Hütz spielen treibende Sounds und Beats zwischen Polka und Punk, zwischen süssen Gipsy-Schlagern und hypnotischem Dub. Der Bandleader singt und sorgt für Spektakel. ubs. Zürich, Komplex 457, 26. 11., 20 h.


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