4 rommel und der widerstand

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4 Rommel und der Widerstand Rommels Name wurde und wird immer wieder mit dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 in Verbindung gebracht. Insgesamt wird heute aber betont, dass Rommel nicht an den Planungen und der Ausführung des Attentats beteiligt war. Keine Einigkeit herrscht jedoch hinsichtlich der Frage, ob er vom geplanten Attentat wenigstens Kenntnis hatte oder zumindest ahnte, dass die Ermordung Hitlers geplant war.

Rommel (rechts) in Pas-de-Calais mit seinem Stabschef Hans Speidel (links), der ihn für den Widerstand gewinnen sollte, April 1944. In einem Brief an seine Frau vom 24. Juli 1944 äußerte sich Rommel ablehnend gegenüber einem Attentatsversuch: „Zu meinem Unfall hat mich das Attentat auf den Führer besonders stark erschüttert. Man kann Gott danken, dass es so gut abgegangen ist.“[30] Dass Rommel dennoch mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 in Verbindung gebracht wurde, lässt sich auf die Aussagen zurückführen, die sowohl Generalleutnant Hans Speidel wie auch Oberstleutnant Caesar von Hofacker bei ihren Vernehmungen machten. Speidel war im April 1944 als Stabschef zu der von Rommel geleiteten Heeresgruppe B gekommen. Sein inoffizieller Auftrag war es, Rommel für den Widerstand zu gewinnen. Anfang Juli 1944 wurde außerdem Caesar von Hofacker zu Rommel geschickt, um zu klären, ob dieser sich dem Widerstand anschließen wollte. Hofacker, der den Umsturzversuch in Paris leitete, wurde nach dessen Misslingen verhaftet und gefoltert. Dabei soll er Speidel und Rommel der Mitwisserschaft an dem Attentat beschuldigt haben. Speidel wiederum soll ausgesagt haben, er habe seinen Vorgesetzten Rommel „pflichtgemäß“ über die Anschlagspläne informiert, als er davon erfahren habe, dieser habe seine Meldung aber nicht weitergegeben. Noch Anfang September besuchte Speidel Rommel in Herrlingen und berichtete ihm, dass er von seinem Posten als Stabschef der Heeresgruppe B abgesetzt worden war. Als die Gestapo Speidel kurz darauf verhaftete, setzte sich Rommel in einem Brief für Speidel ein. Dieser hatte ihn aber wohl zu diesem Zeitpunkt bereits mit dem Attentat in Verbindung gebracht. Zusätzlich wurde Rommels Name in den Unterlagen des ehemaligen Leipziger Oberbürgermeisters Carl Friedrich Goerdeler gefunden, der ebenfalls dem Widerstand angehörte. Insgesamt gibt es aber weiterhin Unklarheiten darüber, wie genau die belastenden Aussagen zustande kamen. Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass es in der Wehrmachtsführung durchaus ein Interesse daran gab, Rommel auszuschalten. „Wegen seiner steilen Karriere, seiner Popularität und vor allem aufgrund der Gunst, die er bei Hitler genoss, hatte er viele Feinde in der Wehrmacht.“[31] Nach dem Krieg veröffentlichte Speidel, der im Gegensatz zu von Hofacker nicht zum Tode verurteilt worden war, das Buch 1944. Ein Beitrag zu Rommels und des Reiches Schicksal, in dem er Rommel als Mitglied des Widerstandes darstellte. Auch Rommels Ehefrau und Sohn


äußerten sich nach dem Kriegsende zu dieser Frage: Sein Sohn legte im April 1945 eine eidesstattliche Erklärung ab, in der er aussagte, sein Vater sei von Speidel, Carl-Heinrich von Stülpnagel und Goerdeler mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 in Verbindung gebracht worden. Rommels Witwe veröffentlichte 1950 Aufzeichnungen ihres Mannes und erklärte außerdem, dass das soldatische Selbstverständnis ihres Mannes ihm jegliche politischen Aktivitäten versagt hätte: „Er war während seiner ganzen Laufbahn immer Soldat und nie Politiker“. Er sei daher nicht am Widerstand beteiligt gewesen.[32] Wistrich schrieb 1983, dass Rommel mit den Verschwörern „sympathisierte […] ohne sich selbst aktiv an der Verschwörung zu beteiligen“, insgesamt aber „unentschieden“ geblieben sei. Er ging aber davon aus, dass Rommel sehr wohl über die Pläne informiert gewesen war.[33] Reuth urteilte 1987 hingegen, dass Rommel weder von den Attentatsplänen wusste noch für den Widerstand gewonnen wurde. Er meinte, Rommel habe zwar im Hinblick auf die Einschätzung der militärischen Situation mit den Vertretern des Widerstandes, Speidel und von Hofacker, übereingestimmt, und ebenso wie diese Konsequenzen aus dem für die Wehrmacht ungünstigen Kriegsverlauf gefordert. „Was sie mit ‚Konsequenzen‘ meinten, unterschied sich jedoch grundlegend.“[34] An die Ermordung Hitlers habe Rommel dabei nie gedacht. Auch in seinem Aufsatz von 1997 stellt Reuth fest, dass „weder Hofacker noch Speidel […] Rommel also definitiv für den Widerstand gewonnen“ hatten.[35] David Fraser unterstützt die Einschätzung Reuths: „Rommel hatte stets die Vorstellung einer Tötung Hitlers abgelehnt, obwohl er inzwischen von der Notwendigkeit, den Krieg zu beenden, überzeugt war und erkannte, dass dies die Ausschaltung Hitlers einschloss.“[36] Sowohl Fraser wie auch Reuth sehen Rommel deshalb nicht als Mitwisser der Verschwörung gegen Hitler, erkennen aber an, dass es ganz offensichtlich das Bestreben der Verschwörer war, den populären Rommel für sich zu gewinnen. Ab Mitte der 1990er-Jahre verschwanden dann die Einträge zu Rommel aus den Werken 20. Juli. Porträts des Widerstandes (herausgegeben von Rudolf Lill) sowie aus dem Lexikon des Widerstandes 1933–1945 (herausgegeben von Peter Steinbach).[37] Im Jahr 2010 betonte der Militärgeschichtsforscher Jörg Echternkamp, dass sich Rommels Rolle als Widerstandskämpfer 1944 darin erschöpfte, dass er zwar „mit den westlichen Alliierten einen Separatfrieden schließen wollte, aber doch nur, um den Krieg im Osten gegen die Rote Armee zu gewinnen.[38]“


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