Alexa Baumgartner: Von der Großwohnsiedlung und der Alternative als Ausnahme

Page 1

auszug #14

widerstand und wandel 70er Ăźber die 19

Alexa Baumgartner wohnbau der 1970er-jahre in tirol teil 1 von der groĂ&#x;wohnsiedlung und der alternative als ausnahme

jahre in tirol


impressum Herausgeber: aut. architektur und tirol (www.aut.cc) Konzept: Arno Ritter Redaktion: Arno Ritter, Claudia Wedekind Lektorat: Esther Pirchner Gestaltung und Satz: Claudia Wedekind Grafisches Konzept und Covergestaltung: Walter Bohatsch, Wien Gedruckt auf Magno Volume 115 g Gesetzt in Frutiger Lithografie und Druck: Alpina Druck, Innsbruck Buchbindung: Koller & Kunesch, Lamprechtshausen © 2020 aut. architektur und tirol, Innsbruck © der Textbeiträge bei den Autorinnen und Autoren © der Abbildungen bei den jeweiligen Rechteinhabern Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in ­irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers ­reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme ­verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. ISBN 978-3-9502621-7-9

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.


Alexa Baumgartner wohnbau der 1970er-jahre in tirol | teil 1 von der großwohnsiedlung und der alternative als ausnahme

Waren die 1960er-Jahre ein Jahrzehnt, in dem die Wirtschaft florierte und der Zukunftsglaube aufgrund technologischer Errungenschaften bestätigt wurde, so leiteten die 1970er-Jahre auch in der Architektur einen thematischen und gedanklichen Wendepunkt ein. Ausschlaggebend für dieses Umdenken war die Ölkrise von 1973. In der Folge finden sich in den Arbeiten vieler junger Architektinnen und Architekten vermehrt Themen wie ökologische Eigenverantwortung, Kritik am Kapitalismus sowie Par­ tizipation und Mitsprache. Zunächst entstand aber international ab den späten 1950er-Jahren – als Reaktion auf die strenge Rationalisierung im Wohnbau der Nach­kriegs­ jahre – eine Vielzahl von Entwürfen, Studien und Konzepten für ­innovative Wohnbauprojekte, wobei nur wenige davon realisiert wur­den. Mili­tärische Entwicklungen, wie das Wissen zu Massenproduktion, Vor­fabrikation, Telekommunikation sowie die Produktion synthetischer Materialien, ­eröffneten dabei der Nachkriegsgeneration ein neues ­Expe­rimentierfeld. Wohnbau wurde im großen Maßstab gedacht und ­ent­worfen – als Megastrukturen in Form von in sich geschlossenen ­Stadt­ein­heiten, die

Günther Domenig und Eilfried Huth, Neue Wohnform Ragnitz, 1965 – 69, Modell


in ihren Wohneinheiten Individualität und Freiheit zuließen. Dabei wurde auch die darin lebende Gesellschaft neu und alternativ ­„geplant“. In Österreich erarbeitete das Grazer Kollektiv Eilfried Huth und Günther Domenig mit der „Neuen Wohnform Ragnitz“ eines der international am weitesten ausgereiften Projekte seiner Art, wie auch Reyner Banham 1976 schrieb.1 Das Konzept für Ragnitz entstand ab 1965, ur­ sprüng­lich als konkrete Bebauungsstudie im gleichnamigen Tal nahe Graz. Da sich die Studie für die Auftraggeber zu weit von üblichen Wohn­bau­ vorstellungen entfernte, wurden Domenig und Huth für ihre Arbeit zwar entlohnt, aber kurzerhand entlassen. Die jungen Architekten arbeiteten dennoch am realutopischen Projekt weiter und präsentierten es in einer Ausstellung im Forum Stadtpark. 1969 gewannen sie damit den „Grand Prix d’Urbanisme et d’Architecture“ in Cannes, wobei das Projekt von einer international angesehenen Jury2 ausgewählt wurde.3 Die Komplexität und der hohe Detaillierungsgrad des Entwurfs­­ projekts lässt sich an der Fülle von Überlegungen und Ausarbeitungen der Architekten erkennen: Ragnitz besteht aus einem vorfabrizierten Träger- und Versorgungssystem, einem urbanen dreidimensionalen Gerüst, in das modulare und innovative Wohneinheiten eingehängt werden. Die ­clusterförmige Anordnung der Wohnelemente soll Umbauten, ­beispielsweise im Falle eines Generationswechsels, ermöglichen.4 Das 158 159

Günther Domenig und Eilfried Huth, Neue Wohnform Ragnitz, 1965 – 69, Planzeichnung Konzentraum


Gelände ­unterhalb der Wohnverbauung bleibt großteils frei, hier werden not­wen­dige Infrastrukturen sowohl ober- als auch unterirdisch angesiedelt. Bei den großzügigen Wohneinheiten mit Terrassen oder hängenden Gärten achteten Domenig und Huth darauf, moderne, also synthetisch herge­stell­te Materialien zu verwenden, die als Fertigteile erworben und von den Bewohnerinnen und Bewohnern selbst verbaut werden hätten können. Teilhabe und Individualität spielten in der Wohnform Ragnitz eine ausschlaggebende Rolle: „Wichtig ist dabei das Einbeziehen von manueller Eigenleistung, Eigenleistung als Teil einer Zeit, die nicht dem Geld­­ erwerb dient. Diese legitimierte Eigenleistung ist Ausgangspunkt neuer schöpferischer Tätigkeit und Gedankenbildung.“5 Daneben fungiert auch der in den Wohneinheiten integrierte „Konzentraum“, eine variable Kapsel, als Rückzugsort und Raum für individuelle Entfaltung innerhalb des Familien­lebens. Hier kann sich das einzelne Familienmitglied frei und unein­geschränkt entfalten, abgeschirmt von der Umwelt sollen Konsum oder Medien keinen Einfluss nehmen.6 Auf beachtliche Art und Weise griffen Domenig und Huth bereits Ende der 1960er-Jahre vielen Themen der 1970er vor. Noch radikaler ­führten sie ihre Ansätze im Ausstellungsprojekt „Medium Total“ von 1970 für die Galerie nächst St. Stephan in Wien weiter. Mit Fragen wie „Was passiert, wenn alle Chinesen und alle Inder 14 Tage auf Urlaub fahren? Oder jeder Haushalt, wie das in Amerika schon der Fall war, ein Auto hat?“7 versuchten die Architekten bereits damals die begrenzten Ressour­ cen unseres Planeten mitzudenken. Ihre Antwort darauf war das totale Medium, eine gelbe Masse, welche die gebaute Umwelt als fluide und ­kybernetisch anmutende Zellmembran ersetzt. In dieser lebt eine Weiter­ entwicklung der Menschheit, die Suprahominiden, die ihre Kolonisation auch auf Mond und Mars ausweiten.8 1975 lösten Eilfried Huth und Günther Domenig ihre Zusammenarbeit auf. Während die architekto­nische Sprache Domenigs geprägt ist durch ihren skulpturalen Ausdruck, ­entwickelte Huth den schon im Projekt Ragnitz angelegten Gedanken der Benutzerbeteiligung weiter und wurde zu einem Pionier partizipativer Ansätze im Wohnbau. Im Tirol der 1970er-Jahre schienen solche Endzeitszenarien in weiter Ferne. Hier ist es vor allem die Kritik an der reinen Funktionalität und der ökonomischen Enge im Wohnbau der Zeit, welche die Debatte unter Architektinnen und Architekten sowie in den Medien prägte. In diesem Zusammenhang wurden auch die intransparente Planung und Vergabe durch öffentliche Ämter angeprangert. Wohnbauwettbewerbe waren eine Seltenheit. Gesellschaftspolitische und ökologische Gedanken jener Zeit wurden unter anderem in den Entwürfen für die „Wohnen Morgen“-Wett­ bewerbsbeiträge sichtbar (siehe den Beitrag von Birgit Brauner in diesem Band), ebenso wie die unterschiedlichen Einflüsse aus der Studienzeit der Tiroler Architektinnen und Architekten – viele von ihnen studierten


in Wien oder Graz. Der Blick von heute auf den Tiroler Wohnbau der 1970er-Jahre zeigt, dass sich nur wenige realisierte Projekte finden, die alternative Ansätze verfolgten. Zugleich ist rückblickend nicht jede Kritik ­ge­recht­fertigt und damals umstrittene Projekte können bis heute mit ihren Qualitäten überzeugen.

die prototypische großwohnsiedlung: olympisches dorf 2 in innsbruck „Das Inntal ist enger geworden – das ganz und gar nicht dörfliche ‚Olympische Dorf‘ liegt als Koloss in dessen Mitte. Die städtebauliche und architektonische Konzeption – falls man eine finden will – gigantisch-naiv oder naiv-gigantisch. Die Planung lag in den Händen der Behörden und dürfte deren optimalen Architekturvisionen entsprechen. [...] die Wohnblocks stehen für den Beschauer wie Kühe auf der Weide.“ Josef Lackner, 19639

160 161

Das Olympische Dorf in Innsbruck ist eine Großwohnsiedlung ihrer Zeit, die in ihrer Umnutzung dem akuten Wohnungsmangel der Nach­ kriegsjahre entgegenwirkte. Entwickelt in den „Amtsstuben mehr schlecht als recht“10 unter Bürgermeister Alois Lugger, entstanden mit dem Olym­ pischen Dorf 1 und 2 innerhalb von 15 Jahren über 1.300 Wohnun­gen.11 Ein Stadterweiterungsprojekt dieser Größe stellt auch heute noch einen markanten Einschnitt für das Bild der Stadt und ihrer Landschaft dar.

Straßenszene im Olympischen Dorf 1 in Innsbruck in den 1960er-Jahren


Olympisches Dorf 1 (1961 – 64; im Hintergrund) und Olympisches Dorf 2 (1973 – 76; im Vordergrund), Innsbruck

Von Beginn an wurde die Unmaßstäblichkeit und Rationalität in der rigiden Beamtenplanung des sogenannten O-Dorfs kritisiert. Die Wahr­ nehmung der damaligen Bewohnerinnen und Bewohner war durchaus ­positiv. So ­beschreibt beispielsweise der Journalist und Fernsehmoderator Armin Wolf seine Kindheit im Olympischen Dorf als perfekt, da viele ­kinderreiche Familien angesiedelt wurden und die großzügigen Spielund Grünflächen damals wie heute viel Platz für die Jüngsten boten.12 Im zweiten Bauabschnitt zwischen 1973 und 1976 ist zu erkennen, dass die Behörden zumindest ansatzweise aus den Fehlern des ersten Olympischen Dorfs gelernt hatten. Das zweite Olympische Dorf wurde als Erweiterung des ersten Teils realisiert und ist städtebaulich weniger starr organisiert. Wurden in den 1960er-Jahren Wohnblöcke auf die leere Wiese gestellt, begann man nun sukzessive mit der Ergänzung von Infrastruk­ turen: Neben den 642 Wohnungen entstanden ein Hauptschulgebäude mit Doppelsporthalle, ein Hallenbad und ein Rezeptionsgebäude.13 Der Idee einer egalitären Wohnungsversorgung der Nachkriegszeit entsprechend, wurde im Olympischen Dorf 2 aber erneut eine sozial homogene Bevöl­ke­ rungsschicht zeitgleich am selben Ort untergebracht. Dass ein Gemein­ schaftsgefühl nicht als gegeben vorausgesetzt werden konnte, sondern ­ge­steuert und erarbeitet werden hätte müssen, verstand die öffentliche Hand zu jener Zeit nicht. Bürgermeister Alois Lugger wurde vorgeworfen, nicht fähig zu sein, ein Projekt dieser Dimension zu betreuen. Die Regelung der Zuständigkeit und die Möglichkeit zur Mitsprache und Selbstverwaltung ist zentrales


Thema hinsichtlich einer stabilen Entwicklung und der Bewohneridenti­ fikation mit ihrem Wohnumfeld. Der niederländische Architekt und Theoretiker N. John Habraken spricht davon, dass die einzelnen Wohnun­ gen von ihren Bewohnerinnen und Bewohnern „in Besitz genommen“ werden sollen. Die Menschen können sich mit ihrer Umgebung erst dann identifizieren, wenn sie sich dafür verantwortlich fühlen. Die Bewohnerin­ nen und Bewohner sollen sich selbst in die gebaute Umgebung einbe­ ziehen.14 Der selbstverwaltete „Wohnpark Alt-Erlaa“ in Wien von Harry Glück ist beispielhaft, weil er mit 93 Prozent eine extrem hohe Wohn­ zufriedenheit bei den Bewohnerinnen und Bewohnern zeigt. So werden auch die Freizeitinfrastruktur und Gemeinschaftsflächen in Alt-Erlaa ­intensiv genutzt und gestaltet.15 „Ich bin mal ausgezogen, aber woanders ist es definitiv nicht schöner. Also bin ich wieder hier.“16

162 163

Harry Glück entwarf und realisierte zwischen 1968 und 1985 drei Wohnblöcke für den Wohnpark Alt-Erlaa im Süden von Wien. Die äs­ thetisch markanten Blöcke mit parabolisch auslaufendem Fuß umfassen 3.172 Wohnungen, 3.400 Tiefgaragenplätze, zwei Ärztezentren, drei Schulen, zwei Kindergärten und ein Kindertagesheim, eine Rundturnhalle, 33 Freizeitclubs und mehrere Tennishallen, eine Kirche, ein Verwal­ tungsgebäude und ein Einkaufszentrum. Die Wohnanlage zählt sieben Schwimm­bäder auf den Dächern in 70 Metern Höhe und ist direkt an die U-Bahn angebunden. Die Blöcke werden von viel Grün auf den

Harry Glück, Wohnpark Alt-Erlaa, Wien, 1968 – 85, fotografiert 2013 von Hertha Hurnaus


­ m­liegenden Freiflächen umspült, zudem zieht sich üppige Bepflanzung u über die ersten 13 Obergeschoße. Das Zurückspringen in der Fassade ­ermöglicht Terrassen mit großen Pflanztrögen für die Wohnungen auf ­diesen Etagen. Die Wohnungen in den Geschoßen 15 bis 27 sind mit einer Loggia ausgestattet. Im Wohnpark Alt-Erlaa sind 35 Grundrisstypen zu ­finden, von 1,5-Zimmer-Appartments bis zu Maisonette-Wohnungen.17 Die Wohnanlage wurde anfänglich von Architektinnen und Archi­­­ tekten scharf kritisiert und Harry Glück erhielt erst viel später Aner­­ kennung für seinen Entwurf.18 Interessanterweise liest sich die Geschichte der Wohnanlage Mariahilfpark in Innsbruck von Franz Kotek ähnlich. Ursprüng­­­lich wurde der Entwurf von den lokalen Architektinnen und Ar­ chitekten als vier Betonkolosse abgestempelt. Heute zählt der Maria­ hilfpark zu den beliebtesten Wohnanlagen in Innsbruck aus den 1970erJahren. Generationen von Familien leben darin, weil sie die zentrale Lage und den hohen Wohnstandard gleichermaßen schätzen. unerwartete qualitäten: wohnanlage mariahilfpark Die Wohnanlage Mariahilfpark wurde von der gemeinnützigen Gesell­schaft Wohnungseigentum (WE) zwischen 1969 und 1973 erbaut. Das Projekt war ein Direktauftrag an den Architekten Franz Kotek, der über seine Ehefrau mit dem Gründer und Leiter der WE, Kurt Gattinger, befreundet war. Das Büro Kotek realisierte daraufhin eine Vielzahl an Wohnbauten in den 1960er- und 1970er-Jahren, so auch die Anlage Zentrum Kreid am Bozner Platz in Innsbruck.19 Nachdem Franz Kotek aufgrund einer Erkrankung seinen rechten Arm nicht bewegen konnte, war der damalige Mitarbeiter und Architekt Helmut Hanak ­maßgeblich für die Entwürfe des Mariahilfparks und des Zentrums Kreid verantwortlich. Die das Bild des Innufers prägende Wohnanlage Mariahilfpark besteht aus drei neungeschoßigen und einem fünfgeschoßigen Wohnturm, die durch eine erdgeschoßige Geschäfts- und Bürozeile zur Mariahilfstraße hin miteinander verbunden sind. Zur Innseite sind die Türme auf der Höhe des ersten Obergeschoßes mit Grünflächen umgeben, über diese kann die Innpromenade direkt erreicht werden. Die Promenade wurde eben­falls im Zuge der Errichtung des Mariahilfparks angelegt. Das Volu­ men und die Positionierung der Baukörper ergaben sich aus den rigiden Vorgaben der Stadt und dem Wunsch des Wohnbauträgers, die maximale Ausnutzung zu erreichen. So lag der Gestaltungsschwerpunkt auf der Fassade, auf den ­individuell ausformulierten Eingangsbereichen der vier Blöcke sowie der indirekten Beleuchtung für die Erschließungsgänge, wie Architekt Helmut Hanak erklärt.20 Die Strukturierung der Fassade des Mariahilfparks erinnert einerseits an den sogenannten „corduroy concrete“ (Kordbeton) von Paul Rudolph21, der gerippt und gestockt ist. Architektonische Referenz für den


164 165

Franz Kotek, Wohnanlage Mariahilfpark, Innsbruck, 1969 – 73

Mariahilfpark war hingegen das Arabella-Hochhaus in München (heute Arabellapark)22, das zwischen 1966 und 1969 nach einem Entwurf des Architekten Toby Schmidbauer realisiert wurde. Ein Teil des Hochhauses wurde 1972 für die Olympischen Spiele zu Hotelzimmern umgebaut. Der Arabellapark vereint heute noch verschiedenste Funktionen23 und soll aufgrund der schlechten Bausubstanz 2026 abgerissen und an derselben Stelle neu aufgebaut werden.24 Die Fassadenelemente für den Mariahilfpark wurden vom Archi­ tektur­büro Kotek anhand von Modellen in realer Größe getestet. Die Noppen sind als gestalterisches Element bewusst unregelmäßig angelegt und wurden mit Brettern geschalt sowie händisch abgeschlagen. Grund­ lage dafür waren Studien von Franz Kotek zu Barockdecken aus dem Volkskunstmuseum in Innsbruck, bei welchen die Balkenabstände unterschiedlich angelegt wurden. Für die Rhythmisierung der Fassade beim Mariahilfpark sind zudem die Blumentröge ausschlaggebend. Nicht zuletzt verleihen die verschiedenen und bunten Markisen in den Sommer­monaten der Fassade ein besonderes Flair.


„Die Ideen, die hinter dem Mariahilfpark standen, brachen aus der Starrheit des Wohnbaus der 1960er-Jahre aus und boten eine Vielzahl an Möglichkeiten. Meine Familie wusste die zentrale Lage, die Modernität der Anlage sowie die Flexibilität und Mitsprachemöglichkeit bei der Grundrissgestaltung zu schätzen. Auch gefiel die Großzügigkeit der Räume zwischen den Wohn­blöcken. Der Mariahilfpark vermochte es, Wohlfühlen und Freiheit zu vermitteln.“25

Der Mariahilfpark weist verschiedene Wohnungstypen auf, von Ein- bis Vier-Zimmer-Wohnungen zwischen 30 und 125 m2, wobei die großen Wohnungen jeweils an den Kopfseiten positioniert wurden. Diese ­wurden an bekannte Innsbrucker Familien verkauft, die sich untereinander ­kannten und lange in der Anlage lebten oder noch leben. Besonders gefragt war schon damals der Typus der Ein-Zimmer-Wohnung als Anleger­wohnung für Familien von Studierenden in Innsbruck oder auch bei Sexarbeiterinnen. So gelang es mit dem Mariahilfpark, sowohl günstige Anlegerobjekte und luxuriöse Wohnungen anzubieten als auch ein breites soziales Gefüge unter den Bewohnerinnen und Bewohnern zu generieren. Die soziale Durchmischung produzierte Kommunikation, gelegentlich auch Diskussion über die Zuhälter der Prostituierten, erinnert sich eine Bewohnerin.26

Franz Kotek, Wohnanlage Mariahilfpark, Innsbruck, 1969 – 73, Luftaufnahme Baustelle 1972


166 167

Franz Kotek, Wohnanlage Mariahilfpark, Innsbruck, 1969 – 73, Grundrisse Block B

Der Mariahilfpark wurde nach einem kostengünstigen schwedischen Betonsystem errichtet, das in Innsbruck vermutlich zum ersten Mal ­Ver­wendung fand.27 Die modulare Bauweise anhand von vorgefertigten Betonschalungen ermöglicht Flexibilität und Variation in der Grund­ rissgestaltung. Aufgrund der Bauweise mussten Wände und Decken nicht ­verputzt, sondern nur leicht verspachtelt werden. Die Wohnungen des Mariahilfparks wurden quasi als Edelrohbau verkauft und je nach Ansprüchen und Nutzen ausgebaut. Dass sich die Architekten bewusst dafür entschieden, konstruktive Details im Beton sichtbar zu lassen


und nicht zu kaschieren, war ungewohnt für die Zeit. Zugleich boten sie damit den zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohnern die Möglichkeit, ihre Individualität im Ausbau der Wohnungen auszuleben: So findet sich vom schwimmenden Estrich mit Parkettböden bis zu den für die Zeit typischen Tapeten oder der traditionellen Tiroler Bauernstube alles Mögliche in den Wohnungen. In der Verkaufsbroschüre des Mariahilfparks wurden die verschiedenen Wohnungstypen anhand von Axonometrien vorgestellt und ver­ sprachen ebenso modernes wie schlichtes Design. Alle Wohnungen öffnen sich zur Fassade hin mit raumhoher Verglasung und überzeugen mit ­großzügigem Balkon. Die standardmäßig eingebauten Küchen folgten dem Konzept der Frankfurter Küche und wurden mit Produkten der Firma AEG ausgestattet, wobei Herd und Spüle als eine Einheit verbunden waren – „eine Sensation für die damalige Zeit“28. Die Wohnungen des Mariahilfparks konnten mit Qualitäten überzeugen, die sich bald herumsprachen, und waren dementsprechend schnell verkauft.29 Wenig gestaltet und kaum genutzt wurden jedoch die Räume im Außenbereich. Der offene und möblierte Eingangsbereich eines jeden Wohn­blocks wurde nie zu dem Ort des Austausches für die Bewohnerinnen und Bewohner, als der er gedacht war. Der derzeit stattfindende Gene­rationswechsel im Mariahilfpark zeigt einmal mehr die Beliebtheit der An­lage, trotz ihrer energetischen Schwierigkeiten und anstehenden Sa­nie­rungsarbeiten.

Franz Kotek, Wohnanlage Mariahilfpark, Innsbruck, 1969 – 73, Axonometrie Typ B (1-Zimmer-Wohnung)


die alternative am hang: terrassenhausanlage hötting Zwischen 1968 und 1974 realisierte der Architekt Norbert Heltschl das erste Terrassenhaus in Innsbruck bzw. Westösterreich30, eine Wohn­ty­­ pologie, die in den 1960er- und 1970er-Jahren populär wurde.31 Ter­ras­sen­ häuser haben das Potenzial, die Qualitäten eines Einfamilien­hauses mit Garten und die nachhaltige Idee verdichteter Bauweisen zu vereinen. Den­ noch finden sich in und um Innsbruck nur wenige andere Beispiele, was umso mehr überrascht, als die Topografie diese Bauweise geradezu nahelegt. So handelt es sich in Österreich eher um ein Randphänomen, zu den bekanntesten Beispielen zählt das zuvor erwähnte Terrassenhochhaus Alt-Erlaa. Während Glück mit der Terrassentypologie dem Leitspruch folgte „Wohnen wie Reiche, und zwar für alle“, repräsentiert das von Heltschl geplante Bauwerk luxuriöses Wohnen. Realisiert in Sichtbeton mit ge­ planter Bepflanzung der gesamten Anlage auf den großzügigen Terrassen, entspricht das Bauwerk dem Zeitgeist und dem Versuch, Architektur mit Natur zu verbinden. Heltschl brachte über fünfzig großzügige Wohnungen

168 169

Norbert Heltschl, Terrassenhausanlage Hötting, Innsbruck, 1968 – 74, Grundriss Dachgeschoß

Norbert Heltschl, Terrassenhausanlage Hötting, Innsbruck, 1968 – 74, Innenraumperspektive


Norbert Heltschl, Terrassenhausanlage Hötting, Innsbruck, 1968 – 74, Luftaufnahme 1972

auf zehn Geschoßen unter. Während die ersten drei Geschoße einen Sockel formen, der den Maßstab der Umgebung aufnimmt, springen die darüber liegenden Stockwerke, der Topografie folgend, zurück. Die Terrassierung ermöglicht für jede Wohnung Freiräume, die oft die Größe eines privaten Gartens besitzen. Zudem öffnen sich die meisten Wohn­ einheiten mit geschoßhohen Fenstern nach Südosten. Dies bedeutet nicht nur viel Licht und Sonne für die Bewohnerinnen und Bewohner, sondern auch freie Sicht über die Stadt in die Berge. Um dieses Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit in den Wohnungen zu vermitteln, produzierte Heltschl eine Vielzahl von atmosphärischen Zeichnungen, die modernes Leben im Terrassenhaus und die Ausblicke auf Innsbruck, den Patscherkofel und den Glungezer zeigen. Zum Teil wurden die umliegende Stadt und die Landschaft in die Zeichnung collagiert, womit der Penthouse-Charakter der Wohnungen noch besser vermittelt werden sollte. Die Wohnungen variieren zwischen 33 und 166 m2 mit Terrassen­ flächen von 8 bis 232 m2, womit bei manchen Wohnungen die Gesamt­ fläche um mehr als das Doppelte vergrößert wird.32 Die Anlage wird intern über einen Schrägaufzug erschlossen – eine Novität, die anfänglich viele Probleme verursachte. Zudem gliedern zwei externe Treppenaufgänge den Wohnkomplex in drei Teile und setzen farbliche Akzente. Die Künstlerin Ilse Abka-Prandstetter unterstrich die Aufgänge mit farbigen und linearen Malereien. Die attraktive und fast ausschließlich von Eigentümerinnen


und Eigentümern bewohnte Anlage hat bis heute ein funktionierendes Schwimmbad, eine Sauna sowie eine Gemeinschaftsterrasse und einen Hobbyraum auf dem Dach. Das anfänglich noch fehlende Grün und der daher dominierende Sichtbeton brachte Heltschls Anlage zunächst einiges an Kritik ein. So schrieb Krista Hauser in der Tiroler Tageszeitung (TT) vom 22. September 1977: „Der Blick auf die grünen Hungerburghänge stimmte manchen Innsbrucker in den letzten zwei Jahren trübe: An der Höhenstraße, nahe der Höttinger Kirche, wuchs ein Betonriese, terrassenförmig konzipiert, besser gestaltet als die neuen Wohnanlagen in Sadrach oder im übrigen Hötting etwa, aber eben doch ein Großbau, der die räumlichen und ­städtebaulichen Maßstäbe Innsbrucks wieder einmal sprengte. In etwa drei Jahren wird der Riese die Optik nicht mehr stören, denn er soll von sattem Grün überwuchert sein: Wacholder, Essigbäume, Koniferen und andere winterfeste Gewächse sind auf den Terrassen des sieben­ stöckigen Hauses gepflanzt.“ Blickt man heute auf Heltschls Terrassenhaus, ist das skizzierte Bild längst Realität geworden. Der Baukörper fügt sich in die Landschaft ein, wodurch das eigentliche Volumen kaum ­wahrnehmbar ist – immerhin hat die Anlage ähnlich viele Stockwerke wie die Türme des Mariahilfparks. Die Bewohnerinnen und Bewohner schätzten ohnehin von Beginn an den hohen Wohnwert der Anlage. 170 171

„Die Fundamente der inneren Einstellung heißen: Bescheiden­ heit – Vernunft – Menschlichkeit. Mit den Rezepten einer ­harmonischen Ordnung, mit goldenem Schnitt, Modulor und anderen Hilfsmitteln ist es nicht getan, wenn wir nicht be­ greifen, dass die Schaffung des Raumes für das menschliche Sein die Voraussetzung ist, nach der sich alle übrigen Regeln der Baukunst zu richten haben, oder mit denen sie in Über­ einstimmung gebracht werden müssen.“ Norbert Heltschl, 196633

Heltschl, für den Le Corbusier ein wichtiges Vorbild war, distanzierte sich 1966 von der vorherrschenden Rationalisierung in der Architektur und griff die international aufkommende Forderung nach dem menschlichen Maßstab in der Architektur auf. Innerhalb der CIAM-Kongresse (Congrès Internationaux d’Architecture Moderne) nach dem Zweiten Weltkrieg ­spaltete sich eine junge Nachkriegsgeneration an Architektinnen und Architekten von der älteren Generation ab. So kritisierte der nieder­ ländische Architekt Aldo Van Eyck als Erster in seinem „Statement against Rationalism“34 den vorherrschenden Funktionalismus auf dem Treffen 1947 in Bridgwater. Auf dem neunten CIAM-Kongress in Aix-en-Provence 1953 stellte das britische Architektenpaar Alison und Peter Smithson ihr Gegen­programm zu dem von Le Corbusier ausgearbeitetem „CIAM Grid“


Moshe Safdie, Habitat 67, Montreal, 1967

vor, der auf den vier Funktionen Wohnen, Arbeit, Freizeit und Verkehr ­basiert. Die Smithsons präsentierten den „Urban Re-Identification Grid“, basierend auf vier Maßstabskategorien: Haus, Straße, Stadtviertel und Stadt. Sie ­zeigten auf, wie die Aktivitäten des täglichen Lebens innerhalb der Familie (Haus) sowie im öffentlichen Raum (Straße) unterschiedliche Gemein­schaften generieren (Viertel), die in ihrer Gesamtheit die Stadt ­formen.35 Bei diesem Treffen 1953 formierte sich das berühmte TEAM 10, das sich gegen die dogmatischen Vertreter des Funktionalismus stellte. Späteres Mitglied aus Österreich war Hans Hollein.36 Die Typologie des Terrassenhauses versprach, die neuen Anforde­ rungen an die Architektur zu erfüllen und dem menschlichen Maßstab zu entsprechen. Folglich erlebte das Konzept seine Blütezeit im Struktu­­ ralismus der 1960er- und 1970er-Jahre. Wichtiger Wegbereiter für diese Typologie war der französische Architekt Henri Sauvage. Er dachte ­ bereits in den frühen 1910er- und 1920er-Jahren über terrassierte Wohn­ formen nach und realisierte in Paris erste Vorläufer, um einen Balkon oder eine Terrasse und damit mehr Licht für jede Wohneinheit zu ge­währleisten. Erwähnenswert sind aber auch die Entwürfe von Adolf Loos für das Haus Scheu in Wien von 1912 und für das Projekt Grand Hotel Babylon aus dem Jahr 1923. Eines der bekanntesten und einflussreichsten Terrassenhäuser der späten 1960er-Jahre ist die Anlage Habitat 67 des israelisch-kanadischen Architekten Moshe Safdie in Montreal. Die Anlage war als „Pavillon“ für modernes Wohnen anlässlich der Weltausstellung von 1967 geplant.


Ihr weniger bekannter Vorentwurf entstand 1964, wurde aber aus finanziellen Gründen nicht genehmigt und Safdie musste sein Konzept auf die wesentlich kleinere Variante von Habitat 67 abändern. Die Bewoh­ne­ rinnen und Bewohner des Baus waren zu jener Zeit ausschließlich junge ­Fa­milien mit Kindern, die ihre sozialen Ideen im Gebäude ausleben ­konnten. Für die Kinder war und ist der gesamte Wohnbau ein riesiger Spielplatz mit überall verteilten, geheimen Nischen und Ausblicken, die es zu ­ent­decken gilt. Diese dehnen sich über den öffentlichen und halböffent­lichen Raum aus und sind umgeben von komfortablen Woh­ nungen mit ­privaten Terrassen.37 Bei Habitat 67 handelt es sich um einen künstlich ­erzeugten „Berg“, von Archigram auch „Maulwurfshügel“ ­genannt.38 Dafür wurden 354 vorfabrizierte Betonquader gestapelt, die 158 Wohn­einheiten bilden. „Uns ging es nicht um ein Bauwerk als Ikone, sondern als Programm für eine neue, freiere Gesellschaft.“ Neave Brown, 201739

172 173

Neben Safdie entwickelten damals zahlreiche Architektinnen und Archi­tekten Varianten von Terrassenhaustypologien: Hang- und Teppich­ terrassen, mehrgeschoßige Terrassenbauten, Wohnpyramiden oder -hügel, Kreuzterrassen etc. Bei vielen Projekten aus dieser Zeit handelt es sich um soziale Wohnbauten, die Formen des gemeinschaftlichen Wohnens um­ setzten und lebenswerte Gestaltung von hoher Dichte anstrebten. Bei­ spielhaft dafür sind die Bauten von Renée Gailhoustet und Jean Re­nau­die im Rahmen der von Gailhoustet geleiteten Stadtentwicklung im Pariser Vorort Ivry-sur-Seine40 oder die von der Werkgruppe Graz realisierte Terrassenhaussiedlung in Graz-St. Peter, zugleich ein Schlüsselprojekt für die Mitbestimmung im Wohnbau. Die sich abzeichnenden neuen Tendenzen im Wohnbau wurden ins­ besondere von der jüngeren Generation Tiroler Architektinnen und ­Archi­tekten aufgegriffen und in ihren Beiträgen für die österreichweit ­ausgeschriebenen „Wohnen Morgen“-Wettbewerbe in Entwurfskonzepte übersetzt. Ende der 1970er-Jahre flossen einige dieser alternativen Ideen in realisierte Projekte ein – wie beispielsweise in das Terrassenhaus Sonnleitn von Atelier Mühlau, die Kommunikative Ulfiswiese von Atelier Pontiller-Swienty oder die Reihenhausanlage Vill von Andreas Egger. 1 2

Vgl. Reyner Banham, Megastructure. Urban Futures of the Recent Past. London 1976. S. 160. Serge Antoine, Jacob Bakema, Lucien Bonhomme, Jürgen Joedieke, Louis I. Kahn, Jean Labasse, Henri Lefebvre, Robert Le Ricolais, Horia Maicu, Zigmunt Stanisław Makowski, François Mathey, Paul Maymont, Pierre Piganiol, Jean Prouvé, Karl Schwanzer, Heikki Sirén und Bruno Zevi.


3

Vgl. Günther Domenig, Eilfried Huth, ... zum Wohnbau ... eine aus der „Neuen Wohnform Ragnitz“ in den Jahren 1965 bis 1973 entstandene Untersuchung. [s. l.] S. 4, 12 f. 4 Vgl. ebd. S. 15. 5 Vgl. ebd. 6 Vgl. ebd. S. 292. 7 Eilfried Huth, Die Gegenwart der Utopie, in: Anselm Wagner, Was bleibt von der „Grazer Schule“? Berlin 2012, S. 176. 8 Vgl. Günther Domenig, Eilfried Huth (wie Fußnote 3), S. 137. 9 Vgl. Josef Lackner, Die acht naiven Giganten, in: aut. architektur und tirol (Hg.), ­reprint. ein lesebuch zu architektur und tirol, Innsbruck 2005, S. 152 f. 10 Vgl. ebd., S. 153. 11 Vgl. www.olympiastadt.at/index.php?pageID=20 (abgerufen am 26. 5. 2019). 12 Olympisches Dorf – am Rand der Stadt, Filmdokumentation von Anna Greissing und Georg Rainalter, 2014, www.ibkinfo.at/leokino (abgerufen am 25. 5. 2019). 13 Vgl. www.olympiastadt.at/index.php?pageID=20 (abgerufen am 26. 5. 2019). 14 Vgl. N. John Habraken, De dragers en de mensen – het einde van de massa­ woningbouw, Amsterdam 1961, S. 12, Übersetzung aus: Arnulf Lüchinger, Strukturalismus in Architektur und Städtebau, Stuttgart 1981, S. 62. 15 www.wien.gv.at/kontakte/ma18/index.html (abgerufen am 26. 5. 2019). 16 www.zeit.de/zeit-magazin/2017/24/wohnpark-alt-erlaa-wien-zara-pfeifer-fs ­(abgerufen am 26. 5. 2019). 17 Vgl. www.nextroom.at/building.php?id=239 (abgerufen am 27. 5. 2019). 18 So schreibt auch Friedrich Achleitner, dass er die „Monsteragglomeration hart [kritisierte]. Zusätzlich wurde das Gerücht gestreut, dass die GESIBA (Gemein­­ nützige Siedlungs- und Bauaktiengesellschaft) das Grundstück viel zu teuer gekauft hätte und es deshalb schamlos ausnutzen musste. Die Meinungen haben sich inzwischen geändert und relativiert. Glück wurde auch deshalb lange angefeindet, weil er jahrzehntelang den kommunalen Wohnbau dominierte. Er bekam die ­meisten Aufträge, und daher hatten vor allem jüngere Architektinnen und Architekten wenig Chancen“, in: Friedrich Achleitner, Roland Gnaiger (Hg.), Friedrich Achleitners Blick auf Österreichs Architektur nach 1945, Basel 2015, S. 227. 19 Ausgehend vom Mariahilfpark und nach demselben Bausystem entstand Anfang der 1970er-Jahre am Bozner Platz das Wohn- und Geschäftshaus Zentrum Kreid. Das Projekt liegt prominent an der Kreuzung Brixner Straße und Meinhardstraße im Zentrum von Innsbruck und erhielt seinen Namen durch den Vorgängerbau Hotel Kreid, der 1971 abgerissen wurde. Das Büro von Franz Kotek entwarf eine urbane Anlage, bestehend aus einem drei- bis sechsgeschoßigen Sockel mit Passage und L-förmigem Wohnturm. Gestalterisch wiederholen sich die Noppen in der Beton­ fassade, auch die Grundrisstypologien wurden anhand des Mariahilfparks ent­ wickelt. Anschließend entwarf das Büro Kotek die Anlage an der Kreuzung Schnee­ burggasse und Kohlweg in Hötting und eine Wohnbebauung in Hochrum. 20 Gespräch mit Helmut Hanak am 6. Dezember 2018 in Innsbruck, geführt von Birgit Brauner und Alexa Baumgartner. 21 Zentrales Design-Element in seinen Entwürfen für das Yale Art and Architecture Building (heute Rudolph Hall) in New Haven von 1963 oder das Massachusetts Government Service Center in Boston, errichtet zwischen 1962 und 1971. 22 Gespräch mit Helmut Hanak (wie Fußnote 20). 23 Es gibt Hotelzimmer, Mietwohnungen, Büros, Arztpraxen, eine Klinik und auf dem Dach einen Wellnessbereich der Stadt München. Im Haus befanden sich auch die weltberühmten Aufnahmestudios Musicland Studios. In den 1970er- und 1980erJahren gingen hier Künstler wie die Rolling Stones, Led Zeppelin und Queen ein und aus, vgl. www.moderne-regional.de/tag/toby-schmidbauer/ (abgerufen am 29. 5. 2019). 24 Vgl. de.wikipedia.org/wiki/Arabella-Hochhaus (abgerufen am 29. 5. 2019). 25 Gespräch mit Angelika Hörmann am 12. August 2019 in Innsbruck, geführt von Birgit Brauner und Alexa Baumgartner. Als Jugendliche zog sie mit ihrer Familie Anfang der 1970er-Jahre als eine der ersten Bewohnerinnen ein und lebte dort mit Unterbrechungen bis 2019. 26 Ebd. 27 Die vorfabrizierten Schalungen auf Rollen jeweils für Wand und Decke wurden mit einem Kran im Raster und geschoßweise platziert und je als Element betoniert. Steckdosen und Leerrohre für Elektroinstallationen wurden in die Schalungen


174 175

­­­­ eingelegt. Sämtliche Wände weisen eine Stärke von 20 cm auf und liegen in einer abwechselnden Rasterbreite von 2,7 m / 3,5 m / 4,4 m. Die restlichen Installationen verlaufen über die Sanitärschächte, folglich wurden alle Küchen und Bäder entlang der Erschließungsgänge positioniert. 28 Gespräch mit Helmut Hanak am 6. Dezember 2018 in Innsbruck, geführt von Birgit Brauner und Alexa Baumgartner. 29 Die großen Wohnungen des Mariahilfparks wurden zur damaligen Zeit mit einem durchschnittlichen Quadratmeter-Preis von ca. 7.000 ATS (2019: ca. 1.950 Euro) verkauft. Die Kosten für den Ausbau der Wohnungen waren darin nicht enthalten. 30 Verkaufsbroschüre für die „Luxus Terrassenhausanlage Höhenstraße“ der Bauobjekt Entwicklung Gesellschaft GesmbH, S. 1. 31 In seinem Entwurf orientierte sich Norbert Heltschl stark am ersten Schweizer Terrassenhaus in Zug, entworfen und realisiert von Fritz Stucky und Rudolf Meuli zwischen 1957 und 1960. Die Anlage umfasst 25 Wohnungen und wird in fünf terrassierte Blöcke gegliedert. Auch hier entsprechen die Wohnungen der Größe und den Qualitäten eines Einfamilienhauses. Jede Wohnung wird in ihrer Wohnfläche um ein Drittel bis zur Hälfte durch die eigene Terrasse erweitert. Fritz Stucky lernte unter anderem bei Frank Lloyd Wright, dessen Einfluss in der Integration von Natur und Architektur erkennbar ist. So sind die vorgefertigten auskragenden Balkontröge für die Bepflanzung auf den Terrassen zentrales Gestaltungselement, vgl. www.architekturbibliothek.ch/bauwerk/terrassenhaeuser/ (abgerufen am 30. 5. 2019). 32 Die Terrassenwohnungen wurden zur damaligen Zeit mit einem durchschnittlichen Quadratmeter-Preis von 12.000 bis 16.000 ATS (2019: 3.050 bis 4.050 Euro) verkauft. 33 Norbert Heltschl, Neue Ideen in der Architektur, in: aut. architektur und tirol (Hg.), reprint. ein lesebuch zu architektur und tirol, Innsbruck 2005, S. 166. 34 www.team10online.org/ (abgerufen am 30. 5. 2019). 35 Vgl. Oscar Newman (Hg.), CIAM ’59 in Otterlo. Arbeitsgruppe für die Gestaltung soziologischer und visueller Zusammenhänge, Stuttgart 1961, S. 14. 36 www.team10online.org/team10/meetings/1965-berlin.htm (abgerufen am 30.5.2019). 37 Vgl. Blake Gopnick, Casa dolce Habitat, in: Blake Gopnick, Michael Sorkin, Moshe Safdie, Habitat ’67, Montreal, Universale di architettura, collana diretta da Bruno Zevi, Nr. 35, Torino 1998, S. 19. 38 Archigram: Metropolis, Archigram Magazine, Nr. 5, 1964. 39 www.derstandard.at/story/2000065957957/architekt-neave-brown-das-wundervon-camden (abgerufen am 6. 8. 2019). 40 In dem von Gailhoustet geplanten Wohnkomplex Le Liegat (1971 –  82) werden aus den Terrassen regelrechte Gärten, die bis hinauf in den zehnten Stock reichen. Sie sind sowohl über den Grundriss als auch den Schnitt miteinander verknüpft, um den nachbarschaftlichen Austausch zu ermöglichen. Sozialwohnungen mit solch großzügigen Außenräumen waren damals ein Novum in Frankreich, aber auch andernorts blieben sie eine Rarität.


sie möchten weiterlesen?

Die anlässlich der Ausstellung

widerstand und wandel. über die 1970er-jahre in tirol erschienene Publikation kann auf unserer Web-Site unter www.aut.cc bestellt werden. Sonderpreis: 19,70 Euro zuzüglich Versandspesen (6,- Österreich, 12,- Europa) Danke für Ihre Unterstützung!


bildnachweis Archiv AEP S. 40 | Wilhelm Albrecht S. 353, S. 354, S. 356 – 357, S. 359 – 362 | aus: ar­ chi­tektur aktuell 37 / 1973 S. 224 | aus: Architektur und Fremdenverkehr, 1974 S. 276 | Architektur­zentrum Wien, Sammlung S. 87, S. 91, S. 177 (Foto Margherita Spiluttini), S. 178, S. 197, S. 199 (Foto Christof Lackner), S. 213 – 215, S. 323 | Atelier Classic S. 330 | Archiv aut S. 125 – 126, S. 130, S. 148, S. 216, S. 218 | aus: bauforum S. 138 (81 / 1980), S. 312 (23 / 1971), S. 324 (14 / 1969) | aus: Baugeschehen in Tirol 1964 –  1976, 1977 S. 187, S. 210, S. 225, S. 274 – 275, S. 331 | aus: BMZ – Offizielles Organ der Baumusterzentrale S. 279 (3 / 1968), S. 314 (1 / 1967), S. 318 (1 / 1968) | BrennerArchiv Innsbruck – Vorlass Mitterer S. 118 | aus: Broschüre für die „Luxus Ter­rassen­ hausanlage Höhenstraße“ der BOE, o. J. S. 168 | Canadian Centre for Archi­tec­ture (Gift of May Cutler) S. 171 | Archiv COR S. 316 – 317 | aus: das Fenster S. 146 (5 / 1969), S. 150 (11 / 1972) | Digatone S. 63 – 64, S. 67 | Sammlung Albrecht Dor­nau­er S. 55, S. 288 | Andreas Egger S. 200 – 201 | Thomas Eisl S. 93 | aus: Endbe­richt – XII. Olympi­ sche Winterspiele Innsbruck 1976, 1976 S. 288 | aus: Festschrift zur offiziellen Über­ gabe und kirchlichen Weihe, Sprengelhauptschule St. Johann in Tirol, 1980 S. 225 | FI Archiv für Baukunst der Universität Innsbruck S. 119, S. 197 – 198, S. 229 – 231, S. 233, S. 238, S. 241, S. 244 – 245, S. 248 – 249, S. 282 | FRAC Orle­ans S. 157 – 158 | frischauf-bild S. 160 – 161, S. 164 – 165, S. 169, S. 277 | Archiv Galerie Krinzinger S. 104 – 105, S. 108 | Siegbert Haas S. 179 | Karl Heinz S. 206, S. 207 | aus: Norbert Heltschl. Bauten und Projekte, 2002 S. 197 | Nachlass Ernst Hies­mayr S. 132 | Sepp Hofer S. 69 | aus: Horizont. Kulturpolitische Blätter der Tiroler Tageszeitung S. 140 (18 / 1974), S. 143 (4 / 1972), S. 145 (9 / 1973), S. 149 (10 / 1973), S. 152 (29 / 1976), S. 154 (13 / 1974) | Hertha Hurnaus S. 162 | Sammlung Waltraud Indrist S. 284, S. 290 | Sammlung Peter Jordan S. 259 – 260, S. 269 – 270, S. 364 | aus: Kasiwai. Ein Bildband des Kennedy-Hauses in Innsbruck, 1970 S. 31 | Franz Kiener S. 220 – 222 | Wolfgang Kritzinger S. 263 | Christof Lackner S. 226 | Bernhard Leitner S. 76 – 80 | Christian Mariacher S. 14 – 22 | Albert Mayr S. 82, S. 84 –  85 | Wolfgang Mitterer S. 97 | Thomas Moser S. 268, S. 271 | Helmut Ohnmacht S. 345, S. 370 | Stefan Oláh S. 208 | Archiv ORF Landesstudio Tirol S. 343 | Ortner & Ortner S. 129 | Archiv Max Peintner S. 281 | Charly Pfeifle S. 304 – 309 | Wolfgang Pöschl S. 262 | Peter P. Pontiller S. 191, S. 193 –  194 | aus: Pooletin, 3 / 4, 1977 S. 107 | aus: Pressemappe des Bauzentrums Innsbruck, 1971 S. 322 | aus: Prospekt „i-bau 1973“ S. 334 | Carl Pruscha S. 148 | Nachlass Egon Rainer S. 328 – 329 | Kurt Rumplmayr S. 261 – 262 | Sammlung Wolfgang Salcher S. 219, S. 226 | Elisabeth Schimana S. 89 | Hanno Schlögl S. 184, S. 186 | Sammlung Hubertus Schuhmacher S. 57 | aus: Schul­bau in Österreich, 1996 S. 224 | Sammlung Meinrad Schumacher S. 30 | Sammlung Elisabeth Senn S. 255 – 257 | aus: Sozialer Wohnbau in Tirol. Historischer Überblick und Gegenwart, 1987 S. 136, S. 196 | Stadt­ archiv Innsbruck S. 24, S. 68, S. 71, S. 285, S. 325 | aus: Stadtentwicklung Innsbruck. Tendenzen und Perspektiven, 1978 S. 127 | Subkulturarchiv Innsbruck S. 33, S. 34, S. 37, S. 47 – 49, S. 58 – 62, S. 66, S. 70 | Archiv Taxispalais Kunsthalle Tirol S. 100, S. 102 | tirol kliniken S. 283 | Tiroler Landesmuseen / Zeug­haus S. 330 | Tiroler Landes­museum Ferdinandeum S. 109, S. 112, S. 300 (Grafi­sche Sammlung, Inv. Nr. 20Jh / C / 59), S. 302 (Grafische Sammlung, Inv. Nr. 20Jh / P / 118) | aus: Tiroler Nachrichten, 159 / 1968 S. 320 | aus: Tiroler Tageszeitung, 108 / 1973 S. 336 | aus: Tirols Gewerbliche Wirt­schaft, 20 / 1970 S. 327 | aus: TRANSPARENT. Ma­nuskripte für Architektur, Theorie, Kritik, Polemik, Umraum, 8 / 9, 1970 S. 294, S. 299 | Trash Rock Archives S. 52 | Archiv TU Graz, Sammlung Dreibholz S. 190 | Dieter Tuscher S. 131 | UniCredit Bank Austria AG, Historisches Wertpapierarchiv S. 246 | Universitäts­archiv Innsbruck S. 234 | Uni­ver­si­ tätsarchiv Innsbruck – Nachlass A. Pitt­racher S. 251 | aus: Der Volksbote, 19 / 1973 S. 332 | Günter Richard Wett S. 339 – 340, S. 341, S. 344, S. 346 – 351, S. 366 –  369, S. 371 – 491 | Wien Museum, Karl Schwanzer Archiv (Foto Sigrid Neubert) S. 128 | aus: Wohnanlage Mariahilfpark Innsbruck (WE), 1970 S. 166, S. 167 | aus: Wohnen Morgen Burgenland, 1971 S. 180 – 185, S. 188 | Nachlass Arthur Zelger S. 286 | Siegfried Zenz S. 121, S. 122 Trotz intensiver Bemühungen konnten nicht alle Inhaber von Textrechten ausfindig ­gemacht werden. Für entsprechende Hinweise sind die Herausgeber dankbar. Sollten Urheberrechte verletzt worden sein, werden diese nach Anmeldung berechtigter Ansprüche abgegolten.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.