Günther Dankl: Kunst schafft (sich) Räume.

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auszug #17

widerstand und wandel 70er über die 19

Günther Dankl kunst schafft (sich) räume. aspekte der kunst der 1970er-jahre und ihre wahr­nehmung in tirol. eine betrachtung

jahre in tirol


impressum Herausgeber: aut. architektur und tirol (www.aut.cc) Konzept: Arno Ritter Redaktion: Arno Ritter, Claudia Wedekind Lektorat: Esther Pirchner Gestaltung und Satz: Claudia Wedekind Grafisches Konzept und Covergestaltung: Walter Bohatsch, Wien Gedruckt auf Magno Volume 115 g Gesetzt in Frutiger Lithografie und Druck: Alpina Druck, Innsbruck Buchbindung: Koller & Kunesch, Lamprechtshausen © 2020 aut. architektur und tirol, Innsbruck © der Textbeiträge bei den Autorinnen und Autoren © der Abbildungen bei den jeweiligen Rechteinhabern Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in ­irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers ­reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme ­verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. ISBN 978-3-9502621-7-9

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.


Günther Dankl kunst schafft (sich) räume. aspekte der kunst der 1970er-jahre und ihre wahrnehmung in tirol. eine betrachtung

Der Raum und die Raumerfahrung stehen heute mehr denn je im Blickfeld einer künstlerischen, philosophischen und kulturwissenschaft­ lichen Betrachtung. Raum, das bedeutet heute „nicht mehr das Ab­ geschlossene, Statische und materiell bzw. physikalisch-topografisch Fixierbare, also die Schachtel oder der Behälter, sondern das Synchrone, Fließende, Überlappende bilden neue Leitkategorien in räumlichen Theorien und Diskursen sowie in künstlerischen Strategien“1. Dieser Ansatz gilt nicht nur seit der sozialen Konstituierung des Räumlichen durch Michel Foucault („Andere Räume“, 1967) oder Henri Lefebvre („Die Produktion des Raums“, 1974), auch in der Kunstwissenschaft führte die „Wende zum Raum“ zu einer kritischen Bildanalyse, die sich verstärkt auf Räume der Wahrnehmung, der Gestik, der Bewegung und des Klangs ­„jenseits von Sprache und Text, als dem bislang dominierenden Medium de­r Erkenntnis“2 bezieht. Auslösendes Moment dafür waren nicht zuletzt die KünstlerInnen selbst, die sich ab den späten 1960er-Jahren vermehrt dem Betrachterraum zuwandten und dadurch den Bild- und Ausstellungs­ raum um Handlungs- und Erfahrungsräume erweiterten. Für eine Aus­ einandersetzung mit einer Kunst, die neue Raumformen und Ortsbezüge erprobte, wurden damit andere Kategorien der Auseinandersetzung bzw. Betrachtung notwendig. Dies gilt insbesondere auch für die Kunst der 1970er-Jahre in Tirol und speziell für Innsbruck, wo an neuen Orten jene Kunst vermittelt wurde, die sich verstärkt dieser neuen Raum­ erfahrung bzw. der Expansion des Raumes widmete. „Ist Innsbrucks Kulturszene langweilig? Wenn ja bzw. nein, welche Gründe gibt es dafür?“ Mit dieser provokanten Frage startete die im März 1977 erstmals erscheinende Zeitschrift Pooletin des „Pool Alternativen“, der sich als „Zusammenschluss“ jener in Innsbruck tätigen Organisationen verstand, die „sich vorwiegend mit dem aktuellen Bereich zeitgenössischer Kunst (Film, bildende Kunst, Musik, Theater) auseinandersetzen“.3 Der Bogen der damals abgegebenen Antworten reichte von „Die Szene ist nicht langweilig, es gibt sie nicht“ (Anton Christian) bis hin zu „Ich halte die Kulturszene nicht für langweilig, wenngleich es den Verantwortlichen […] bisher nicht gelungen ist, breite Bevölkerungskreise mit Kultur zu ­konfrontieren“ (Friedrich Greiderer). Auf diesen wie auch auf den von Theo Braunegger in ähnlicher Form getätigten Vorwurf antwortete Peter Weiermair, der zur Redaktion der Zeitschrift gehörte: „Die aktuelle ­ Kunst- und Kulturszene wird immer dem Publikum voraus sein und damit unter einem bestimmten Mangel an Publikum zu leiden haben, sofern


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Kunst ohne KĂźnstler, Seite aus der Katalogzeitung zur Ausstellung, Galerie im Taxispalais, 1969


sie eben einen internationalen Standard vertritt.“ Was er hingegen bemängelte, war „das Fehlen eines räumlichen Zentrums […], nicht in der Art wie man es sich (wie man hört) überlegt als Sammelsurium unverträglicher kultureller Vereine und Organisationen, sondern als ein Ort der Öffent­ lichkeit für aktuelle Kunst in ihren verschiedenen medialen Bereichen, ein Ort in dem sich erstens Kommunikation ereignet, […] ständig Information möglich wird, kreative Arbeit (Theater und Musik) wie Präsentation vonstattengeht.“4 Ein Zentrum für Kunst („Kunsthaus“) nach Weiermairs Vorstellungen fehlt in Tirol nach wie vor. Damals wie heute gibt und gab es jedoch Räume, die die von ihm geforderte Funktion in der einen oder anderen Form erfüllten. Heute sind dies an der Anzahl gemessen mehr als noch zu Beginn der 1970er-Jahre, als die bereits 1964 als „Informationsgalerie mit überregionalem Programm“ gegründete Galerie im Taxispalais diese Rolle mehr oder weniger im Alleingang erfüllte. Zu den Gründungs­ mitgliedern der von einem Kuratorium geführten Institution gehörten die Kunst­historikerin Magdalena Hörmann-Weingartner sowie die Künstler Paul Flora, Wilfried Kirschl und Oswald Oberhuber. Als neues Mitglied kam 1968 Peter Weiermair dazu. Dabei waren es vor allem die beiden Letzt­ genannten, die in ihren Projekten und Ausstellungen über jene aktuellen ­nationalen und internationalen Tendenzen in der bildenden Kunst und Architektur informierten, die eine neuartige Legitimationsfrage an die Kunst stellten und damit den herkömmlichen Kunstbegriff wesentlich erweiterten. Oswald Oberhuber ließ bereits in den späten 1960er-Jahren mit ­Aus­stellungen wie „Neue Dimension der Plastik in Österreich“ (1968) oder „Kunst ohne Künstler. Surrealismus ohne Surrealisten“ (1969) aufhorchen. Erstere hatte er für die Jugendkulturwochen kuratiert. Sie versammelte jene aktuellen Positionen in Österreich, die die traditionelle Sockelplastik infrage stellten und an vorderster Front einer neuen ­drei­­dimensionalen Kunst kämpften. In der zweiteren breitete er mit einem großen Auf­gebot an Werken, einer Installation und einem ­räum­lichen Gesamtkunstwerk jene Arbeiten aus, die seiner Meinung nach unter dem Begriff „Kunst“ bzw. der „permanenten Veränderung“ von Kunst be­ trachtet werden ­konnten. Der Bogen dabei reichte von Arbeiten von Max Beckmann über Joseph Beuys, Christo, Dan Graham, Hans Hollein, Joan Miró, Claes Olden­burg, Niki de Saint Phalle, Walter Pichler bis hin zu Lawrence Weiner und Tom Wesselmann, um nur ein paar Namen der a­usgestellten Künst­lerInnen zu nennen. Dass sie bei Publikum und Kritik auf Unverständnis stieß, war nahezu vorprogrammiert. Als „Rumpel­ kammer der Frag­würdig­keiten“5 bezeichnet, wurde die Ausstellung ­zunächst heftig diskutiert, dann frühzeitig geschlossen.


Mit den Ausstellungen „Konzeptionelle Malerei“ (1967), „Visuelle Poesie“ (1968) und „Konfrontationen: Visuelle Poesie – Konkrete Kunst – Nota­tionen Neuer Musik – Konstruktive Architektur“ (1969) ließ Peter Weier­mair jene Richtung anklingen, die er als Kurator für die Taxisgalerie in den 1970er-Jahren einschlagen sollte. Zu seinem ­bereits früh ge­­­äußerten Interesse für die Konkrete Poesie sollte sich in den 1970er-Jahren ­darüber hinaus jenes für die Concept Art und die Minimal Art gesellen. Ihren ­konkreten Niederschlag fanden diese Vorlieben in den Schauen „Situation Concepts“ (1971) und „Kunst aus Sprache“ (1976) sowie in Einzelaus­ stellungen von Fred Sandback (1973), Donald Judd (1974), Gilbert & George (1977) und Marcel Broodthaers (1979), die er für die Taxisgalerie oder das Forum für aktuelle Kunst ­konzipierte. Letzteres wurde 1970 ­anstelle der in diesem Jahr eingestellten Jugend­kulturwochen gegründet und war als Organisationsforum für kul­turelle Veranstaltungen und ­ Aus­stellungen ­vorwiegend in der Taxisgalerie und später in der Galerie Krinzinger tätig. Mit diesen Ausstellungen war Peter Weiermair am Puls des inter­ nationalen Kunstgeschehens – allein für den Katalog „Situation Concepts“ gingen mehr als 250 Bestellungen von namhaften Museen ein. In Tirol selbst ­stießen sie jedoch zumeist auf Unverständnis oder Ablehnung:

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Schlafstelle Gino De Dominics in der Ausstellung „Situation Concepts“, Galerie im Taxispalais, 1971 Coop Himmelb(l)au, Sie leben in Wien, Cover des Katalogs zur Ausstellung in der Galerie im Taxispalais, 1975


„Wenn nun, statt daß man sich über eine solche Ausstellung in eine Dis­ kussion, in ein Gespräch einläßt […] plötzlich in der sonst so schläfrigen Tiroler Kunst­szene ungeahnte Aggressionen wach werden, wenn da mit dem Ein­schlagen der Galeriescheiben gedroht wird, […] wenn einige ­heimische Künstler sich durch diese Ausstellung in ihrer Existenz ge­fähr­det fühlen und von Verschwendung von Steuermitteln die Rede ist, wenn in dieser derart angeheizten Situation eine Diskussion tatsächlich sinnlos ­erscheint, weil bereits ‚amtlich befürchtet‘ wird, daß es zu Tät­lichkeiten ­kommen könnte, dann kann man das alles nur mehr als Aus­druck einer ­tiefen Neurose in unserem Kunstleben deuten, einer Neurose, die die Psychologie vielleicht als ‚Frustrationsaggression‘ bezeichnen würde.“6 Und über die raumgreifende Installation von 16 Variationen zweier horizontaler Linien von Fred Sandback heißt es in einer Kritik: „Fred Sandback hat sich in schwerer und intensiver Arbeit mit dem Raum ­beschäftigt, um zu dieser außerordentlichen schöpferischen Leistung zu ­gelangen. An die Ehrlichkeit des Künstlers wird man gerne glauben. Ob es freilich notwendig ist, eine so subjektive Kunstdokumentation, über die man sich auch hätte anders informieren können, in breiter Form vorzu­führen, sei dahingestellt. Die experimentelle Kunst […] bedarf eines Hobbyraumes, in diesem Sinne ist die Galerie im Taxispalais – und dies nicht zum ersten Mal – in Erscheinung getreten.“7 Neben der internationalen Konzeptkunst und der Minimal Art wurde mit Mike (Michael) Heizer und Filmen über die Land Art in der Taxisgalerie u. a. auch über jene Kunstrichtung informiert, die sich im Vorhinein die Expansion des Raumes auf ihre Fahne geschrieben und den Land­schafts­raum zum künstlerischen Gestaltungsmittel gemacht hatte. Mit der Aus­stellung der Wiener Architekten Coop Himmelb(l)au (1975) stand auch ein Beitrag zur internationalen Bewegung der experimentellen Architektur auf ihrem Programm. Raumgreifenden Charakter hin­ gegen hatten die Präsentationen von Arbeiten von Walter Pichler (1971), Cornelius Kolig (1977) oder Bruno Gironcoli (1978) oder die Präsentation „Junge Österreicher V“ (1974), in der nicht nur Günter Lierschof im Aus­stellungs­raum lebte und arbeitete, sondern darüber hinaus auch Videos und Filme von Ernst Caramelle oder Werner Pirchners Film „Der Untergang des Alpenlandes“ zu sehen waren sowie elektroakustische Kompositionen ­junger Komponisten aufgeführt und Künstler­ gespräche abgehalten wurden. Am 25. Mai 1972 wurde die Galerie Krinzinger mit dem Ziel eröffnet, „im Spannungsraum zwischen Kunstinteressierten, Kunstproduzenten, Kunstförderern und Kunstsammlern einen Beziehungsraum zu setzen“8. Mit ihr etablierte sich ein neuer Ort, in dem nicht nur „dem Interessierten […] die gewünschte Information“ und „Zugang zu neuen Dimensionen“, sondern darüber hinaus „dem Kunstschaffenden Möglichkeit zur Präsentation“ und „dem Sammler und Förderer Erwerbsmöglichkeiten


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Gina Pane, Le corps pressenti, Aktion Galerie Krinzinger, 1975

­ eboten“9 wurden. Neben Ausstellungen der österreichischen Avantgarde g widmete sich die zunächst in der Maria-Theresien-Straße angesiedelte Galerie insbesondere der Präsentation jener gestisch-theatralischen Aktions­ kunst, die unter dem Begriff Body Art und Performance-Kunst in die Kunstgeschichte eingegangen ist. Neben dem US-amerikanischen Künstler Terry Fox, einem der Wegbereiter der amerikanischen Body Art, waren es vorwiegend Künstlerinnen, die Ursula Krinzinger in Doku­mentations­


Frauen – Kunst – Neue Tendenzen, Ausstellungskatalog, Galerie Krinzinger, 1975

ausstellungen, aber auch mit Performances vorstellte. Den Auftakt bildete eine Ausstellung der italienischen Künstlerin Gina Pane, die im März 1975 unter dem Titel „Le corps pressenti“ eine Aktion ­durchführte, in der sie ihren Körper unter Einbeziehung der Selbst­­verletzung als Ausdrucksmittel einsetzte. Etwa ein halbes Jahr später, im Oktober 1975, folgte Marina Abramovic, die ab 1973 zunächst alleine und ab 1976 gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Ulay existenzielle Aktionen zu Grenzbereichen


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des Körpers durchführte. Beide Künstlerinnen waren auch 1975 Teil der Ausstellung „Frauen – Kunst – Neue Tendenzen“, in der Arbeiten wie Fotografien, Videos oder Filme u. a. von VALIE EXPORT, Joan Jonas, Maria Lassnig, Ingeborg Lüscher, Annette Messager, Charlotte Moorman, Ulrike Rosenbach, Carolee Schneemann oder Katharina Sieverding gezeigt wurden. Vor ihrer Innsbrucker Aktion nahm Marina Abramovic am 24-StundenSpiel von Hermann Nitsch auf Schloss Prinzendorf an der Zaya (NÖ) teil, der mit seinem Orgien-Mysterien-Theater bereits Ende Februar 1975 in der Galerie präsent gewesen war. Im Oktober 1976 zeigte die Galerie Zeich­ nungen, Texte und Fotos von Rudolf Schwarzkogler. Nitsch und Schwarz­ kogler zählen gemeinsam mit Otto Muehl und Günter Brus zum engen Kreis jener ritualen Aktionsform, die sich unter der Bezeichnung „Wiener Aktionismus“ ab 1962 in Wien ausbildete und deren Propagandisten die Gattungsgrenzen der Malerei zugunsten von Aktionen und Perfor­ mances mit realen Körpern, Objekten und Substanzen in Raum und Zeit über­schritten. Bereits im September 1975 dokumentierte die Galerie das Schaffen Arnulf Rainers, dessen pantomimische Selbstdarstellungen und überzeichnete Selbstporträts im weiten Sinne mit zur Body Art ­gezählt werden können. VALIE EXPORT, die in ihren frühen Arbeiten mit dem Wiener Aktio­ nismus verbunden war, präsentierte die Galerie im Februar 1977 ­­erstmals in einer Einzelausstellung. EXPORT zeigte damals die Serie der „Körper­ figurationen“, in der sich die Künstlerin „zeichnerisch, fotografisch und aktionistisch mit der Darstellung von Körperhaltungen als Ausdruck ­innerer Zustände, dargestellt in der Natur wie in der Architektur, als Anpassung, Einfügung, Zufügung etc. ans Environment“10 beschäftigte. Ebenfalls 1977 führte in dem seit 1971 bestehenden Theater am Land­ hausplatz der Tiroler Künstler Alfons Egger das zwischen Objektkunst und Schauspiel angesiedelte Werk „Es lebe der Kaiser“ auf. Von ihm selbst als „gezeichnetes Stück“ und „theatralische Aktion“ bezeichnet, hob es die Trennung zwischen Theater, Aktion und Performance auf und bot damit eines der wenigen heimischen Beispiele einer sowohl räumlichen als auch künstlerischen Grenzüberschreitung.11 Knapp ein Jahr, bevor Peter Weiermair Innsbruck in Richtung ­Frank­­furt am Main verließ, fand im Juni 1979 in den neubezogenen ­Räum­lichkeiten der Galerie Krinzinger am Adolf-Pichler-Platz die in Zu­ sammen­arbeit mit dem Forum für aktuelle Kunst durchgeführte ein­ monatige Veranstaltungsreihe „Zur Definition eines neuen Kunstbegriffes“ statt. Dank der guten Beziehungen von Ursula Krinzinger und Peter Weiermair waren es Informationen aus erster Hand, die die Veranstaltung in Form von Vorträgen, Performances, Ausstellungen und Workshops zu den im Galerieprogramm vertretenen bekannten Bereichen Frauen­ kunst, Feminismus, Body Art oder Konzeptkunst zu bieten hatte. Neben


Alfons Egger, Es lebe der Kaiser, theatralische Aktion im Theater am Landhausplatz, 1977

Per­for­mances u. a. von Jana Haimsohn (US), Simone Forti (US), General Idea (CN), Stuart Brisley (GB), Tom Marioni (US) und den Kipper Kids (GB) fanden Vorträge von Joseph Kosuth (US) über „Text – Context“, von Peter Weier­mair über „Sprache als Medium der bildenden Kunst – ein Para­ doxon“, von Oswald Oberhuber über„Raumkonzepte als Ausgangs­punkt einer neuen Architektur“ sowie von Peter Gorsen über „‚Körper­sprache‘, Kommunikationsrituale im Bereich visueller Kunst“ statt. In Workshops ­befassten sich VALIE EXPORT mit dem „Feministischen Ak­tionismus“, die deutsche Videokünstlerin Ulrike Rosenbach mit der „Schule des krea­ tiven Feminismus“ und der in Tirol geborene und aus Köln an­gereiste Litera­tur- und Theaterwissenschaftler S. D. Sauerbier mit der neuen Theorie der Kunst, die selbst Gegenstand der Kunst ist („Kunst über Kunst. Theorie als Mittel und als Gegenstand der Kunst“).


Neben Performance, Konzept- und Aktionskunst wurde erstmals ­­ verstärkt auch Medienkunst ins Programm einbezogen. Die beiden öster­ reichi­schen Medienkünstler und Theoretiker Peter Weibel und Richard Kriesche hielten dazu je einen Workshop ab, Weibel anhand von Videos zu „Die Medienkunst und der veränderte Kunstbegriff“ und Kriesche mit einer an Orten wie dem Hauptbahnhof, der Post und dem öffentlichen Raum durchgeführten Arbeit mit TeilnehmerInnen über den „Raum der Kunst“. Den geschützten Ausstellungsraum wie bei Kriesche verließ die Kunst während der 1970er-Jahre jedoch nur sehr selten. Lediglich Terry Fox führte seine Performance auf der hölzernen Schneerampe am Innufer durch. Den öffentlichen Raum suchte immer wieder Georg Decristel auf, der in den 1970er-Jahren mit seinen „wandelmaultrommeleien“ und „strolling performances“ mit zu den wenigen in Tirol tätigen performativ arbeitenden KünstlerInnen gehörte.12 Den öffentlichen Raum zu ent­ decken blieb den 1980er-Jahren vorbehalten, als KünstlerInnen wie Inge Pohl oder Toni Kleinlercher mittels Bemalungen und Objekten direkt in der Naturlandschaft Zeichen setzten und diese somit in ihr künstlerisches

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Forum für aktuelle Kunst / Galerie Krinzinger, Ankündigung der Ausstellungseröffnung und der Aktion am Inngelände ­­­­ von Terry Fox, 1977


Georg Decristel, das weggehen vom wasser der sill, Aktion am Sillufer in Innsbruck, 1977


Konzept einbezogen. In den öffentlichen Raum ging wiederum zehn Jahre später das in der Tschamlerstraße beheimatete Kulturzentrum Utopia mit dem 1991 erstmals durchgeführten Projekt „Kunststraße“, in dem unter dem Thema „Heimat“ an öffentlichen Plätzen in ganz Innsbruck ­eigens ­da­für gestaltete Werke gezeigt wurden.13 Ein Jahre später luden Johannes Atzinger und Dieter Ronte mit der „Innsbrucker Kunststraße – Kunst ­ver­tikal“ Künstler wie Club Orch i D (Rudolf Frings und Andreas S. Wünkhaus), Felix Stephan Huber, Maurizio Nannucci und Rudi Molacek zu einer Beschäftigung mit dem Thema „Kunst vertikal“ bzw. der Nordkette ein.14 In den 1990er-Jahren begannen die beiden Vereine „Medienkunst Tirol“ und „Transit“ damit, den medialen und elektrischen Raum ­öffentlich zu bespielen. Doch dies ist ein neues Kapitel einer ­weiteren Expansion des Raumes und einer neuen Raumerfahrung durch die Kunst in Tirol. 1

Autsch, Sabine, Hornäk, Sara (Hg.), Räume in der Kunst. Künstlerische, kunst- und medienwissenschaftliche Entwürfe, Bielefeld 2010, S. 9. Ebd., S. 8. 3 Pooletin. Die Zeitschrift des Pool Alternativen, 0 / 1977, S. 2. 4 Ebd., S. 3. 5 Mackowitz, Heinz: Rumpelkammer der Fragwürdigkeiten, in: Tiroler Tageszeitung, 158 / 1969, S. 7. 6 Christoph, Horst, Tiroler Bilderstürmer, in: Tiroler Tageszeitung 46 / 1971, S. 7. 7 Mackowitz, Heinz, Fred Sandback. Intensive geistige Beschäftigung mit dem Raum, in: Tiroler Tageszeitung 113 / 1973, S. 5. 8 Krinzinger, Ursula, Neueröffnung: Galerie Krinzinger, in: Kulturberichte aus Tirol 213 / 214 / 1972, S. 5. 9 Ebd., S. 5. 10 VALIE EXPORT, Körperfigurationen, in: Assmann, Peter (Hg.), VALIE EXPORT, Kat. Oberösterreichische Landesgalerie, Linz 1992, S. 68. 11 „Es lebe der Kaiser“ – eine theatralische Aktion von Alfons Egger, in: Pooletin, 3 / 4 / 1977, S. 17 – 19. 12 Decristel, Georg: weg bewegen. moving away. Eine Auswahl aus seinen Werken, Innsbruck 2003. 13 Kulturzentrum Utopia, Schweizer Kulturstiftung Helvetia (Hg.), kunststraße 91. Thema: HEIMAT, 10. 7. – 31. 8. 1991, Innsbruck 1991. 14 Tirol Werbung (Hg.), Innsbrucker Kunststraße – Kunst vertikal, in: Tirol – Zeitschrift der Tirol Werbung für Freizeit- und Tourismuswerbung, Sondernummer, Innsbruck 1992. 2

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Die anlässlich der Ausstellung

widerstand und wandel. über die 1970er-jahre in tirol erschienene Publikation kann auf unserer Web-Site unter www.aut.cc bestellt werden. Sonderpreis: 19,70 Euro zuzüglich Versandspesen (6,- Österreich, 12,- Europa) Danke für Ihre Unterstützung!


bildnachweis Archiv AEP S. 40 | Wilhelm Albrecht S. 353, S. 354, S. 356 – 357, S. 359 – 362 | aus: ar­ chi­tektur aktuell 37 / 1973 S. 224 | aus: Architektur und Fremdenverkehr, 1974 S. 276 | Architektur­zentrum Wien, Sammlung S. 87, S. 91, S. 177 (Foto Margherita Spiluttini), S. 178, S. 197, S. 199 (Foto Christof Lackner), S. 213 – 215, S. 323 | Atelier Classic S. 330 | Archiv aut S. 125 – 126, S. 130, S. 148, S. 216, S. 218 | aus: bauforum S. 138 (81 / 1980), S. 312 (23 / 1971), S. 324 (14 / 1969) | aus: Baugeschehen in Tirol 1964 –  1976, 1977 S. 187, S. 210, S. 225, S. 274 – 275, S. 331 | aus: BMZ – Offizielles Organ der Baumusterzentrale S. 279 (3 / 1968), S. 314 (1 / 1967), S. 318 (1 / 1968) | BrennerArchiv Innsbruck – Vorlass Mitterer S. 118 | aus: Broschüre für die „Luxus Ter­rassen­ hausanlage Höhenstraße“ der BOE, o. J. S. 168 | Canadian Centre for Archi­tec­ture (Gift of May Cutler) S. 171 | Archiv COR S. 316 – 317 | aus: das Fenster S. 146 (5 / 1969), S. 150 (11 / 1972) | Digatone S. 63 – 64, S. 67 | Sammlung Albrecht Dor­nau­er S. 55, S. 288 | Andreas Egger S. 200 – 201 | Thomas Eisl S. 93 | aus: Endbe­richt – XII. Olympi­ sche Winterspiele Innsbruck 1976, 1976 S. 288 | aus: Festschrift zur offiziellen Über­ gabe und kirchlichen Weihe, Sprengelhauptschule St. Johann in Tirol, 1980 S. 225 | FI Archiv für Baukunst der Universität Innsbruck S. 119, S. 197 – 198, S. 229 – 231, S. 233, S. 238, S. 241, S. 244 – 245, S. 248 – 249, S. 282 | FRAC Orle­ans S. 157 – 158 | frischauf-bild S. 160 – 161, S. 164 – 165, S. 169, S. 277 | Archiv Galerie Krinzinger S. 104 – 105, S. 108 | Siegbert Haas S. 179 | Karl Heinz S. 206, S. 207 | aus: Norbert Heltschl. Bauten und Projekte, 2002 S. 197 | Nachlass Ernst Hies­mayr S. 132 | Sepp Hofer S. 69 | aus: Horizont. Kulturpolitische Blätter der Tiroler Tageszeitung S. 140 (18 / 1974), S. 143 (4 / 1972), S. 145 (9 / 1973), S. 149 (10 / 1973), S. 152 (29 / 1976), S. 154 (13 / 1974) | Hertha Hurnaus S. 162 | Sammlung Waltraud Indrist S. 284, S. 290 | Sammlung Peter Jordan S. 259 – 260, S. 269 – 270, S. 364 | aus: Kasiwai. Ein Bildband des Kennedy-Hauses in Innsbruck, 1970 S. 31 | Franz Kiener S. 220 – 222 | Wolfgang Kritzinger S. 263 | Christof Lackner S. 226 | Bernhard Leitner S. 76 – 80 | Christian Mariacher S. 14 – 22 | Albert Mayr S. 82, S. 84 –  85 | Wolfgang Mitterer S. 97 | Thomas Moser S. 268, S. 271 | Helmut Ohnmacht S. 345, S. 370 | Stefan Oláh S. 208 | Archiv ORF Landesstudio Tirol S. 343 | Ortner & Ortner S. 129 | Archiv Max Peintner S. 281 | Charly Pfeifle S. 304 – 309 | Wolfgang Pöschl S. 262 | Peter P. Pontiller S. 191, S. 193 –  194 | aus: Pooletin, 3 / 4, 1977 S. 107 | aus: Pressemappe des Bauzentrums Innsbruck, 1971 S. 322 | aus: Prospekt „i-bau 1973“ S. 334 | Carl Pruscha S. 148 | Nachlass Egon Rainer S. 328 – 329 | Kurt Rumplmayr S. 261 – 262 | Sammlung Wolfgang Salcher S. 219, S. 226 | Elisabeth Schimana S. 89 | Hanno Schlögl S. 184, S. 186 | Sammlung Hubertus Schuhmacher S. 57 | aus: Schul­bau in Österreich, 1996 S. 224 | Sammlung Meinrad Schumacher S. 30 | Sammlung Elisabeth Senn S. 255 – 257 | aus: Sozialer Wohnbau in Tirol. Historischer Überblick und Gegenwart, 1987 S. 136, S. 196 | Stadt­ archiv Innsbruck S. 24, S. 68, S. 71, S. 285, S. 325 | aus: Stadtentwicklung Innsbruck. Tendenzen und Perspektiven, 1978 S. 127 | Subkulturarchiv Innsbruck S. 33, S. 34, S. 37, S. 47 – 49, S. 58 – 62, S. 66, S. 70 | Archiv Taxispalais Kunsthalle Tirol S. 100, S. 102 | tirol kliniken S. 283 | Tiroler Landesmuseen / Zeug­haus S. 330 | Tiroler Landes­museum Ferdinandeum S. 109, S. 112, S. 300 (Grafi­sche Sammlung, Inv. Nr. 20Jh / C / 59), S. 302 (Grafische Sammlung, Inv. Nr. 20Jh / P / 118) | aus: Tiroler Nachrichten, 159 / 1968 S. 320 | aus: Tiroler Tageszeitung, 108 / 1973 S. 336 | aus: Tirols Gewerbliche Wirt­schaft, 20 / 1970 S. 327 | aus: TRANSPARENT. Ma­nuskripte für Architektur, Theorie, Kritik, Polemik, Umraum, 8 / 9, 1970 S. 294, S. 299 | Trash Rock Archives S. 52 | Archiv TU Graz, Sammlung Dreibholz S. 190 | Dieter Tuscher S. 131 | UniCredit Bank Austria AG, Historisches Wertpapierarchiv S. 246 | Universitäts­archiv Innsbruck S. 234 | Uni­ver­si­ tätsarchiv Innsbruck – Nachlass A. Pitt­racher S. 251 | aus: Der Volksbote, 19 / 1973 S. 332 | Günter Richard Wett S. 339 – 340, S. 341, S. 344, S. 346 – 351, S. 366 –  369, S. 371 – 491 | Wien Museum, Karl Schwanzer Archiv (Foto Sigrid Neubert) S. 128 | aus: Wohnanlage Mariahilfpark Innsbruck (WE), 1970 S. 166, S. 167 | aus: Wohnen Morgen Burgenland, 1971 S. 180 – 185, S. 188 | Nachlass Arthur Zelger S. 286 | Siegfried Zenz S. 121, S. 122 Trotz intensiver Bemühungen konnten nicht alle Inhaber von Textrechten ausfindig ­gemacht werden. Für entsprechende Hinweise sind die Herausgeber dankbar. Sollten Urheberrechte verletzt worden sein, werden diese nach Anmeldung berechtigter Ansprüche abgegolten.


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