auszug #7
widerstand und wandel 70er Ăźber die 19
jahre in tirol
Elisabeth Senn der anfang: viel energie und eine ahnung
impressum Herausgeber: aut. architektur und tirol (www.aut.cc) Konzept: Arno Ritter Redaktion: Arno Ritter, Claudia Wedekind Lektorat: Esther Pirchner Gestaltung und Satz: Claudia Wedekind Grafisches Konzept und Covergestaltung: Walter Bohatsch, Wien Gedruckt auf Magno Volume 115 g Gesetzt in Frutiger Lithografie und Druck: Alpina Druck, Innsbruck Buchbindung: Koller & Kunesch, Lamprechtshausen © 2020 aut. architektur und tirol, Innsbruck © der Textbeiträge bei den Autorinnen und Autoren © der Abbildungen bei den jeweiligen Rechteinhabern Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. ISBN 978-3-9502621-7-9
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Elisabeth Senn der anfang: viel energie und eine ahnung1
Alles war neu, das Gebäude, ein Campus auf der grünen Wiese, die Professoren, die Assistenten und wir StudentInnen sowieso. Erste Dis kussionen im Zeichensaal: Kojen bauen oder rein in die offene Mitte? Aber ja doch, in die Mitte. Eine Küche wurde eingerichtet, ein Wochenplan erstellt, wer kocht, Möbel und Geschirr von den ersten Flohmärkten und Sperrmüllsammlungen geholt, ein viel frequentierter Tischtennistisch aufgestellt, Abends gab‘s Feste, vor allem beliebt auch bei den griechischen Kollegen, die am Schluss auf den Tischen Sirtaki tanzten und das Geschirr über die Schulter warfen. Auch im Foyer feierten und tanzten wir bis tief in die Nacht hinein und am Morgen drehten wir Runden mit dem 2CV um den Betonkern. Herrn Spinka, den Radprofi und Hausmeister, brachten wir oft zur Verzweiflung, trotzdem war er immer hilfsbereit. Unübertrof fen, weil meist als Einziges genießbar: die Berner Würstel in der Mensa (da waren wir doch sicher, dass keine Gulaschmaus drin war), serviert von Dieter Tausch. Wir hatten ein „Schwimm“becken, das wir uns mit den Kindern der Lohbachsiedlung teilten und das dann genau deswegen bis heute mit Erde zugeschüttet wurde, und wir hatten einen grauen Beton kern zum Anmalen, was einen Polizeieinsatz wegen Sachbeschädigung
Diskussion Technik, Studentenzeitung, Ausgabe 1, 1971
zur Folge hatte. Und natürlich haben wir auch studiert, soweit unsere un geübten Professoren und Assistenten dies forderten. Die 1968er-Bewegung hat mit österreichischer Verspätung 1972 nach dem Weihnachtsbombardement auf Kambodscha auch Innsbruck erreicht und in Meetings und Demonstrationen ihren Ausdruck, auch auf der Technik, gefunden. Die Studentenzeitung „Diskussion Technik“, Cover auf Packpapier, wurde über zehn Jahre von den StudentenvertreterInnen verfasst und ver trieben. Themen waren unter anderem die Studienverschärfungen und Studienverschulung, die Bestrebungen der Studienrichtungsvertretungen, die Ablehnung der neuen Studienpläne, Lernalternativen, barrierefreies
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Diskussion Technik, Studentenzeitung, Ausgabe 3, 1973
Das Elend der Architektur, Arbeitstagung des Forum für aktuelle Kunst und der Studienrichtungsvertretung Architektur in der Galerie im Taxispalais, April 1971, Programmflyer
Bauen, die gesellschaftliche Verantwortlichkeit der ArchitektInnen, „Zur Lage der Architektur und unserer Ausbildung“ (Diskussion Technik, Sommersemester 1978), Stadtentwicklung am Beispiel Innsbruck, Qualifikation der Lehrenden, Vorsingen der zu Berufenden, Chronik der Besetzung des Hochbauinstituts, Tiroler Bauskandale usw. usf.
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Manche Vorlesungen konnten nur schwer verstanden werden, und so haben die StudentenvertreterInnen und die Fachschaftsleitung die ersten les- und lernbaren Skripten z. B. für Städtebau herausgegeben. 1973 / 74 wurde die Änderung des Universitätsorganisationsgesetzes und damit der Studienpläne angekündigt. In vielen Stunden wurde von uns Studierenden ein Alternativkonzept zum bestehenden Architekturstudium erarbeitet: Das Projektstudium, das um ein zentrales Architekturprojekt alle zu lernenden Fächer während der gesamten Ausbildung anordnet. Fast einstimmig wurde es von der Studienrichtungskommission beschlossen, konnte aber leider nicht durchgesetzt werden. Wichtig war uns auch, unsere Ideen nicht nur auf unserer grünen Wiese zu verbreiten, sondern auch in der Stadt. Im „Forum für aktuelle Kunst“ (später Taxisgalerie), geleitet von Peter Weiermeir, führten wir ein dreitätiges Städtebauseminar durch, zu dem wir einige der damals profiliertesten StädteplanerInnen nach Innsbruck holten: u. a. Janssen, Krusse, Schlandt und Heide Berndt (StadtplanerInnen und Reformgeister). Durch die Studienreform wurde die II. Staatsprüfung durch die Diplomarbeit ersetzt. Bis Anfang der 1980er-Jahre konnten StudentInnen noch Staatsprüfungen machen, wir StudentenvertreterInnen hatten diese Wahlmöglichkeit durchgesetzt. Hier noch ein bisschen Statistik: In den ersten zehn Jahren der Architekturfakultät machten 161 StudentInnen den Abschluss, davon zwanzig Frauen, das sind also 12,5 Prozent, und mehr haben auch nicht zu studieren begonnen. Heute, dreißig Jahre danach, studieren über 50 Prozent Frauen, und fast die Hälfte davon – 20 Prozent – schließt ihr Studium auch ab. Und zum Schluss: Wir haben nicht viel auf Autoritäten gehört, wir haben uns nicht behindern lassen, wir haben getan, was wir so wollten und was uns Spaß machte. Und haben damit die Architekturlandschaft in Tirol nachhaltig mit unseren Bauten verändert. 1
Dieser Text von Elisabeth Senn, Studienjahrgang 1969 und mehrjährige ÖHStudentenvertreterin und Fachschaftsleiterin, wurde in der Festschrift der Fakultät für Architektur und der Fakultät für Bauingenieurwissenschaften zum 40-JahrJubiläum am 15. Mai 2009 publiziert.
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widerstand und wandel. über die 1970er-jahre in tirol erschienene Publikation kann auf unserer Web-Site unter www.aut.cc bestellt werden. Sonderpreis: 19,70 Euro zuzüglich Versandspesen (6,- Österreich, 12,- Europa) Danke für Ihre Unterstützung!
bildnachweis Archiv AEP S. 40 | Wilhelm Albrecht S. 353, S. 354, S. 356 – 357, S. 359 – 362 | aus: ar chitektur aktuell 37 / 1973 S. 224 | aus: Architektur und Fremdenverkehr, 1974 S. 276 | Architekturzentrum Wien, Sammlung S. 87, S. 91, S. 177 (Foto Margherita Spiluttini), S. 178, S. 197, S. 199 (Foto Christof Lackner), S. 213 – 215, S. 323 | Atelier Classic S. 330 | Archiv aut S. 125 – 126, S. 130, S. 148, S. 216, S. 218 | aus: bauforum S. 138 (81 / 1980), S. 312 (23 / 1971), S. 324 (14 / 1969) | aus: Baugeschehen in Tirol 1964 – 1976, 1977 S. 187, S. 210, S. 225, S. 274 – 275, S. 331 | aus: BMZ – Offizielles Organ der Baumusterzentrale S. 279 (3 / 1968), S. 314 (1 / 1967), S. 318 (1 / 1968) | BrennerArchiv Innsbruck – Vorlass Mitterer S. 118 | aus: Broschüre für die „Luxus Terrassen hausanlage Höhenstraße“ der BOE, o. J. S. 168 | Canadian Centre for Architecture (Gift of May Cutler) S. 171 | Archiv COR S. 316 – 317 | aus: das Fenster S. 146 (5 / 1969), S. 150 (11 / 1972) | Digatone S. 63 – 64, S. 67 | Sammlung Albrecht Dornauer S. 55, S. 288 | Andreas Egger S. 200 – 201 | Thomas Eisl S. 93 | aus: Endbericht – XII. Olympi sche Winterspiele Innsbruck 1976, 1976 S. 288 | aus: Festschrift zur offiziellen Über gabe und kirchlichen Weihe, Sprengelhauptschule St. Johann in Tirol, 1980 S. 225 | FI Archiv für Baukunst der Universität Innsbruck S. 119, S. 197 – 198, S. 229 – 231, S. 233, S. 238, S. 241, S. 244 – 245, S. 248 – 249, S. 282 | FRAC Orleans S. 157 – 158 | frischauf-bild S. 160 – 161, S. 164 – 165, S. 169, S. 277 | Archiv Galerie Krinzinger S. 104 – 105, S. 108 | Siegbert Haas S. 179 | Karl Heinz S. 206, S. 207 | aus: Norbert Heltschl. Bauten und Projekte, 2002 S. 197 | Nachlass Ernst Hiesmayr S. 132 | Sepp Hofer S. 69 | aus: Horizont. Kulturpolitische Blätter der Tiroler Tageszeitung S. 140 (18 / 1974), S. 143 (4 / 1972), S. 145 (9 / 1973), S. 149 (10 / 1973), S. 152 (29 / 1976), S. 154 (13 / 1974) | Hertha Hurnaus S. 162 | Sammlung Waltraud Indrist S. 284, S. 290 | Sammlung Peter Jordan S. 259 – 260, S. 269 – 270, S. 364 | aus: Kasiwai. Ein Bildband des Kennedy-Hauses in Innsbruck, 1970 S. 31 | Franz Kiener S. 220 – 222 | Wolfgang Kritzinger S. 263 | Christof Lackner S. 226 | Bernhard Leitner S. 76 – 80 | Christian Mariacher S. 14 – 22 | Albert Mayr S. 82, S. 84 – 85 | Wolfgang Mitterer S. 97 | Thomas Moser S. 268, S. 271 | Helmut Ohnmacht S. 345, S. 370 | Stefan Oláh S. 208 | Archiv ORF Landesstudio Tirol S. 343 | Ortner & Ortner S. 129 | Archiv Max Peintner S. 281 | Charly Pfeifle S. 304 – 309 | Wolfgang Pöschl S. 262 | Peter P. Pontiller S. 191, S. 193 – 194 | aus: Pooletin, 3 / 4, 1977 S. 107 | aus: Pressemappe des Bauzentrums Innsbruck, 1971 S. 322 | aus: Prospekt „i-bau 1973“ S. 334 | Carl Pruscha S. 148 | Nachlass Egon Rainer S. 328 – 329 | Kurt Rumplmayr S. 261 – 262 | Sammlung Wolfgang Salcher S. 219, S. 226 | Elisabeth Schimana S. 89 | Hanno Schlögl S. 184, S. 186 | Sammlung Hubertus Schuhmacher S. 57 | aus: Schulbau in Österreich, 1996 S. 224 | Sammlung Meinrad Schumacher S. 30 | Sammlung Elisabeth Senn S. 255 – 257 | aus: Sozialer Wohnbau in Tirol. Historischer Überblick und Gegenwart, 1987 S. 136, S. 196 | Stadt archiv Innsbruck S. 24, S. 68, S. 71, S. 285, S. 325 | aus: Stadtentwicklung Innsbruck. Tendenzen und Perspektiven, 1978 S. 127 | Subkulturarchiv Innsbruck S. 33, S. 34, S. 37, S. 47 – 49, S. 58 – 62, S. 66, S. 70 | Archiv Taxispalais Kunsthalle Tirol S. 100, S. 102 | tirol kliniken S. 283 | Tiroler Landesmuseen / Zeughaus S. 330 | Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum S. 109, S. 112, S. 300 (Grafische Sammlung, Inv. Nr. 20Jh / C / 59), S. 302 (Grafische Sammlung, Inv. Nr. 20Jh / P / 118) | aus: Tiroler Nachrichten, 159 / 1968 S. 320 | aus: Tiroler Tageszeitung, 108 / 1973 S. 336 | aus: Tirols Gewerbliche Wirtschaft, 20 / 1970 S. 327 | aus: TRANSPARENT. Manuskripte für Architektur, Theorie, Kritik, Polemik, Umraum, 8 / 9, 1970 S. 294, S. 299 | Trash Rock Archives S. 52 | Archiv TU Graz, Sammlung Dreibholz S. 190 | Dieter Tuscher S. 131 | UniCredit Bank Austria AG, Historisches Wertpapierarchiv S. 246 | Universitätsarchiv Innsbruck S. 234 | Universi tätsarchiv Innsbruck – Nachlass A. Pittracher S. 251 | aus: Der Volksbote, 19 / 1973 S. 332 | Günter Richard Wett S. 339 – 340, S. 341, S. 344, S. 346 – 351, S. 366 – 369, S. 371 – 491 | Wien Museum, Karl Schwanzer Archiv (Foto Sigrid Neubert) S. 128 | aus: Wohnanlage Mariahilfpark Innsbruck (WE), 1970 S. 166, S. 167 | aus: Wohnen Morgen Burgenland, 1971 S. 180 – 185, S. 188 | Nachlass Arthur Zelger S. 286 | Siegfried Zenz S. 121, S. 122 Trotz intensiver Bemühungen konnten nicht alle Inhaber von Textrechten ausfindig gemacht werden. Für entsprechende Hinweise sind die Herausgeber dankbar. Sollten Urheberrechte verletzt worden sein, werden diese nach Anmeldung berechtigter Ansprüche abgegolten.