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An die Pfarrerinnen und Pfarrer Presbyterinnen und Presbyter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Gemeinden, Kirchenkreisen, Ämtern und Einrichtungen Mitglieder der Synoden und Kreissynodalvorstände
20.06.2006
Liebe Schwestern und Brüder, in diesen Wochen beherrscht eine Frage die Diskussionen und Beratungen in Presbyterien, Synoden und anderen Leitungsorganen unserer Kirche: Wie kommen wir in den vor uns liegenden Jahren mit erheblich geringeren Finanzzuweisungen aus der Kirchensteuerverteilung zurecht? Diese Frage geht für viele Beteiligte über die Schmerzgrenze hinaus und ruft Ratlosigkeit, Ärger, Unsicherheit und Existenzangst hervor. Ich wende mich mit diesem Brief an alle, die haupt- oder ehrenamtlich in unserer Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) Leitungsaufgaben wahrnehmen und in ihr haupt- oder nebenamtlich Dienst tun. Dabei leiten mich drei Motive: •
Zum einen liegt mir daran, Ihnen dies zu sagen: In der Kirchenleitung, im Landeskirchenamt und bei mir kommt an, was Sie in den Gemeinden, Kirchenkreisen, Ämtern und Einrichtungen unserer EKvW umtreibt. Wir müssen die Probleme jetzt besonders genau kennen und wahrnehmen, damit wir auf allen Ebenen der EKvW in unserem Tun und Lassen geerdet bleiben.
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Zum anderen sollen Sie Informationen darüber bekommen, welche Faktoren zu dieser Situation in unserer Kirche geführt haben und welche Entwicklung – nach menschlichem Erkenntnisvermögen – zu erwarten ist.
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Zum dritten möchte ich Ihnen einige Aspekte nennen, die mir aus unserem Reformprozess Kirche mit Zukunft und aus Diskussionen innerhalb der EKD auf dem Herzen liegen.
I. Was heute ist: Situation Die Finanzentwicklung innerhalb der EKvW sowie Eindrücke aus Gesprächen, Briefen, Besuchen, Visitationsberichten, Synodalversammlungen, Pfarrkonferenzen oder Synoden zeigen mir, dass die Solidarität zwischen den verschiedenen Handlungsebenen und Berufsgruppen in unserer Kirche auf eine harte Probe gestellt ist. Ohne Zweifel stehen wir allerorten vor der Aufgabe, eine große Kirche kleiner zu setzen. Das erfordert harte Schnitte, die nicht nur Sachen betreffen, sondern Beziehungen zwischen Menschen erheblich berühren. Presbyterinnen und Presbyter bringen ihre Gaben und Kräfte ehrenamtlich ein, um Kirche mitzugestalten. Unversehens stehen sie in dem Konflikt, die Schließung von Kirchen, Gemeindehäusern oder das Ende ganzer Arbeitsbereiche mit verantworten zu müssen. Immer häufiger stehen Arbeitsplätze von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Disposition, weil die finanzielle Absicherung nicht mehr gewährleistet werden kann. Oft ist nicht klar, ob es für die Betroffenen einen
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–2– neuen Arbeitsplatz gibt. Pfarrstellen geraten unter Druck, weil die Zahl der Gemeindeglieder schwindet. Der Arbeitsumfang und die Konflikte wachsen, das Gehalt aber wird kleiner. Junge Theologinnen und Theologen kommen kaum in reguläre Pfarrstellen, weil sie nicht ausgeschrieben werden können. Zwischen Menschen, die lange Zeit vertrauensvoll als Haupt-, Neben- und Ehrenamtliche zusammengearbeitet haben, gerät die Kommunikation in Schieflage. Auch Kirchen werden – Gott sei Dank – nicht nur als beliebige Mauerwerke wahrgenommen, sondern als Gotteshäuser. Mit der Umwidmung von Kirchen werden persönliche Empfindungen angetastet: Segen und Fluch, Freude und Trauer, Lob und Flehen fanden für viele Menschen ihren Ausdruck an genau diesem Ort. Damit muss sensibel umgegangen werden, wenn es keine Alternative zur Entwidmung eines Gotteshauses mehr gibt. Gerade in Zeiten des Rückbaus ist es wichtig, Sachen zu klären und Personen zu stärken. Es liegt zwar im Wesen einer presbyterial-synodal verfassten Kirche wie der EKvW, dass sich Leitungsprozesse vielstimmig und auch kontrovers gestalten. Eine wichtige Voraussetzung für ihr Gelingen ist aber die Kenntnis und Transparenz der Entscheidungsgrundlagen, sonst lässt uns die Not zu vielen Strohhalmen greifen, die nicht tragen. Wir müssen nun die Realitäten anerkennen und unsere Kirche auf allen Ebenen zurückbauen. Jetzt zeigen sich unübersehbar die Folgen früherer Entscheidungen. Vor sieben Jahren wurde in unserer Reformschrift Kirche mit Zukunft (S. 25f) festgehalten: „Die finanzielle Situation der Evangelischen Kirche von Westfalen wird ... auch davon bestimmt, dass die seit 1985 bekannte, für die EKvW problematische demographische Entwicklung nicht rechtzeitig genug in eine vorausschauende und bezahlbare Personalplanung umgesetzt wurde. Die EKvW hat in den Jahren 1970 bis 1997 etwa 20 Prozent ihrer Mitglieder verloren, in dieser Zeit aber ihre Beschäftigtenzahl um fast 90 Prozent erhöht.“ Die (auf den Seiten 19 bis 28) in der Reformschrift zutreffend beschriebene Entwicklung wird gegenwärtig Realität; in den vergangenen Monaten mussten wir allerdings erkennen, dass die damit verbundene Finanzproblematik durch zwei weitere „hausgemachte“ Faktoren verschärft ist: die Versorgungskasse für Pfarrerinnen und Pfarrer zeigt erhebliche Deckungslücken; und Rückzahlungen beim Clearing in der Kirchensteuerzuweisung innerhalb der EKD sind nicht ausreichend durch Rücklagen gedeckt. Durch diese Entwicklung wurden den bisherigen Planungen auf allen Ebenen der EKvW die bis dahin gültigen Basisdaten entzogen. Der Rückbau muss in noch schärferem Tempo vollzogen werden. Dies hat vielerorts Verständnislosigkeit und Ärger hervorgerufen. II. Was gestern war: Ursachen Versorgungskasse Im gesamten Bereich der Versorgungskasse, also Rheinland, Westfalen und Lippe, stehen heute etwa 5.200 Aktiven 4.080 Leistungsempfänger gegenüber. 2030 werden nur noch für etwa 1.500 Aktive Beiträge zahlen, aber mehr als 6.200 Ruheständler zu versorgen sein. Die Summe der fälligen Ruhestandsbezüge (2005: 139 Millionen) wird also bis 2030 um das 2,3-fache zunehmen. Gleichzeitig nimmt das Beitragsvolumen wegen der geringer werdenden Zahl der Aktiven kontinuierlich ab. Die Ursachen reichen in die achtziger Jahre zurück. Damals zeichnete sich ab, dass viel mehr junge Leute Theologie studierten, als Pfarrstellen vorhanden waren. Bis 1992 wuchsen die Kirchensteuereinnahmen stetig. Damit wuchs auch die Überzeugung, dass keine Theologen nach bestandenem Examen arbeitslos werden sollten. Zuvor hatte es jahrelang starken Mangel an Pfarrern gegeben: Diese Erfahrung war noch gegenwärtig. Um die Theologenstellen zu finanzieren, senkte man die Versorgungskassenbeiträge von 40 auf 30 Prozent der Bemessungsgrundlage (Endgehalt eines Pfarrers) und bildete daraus eine Rücklage für die Pfarrbesoldung. 1992 beschloss die Landessynode, für die absehbaren hohen Zahlungen an die ostdeutschen Landeskirchen an das Sparbuch zu gehen – nämlich an die Rücklage, die ursprünglich für die Bezahlung zusätzlicher Theologen auch außerhalb der Pfarrstellen gebildet worden war. Doch die „blühenden Landschaften“ blieben aus, die Konjunktur entwickelte sich nicht wie erhofft. Hinzu kamen die Reformen der Lohn- und Einkommenssteuer seit 1993: Die Kirchensteuereinnahmen brachen weg. Die Landessynode sah sich gezwungen, Beschränkungen der Aufnahme in den Vorbereitungsdienst zu beschließen und erhebliche Eingriffe in das Dienstrecht vorzunehmen. Heute stehen in der EKvW 1540 Pfarrerinnen und Pfarrern auf regulären Stellen 469 Kolleginnen und Kollegen im Entsendungsdienst und 131 Beschäftigungsaufträge gegenüber. Ab 2002 wurde das Beitragssystem der Versorgungskasse grundlegend überarbeitet. Heute liegt der Beitragssatz für die Versorgungskasse bei 50 Prozent und erhöht sich künftig um jeweils einen Prozentpunkt pro Jahr bis zu 60 Prozent. Das wird jedoch nicht ausreichen, um die Versorgung auch über das Jahr 2030 hinaus zu sichern. Deshalb ist, wie im Rundschreiben vom 23. Dezember 2005
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–3– angekündigt, neben den jetzigen Stellenbeiträgen auch ein Beitrag für die Leistungen der Versorgungsempfänger notwendig. Voraussichtlich muss die Landeskirche dazu für 2007 rund 3,5 Millionen Euro aufbringen, für 2008 sieben und für 2009 elf Millionen Euro. Clearing Das laufende wie auch die nächsten Haushaltsjahre werden durch erhebliche Rückzahlungen aus dem Kirchenlohnsteuer-Verrechnungsverfahren, dem sogenannten Clearing, belastet werden. Was ist darunter zu verstehen und wie kommt das? Die Kirchenlohnsteuer wird zusammen mit der Lohnsteuer vom Arbeitgeber einbehalten und an das Betriebsstättenfinanzamt abgeführt. Sie steht der Landeskirche zu, in der die evangelischen Erwerbstätigen wohnen. Da Betriebsstätten und Wohnsitze ungleich über die Landeskirchen verteilt sind, geht die Kirchenlohnsteuer vielfach bei Landeskirchen ein, denen sie gar nicht zusteht. Es bedarf daher eines Abrechnungsverfahrens, damit die Landeskirchen die Kirchenlohnsteuer ihrer Gemeindeglieder erhalten. Dieses Verfahren wird von der Clearing-Stelle beim Kirchenamt der EKD durchgeführt: Landeskirchen mit überhöhtem Kirchenlohnsteueraufkommen leisten Abschlagszahlungen, Landeskirchen mit zu niedrigem Aufkommen erhalten Vorauszahlungen. Die Abrechnung erfolgt, sobald die Finanzverwaltung einen abgeschlossenen und ausgewerteten Veranlagungszeitraum vorlegt. Damit kann die Abrechnung frühestens nach drei Jahren erfolgen. So resultieren die aktuellen Rückzahlungsverpflichtungen für Westfalen aus der Abrechnung für das Jahr 2001 und den zu erwartenden Abrechnungen für die Jahre 2002 ff. Die Festsetzung der Vorauszahlungen beruht naturgemäß auf Basiszahlen zurückliegender Jahre. Veränderungen wie etwa die Verlagerung von Betriebsstätten, Wanderungsbewegungen der Erwerbstätigen und Verschiebungen in der Finanzkraft zwischen den Landeskirchen auf Grund der unterschiedlichen regionalen Wirtschaftsentwicklung können das spätere Abrechnungsergebnis erheblich verändern. Die EKD hat wegen der Risiken des Systems seit jeher die Bildung einer Rückstellung in Höhe eines Clearing-Jahresaufkommens empfohlen. Wohl unter dem Eindruck, dass Clearing-Abrechnungen regelmäßig zu Nachzahlungen führen, wurde dieser Empfehlung lange Zeit nicht gefolgt. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die EKvW 1988 eine Nachzahlung von 70 Millionen Euro erhielt. Damit wurde das Initiativ-Programm zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Kirche und Diakonie aufgelegt. Die Bildung einer Clearing-Rückstellung erfolgte nicht. Ab 1997 wurde mit dem Aufbau einer solchen Rückstellung begonnen. Bis 2006 wurden rund 25 Millionen Euro zurückgelegt. Einschließlich der noch erwarteten Abrechnung für das Jahr 2002 werden jedoch im laufenden Jahr etwa 40 Millionen Euro zur Rückzahlung fällig. Damit muss die Rückstellung aufgestockt werden: Statt rund sechs Millionen Euro – wie von der letzten Landessynode in Aussicht genommen – sind 20 Millionen notwendig. Die gleiche Summe dürfte auch in den Folgejahren anzusetzen sein. III. Was morgen sein könnte: Zukunftsmöglichkeiten Mit den hier skizzierten Entwicklungen sind die in der Vorlage Kirche mit Zukunft prognostizierten Finanzrückgänge beschleunigt Realität geworden. Die Folgen treffen die EKvW auf allen Ebenen, von der Gemeinde vor Ort bis zur Landeskirche. Jetzt gilt es zu sehen, was ist. Eine tiefgreifende Bewusstseinsänderung ist nötig. Wir müssen die Größe und die Strukturen unserer Kirche der Mitgliederentwicklung anpassen und dabei das Kleinerwerden gestalten. Die sehr viel geringeren Einnahmen aus der Kirchensteuer können nicht annähernd durch andere Mittel ausgeglichen werden. Dennoch ist jetzt viel Fantasie und Kreativität gefragt, um neue Finanzquellen für wichtige kirchliche Arbeitsbereiche zu erschließen. Manches ist auf dem Weg: Wir investieren in Fundraising-Ausbildung, Stiftungen werden vielerorts zur Sicherung kirchlicher Arbeitsfelder ins Leben gerufen und eine Gesetzesvorlage über die Einführung von Kirchenbeiträgen für Bezieher von Alterseinkünften wird der Landessynode 2006 vorgelegt. Auch müssen wir uns – wahrlich nicht nur aus finanziellen Gründen – daran erinnern, dass es in Westfalen etwa 400.000 Getaufte gibt, die in den letzten 25 Jahren die EKvW verlassen haben. Etwa zwölf Prozent von ihnen sind seitdem wieder in die Kirche eingetreten. Uns kann es nicht gleichgültig lassen, dass 350.000 Getaufte ihrer Kirche den Rücken gekehrt haben. „...weil die Getauften durch ihre Taufe in die Kirche, in den Leib Christi eingefügt worden sind, bedeutet die Entscheidung zum Austritt eine Wunde an diesem Leib, einen Verlust für die Gemeinschaft in der konkreten Gemeinde, aber auch einen (ihnen selbst oft nicht bewussten) geistlichen Schaden der Getauften, die die Verbindung zu der für das Leben wesentlichen Quelle verlieren.“ (aus: Taufe und Kirchenaustritt – Theologische
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–4– Erwägungen der Kammer für Theologie zum Dienst der evangelischen Kirche an den aus ihr Ausgetretenen, S. 12) Mit Wiedereintrittsstellen erzielen wir beachtliche Erfolge. Die Zahl der Austritte hat sich in den letzten Jahren zu den Eintritten vom Verhältnis drei zu eins (drei Austritten stand ein Eintritt gegenüber) auf das Verhältnis von zwei zu eins verändert. Dennoch: Jeder Austritt ist einer zu viel, und es gilt, den Ausgetretenen nachzugehen. Im September 2006 werde ich das Projekt Mit Kindern neu anfangen eröffnen. Wenn die Glaubensweitergabe in den Familien nicht mehr gelingt, müssen Kinder und Jugendliche durch ihre Kirche erfahren und erleben, dass sie getauft sind und zur Kirche gehören. Die Weitergabe des Glaubens an die nächste Generation ist eine unserer vornehmsten Aufgaben. So muss die religiöse Erziehung von Kindern und Jugendlichen in unserem Blickfeld bleiben, selbst wenn wir mancherorts die Trägerschaft von eigenen Einrichtungen nicht mehr finanzieren können. „Wir wollen eine Kirche sein, die sich ihres Glaubens und ihrer evangelischen Identität in allen Reformen bewusst bleibt, die Menschen in ihren Fragen und Problemen wahrnimmt und ihnen die bedingungslose Zuwendung Gottes zuspricht. Wir wirken an der ethischen Orientierung in unserer Gesellschaft mit und mahnen notwendige Veränderungen an“, heißt es im Kirchenbild der EKvW (Unser Leben – Unser Glaube – Unser Handeln). Das fordert uns heraus, auch die eigenen Realitäten ungeschminkt wahrzunehmen und notwendige Veränderungen anzugehen. Hauptursache für die Finanzentwicklung in der EKvW ist der Mitgliederrückgang. Hinzu kommen von uns nicht direkt beeinflussbare Faktoren wie die wirtschaftliche Entwicklung und die Steuerpolitik des Bundes, die zu leeren öffentlichen Kassen geführt hat. Finanziell magere Jahre werden auf uns zukommen. Auch wenn wir nennenswerte zusätzliche Finanzquellen erschließen sollten, stehen wir jetzt auf allen Ebenen unserer Kirche vor der Frage, welches eigene Profil wir stärken, was wir mit anderen gemeinsam tun und was wir aufgeben müssen. Finanziell magere Jahre sind nicht automatisch auch geistlich magere Zeiten. So nannte Josef seinen – zwischen fetten und mageren Jahren in Ägypten – Zweitgeborenen Ephraim, denn Gott hat mich wachsen lassen im Lande meines Elends (1. Mose 41, 52). Mir ist daran gelegen, dass auch in Zukunft viele Menschen in unterschiedlichen Milieus und Lebenskulturen vom Evangelium erreicht werden. Deshalb bitte ich alle, die in unserer EKvW Leitungsverantwortung haben, bei ihren Entscheidungen die in unserem Kirchenbild (Unser Leben – Unser Glaube – Unser Handeln) aufgeführten Dimensionen kirchlichen Handelns im Blick zu haben. Es wird von großer Bedeutung sein, dass Menschen im Jahreslauf und im Lebenslauf, aber auch in unterschiedlichsten Lebenslagen erfahren: Ihre Kirche hat ein Gesicht, und das Evangelium ist zu hören und zu spüren. So formuliert es das Kirchenbild der EKvW: „Damit die christliche Botschaft möglichst viele Menschen erreicht, muss kirchliches Handeln in vielfältigen Diensten und Angeboten Gestalt annehmen – in Ortsgemeinden und gemeindeübergreifenden Diensten im Kirchenkreis und in landeskirchlichen Ämtern und Werken... Durch dieses breit gefächerte Angebot in den Ortsgemeinden und den funktionalen Arbeitsbereichen ist unsere Kirche vielfältig im Alltag der Menschen und der Gesellschaft präsent“ (Unsere Geschichte – Unser Selbstverständnis, S. 28 f). Wir fragen jetzt noch intensiver danach, durch welche bestehenden Strukturen die Verkündigung des Evangeliums behindert oder gefördert wird. Auf allen Ebenen ist jetzt Aufgabenkritik dran: Was müssen wir tun, was können wir lassen? Was können wir gut, was können andere besser? Was können wir mit anderen tun? Was können andere für uns mit erledigen? (Nach den Sommerferien 2006 wird eine Arbeitshilfe vorliegen mit dem Titel Gemeinde auf gutem Grund. Eine Hinführung zur Erstellung von Gemeindekonzeptionen für Kirchengemeinden und Kirchenkreise. Kriterien – Planungshilfen – Arbeitsfolien. Die Grundsätze zu Führung, Leitung und Zusammenarbeit in der EKvW sollten in der jetzigen Situation unbedingt Beachtung finden: siehe dazu www.reformprozess.de.) Wir haben also jetzt zu entscheiden, welche Arbeitsfelder wir stärken, bündeln oder auch aufgeben wollen. Mir hilft es gegenwärtig, bei solchen Entscheidungen im Sieben-Jahres-Duktus nach vorne zu denken und zum Beispiel die Frage zu stellen, wodurch unsere Kirche in zweimal sieben Jahren herausgefordert und was in zweimal sieben finanziell mageren Jahren noch zu finanzieren sein wird. Dann fällt es mir leichter, mich den aufscheinenden Konturen unserer EKvW in der Zukunft zuzuwenden, statt mich im Abschied von liebgewordenen Strukturen zu verheddern. (Vor zweimal sieben Jahren – 1992 – hatten wir das höchste Kirchensteueraufkommen; seitdem haben wir 25 Prozent an Finanzkraft eingebüßt. Vor einmal sieben Jahren begann unser Reformprozess Kirche mit Zukunft.) Dies steht mir als Vision vor Augen: In zweimal sieben Jahren wird unsere EKvW viel kleiner sein als jetzt, mit bedeutend weniger Mitgliedern, Kirchen und Gemeindehäusern. Statt gegenwärtig 2100 tun noch etwa 1200 Pfarrerinnen und Pfarrer in ihr Dienst. Weitere Hauptamtliche bilden vor allem
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–5– ehrenamtlich Mitarbeitende fort. Die Kirchensteuer dient der Grundfinanzierung. Weitere Arbeitsfelder werden aus anderen Finanzquellen unterhalten. Es gibt weniger Kirchenkreise. Gemeinsame Dienstleistungseinrichtungen für mehrere Kirchenkreise sind selbstverständlich geworden. Zahlreiche unterschiedliche Gemeindeformen ergänzen sich zu einer bunten Landschaft. Die Trennung zwischen ortsgemeindlichen und gemeinsamen Diensten ist weitgehend überwunden. Gemeinden existieren in der klassischen Parochie ebenso selbstverständlich wie zum Beispiel im Zusammenhang von Stadteilzentren, Citykirchen, Schulen, Freizeiteinrichtungen oder als Profilgemeinden mit geistlichem, kirchenmusikalischem, sozialem, kulturellem oder jugendbezogenem Schwerpunkt. Viele der historischen Kirchen sind Zentren mit großer Ausstrahlungskraft, weil hier geistliches, diakonisches, seelsorgliches, ökumenisches und gesellschaftspolitisches Leben und Handeln der Gemeinde konzentriert worden sind. In strukturschwachen Gebieten entwickeln sich kirchliche Zentren zu quirligen Mittelpunkten und wirken der Verödung ganzer Landstriche entgegen. Sie beherbergen einen Knotenpunkt ländlicher Infrastruktur oder städtischer Kommunikationskultur. In kirchlichen Bistros gibt es die Poststelle, Brötchen, Zeitungen, Tickets und auch eine einladende Gastronomie. So wird zugleich die Gemeindearbeit mit finanziert. Diese kirchlichen Zentren sind auch Anlauf- und Ruhepunkt für Leib und Seele. Vielerorts hat man sich ökumenisch zusammengetan... Das sind meine Vorstellungen. Ich bitte Sie herzlich, selber solche Szenarien für die Zukunft Ihres Verantwortungsbereiches zu entwickeln. Sie mögen Ihnen wirklichkeitsnäher erscheinen als meine. Ich möchte hier diesen Stein ins Wasser werfen, damit er Kreise zieht. Der Rat der EKD hat einen solchen Perspektivwechsel schon vor einiger Zeit als notwendig herausgestellt. Er verlangt eine Umkehrung in der Begründung für die Existenz kirchlicher Arbeitsfelder: Nicht die lange Tradition eines Arbeitsgebietes, sondern seine Bedeutung für die Zukunft soll maßgeblich für seinen Stellenwert sein. In Kürze wird der Rat der EKD unter dem Titel „Kirche der Freiheit“ eine Ausarbeitung zu Perspektiven der Evangelischen Kirche im 21. Jahrhundert vorlegen. Darin sind viele Aspekte unseres Reformprozesses Kirche mit Zukunft aufgenommen und weitergeführt. Ich empfehle Ihnen allen, sich mit den darin aufgezeichneten Perspektiven auseinanderzusetzen und sie auf Ihre konkreten Herausforderungen vor Ort hin zu reflektieren. Liebe Schwestern und Brüder, Menschen wollen auf vielfältige Weise in ihrer Lebenswirklichkeit angesprochen werden. Zu Pfingsten verstanden alle die frohe Botschaft in ihrer Muttersprache. Parther, Meder, Elamiter, Juden, Römer, Kreter, Araber – und wie sie alle hießen – bedurften keiner Einheitssprache, um zu verstehen. Das ist das pure Gegenteil der in unserer Kirche so häufig anzutreffenden Milieuverengung: Alle sind von Gott angesprochen in seiner Geschichte mit uns Menschen. Zu Pfingsten wird die Sprache der Herkunft gerade nicht verleugnet. Die Zugehörigkeit zu einem besonderen Volk, einer eigenen Kultur oder Bildung sowie einer ganz persönlichen Geschichte wird nicht aufgehoben. Auch heute suchen Menschen aus unterschiedlichsten Lebenskulturen nach klaren, unverstellten Antworten auf ihre Lebensfragen. Sie suchen nach Orientierung und Vergewisserung. Über Religion und Glauben wird in der Öffentlichkeit wieder geredet. Es ist an uns, diese Chance zu ergreifen. Wir können auf vielgestaltige Weise weitergeben, wie schön, notwendig und wohltuend das Evangelium ist, wie Christus befreit zu einem ganzen, heilen Leben. Eine evangelische Kirche, die dieses Grundes gewiss ist, will viele unterschiedliche Menschen erreichen. Keiner kann von sich aus Lebensgewissheit schaffen oder Glauben herstellen. Das können wir auch als Kirche nicht. Aber wir können darum bitten, dass Gottes Geist mitten unter uns Wohnung nimmt. Mit dieser Bitte grüße ich Sie alle herzlich: Veni creator spiritus! Komm, heilger Geist, der Leben schafft! Ihr
(Alfred Buß) PS: Der Brief ist auch im Internet zu finden (pdf zum Herunterladen): www.ekvw.de Anlage
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–6– 1. Vorschläge fĂźr die Landessynode 2006 EinbuĂ&#x;en beim Gehalt Pfarrerinnen und Pfarrer, die jetzt in der VergĂźtungsgruppe A 13 sind, werden nicht mehr in die Gruppe A 14 „durchgestuft“. Das bedeutet: Wer die Endstufe von A 13 noch nicht erreicht hat, wird noch innerhalb dieser Gruppe hĂśhergestuft, doch entfällt dann der nächste (bisher nach zwĂślf Jahren Ăźbliche) Schritt nach A 14. Pfarrerinnen und Pfarrer bleiben im Einkommen etwa einem Studienrat gleichgestellt. Wer bereits eine hĂśhere VergĂźtung erhält, bezieht den Ăźber die Endstufe von A 13 hinausgehenden Betrag weiter. Bei kĂźnftigen Gehaltsanhebungen wird diese Zulage jeweils um die Hälfte des ErhĂśhungsbetrages gekĂźrzt. FĂźr besondere Funktionen des Pfarrdienstes ist an eine Zulage gedacht: bei Assessoren in HĂśhe der Differenz zu A 14, fĂźr Superintendenten in HĂśhe der Differenz zu A 15. Die Besoldungen fĂźr Mitglieder der Kirchenleitung werden entsprechend Ăźberarbeitet, die Bewertung der Beamtenstellen des HĂśheren Dienstes ĂźberprĂźft. 6HLW ZXUGH HUKHEOLFK LQ GDV %HVROGXQJVUHFKW GHU 7KHRORJHQ HLQJHJULIIHQ %LV HQWILHO GDV :HLKQDFKWVJHOG JDQ] XQG ZXUGH HV ]XU +lOIWH EH]DKOW VHLW LVW HV NRPSOHWW XQG HQGJ OWLJ JHVWULFKHQ 'DV JLOW DXFK I U GDV 8UODXEVJHOG 'LHVH (LQEX‰HQ PDFKHQ EH]RJHQ DXI GDV -DKUHVHLQNRPPHQ ELV 3UR]HQW DXV $X‰HUGHP I KUWHQ 8PVWHOOXQJHQ LP 'LHQVWZRKQXQJVUHFKW ]X ZHLWHUHQ %HODVWXQJHQ hEHU GLH %H]DKOXQJ GHU 3IDUUHU XQG .LUFKHQEHDPWHQ HQWVFKHLGHW GLH 6\QRGH GLUHNW %HL SULYDWUHFKWOLFKHQ 'LHQVWYHUKlOWQLVVHQ LVW GLH $UEHLWVUHFKWOLFKH .RPPLVVLRQ 5KHLQODQG :HVWIDOHQ /LSSH ]XVWlQGLJ +LHU LVW ELVODQJ IDVW QRFK NHLQH YRP |IIHQWOLFKHQ 'LHQVW DEZHLFKHQGH . U]XQJ HUIROJW Vorruhestand attraktiver machen Weitere Entlastung sollen attraktivere Bedingungen bringen, unter denen Pfarrerinnen und Pfarrer in den Vorruhestand gehen kĂśnnen. Wer sich dazu entschlieĂ&#x;t, soll denjenigen Pfarrern und Kirchenbeamten gleichgestellt werden, die bereits jetzt das sogenannte vorgezogene Altersruhegeld – mit 63 – beziehen. Damit sollen Pfarrstellen fĂźr die jĂźngere Generation freigemacht werden. Alle Entscheidungen, ob und wie weitere VergĂźnstigungen eingefĂźhrt werden, mĂźssen sich an der Frage nach der Gerechtigkeit gegenĂźber der nachwachsenden Generation, Theologen und andere Mitarbeitende, orientieren. Denn die kĂźnftige Pfarrergeneration wird im Ruhestand, auch wenn er erst mit dem 65. Lebensjahr beginnt, mit deutlich weniger Geld auskommen mĂźssen. Kirchenbeitrag fĂźr Rentner Viele Menschen im Ruhestand, die keine Kirchensteuer zahlen, wĂźrden ihre Kirche gerne regelmäĂ&#x;ig finanziell unterstĂźtzen. Voraussichtlich wird der Landessynode im November ein Entwurf vorliegen: Bezieher von AlterseinkĂźnften, die nicht kirchensteuerpflichtig sind, sollen 0,5 Prozent ihres Einkommens als Kirchenbeitrag entrichten. Das gilt aber erst ab einem bestimmten Mindesteinkommen. Wichtige Ausnahme: Wer zu einer der Gemeinden gehĂśrt, die bereits ein freiwilliges Kirchgeld eingefĂźhrt haben, wird selbstverständlich nicht noch einmal zur Kasse gebeten. 2. Bereits in DurchfĂźhrung Fundraising Viele Organisationen, Firmen und Einzelpersonen sind unter bestimmten Umständen bereit, Geld oder Sachmittel fĂźr ihre Kirche zu geben. Fantasie, GespĂźr fĂźr das MĂśgliche und Beziehungspflege kĂśnnen – in Verbindung mit handwerklich guter Arbeit – Geldquellen auftun, die bisher verschlossen sind. Deshalb durchlaufen seit Dezember 2005 aus jedem Gestaltungsraum zwei Personen eine Ausbildung bei der Fundraising-Akademie Frankfurt. Nach dem Abschluss im März 2007 werden sie, auch als Multiplikatoren, zur VerfĂźgung stehen. 3. Weitere Informationen zur Kirchensteuer: www.ekvw.de