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SCHWERPUNKT Umfrage
from A&C 10/2020
UMFRAGE: HAT DIE CORONA- KRISE DIE DIGITALISIERUNG WEITER BESCHLEUNIGT?
Die Digitalisierung ist in der Carrosseriebranche bereits weit fortgeschritten. Viele Betriebe wickeln von der Schadenannahme über die Kalkulation bis zur Rechnungsstellung alles digital ab. Hat die Corona-Krise diesen Trend nun weiter beschleunigt? Diese und andere Fragen stellte AUTO&Carrosserie vier System-/Software-Anbietern in der Schweiz.
Umfrage: Mario Borri
GCS AG, CEO RETO DELLENBACH
AUTO&Carrosserie: Wie haben Sie und Ihre Firma den Lockdown erlebt?
Reto Dellenbach: Wir hatten uns sehr kurzfristig entschlossen, der Branche mit einem «Zero Risk Paket» (http://zero-risk.gcsag.ch) bei der Entscheidung, die Digitalisierung voranzutreiben und die Software zu erweitern oder zu modernisieren, zu helfen. Diese Aktion hat schnell und anhaltend zu vollen Auftragsbüchern geführt. Wir sind somit bis heute von Kurzarbeit verschont geblieben. Im Gegenteil, wir suchen nun Leute, um unser Team zu erweitern und der Branche noch bessere Dienstleistungen zu bieten.
Wie erging es Ihren Kunden aus der Carrosseriebranche?
Wie immer gibt es da verschiedene Situationen – wir hatten alles: Kunden, welche die Krise als Anlass nahmen, ihr Geschäft vorzeitig aufzugeben; Kunden, die in Kurzarbeit gingen und den Betrieb herunterfuhren; Kunden, welche den Lockdown zur Ausbildung der Mitarbeiter nutzten; Kunden, welche die gesamte Software von einem Fremdanbieter auf unser System umstellten.
Wie verlief der Restart bei Ihnen?
Ich möchte nicht so weit gehen und von einem «Restart» sprechen. Zuviel ist noch nicht wie vorher. Die Situation, dass im April, Mai und Juni sehr viel weniger Fahrzeuge unterwegs waren und es somit auch weniger Unfälle gab, diese Auswirkungen spürt die Branche erst jetzt. Wir müssen abwarten, ich denke, Ende Jahr oder gegen Mitte 2021 werden wir sehen, wie die Branche durch die Krise kam. Ich bin optimistisch, dass es viele Unternehmer schaffen werden.
Es heisst, dass die Corona-Krise die Digitalisierung schneller vorantreibt – können Sie das bestätigen?
Ich denke, die Branche war schon vor der Krise sehr weit bei der Digitalisierung. Homeof ce in dem Sinn ist ja für die Carrosseriebranche nicht wirklich sinnvoll und praktikabel. Doch ja, bei einem Teil der Betriebe hat es sicher einen notwendigen Schub ausgelöst, noch weiter zu digitalisieren.
Hat Ihnen dieser Effekt geholfen oder Sie dazu inspiriert, neue Produkte zu entwickeln oder Produkte weiter zu verbessern?
Wir sind in einem dauerhaften Prozess, um die Produkte noch intuitiver und die Arbeitsabläufe noch ef zienter zu gestalten, da hat die Krise uns nicht wirklich eine Verbesserung gebracht. Wir arbeiten seit drei Jahren daran, unsere Lösungen noch smarter, mobiler und ef zienter zu machen. Die Krise hat uns in diesem Vorhaben aber bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Welches sind die Vorteile für einen Carrosseriebetrieb, wenn er auf die Digitalisierung und dabei auf Ihre Produkte setzt?
Zum einen kann die Branche weiter von unserem «Zero Risk Paket» pro tieren und risikolos auf unsere Lösungen umsteigen oder eine bestehende Lösung mit zusätzlichen Funktionen erweitern. Die Betriebe können durch den Einsatz unserer Lösungen eine wirklich einmalige Start-to-End-Digitalisierung erreichen und dem Kunden ein echtes digitales Erlebnis bescheren – vom OnlineKundencenter über den Terminkalender, den Kostenvoranschlag, die digitale Auftragserteilung bis hin zur Rechnung und der Reparaturhistorie – alles absolut digital.
Wie geht es jetzt weiter – für Sie und Ihre Firma und mit der Carrosseriebranche im Allgemeinen?
Das ist schwierig, eine Aussage zu machen und die Glaskugel zu deuten. Es ist jedoch klar, dass die Betriebe, die überleben wollen, in der ganzen administrativen Abwicklung von Auf - trägen noch ef zienter werden müs - sen.
TDC AG, CEO KURT SEILER
AUTO&Carrosserie: Wie haben Sie und Ihre Firma den Lockdown erlebt?
Kurt Seiler: Der Lockdown hat unsere Firma aufgrund der stark reduzierten Auftragslage emp ndlich getroffen und uns veranlasst, Kurzarbeit anzumelden. Dank unserer guten Organisation und insbesondere der präzisen Zeiterfassung aller Mitarbeiter, die wir bereits seit längerer Zeit eingeführt haben, konnten wir die nötigen Daten schnell und zuverlässig ermitteln. Trotz des massiven Rückganges der Aufträge war es für uns eine spannende Herausforderung, die doch sehr aussergewöhnliche Lage zu bewältigen. In dieser Zeit haben wir unsere Prozesse analysiert und auf zukünftige aussergewöhnliche Ereignisse angepasst.
Wie erging es Ihren Kunden aus der Carrosseriebranche?
Unsere Kunden aus der Carrosseriebranche waren ebenfalls von der Pandemie stark betroffen. Die Auftragslage hat sich durch den Rückgang des Individualverkehrs stark vermindert.
Wie verlief der Restart bei Ihnen?
Der Restart verlief reibungslos und das gesamte Team war voller Tatendrang. Trotz der Pandemie und der damit noch immer verbundenen Einschränkungen gehen wir motiviert an die tägliche Arbeit. Selbstverständlich ist es unser grosses Ziel, unsere Kunden und Mitarbeiter zu schützen. Dazu wurde ein umfangreiches Schutzkonzept entwickelt, inklusive Handschuhe und Masken, die wir allen kostenlos zur Verfügung stellen, und auch der vermehrte Einsatz von Homeof ce.
Es heisst, dass die Corona-Krise die Digitalisierung schneller vorantreibt – können Sie das bestätigen?
Die Digitalisierung hat durch die Corona-Krise weiter Fahrt aufgenommen. Firmen, die sich bereits vor der Pandemie mit diesem Thema beschäftigt haben, sind klar im Vorteil. Die Entwicklung digitaler Prozesse ist auch aus ökologischen und ökonomischen Gründen wichtig. Durch unsere moderne Infrastruktur konnten wir den vermehrten Einsatz von Homeof ce und Videokonferenzen ermöglichen. Dies nicht nur für den Aussendienstmitarbeiter, sondern auch für den Innendienst wie auch das Sekretariat.
Hat Ihnen dieser Effekt geholfen oder Sie dazu inspiriert, neue Produkte zu entwickeln oder Produkte zu verbessern?
Unsere Firma hat sich bereits seit mehreren Jahren zur digitalen Begutachtung von Fahrzeugschäden
Gedanken gemacht. Nicht nur der Austausch von digitalen Medien wie Fotos und Kostenvoranschlägen, sondern durch eine Live-Übertragung ein vollständiges Gutachten erstellen zu können. Das hochmoderne System von Live-Expert konnten wir daher schon vor fünf Jahren erfolgreich einsetzen und im Markt stark etablieren.
Welches sind die Vorteile für einen Carrosseriebetrieb, wenn er auf die Digitalisierung und dabei auf Ihre Produkte setzt?
Durch unser System ist jeder Carrosseriebetrieb exibel und unabhängig. Es ermöglicht eine zeitunabhängige Besichtigung des Fahrzeuges und die Nachfrage ist dementsprechend gross. Daneben bieten wir aber auch sehr individuelle Produkte für unsere Kunden an. Wir adaptieren unsere Systeme an die unserer Kunden, um die Prozesse zu vereinfachen.
Wie geht es jetzt weiter – für Sie und Ihre Firma und mit der Carrosseriebranche im Allgemeinen?
Diese Krise hat uns gezeigt, dass wir uns optimal vorbereiten müssen, um künftig auf solche aussergewöhnlichen Situationen noch besser rea - gieren zu können.
C3 GMBH, CEO YVES KÜNZLI
AUTO&Carrosserie: Wie haben Sie und Ihre Firma den Lockdown erlebt?
Yves Künzli: Wir konnten zum Glück, dank unserer modernen IT-Infrastruktur, sehr exibel auf Homeof ce umstellen. Damit die Kommunikation und der Kontakt gewährleistet waren, hielten wir täglich einen Gruppenchat ab, welcher ab und zu durch «Fit mit Yves» aufgelockert wurde.
Wie erging es Ihren Kunden aus der Carrosseriebranche?
Unserem Eindruck nach waren die Herausforderungen äusserst schwierig und komplex. Es kamen völlig neue Themen auf die Carrosserien zu wie: Schutzkonzepte für Mitarbeiter und Kunden; können Ersatzteile geliefert werden; wie reinige ich das Ersatzfahrzeug steril etc. – und natürlich die wirtschaftlichen Probleme mit Planungssicherheit, Finanzierungsengpässen und Kurz - arbeit.
Wie verlief der Restart bei Ihnen?
Ohne grössere Schwierigkeiten, Kun - dentermine nden immer noch mehrheitlich digital statt.
Es heisst, dass die Corona-Krise die Digitalisierung schneller vorantreibt – können Sie das bestätigen?
Bestimmt wurden einige Technologien, z. B. Bluetooth-Beaconing, welche die SwissCovid App verwendet, gepusht. Das Carrosserie-Gewerbe ist jedoch seit mehreren Jahren digital gut vernetzt, man denke an die digitale Schadenmeldung mit den Versicherungen, welche seit längerer Zeit Standard ist. Einige Reparaturbetriebe, welche das digitale Schadenmanagement noch vor sich hergeschoben haben, waren plötzlich auf der Startlinie und haben sich dieser Herausforderung gestellt. Für uns war hier ein deutlicher Schub spürbar, welchen wir mittels Online-Schulungen gut auffangen konnten.
Hat Ihnen dieser Effekt geholfen oder Sie dazu inspiriert, neue Produkte zu entwickeln oder Produkte weiter zu verbessern?
Wir bieten seit einiger Zeit ein Endkundenportal an, wo sich Kunden einen Termin in einer Carrosserie, Garage, Sammelbesichtigung etc. buchen können. Dieses Portal haben wir jetzt zur besseren Terminplanung mit einer Foto-Funktion erweitert; der Berater erhält so eine Übersicht zur anstehenden Arbeit.
Welches sind die Vorteile für einen Carrosseriebetrieb, wenn er auf die Digitalisierung und dabei auf Ihre Produkte setzt?
Wir bauen digitale Brücken zwischen mehreren Partnern. Anforderungen und Bedürfnisse werden als Prozess abgebildet, was hohe Ef zienz und gleichbleibende Qualität garantiert. Daten können ausgetauscht werden – sprich, das Fahrzeug wird z.B. von einem Partner repariert, ohne dass Daten nochmals erfasst werden müssen. Kommunikation, Logistik und Schadenmanagement sind in einem Tool enthalten und sämtliche Statistiken und Daten können per Klick abgerufen werden.
Wie geht es jetzt weiter – für Sie und Ihre Firma und mit der Carrosseriebranche im Allgemeinen?
Den Lockdown haben wir mit einem kleinen blauen Auge überstanden. Die Digitalisierung wird Teil der Zukunft bleiben und wir sehen hier noch viel Optimierungsbedarf. Die Herausforderungen in der Carrosseriebranche werden mit Sicherheit nicht kleiner: Komplexe Elektronik bei den Fahrerassistenzsystemen, Materialmix im Fahrzeugbau, Repa - raturvorgaben der Hersteller, Schadensteuerung und die Rekrutierung von fachmännischem Personal sind nur einige der vielfältigen Themen.
AUDATEX, MD MARCEL SCHRADT
AUTO&Carrosserie: Wie haben Sie und Ihre Firma den Lockdown erlebt?
Marcel Schradt: Wir haben komplett auf Homeof ce umgestellt und sind nun wieder daran, die Mitarbeitenden stufenweise zurückzubringen.
Wie erging es Ihren Kunden aus der Carrosseriebranche?
Gemischt, viele Kunden mussten Kurzarbeit einführen und hatten weniger Arbeit. Das haben wir natürlich auch gemerkt. Die Auslastung unserer Systeme ging phasenweise recht stark zurück, hatte sich aber bis zum Sommer wieder normalisiert. Wir sind jetzt wieder auf dem Vor-Covid-Niveau.
Wie verlief der Restart bei Ihnen?
Wir hatten keinen eigentlichen «Restart». Da wir schon vor Covid-19 topmodern und digital ausgerüstet waren und auch «global» so arbeiten, kam es weder zu einem Stillstand noch zu weniger Arbeit. Es dauerte nur Tage, bis sich jeder zuhause im Homeof ce eingerichtet hatte, und die neue Situation wurde schnell zur Normalität. Seit der Aufhebung des Lockdowns sind wir auch wieder fast normal unterwegs und auch wieder vor Ort bei unseren Kunden – natürlich immer unter Einhaltung der geltenden Vorgaben.
Es heisst, dass die Corona-Krise die Digitalisierung schneller vorantreibt – können Sie das bestätigen?
Ja und nein. Zum einen wurden neue Projekte im Bereich der Digi - talisierung gestartet, was sehr er - freulich ist; leider kam es aber auch zu Projektverzögerungen bei Digitalisierungsprojekten, bedingt durch Kurzarbeit oder Verschiebung von Prioritäten bei unseren Kunden.
Hat Ihnen dieser Effekt geholfen oder Sie dazu inspiriert, neue Produkte zu entwickeln oder Produkte weiter zu verbessern?
Ja, auf jeden Fall, wir haben im April umgehend reagiert und unseren Kunden Services zu Verfügung ge - stellt, die halfen, den physischen Kontakt zu verringern. Auch jetzt arbeiten wir mit Hochdruck am Rollout von neuen Funktionen wie zum Beispiel die Bilderkennung. Ein System, das mit künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen (ML) die Schadensbilder analysiert und berechnet.
Welches sind die Vorteile für einen Carrosseriebetrieb, wenn er auf die Digitalisierung und dabei auf Ihre Produkte setzt?
Mit unserer Qapter-Claims-Lösung bieten wir unseren Kunden einen komplett digitalen Schadenprozess, der standortunabhängig und mit je - dem Gerät, das über ein Internetbrowser verfügt, funktioniert. Die Scha - denaufnahme und die Kalkulation, die Zusammenarbeit mit der Garage, der Versicherung sowie des Teilelieferanten waren noch nie so einfach und ef zient wie mit Qapter Claims.
Wie geht es jetzt weiter – für Sie und Ihre Firma und mit der Carrosseriebranche im Allgemeinen?
Wie schon erwähnt, sind wir gerade daran, neue zukunftsweisende Funktionen wie die Bilderkennung und die voll digitale Zusammenarbeit zwischen Garagen, Carrosserie, Ver - sicherung und Teilelieferanten zu integrieren. Die Situation mit Covid-19 macht dies sicher nicht einfacher und stellt uns alle vor grosse Herausforderungen. Doch wir sind fest davon überzeugt, dass wir gemeinsam diese Krise überstehen werden, und freuen uns natürlich auch wieder auf die Zeit ohne Maske und Desinfektionsmittel.