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ALPENGLÜHEN

Gleich 23 Beschleunigungs- und Bremsweltrekorde hat der Rimac Nevera vor wenigen Wochen auf einer Teststrecke gebrochen. Jetzt machte das elektrische Hypercar in den Bergen Zwischenhalt auf dem Weg zum nächsten Rekord. Wir sind den nach einem kroatischen Sturm benannten Überstromer bis zum Alpenglühen gefahren.

IM JAHR 2009 gründete der damals erst 21-jährige Mate Rimac seine eigene Firma. Schon damals hatte er das Ziel, das schnellste Elektroauto der Welt zu bauen. Damals wurde er dafür noch belächelt. Das ist längst passé. Heute führt er ein Unternehmen mit fast 3000 Mitarbeitern, hat vor zwei Jahren die Mehrheit von Bugatti gekauft und kürzlich auch sein Ziel von damals erreicht. Der Rimac Nevera stellte an einem einzigen Tag gleich 23 Beschleunigungs- und Bremsweltrekorde auf. Der 1914 PS und 2360 Newtonmeter starke Stromer schaffte beispielsweise die Hypercars-Königsdisziplin, den 0-400-0-km/h-Test, als erstes Serienauto überhaupt unter 30 Sekunden, genau genommen in 29,93 Sekunden, und nahm dem bisherigen Rekordhalter Koenigsegg fast zwei

Mit einer Zeit von 29,93 Sekunden für den 0-400-0-km/hTest ist der Rimac Nevera aktuell das schnellste Auto der Welt.

Sekunden ab. Nicht minder eindrucksvoll sind die 1,82 Sekunden respektive 4,42 Sekunden und 9,23 Sekunden, die der Nevera unter Idealbedingungen auf 100, 200 und 300 km/h in den Asphalt brennt.

Dr. Jekyll … Wer aber nicht gerade ein eigenes Testgelände, einen Flugplatz oder eine Rennstrecke in der Hinterhand hat, kann das Mr.-Hyde-Potenzial, das der Rimac Nevera geradeaus besitzt, gar nicht nutzen – oder nur einen Bruchteil davon. Umso erstaunlicher ist aber sein Dr.-JekyllCharakter, wenn man ohne Messer zwischen den Zähnen fährt. Insgesamt hat der Nevera fünf Fahrmodi, selbst im Range- oder Cruisemodus stehen noch 70 Prozent der Leistung – das sind umgerechnet immer noch absurde 1340 PS – zur Verfügung, und schafft dank 120-kWh-Akku bis zu 550 Kilometer Reichweite.

Die Kraft lässt sich dennoch überraschend leicht dosieren, der 4,75

Meter lange und 1,21 Meter flache

Keil lässt sich in bester Dr.-JekyllManier lautlos und unprätentiös auch mit Tempo 30 pilotieren. Im Gegensatz zu anderen Hypercars ist der Nevera zudem auch im Innenraum relativ schlicht, aber modern designt. Alcantara und Bildschirme dominieren, aber auch klassische Drehregler und Kippschalter sind zu finden. Die Kroaten bedienen sich dafür auch nicht aus dem Regal grösserer Marken, sondern konstruieren fast alles selbst. Das spiegelt sich auch in der eigenen Designsprache des Exterieurs wider: In der Hypercar-Liga hält sich der «kroatische Sturm» schon fast etwas dezent zurück.

… und Mr. Hyde

Spätestens wenn man aber aufs Gasrespektive Strompedal tritt, ist es mit der Zurückhaltung schlagartig vorbei – vor allem, wenn man in den Track- lassen wir gleich von vornherein aus, schon der Trackmodus gibt die volle Leistung frei. Dass der Schub, der dann einsetzt, nicht von dieser Welt ist, erstaunt bei den Rekordwerten des Nevera nicht.

Einzigartig macht die Erfahrung aber die Tatsache, dass das gewohnte Motorgeräusch zwar fehlt, der Nevera aber nicht lautlos unterwegs ist, sondern auch akkustisch widergibt, dass die komplexe Technik immer am Arbeiten ist. Unter dem Blech stecken insgesamt vier E-Motoren, die über den Bordcomputer immer genau so viel Leistung an die einzelnen Räder abgeben, wie es die Situation zulässt. Selbst wenn man zu fest den rechten Fuss runterdrückt, bügelt die Elektronik den Übermut des Fahrers wieder weg. Die Alpen glühen lassen können wir an diesem Tag eh nicht – aber zumindest bis zum Alpenglühen weiterfahren. Sollten wir einmal die 2 Millionen Euro auf dem Konto haben, die der Nevera kostet, holen wir auch den Mr.-Hyde-Test auf einer Rennstrecke nach! (ml)

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