Hütten und Paläste – Baukultur in Gelsenkirchen

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Das spektakuläre Musiktheater im Revier aus der Nachkriegszeit oder das Hans-Sachs-Haus aus den 1920er-Jahren, die neu interpretierte Back­steinikone mit dem weltweit ersten Farb­leitsystem, sind nur die bekanntesten Beispiele, über die hinaus es noch vieles mehr zu entdecken gibt …

Euro 39 (D) ISBN 978-3-89986-240-9

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BAUKULTUR IN GELSENKIRCHEN

Von gigantischen, mittlerweile umgenutzten Industrieanlagen und restaurierten Arbeiter­ siedlungen, Kleinoden des Backsteinexpressio­ nismus und radikalen Nachkriegsbauten bis hin zum bau­lichen Umgang mit dem Struktur­ wandel durch die Internationale Bauausstellung (IBA) Emscher Park.

Hütten und Paläste

Eine ganz und gar ungewöhnliche Stadt – das ist Gelsenkirchen, die einstige Industrieme­tro­ pole im Herzen des Ruhrgebiets, seit jeher. Gerade darin liegt heute ihr Reiz. Was ihre ganz eigene Baukultur ausmacht, zeigt dieser Bildband:

Hütten und Paläste

BAUKULTUR IN GELSENKIRCHEN


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Einleitung Objekte

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Inhalt

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City-Wohnanlage Stephanuskirche Zeche Oberschuir Ehemaliges Kaufhaus Althoff / Linden-Karree Zeche Rheinelbe Bürogebäude Willy-Brandt-Allee Mechtenbergbrücke Hans-Sachs-Haus Einfamilienhaus Romanusstraße Bürogebäude De-la-Chevallerie-Straße Ehemaliges Finanzamt Gelsenkirchen-Süd Zeche Consolidation 3 / 4 / 9 Neue Synagoge Heilig-Kreuz-Kirche Pflegeheim Pfeilstraße Schievenfeld-Siedlung Wohnhochhaus Tossehof Nahverkehrsanlage VELTINS-Arena Rathaus Buer Doppelwohnhaus Immermannstraße Wissenschaftspark Gelsenkirchen Wohn- und Geschäftshaus Am Stern Unternehmenszentrale Mr. Chicken Siedlung Am Eichenbusch / Hördeweg Thomaskirche Schloss Horst Kindertagesstätte Wiehagen Bunker Arminstraße Volkshaus Rotthausen Unternehmenszentrale Gelsenwasser AG Wasserburg Haus Lüttinghof Altstadtkirche Ehemaliges Verwaltungsgebäude Gelsenkirchener Gussstahl- und Eisenwerke Siedlung Schüngelberg und Halde Rungenberg Ehemaliges Kaufhaus Sinn

18 20 22 26 28 32 34 36 42 44 46 48 52 54 60 62 64 66 68 72 74 78 80 82 84 86 92 94 96 98 102 104

Anhang

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Objektstandorte Architektenregister Impressum

208 210 216

106 108 112

Kunstmuseum Gelsenkirchen Torhäuser der ehemaligen Kokerei Hassel Grimberger Sichel Zeche Holland Siedlung Spinnstuhl St.-Urbanus-Kirchplatz Zeche Nordstern 1 / 2 Wohnhaus Robert-Koch-Straße Iduna-Hochhaus VELTINS-Arena Friedenskirche Kaufhaus Weiser Westfälische Hochschule Ehemalige Reichsbank Siedlung Küppersbusch Augustinushaus Doppelbogenbrücke Einfamilienhaus Stadtquartier Graf Bismarck Ehemalige Hauptpost / Verwaltungsgericht Klimaschutzsiedlung Pfarrzentrum Thomas Morus Zentrale Feuer- und Rettungswache Bergarbeitersiedlung Klapheckenhof Ehemaliges Verwaltungsgebäude Thyssen Draht Bogestra-Straßenbahndepot Evangelische Gesamtschule Auferstehungskirche Genossenschaftswohnungsbau Liebfrauenstraße Vittinghoff-Siedlung Wohn- und Bürogebäude Leithestraße Schauburg-Filmpalast Schlachthof Verwaltungsgebäude Avangard Malz AG WEKA-Karree Musiktheater im Revier

114 118 120 122 124 126 128 134 136 138 140 144 146 148 150 154 156 158 160 162 164 168 170 172 174 176 180 182 184 188 190 192 194 196 198

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Hütten und Paläste Baukultur in Gelsenkirchen

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Wer heute aus Frankfurt oder München, aus Stuttgart oder Hamburg nach Gelsenkirchen kommt, wird nicht nur mit großer Wahrscheinlichkeit die als Lob gedachte Feststellung treffen, wie ausgesprochen grün es doch im Ruhrgebiet sei. Trotz allen Wohlmeinens wird er die Stadt in ihrer Struktur und Anlage auch als – vorsichtig formuliert – originell oder gar etwas merkwürdig empfinden. Aber gerade in den Merkwürdigkeiten der Ruhrmetropole liegt ihr Reiz. In der Tat ist Gelsenkirchen wie die anderen Städte im Ruhrgebiet bis heute etwas vollkommen anderes als die traditionsreiche, klassische europäische Stadt, die in einem jahrhundertelangen Prozess um ein klares Zentrum nach außen gewachsen ist. Das Ruhrgebiet und damit auch Gelsenkirchen werden nicht umsonst häufig mit der suburbanisierten Stadtlandschaft von Los Angeles verglichen – einer Netzwerkstruktur, die nirgendwo ein klares Zentrum und nirgendwo eine ausschließliche Peripherie besitzt. Im Gegenteil: Hier gibt es zentrale Funktionen, die am Rand und zudem noch weit auseinander liegen, wie auch untergeordnete Nutzungen, die in exponierter Lage vor aller Augen stattfinden. Die Peripherie in der Mitte und das Zentrum ganz weit draußen – wo gibt’s denn sowas? „Das gibt es nur bei uns in Gelsenkirchen“, um es mit Georg Kreislers berühmtem Chanson zu sagen. Oder vielleicht noch in Oberhausen. Oder in Herne. Oder in Duisburg … Trotzdem oder gerade deswegen hat dieses merkwürdige Stadtgebilde in den vergangenen Jahrzehnten eine große Lebensqualität für seine Bewohner und eine Faszination für seine Besucher entwickeln können. Zum einen hat dies mit seiner spezifischen Struktur zu tun, deren Vorteile sich erst nach und nach bei näherer Betrachtung offenbaren, und zum anderen mit vielen herausragenden baukulturellen Zeugnissen der besonderen Stadtgeschichte. Um diese oftmals ganz spezifische Ausprägung von Baukultur besser zu verstehen, muss man sich ansehen, wie und warum dieses Stadtgebilde sich so entwickelt hat.

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Innerhalb weniger Jahrzehnte wurde Gelsenkirchen – ausgehend von dünn besiedelten Dörfern – durch eine beispiellose Bevölkerungsexplosion in ein Großstadtdasein katapultiert. Dies geschah alles andere als geplant und geordnet, sondern zunächst einzig und allein nach den Erfordernissen und Bedürfnissen der entstehenden Großindustrie. Die Folge: Eine über lange Zeit teilweise chaotische Stadtstruktur, die erst nach und nach mühsam geordnet werden konnte und bis heute mit vielerlei Eigentümlichkeiten weiter fortbesteht, bis hin zu der Besonderheit, dass Gelsenkirchen eine Großstadt ist, die über zwei Innenstädte verfügt. Die Anforderungen der Montanindustrie bestimmten über 100 Jahre lang die Entwicklung dieser Stadt, um dann in den letzten Jahrzehnten in einem ebenso dramatischen Schrumpfungs- und Wandlungsprozess eine Stadt zu hinterlassen, die stadtplanerisch, baulich und sozial auch diese Transformation gestalten muss. Wandel ist also immer in Gelsenkirchen. Dynamik ist das wesentliche Kennzeichen der Geschichte der jungen Stadt.

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Rasante Besiedlung: Gelsenkirchen 1842, 1927 und 1988. (oben) Keine Kohle mehr, dafür reich an Baukunst, zum Beispiel mit der Lichtinstallation „ConsolGelb“ Günter Dohrs als leuchtendes Symbol des Wandels Gelsenkirchens. (links)

Diese Dynamik ist auch im baulichen Bild der Stadt deutlich ablesbar. Sie hat ihr einige Narben geschlagen: etwa in alten, brach gefallenen Industrieanlagen, etwa in den rasch hochgezogenen Wohnhäusern der 1950er-Jahre. Doch hat diese Dynamik stets viele, zu ihrer Entstehungszeit hoch innovative und oft kompromisslose Architekturbeispiele hinterlassen. Nicht immer nach gegenwärtigem Empfinden schön – manchmal aber doch –, immer jedoch spannend. Und in jedem Fall merkwürdig. Wer merkwürdig ist, den vergisst man nicht so schnell. Und das dürfte hier in der Tat zutreffen. Denn so wie anderswo ist es hier noch immer nicht. Zum Glück. Sonst wäre es auch nichts Besonderes. Das Nebeneinander von alten und oft umgenutzten Industrieanlagen und idyllischen Gartenstadtsiedlungen, Bauten der Nachkriegsmoderne und expressionistischen Backstein-Kleinoden der 1920er-Jahre, dazu die zahlreichen Beispiele Neuen Bauens im Zuge der Internationalen Bauausstellung Emscher Park (IBA) – diesen Mix findet man nur mitten im Ruhrgebiet.

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Das Dorf Gelsenkirchen hatte im frühen 19. Jahrhundert nur etwa 650 Einwohner in einer insgesamt dünn besiedelten Agrarlandschaft mit weiteren Dörfern und einigen alten Herrensitzen; eine bedeutsame öffentliche Infrastruktur existierte nicht. Nachdem 1840 erstmals nach Kohle gebohrt worden war, die Gegend an der Emscher durch die Köln-Mindener Eisenbahn 1847 verkehrsmäßig erschlossen und schließlich auch die technischen Probleme der Kohlegewinnung beim Übergang vom Stollen- zum Tiefbau mit Hilfe ausländischen Kapitals und Know-hows gemeistert werden konnten, setzte die Industrialisierung im Raum Gelsenkirchen ein. Im Jahr 1858 begann auf der Zeche Hibernia die Steinkohleförderung in Gelsenkirchen. Der Kohle folgten die Eisen- und Stahlindustrie, mit der technologischen Entwicklung die Nebenproduktgewinnung und die Kohlechemie sowie in den 1920er-Jahren die energieintensive Glasindustrie. Bei den Zechen wurden Kokereien und Kraftwerke errichtet, aber auch Gasometer zählten zur Silhouette der Stadt. Als zusätzlicher Transportweg für die Massengüter der Ruhrindustrie entstand der 1914 eröffnete Rhein-Herne-Kanal mit dem Stadthafen und mehreren Industriehäfen auf Gelsenkirchener Gebiet. Recht früh gab es gigantische Industriebauwerke und großflächige Produktionsareale sowie Siedlungsanlagen.

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Aus den Städten Gelsenkirchen und Buer sowie dem Amt Horst mit den dazugehörigen Bauerschaften wuchs eine Industriegroßstadt heran – zeitweise die bedeutendste Kohlestadt Europas mit in den Jahren 1958 und 1959 bis zu 389.000 Einwohnern und dem Beinamen „Stadt der tausend Feuer“. Diese Entwicklung vollzog sich mit der bereits erwähnten Rasanz. Lebten zur Zeit der Stadtwerdung Gelsenkirchens im Jahr 1875 rund 11.000 Menschen in Gelsenkirchen, so waren es 1903 bei der Eingemeindung umliegender Dörfer im Süden der heutigen Stadt schon etwa 140.000 und auf dem gesamten Gebiet der heutigen Stadt bereits rund 200.000, wo vor der Industrialisierung keine 10.000 Menschen gelebt hatten. Der Industrialisierungsprozess veränderte also die Dörfer und Bauerschaften auf dem Gebiet Gelsenkirchens erheblich. Nicht umsonst sprach man auch von Preußens „Wildem Westen“, wenn man vor dem Ersten Weltkrieg die Boomtowns in Rheinland und Westfalen meinte.

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Da die Industrialisierung eine recht menschenleere Gegend traf, mussten neben der Industrie vor allem Wohnungen und die notwendigsten öffentlichen Einrichtungen errichtet werden. Die seit 1850 wuchernden Industriedörfer aus Produktionsanlagen, Siedlungen, Verkehrswegen, Brachen und Leerflächen konnten als relativ unselbstständige kommunale Gebilde kaum die Mindestausstattung an Infrastruktur gewährleisten. Die Urbanisierung blieb defizitär, denn Stadtentwicklung und -gestaltung erfolgten unter der Vorherrschaft der Montanindustrie. Die Zuwanderer in der Frühzeit des Bergbaus kamen zunächst aus dem Rheinland, Westfalen und Hessen, später vor allem aus Ostpreußen, Masuren und Schlesien. Zwischen 1885 und 1910 trafen allein aus Ostpreußen geschätzt rund 160.000 Zuwanderer in Gelsenkirchen ein. Um überhaupt Arbeiter gewinnen zu können, errichteten neben privaten Initiativen vor allem die Zechen und Hüttenwerke zahlreiche Wohnungen. So entstanden bis nach 1918 etwa 60 Werkssiedlungen, von denen viele nicht zuletzt durch Werkserweiterungen wieder verschwanden.

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Ein typisches Bild bis in die 1960er-Jahre hinein: die Industrie mitten in der Stadt. (links)

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Gleichzeitig mit großen Industrieanlagen entstanden ausgedehnte Zechensiedlungen wie die Gartenstadt Hassel. (Mitte) Nachholende Urbanisierung durch zentrale Gebäude wie etwa das Hans-Sachs-Haus ab 1927 (rechts)

Der oft an ländliche Wohn- und Lebensweisen anknüpfende Baustil der Zechenkolonien sollte bei den Zuwanderern, die aus ländlichen Regionen stammten, auch äußerlich überlieferte patriarchalische Vorstellungen erhalten. Die Kolonien wurden meist in unmittelbarer Nähe der Schachtanlagen errichtet, deren Standort häufig keine Rücksicht auf gegebene räumliche Strukturen genommen hatte. So spiegeln sich in der Stadtgestaltung Industriegeschichte, aber auch politische Rahmenbedingungen, die der Industrie vielfach freie Hand ließen, sowie die politisch-kulturellen Prägungen der Zechenherren, die ihrer Belegschaft eine bestimmte Lebensweise aufzudrängen trachteten. Trotzdem hatte gerade der Gelsenkirchener Norden mit den Zechensiedlungen überwiegend Glück, da sich der staatliche Bergbau, der bis in die Jahre 1921 und 1922 über 4.000 Wohnungen errichtete, bemüht um mustergültigen Siedlungsbau, an der Gartenstadtidee orientierte.

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Seit Mitte der 1970er-Jahre erfahren die alten Siedlungen wieder eine höhere Wertschätzung bei Politik und Verwaltung. Initiativen der Gelsenkirchener Bevölkerung verhinderten beispielsweise den Abriss der Zechensiedlung Flöz Dickebank. Heute haben die Werkssiedlungen ihren Minderwertigkeitskomplex abgelegt und erfreuen sich als typische Wohnform des Ruhrgebiets nicht zuletzt wegen ihrer Gärten einer großen Beliebtheit. Die alten Siedlungen machen noch immer rund 10 Prozent des Wohnungsbestandes der Stadt aus. Gelsenkirchen ist also ein typisches Beispiel verspäteter Stadtbildung unter dem Einfluss der Montanindustrie und massenhafter Zuwanderung, jahrzehntelang ohne einheitliche und leistungsfähige Verwaltungsstrukturen. Für konkrete Stadtplanungen fehlte den administrativen Instanzen oft auch der Zugriff auf Grund und Boden, da große Flächen bereits in der Industrialisierungsphase von den Zechengesellschaften aufgekauft worden waren, zur Bevorratung für den industriellen Ausbau, zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen wegen Bergschäden und zur Verhinderung von

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Zeche Oberschuir

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Boniverstraße 32 Architekt: unbekannt Umbau und Erweiterung: Pfeiffer – Ellermann – Preckel, Lüdinghausen Erbaut: 1907–1909, 1993–1996

Der ehemalige Schacht Oberschuir (Schacht 8) der Bergwerksanlage Consolidation stellt ein gleichermaßen nach technischen wie architektonischen Gesichtspunkten konzipiertes Bergwerk vor dem Ersten Weltkrieg dar. Neben seiner Bedeutung für die historische Entwicklung der Produktionsverhältnisse weist das Gebäude eine gelungene städtebauliche Integration sowie eine herausragende Bauwerksgestaltung auf. Das einheitliche bauliche Ensemble aus Maschinenhalle, Waschkaue, Lohnhalle, Pförtnerhaus und Leichenhalle wurde von 1907 bis 1909 in Gelsenkirchen-Feldmark errichtet. Alle Fassaden sind im Stil der Neogotik und des Jugendstils mit hellroten Ziegeln versehen und werden durch weiße Putzflächen und Gesimse gegliedert. Nach Einstellung des Betriebes 1981 wurde den Gebäuden 1996 im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscher Park ein Glaskubus als ergänzendes Entree angefügt. Als Ausstellungs- und Veranstaltungsort erhielt das Ensemble in diesem Zuge eine neue Funktion. Die ehemalige Maschinenhalle bildet den zentralen Raum des Komplexes, das filigrane Fördergerüst ist als weithin sichtbare Landmarke noch immer das Wahrzeichen des Stadtteils.

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Zeche Oberschuir

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Hans-Sachs-Haus

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Im Hans-Sachs-Haus vereinen sich nicht zwei architektonische Epochen und zwei Baustile unter einem Dach, sie treten miteinander in einen Dialog. Die ursprüngliche Architektur des Hauses wird aufgegriffen, zeitgemäß weitergeführt und neu interpretiert. Für diese Gesamtkonzeption ist das 2013 wiedereröffnete Hans-Sachs-Haus bereits mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem Balthasar-Neumann-Preis des Bundes Deutscher Baumeister.

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Zeche Nordstern 1/2

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Die unterschiedlichen Entstehungszeiten und die herausragende architektonische Qualität aller Zechenbauten in Gelsenkirchen-Horst veranschaulichen nicht nur eindrucksvoll die allgemeinen Tendenzen in der Architektur der 1920er-Jahre hin zu einem funktionalen Bauen. Sie geben auch einen konzentrierten Überblick über das Werk des bedeutenden Architekten Fritz Schupp und der Entwicklung einer neuen Bergbauarchitektur im Ruhrgebiet. Nach Stilllegung der Zeche Nordstern im Jahr 1993 blieb die Schachtanlage 1/2 nahezu komplett erhalten und bildete die Kulisse für eine außergewöhnliche Bundesgartenschau im Jahr 1997. Das Gelände ist heute als Nordsternpark ein beliebtes Freizeitziel und Teil der Route der Industriekultur. Die sanierten Zechengebäude beherbergen den Hauptsitz von Vivawest, dem drittgrößten deutschen Immobilienunternehmen. Als Projekt der Europäischen Kulturhauptstadt RUHR.2010 wurde der Turm von Schacht 2 ertüchtigt und durch Aufstockung um vier gläserne Etagen samt Besucherterrasse zu einem der sieben Hochpunkte in der Metropole Ruhr ausgebaut. Die ihm aufgesetzte Monumentalskulptur „Herkules von Gelsenkirchen“ von Markus Lüpertz stellt heute das neue Wahrzeichen des Nordsternparks dar.

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Ehemaliges Verwaltungsgebäude Thyssen Draht

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Kurt-SchumacherStraße 100 Architekten: Herbert Rimpl, Wiesbaden; Otto Prinz, Gelsenkirchen; Heinz Kochmeyer Erbaut: 1952

Das Verwaltungsgebäude der ehemaligen Drahtwerke wurde 1952 vom Architekten Prof. Herbert Rimpl erbaut. Rimpl, der einst Assistent von Walter Gropius und Mitarbeiter Albert Speers gewesen war, erlangte in der Nachkriegszeit mit Verwaltungsgroßbauten wie jenem an der Kurt-Schumacher-Straße großes Ansehen. Das viergeschossige Gebäude ist ein rasterförmiger Stahlbetonskelett-Bau mit langgestrecktem, rechteckigem Grundriss, geputzten Fassaden und kunststeinverkleideten Brüstungen – ganz im Stil der 1950erJahre. Hauptbau wie auch die eingeschossigen, geschwungenen Vorbauten seitlich des Haupteingangs zeigen typische, weit ausladende Dachflächen. Die Innenausstattung des Verwaltungsbaus ist weitgehend original erhalten. Neben den charakteristischen Gestaltungselementen wie farbigen Mosaikfußböden, geschwungenen Messinggeländern und Tütenlampen windet sich eine breit angelegte Treppe schwungvoll um ein ovales Treppenauge. Das Bauwerk ist nicht nur ein Zeugnis für Architektur der Wirtschaftswunderzeit im Ruhrgebiet, sondern auch ein ausgezeichnetes Beispiel für das architektonische Schaffen der einflussreichen, aber aufgrund ihrer Karriere in der NS-Zeit ebenso umstrittenen Person Rimpls.

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Musiktheater im Revier

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Kennedyplatz Architekt: Werner Ruhnau, Essen; in Zusammenarbeit mit Harald Deilmann, Max von Hausen und Ortwin Rave Erbaut: 1956–1959

Das Theater der Stadt Gelsenkirchen am Kennedyplatz zählt zu den bedeutendsten Bauwerken der deutschen Nachkriegsarchitektur. Die kubische Baugruppe aus Großem und Kleinem Haus wurde von dem federführenden Architekten Prof. Werner Ruhnau nach einem Entwurf der Architektengruppe Harald Deilmann, Max von Hausen, Ortwin Rave und Werner Ruhnau errichtet und ist ein herausragendes Beispiel für die Architektur der 1950er-Jahre. Die Hauptachse des Großen Hauses liegt in der direkten Verlängerung zur Ebertstraße, die mit Musiktheater und Hans-Sachs-Haus die beiden bedeutendsten Bauwerke der Stadt verbindet. Der Baukörper steht auf einem dunklen Sockel mit großzügiger, gläserner Vorhangfassade, die filigrane, weiß lackierte Stahlblechprofile gliedern. Die Obergeschosse öffnen sich so über Fensterflächen zur Stadt und geben den Blick in beide Richtungen frei: auf das urbane Geschehen außen und das kulturelle Leben im Innern. Die Kultur wird so zum integralen Bestandteil der Stadt. Ruhnaus Idee war, von Beginn an Maler und Bildhauer in den Planungsprozess miteinzubinden. Die dadurch entstandene, hohe baukünstlerische Qualität des Gebäudes drückt sich in der gelungenen Integration von verschiedenen Werken berühmter Künstler aus.

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Musiktheater im Revier

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Dem Eingangsbereich vorgelagert befindet sich ein Betonrelief des Bildhauers Robert Adams, das mit den Außenwänden gegossen wurde. Besonders berühmt sind die großformatigen blauen Gips- und Schwamm-Reliefs von Yves Klein im Großen Foyer, die größten je von dem Künstler geschaffenen Arbeiten. Das Kleine Haus wird über eine zweigeschossige Brücke angebunden und besteht kontrapunktisch zum Hauptbau aus einem quaderförmigen, aufgeständerten Bau mit einer Verkleidung aus Natursteinplatten. An der stadtseitig gelegenen Längswand befindet sich eine Stahlrohrplastik von Norbert Kricke, im Innern kinetische Arbeiten von Jean Tinguely. Mit seiner künstlerischen Ausstattung, aber auch mit der Konzeption des Kleinen Hauses als experimentelle Spielstätte ohne räumliche Trennungen wurde das Musiktheater im Revier zu einem Gesamtkunstwerk und gleichzeitig einem der bedeutendsten Theaterbauwerke der Nachkriegszeit.

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Musiktheater im Revier

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Musiktheater im Revier

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Objektstandorte

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Architektenregister

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AJF Architekten Bürogebäude Willy-Brandt-Allee Unternehmenszentrale Gelsenwasser AG Altgassen, Mark Wohn- und Bürogebäude Leithestraße Anin – Jeromin – Fitildis & Partner Bürogebäude Willy-Brandt-Allee Unternehmenszentrale Gelsenwasser AG Archifactory Unternehmenszentrale Mr. Chicken Arendt, Max Schlachthof Baumeister, Ewald City-Wohnanlage Becker, Kurt-Michael Bürogebäude De-la-Chevallerie-Straße Böge-Lindner, Ingeborg Zentrale Feuer- und Rettungswache Böge, Jürgen Zentrale Feuer- und Rettungswache Böhm, Gottfried Pfarrzentrum Thomas Morus

32 98

80

192

18

160

Buhlke, Detlev Einfamilienhaus Stadtquartier Graf Bismarck

158

Büsing, Marc Kindertagesstätte Wiehagen

92

büsing van wickeren architekten und planer Kindertagesstätte Wiehagen

92

BW Architekten Westfälische Hochschule

146

Christfreund, Reinhard Neue Synagoge

52

Deilmann, Harald Musiktheater im Revier Unternehmenszentrale Gelsenwasser AG

198 98

44

Dominik, Ulrich Pflegeheim Pfeilstraße

60

168

168

Dr. Schramm Fronemann Partner Ehemaliges Kaufhaus Althoff / Linden-Karree Westfälische Hochschule

26 146

164

Drecker, Peter Siedlung Schüngelberg und Halde Rungenberg

108

28

Boniver, Denis Altstadtkirche Friedenskirche

104 140

Brechensbauer, Weinhart + Partner Westfälische Hochschule

Buddeberg, Karl Ehemalige Hauptpost / Verwaltungsgericht

188

Böll, Heinrich Zeche Rheinelbe

Brandi, Diez Unternehmenszentrale Gelsenwasser AG

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32 98

Drengwitz, Egbert Siedlung Am Eichenbusch / Hördeweg

82

Duve, Werner Wohnhochhaus Tossehof

64

Ellermann, Christoph Zeche Oberschuir

22

98

146

Feldmeier, Helmut Doppelbogenbrücke Zeche Consolidation 3/4/9 Zeche Nordstern 1/2

156 48 128

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Fels, Alfons Vittinghoff-Siedlung Fischer, Alfred Hans-Sachs-Haus Volkshaus Rotthausen

36 96

Hentrich, Petschnigg + Partner VELTINS-Arena Herrmann, Matthias Unternehmenszentrale Mr. Chicken

138

138

Hübner, Peter Evangelische Gesamtschule

176

182 54 134

Huster, Ansgar Verwaltungsgebäude Avangard Malz AG

194

Franke, Thomas Wohnhaus Robert-Koch-Straße

134

Janowski, Fred Thomaskirche

Fritsche, Arno Eugen Auferstehungskirche

180

Johow, Wilhelm Siedlung Schüngelberg und Halde Rungenberg

Fronemann, Kai Ehemaliges Kaufhaus Althoff / Linden-Karree Westfälische Hochschule

26 146

Glasmeier, Ernst Otto Bunker Arminstraße Siedlung Am Eichenbusch / Hördeweg gmp Architekten Hans-Sachs-Haus Gorgen, W. A. Zeche Consolidation 3/4/9 Grund, Peter Stephanuskirche Hachmann, Ernst Siedlung Schievenfeld-Siedlung Heide, Anton Kaufhaus Weiser Heil, Josef Peter Rathaus Buer

174 94

Jourdan, Jochem Schloss Horst Keller, Rolf Siedlung Schüngelberg und Halde Rungenberg

94 82

36

48

211

80

HPP Architekten VELTINS-Arena

Franke, Josef Bogestra-Straßenbahndepot Bunker Arminstraße Genossenschafts-Wohnungsbau Liebfrauenstraße Heilig-Kreuz-Kirche Wohnhaus Robert-Koch-Straße

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184

84

108

86

108

Kiessler, Uwe Wissenschaftspark Gelsenkirchen

74

Kiessler + Partner Wissenschaftspark Gelsenkirchen

74

Klement, Horst Doppelwohnhaus Immermannstraße Wohnhochhaus Tossehof

72 64

20

Klose, Walter WEKA-Karree

196

62

Koch, Matthias Unternehmenszentrale Mr. Chicken

80

144

Kochmeyer, Heinz Ehemaliges Verwaltunggebäude Thyssen Draht

172

68

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212

Kowalski, Karla Siedlung Küppersbusch

150

Otto, Frei Mechtenbergbrücke

34

KPS Kraemer – Pfennig – Sieverts Iduna-Hochhaus

136

PAS Jourdan + Müller Schloss Horst

86

Krabel, Hans Zeche Rheinelbe Kraemer, Friedrich Wilhelm Iduna-Hochhaus Kremmer, Martin Zeche Holland Kreuz, Franz Einfamilienhaus Romanusstraße Wohnhochhaus Tossehof Kuckertz, Uwe Nahverkehrsanlage VELTINS-Arena Kulka, Peter Augustinushaus Langer, Herfried Zeche Consolidation 3/4/9 Marg, Volkwin Hans-Sachs-Haus Mihsler, Benedikta Neue Synagoge Mohr, Helmut Klimaschutzsiedlung Müller, Bernhard Schloss Horst Naß, Michael Wohnhaus Robert-Koch-Straße Nolte, Hans Pfarrzentrum Thomas Morus

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28

PASD Feldmeier + Wrede Doppelbogenbrücke Zeche Consolidation 3/4/9 Zeche Nordstern 1/2

156 48 128

Paul, Bruno Ehemaliges Kaufhaus Sinn

112

Petzinka, Karl-Heinz Zeche Nordstern 1/2

128

136

122

42 64

66

156

48

36

52

162

86

134

164

Pfeiffer, Herbert Zeche Oberschuir

22

Pfeiffer – Ellermann – Preckel Zeche Oberschuir

22

plus+ bauplanung Evangelische Gesamtschule

176

Polónyi, Stefan Doppelbogenbrücke

156

Preckel, Jörg Zeche Oberschuir

22

Prinz, Otto Ehemaliges Verwaltungsgebäude Thyssen Draht

172

Rave, Ortwin Musiktheater im Revier

198

Rimpl, Herbert Ehemaliges Verwaltungsgebäude Thyssen Draht

172

Rings, Josef Siedlung Spinnstuhl

124

Ruhnau, Werner Musiktheater im Revier

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Schäfer, Georg WEKA-Karree Schaefer, Philipp Ehemaliges Kaufhaus Althoff / Linden-Karree Schilling, Hans Augustinushaus schlaich bergermann und partner Grimberger Sichel Schramm, Christian Ehemaliges Kaufhaus Althoff / Linden-Karree Westfälische Hochschule Schupp, Fritz Zeche Holland Zeche Nordstern 1/2 Staubach, Helmut Nahverkehrsanlage VELTINS-Arena Staubach + Kuckertz Architekten und Designer Nahverkehrsanlage VELTINS-Arena Szyszkowitz, Michael Siedlung Küppersbusch

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196

26

156

von Hausen, Max Musiktheater im Revier

198

Wagner, Carl Schauburg-Filmpalast

190

Waßer, Theodor Ehemaliges Verwaltungsgebäude der Gelsenkirchener Gussstahl- und Eisenwerke Wohn- und Geschäftshaus Am Stern

106 78

wbp Landschaftsarchitekten St.-Urbanus-Kirchplatz

126

Weber, August Kaufhaus Weiser

144

Wittig, Albrecht Egon Kunstmuseum Gelsenkirchen Thomaskirche

114 84

Wrede, Jürgen Doppelbogenbrücke Zeche Consolidation 3/4/9 Zeche Nordstern 1/2

156 48 128

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26 146

122 128

66

66

150

to Boecop, Arndt Johannsen Schloss Horst

86

TOR 5 Architekten Zeche Consolidation 3/4/9

48

van Wickeren, Frank Kindertagesstätte Wiehagen

92

Väth, Hans Zeche Consolidation 3/4/9

48

von Bonin, Heinrich Zeche Consolidation 3/4/9

48

von Gerkan, Marg + Partner Hans-Sachs-Haus

36

11.12.15 17:36


Das spektakuläre Musiktheater im Revier aus der Nachkriegszeit oder das Hans-Sachs-Haus aus den 1920er-Jahren, die neu interpretierte Back­steinikone mit dem weltweit ersten Farb­leitsystem, sind nur die bekanntesten Beispiele, über die hinaus es noch vieles mehr zu entdecken gibt …

Euro 39 (D) ISBN 978-3-89986-240-9

9 7 8 3 8 9 9 862409 >

BAUKULTUR IN GELSENKIRCHEN

Von gigantischen, mittlerweile umgenutzten Industrieanlagen und restaurierten Arbeiter­ siedlungen, Kleinoden des Backsteinexpressio­ nismus und radikalen Nachkriegsbauten bis hin zum bau­lichen Umgang mit dem Struktur­ wandel durch die Internationale Bauausstellung (IBA) Emscher Park.

Hütten und Paläste

Eine ganz und gar ungewöhnliche Stadt – das ist Gelsenkirchen, die einstige Industrieme­tro­ pole im Herzen des Ruhrgebiets, seit jeher. Gerade darin liegt heute ihr Reiz. Was ihre ganz eigene Baukultur ausmacht, zeigt dieser Bildband:

Hütten und Paläste

BAUKULTUR IN GELSENKIRCHEN


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