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Wer die Bälle fängt …

… und findet, wonach er nicht gesucht hat. Univ. Prof. Dr. Markus Hengstschläger über das Einführen einer Fehlerkultur und das Zulassen von Lösungsfindungsprozessen. Daraus können Unternehmen lernen!

Text: Mag. Severin Karl, Foto: Chris Hofer

Im dynamischen Vortrag von Univ. Prof. Dr. Markus Hengstschläger wurde – nicht nur – auf die Lösungsbegabung in Unternehmen eingegangen. Die Beispiele des Genetikers kommen aus ganz anderen Ecken, doch jeder kann sie nachvollziehen. Fangen Schulkinder im Turnsaal aus unvorhersehbarer Richtung kommende Bälle besser, wenn sie sich so aufstellen, dass sie an der Schnittstelle der durchschnittlichen bisherigen Ballrichtung stehen? Wohl kaum. Unter Wissenschaftern gibt es die Diskussion, ob wir für die Zukunft gerüstet sind. Ist die Zukunft heute vorhersehbarer, als sie vor 30 Jahren war? Deep Learning und Big Data sprechen klar für die Vorhersehbarkeit. Auf der anderen Seite sorgen 9/11, Weltwirtschaftskrise und jetzt natürlich Covid-19 für unvorhersehbare Faktoren.

Gerichtete Strategien für die unvorhergesehene Zukunft

Hengstschläger vertritt dadurch klar das dritte Lager: „Es kommt darauf an!“ Ja, es kommt darauf an: Nämlich ob man akzeptiert, dass künftig Unvorhersehbares und auch Vorhersehbares noch häufiger und schneller auf uns zukommen. Die Linearität wurde von der Exponentialität vom Tisch gefegt und wer sich mehr um die Unvorhersehbarkeit kümmert, der wird mehr davon haben. Als Genetiker müssen in der Key Note natürlich auch die Gene vorkommen, also: Ein Kind lernt durch das Zuhören zu reden, weil Gene eine Rolle bei Begabungen und Talenten spielen. Der Hund kann noch so lange Menschen belauschen, er wird nicht plötzlich mitreden. Also: Gene sind Bleistift und Papier, die Geschichte schreiben wir aber schließlich selbst. Das Unvorhergesehene wird uns also begleiten. Wie bereiten wir uns am besten darauf vor, um angemessen darauf reagieren zu können? Wir müssen die Lösungsbegabung steigern! Wenn Eltern alles für ihre

Kinder lösen, statt sie selbst Lösungen finden zu lassen, wird jeder Ansatz im Keim erstickt. Genau so geht es auch in Unternehmen zu, wo Mitarbeiter für die Kinder stehen. Lösungsfindungsprozesse müssen zugelassen werden, auch wenn es vielleicht nicht im ersten Anlauf klappt. Eine sogenannte Fehlerkultur muss eingeführt werden, damit Mitarbeiter mit ihren Aufgaben wachsen können und nicht aus Angst gar nicht erst eigene Lösungen vorschlagen oder ausprobieren. Unter bestimmter Risikoabwägung sollen Fehler dazu gehören können.

die coolsten Sachen der Welt – Amerika, Penicillin, Teflon – wurden gefunden, obwohl man nicht danach gesucht hat.“

Besser kein durchschnitt

Der Genetiker ist für ein „Was würdest du jetzt vorschlagen?“, anstatt zarte Ansätze sofort zu ersticken. Er zeichnet das Bild von dem Kind, das sich mutig auf den Baum getraut hat und nun etwas ratlos nach unten sieht. „Rühr dich nicht!“, sagen die Eltern und holen flugs die Leiter. „Rühr dich nicht!“, schreit in anderen Worten oft der Vorgesetzte. Ein anderes Kinderbeispiel ist das Zeichnen eines Hauses. Gute Noten gibt es, je näher die Schulkinder an das Normhaus kommen. Und diese Kinder sollen künftig mit Unvorhergesehenem umgehen können? Jetzt kommen die anfangs erwähnten Bälle ins Spiel, denn das herrschende System trimmt uns dazu, den beschriebenen Fehler zu begehen, indem wir die Vergangenheit auf die Zukunft umlegen und lieber mit dem Durchschnitt zurechtkommen. Kurzer Waidmannsexkurs. Jäger 1: „Hast du den Hirsch getroffen?“ Jäger 2: „Durchschnittlich ja, ich habe einmal links und einmal rechts an ihm vorbeigeschossen.“ „Gerichtete Strategien für die unvorhergesehene Zukunft“ proklamiert Hengstschläger als Lösung. Natürlich sollen Schwächen schon in der Schule bekämpft werden, doch das Stärken individueller Potenziale ist – auch im Unternehmen – der zielgerichtetere Weg. „Zudem wurden die coolsten Sachen der Welt – Amerika, Penicillin, Teflon – gefunden, obwohl man nicht danach gesucht hat.“ •

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