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Laura schwingt oben mit

NACHWUCHSSCHWINGERIN

mit Kraft und Köpfchen

Laura Zurfluh verfolgt als Jungschwingerin ehrgeizige Ziele. Im Gespräch erzählt sie uns, warum der Sport sie fasziniert und wie es ist, in einer männlich dominierten Szene als junge Frau aktiv zu sein.

Im Alter von zwölf Jahren hat Laura Zurfluh ihre Leidenschaft für den Schwingsport entdeckt. Heute ist die 18-Jährige eine erfolgreiche Jungschwingerin, die Gegnerinnen aus der ganzen Schweiz aufs Kreuz legt – mit viel Geschick und mentaler Stärke.

Frau Zurfluh, Sie haben ein vollbepacktes Pensum: Spitzensport, Schule, Arbeiten, Freunde. Wie bringen Sie das alles unter einen Hut?

Es ist nicht immer einfach, und es gab eine Zeit, da hat meine Ausbildung unter dem Sport gelitten. Mittlerweile habe ich mich gut organisiert. Ich trainiere im Winter rund vier Stunden pro Woche. Im Sommer sind es mehr. Zudem bin ich während der Saison an den Wochenenden an Schwingfesten in der ganzen Schweiz unterwegs. Habe ich aber eine wichtige Prüfung, steht der Sport hintenan. Schwingen ist zwar meine Leidenschaft und ich bin sehr ehrgeizig, dennoch denke ich auch an meine Zukunft. Dass ich rein vom Schwingen leben kann, wird nicht möglich sein. Deshalb will ich meine Ausbildung nicht vernachlässigen.

Wie sind Sie zum Schwingen gekommen?

Ich habe es an einem Sporttag eher zufällig entdeckt, denn eigentlich wollte ich klettern. Das hat mir aber nicht so gefallen, auch weil ich Höhenangst bekommen habe. Mein Bruder wollte unbedingt das Schwingen ausprobieren, also habe ich ihn begleitet, dachte aber, das sei nur was für Jungs. Schlussendlich habe ich es doch ausprobiert und es gefiel mir richtig gut. Also entschloss ich mich, ins Training zu gehen.

Was macht für Sie den besonderen Reiz dieser Sportart aus?

Viele glauben, Schwingen sei vor allem eine Frage der Kraft. Aber das stimmt nicht. Man braucht Spannung im ganzen Körper und Koordination. Gleichzeitig muss man den Kopf bei der Sache haben. Beim Schwingen lernt man auch viel über sich selbst. Ich habe gemerkt, wie wichtig die innere Haltung ist. Sie entscheidet mit, ob ich einen Kampf gewinne oder verliere. Stimmt sie, bezwinge ich auch bessere Gegnerinnen. Stimmt sie nicht, verliere ich gegen dieselbe Person, die ich vor einer Woche noch auf den Rücken gelegt habe. Schön finde ich, dass die Schwingszene sehr familiär ist. Zwar kämpft jeder für sich, trotzdem unterstützt man sich gegenseitig.

Welche Eigenschaften sollte eine Schwingerin mitbringen?

Man sollte nicht zu zimperlich sein, weil man schon einiges einstecken muss. Trotzdem geht es weniger grob zu, als man meint. Das Erfassen der Gegnerin, Beweglichkeit und eine gute Reaktion sind genauso wichtig wie Kraft. All das kann man lernen.

Voll in Action: Laura Zurfluh am Schwingfest in Huttwil im Juni 2021. Für den kommenden Sommer plant die ehrgeizige 18-Jährige, an allen sieben Schwingturnieren teilzunehmen.

Was raten Sie Mädchen und jungen Frauen, die sich fürs Schwingen interessieren?

Man darf sich nicht entmutigen lassen und keine Angst davor haben, im Sägemehl zu landen. Meine Erfahrung ist: Je mehr Zeit man auf dem Rücken verbringt, desto mehr lernt man.

Wie würden Sie Ihre eigene Schwingtechnik beschreiben?

Meine Technik ist einfach. Ich bin ein bisschen faul (lacht). Ich versuche, die Fehler meiner Gegnerin auszunutzen. Wenn sie mir gegenübersteht, erkenne ich meist ihre Schwachstelle. Das kann zum Beispiel ein Fuss sein, der nicht richtig platziert ist. Dort hake ich dann ein – oft erfolgreich.

Welches war Ihr bisher grösster sportlicher Erfolg und was haben Sie sich für die Zukunft vorgenommen?

Im Schwingsport kann man einzelne Wettkämpfe gewinnen. Es gibt aber auch eine Wertung über die gesamte Saison. 2019 habe ich den ersten Platz in dieser Jahreswertung belegt. Dieses Jahr trete ich zum ersten Mal in der Kategorie Aktive an. Ich werde also auch auf neue Gegnerinnen treffen. Das wird eine Herausforderung. Ich möchte mich in dieser Saison erst mal in der neuen Kategorie zurechtfinden. Langfristig will ich unter die besten drei in der Jahreswertung kommen.

Wie bereiten Sie sich auf Wettkämpfe vor?

Wir trainieren das ganze Jahr über Kraft und Technik. Zu unseren Standardübungen gehören die Bank, Rumpfbeugen oder Bockspringen – und natürlich die Schwünge. Ausdauertraining ist im Plan ebenfalls enthalten. Im vergangenen Herbst habe ich zusätzlich mit Mentaltraining begonnen und gelernt, wie ich mich beruhigen, fokussieren und wo ich Kraft holen kann.

Hilft Ihnen das auch gegen Lampenfieber vor einem Kampf?

Ja. An Wettkampftagen bin ich recht unausstehlich – das sagt zumindest meine Familie. Ich bin angespannt und Kleinigkeiten können mich aus der Fassung bringen. Ich bin ehrgeizig und mache mir darum auch viel Druck. Diese Stimmung hält immer so lange an, bis der erste Kampf beginnt. Ab dem Moment bin ich wieder ruhig und konzentriert.

«Frauen können sich oft aus einem Griff rauswinden und den Kampf noch mal drehen.»

Gibt es Idole, die Sie anspornen?

Ich habe zwei Vorbilder: Diana Fankhauser und Christian Stucki. An Diana Fankhauser beeindruckt mich, dass sie sich, obwohl sie eher klein und zierlich ist, gegen stärkere Gegnerinnen durchsetzt. Christian Stucki ist mit 34 Jahren noch Schwingerkönig geworden. Beide zeigen, dass man mit der richtigen Einstellung alles schaffen kann.

Der Schwingsport ist noch immer männlich dominiert. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Frauenschwingen wird immer bekannter. In Thun, wo ich bis vor zwei Jahren gelebt und trainiert habe, gab es einige Frauen. Hier im Wallis bin ich die Einzige und ich trainiere nur mit Jungs. Die waren recht kritisch, als ich zum ersten Mal ins Training kam. Aber nach der ersten Stunde war das vorbei und ich war voll akzeptiert. Es gibt natürlich immer Leute, die es nicht gut finden, dass Frauen schwingen. Bei älteren Leuten kann ich das noch irgendwie verstehen. Sie kommen mit solchen Veränderungen weniger gut klar. Wenn jüngere aber so was sagen, habe ich kein Verständnis. Da will ich auch gar nicht diskutieren.

Steckbrief

Alter: 18 Jahre Wohnort: Gampel im Oberwallis Schwingverein: Schwingclub Oberwallis (als einzige Frau) Lieblings-Schwingfest: Kandersteg Lieblings-Schwung: Bärendruck oder Hüfter Hobbys: etwas mit Freunden unternehmen und Zeit mit der Familie verbringen

Gibt es Vorurteile gegenüber dem Frauenschwingen, denen Sie etwas entgegenhalten möchten?

Ich höre immer wieder, dass Frauenschwingen langweilig sei. Das Gegenteil ist der Fall: Frauen sind beweglicher als Männer, gerade im Schulter- und Nackenbereich. Sie können sich darum recht spektakulär aus einem Griff rauswinden und den Kampf noch mal drehen.

Schwingen ist eng verbunden mit Brauchtum und Tradition. Wie wichtig sind Ihnen persönlich solche Werte?

Ich finde es schön, dass es Traditionen gibt, und ich glaube, dass sie wichtig sind. Und natürlich pflege ich die Bräuche und Traditionen rund ums Schwingen. Ich bin aber auch der Meinung, dass man Traditionen hinterfragen sollte und sie auch mal brechen darf. Manchmal braucht es Veränderung.

Welche Träume möchten Sie sich in Zukunft erfüllen?

Mein grosser Traum ist es, Kriminalpolizistin zu werden. Der Weg dahin ist aber lang und geht über die Militär- und Polizeiausbildung. Am liebsten würde ich diesen Berufswunsch noch mit einem Auslandsjahr verbinden.

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