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Der Mann hinter dem Bart

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Samichlaus DER MANN HINTER DEM BART

Die Geschichte des Samichlaus

Der Nikolaus-Brauch geht auf den Heiligen Nikolaus von Myra zurück. Nikolaus war ein beliebter Bischof, der den Armen und Benachteiligten half – ganz besonders Kindern. Nachts soll er unerkannt Köstlichkeiten auf die Fenstersimse armer Familien gelegt haben. Am 6. Dezember 352 n. Chr. starb Bischof Nikolaus im hohen Alter. Zum Gedenken an seine Güte werden noch heute Kinder am 6. Dezember beschenkt. Übrigens: «Sami» ist eine schweizerdeutsch angepasste Form des lateinischen «sanctus» für «der Heilige». Und «Chlaus» steht für Nikolaus.

Während einer Woche im Jahr tauscht Jürg Frauchiger seine praktische Hauswart-Bekleidung gegen eine edle, rote Robe. Als Samichlaus bringt er Kinderaugen zum Leuchten.

Das 800-Seelen-Dorf Hütten oberhalb von Wädenswil hat eine lange Tradition. Seit 40 Jahren engagiert sich die örtliche Chlauszunft dafür, die Kinderherzen Anfang Dezember höherschlagen zu lassen. Beim Chlauseinzug im Dorf ebenso wie bei Familienbesuchen in der gemütlichen Stube. Mit von der Partie sind natürlich der Schmutzli und ein Esel. In dieser treuen Begleitung blüht Jürg Frauchiger in seiner Rolle als Samichlaus regelrecht auf.

Herr Frauchiger, wie viel Spass hat man als Samichlaus?

Wer Kinder mag und keine Angst hat, vor Menschen aufzutreten, kann als Samichlaus sehr viel Spass haben. Dieses Leuchten in den Augen der Kleinen ist einzigartig. Aber auch die Freude der Grossen, wenn der Chlauseinzug im Dorf stattfindet und man sich ganz zum Schluss draussen vor der Kirche im Schein der Finnenkerzen trifft. Hier spreche ich ab und zu mit bedächtiger Stimme einen Elternteil an: «Ja, ja, Peter, dich kenne ich noch von früher.» Die Kinder machen dann grosse Augen und sind ganz aus dem Häuschen, dass ich ihren Papi beim Namen kenne.

Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Samichlaus aus?

Es braucht ein gewisses Show- und Redetalent, Humor und eine gute Stimme. Man muss wirklich Freude am Ganzen haben. Wir machen das ja gratis. Für die Kleider und Bärte erhalten wir Spenden, ebenso für die Nüsse und Mandarinen, die wir verteilen. Das Chlausen ist in Hütten eine Herzenssache. Unser Einsatz zeigt sich auch darin, möglichst authentisch und glaubhaft zu wirken. Unsere Gewänder hat die Frau eines Zunftmitglieds von Hand genäht. Auch unsere Bärte sind keine billigen Nylon-Polyester-Bärte, sondern aus gefärbtem Büffelhaar. Die sind wirklich teuer. Aber für mich ist es ein No-Go, mit einem abgenutzten Gewand oder einem ungepflegten Bart aufzutauchen. Mir ist es wichtig, meine Rolle so gut wie möglich zu erfüllen.

Wie kamen Sie dazu, der Mann mit dem wallenden Bart zu sein?

Eigentlich müsste es heissen: die Männer hinter den Bärten. Denn zu jedem Samichlaus gehört immer auch ein Schmutzli. Zur Zunft kam ich durch meinen Vater. Er hat vor rund 40 Jahren die Chlauszunft in Hütten mitgegründet. Als ich 14 Jahre alt war, brach sich ein Mitglied das Bein. Und so stieg ich als Jugendlicher zum ersten Mal in ein Schmutzli-Kostüm. Es gab auch Zeiten, in denen ich mich nur noch um die Eselslogistik kümmerte. Seit gut zehn Jahren trete ich nun als Samichlaus auf. Mittlerweile bin ich das dienstälteste Mitglied, obwohl ich mit 42 Jahren der Jüngste im Team bin.

Was gehört zu den Aufgaben und Pflichten eines Samichlaus?

Meine Aufgabe ist das Loben und Tadeln. Die Erziehung bleibt Pflicht der Eltern. Als Chlaus kann ich höchstens gute Ratschläge geben. Diese gilt es in einem schönen Satz zu verpacken. Dazu braucht es Improvisationstalent, denn Kinder stellen immer Fragen. Wenn ich etwas nicht weiss, frage ich meinen Schmutzli. Während der nach einer Antwort grübelt, gewinne ich Zeit, um mir etwas Passendes zurechtzulegen. (lacht)

Bereiten Sie sich auf die Samichlausbesuche speziell vor?

Die Mails und Briefe, die ich von Eltern bekomme, drucke ich aus und lege sie in mein goldenes Buch: einen in Goldpapier eingebundenen Weltatlas. Dass man gänzlich unvorbereitet in ein Haus kommt, ist selten. Dennoch passiert es, dass im Wohnzimmer mehr Kinder warten als angekündigt. Alles planen kann man nicht, es braucht immer auch eine gute Portion Flexibilität. Wichtig ist, Ruhe zu bewahren. Denn egal, was man tut, Kinder merken und sehen alles. Bei einem Besuch hatte ich einmal anstelle von Lammfellstiefeln meine Feuerwehrschuhe an.

STECKBRIEF

Name: Jürg Frauchiger Alter: 42 Jahre Wohnort: Schänis Beruf: Gelernter Landschaftsgärtner, danach Höhere Fachschule zum Hauswart

Als ich vor der Familie sitze, höre ich plötzlich einen kleinen Buben flüstern: «Du, Papi, der Samichlaus hat genau die gleichen Schuhe wie du in der Feuerwehr.» Jahren dabei. Je mehr Leute ich glücklich machen Kleinster ist eineinhalb und bekommt von der Jedoch stelle ich eine Art Chlausvermarktung fest. zug. Da fragt man sich als Eltern schon, ob man überhaupt noch einen Chlaus nach Hause bestellen soll. Was mir aber positiv aufgefallen ist, sind die Sprüche. Die sind vielseitiger, kreativer geworden – und werden fleissig auswendig gelernt.

Was wünschen sich Kinder am häufigsten?

In der Regel sind es nicht die Kinder, die sich etwas wünschen, sondern die Eltern. Darunter die altbekannten Klassiker wie «Räum das Zimmer auf!» oder «Streite weniger mit deinen Geschwistern!». In den letzten 20 Jahren hat sich kaum etwas verändert. Ab und zu fragt mich ein Kind:

Hinter diesem Hobby steckt viel Arbeit. Und was war der einzigartigste Wunsch von Was ist Ihre persönliche Motivation? einem Kind?

Meine Hauptmotivation ist sicherlich, mich für Einmal fragte mich ein Mädchen ganz lieb: «SamiKinder zu engagieren. Daneben ist mir auch der chlaus, darf ich dich umarmen?» Bei der UmarBeitrag an die Gemeinde wichtig. Ich bin seit 25 mung habe ich fast meinen Bart verloren. kann, desto glücklicher macht es auch mich. Die Was war Ihr unvergesslichstes Erlebnis in letzten Jahre zeigen ein steigendes Interesse: Der dieser Rolle? Samichlaus ist wieder in. Vielleicht, weil man Einmal hat uns eine Familie in eine abgelegene Traditionen wieder mehr pflegt. Oder es gibt heute Waldhütte gebeten. Schon bei der Anreise wollte eine Generation, die den Chlaus als Kind mochte mein Wagen nicht starten. Also machten sich der und ihren Kindern dieses Gefühl weitergeben Schmutzli und ich zu Fuss auf den Weg. Im möchte. Das finde ich sehr schön. Daneben schätze Schlepptau unser treuer Esel, der an diesem ich natürlich das Gesellige mit meinen Zunftkolle- Abend aber so gar keine Lust hatte. Darum gen. mussten wir das störrische Tier Sind Ihre drei Kinder «Je mehr Leute ich stossen und ziehen. Endlich bei der Hütte angekommen, bereits hinter Ihr «Ge- glücklich machen kann, konnten wir die hinterlegten heimnis» gekommen? desto glücklicher macht Geschenke nicht finden und Meine Tochter geht jetzt in den zweiten Kindergarten. es auch mich.» irrten verloren herum. Dreckig, verschwitzt und mit einer Bei ihr könnte es bald so gewaltigen Verspätung traten weit sein, dass sie das Ganze hinterfragt. Aber sie wir dann endlich in die Hütte. Doch was uns liebt den Chlaus! (lacht) Wenn er kommt, ist sie drinnen erwartete, war toll. Es wurde wunderFeuer und Flamme. Mein mittlerer Sohn ist da schön gesungen, und die Stimmung war grossarnoch skeptisch und versteckt sich hinter mir. Mein tig. Der Ärger war im Nu verflogen. ganzen Sache noch wenig mit. Worauf freuen Sie sich dieses Jahr in der

Was hat sich in den vergangenen Jahren bei Ganz einfach: Ich freue mich sehr, Weihnachten mit den Samichlausbesuchen verändert? meiner Familie feiern zu dürfen. Ganz besinnlich An den Besuchen selbst hat sich wenig geändert. und gemütlich. Einer kommt in die Spielgruppe, wieder einer in den Text: Monika Mingot Kindergarten und nochmals einer an den DorfeinFotos: Rémy Steiner Photography

«Kommst du nächstes Jahr wieder?»

Weihnachtszeit besonders?

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