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Unterwegs mit einem Klausjäger
Lichtes Kunstwerk
MIT TRADITION
Das Küssnachter Klausjagen ist einer der urtümlichsten Nikolausbräuche Europas. Markus Trutmann gestaltet dafür mit viel Geschick und Geduld die traditionellen Iffelen. Die Kopflaternen tauchen den Umzug in ein mystisches Lichtermeer.
Vergangenes Jahr musste das Klausjagen aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden. Worauf dürfen sich die Besucherinnen und Besucher freuen, wenn in diesem Jahr die Lichter in der Küssnachter Altstadt ausgehen?
Nach dem Böllerknall ist es im ganzen Dorf finster und der Umzug setzt sich in Bewegung. Den Anfang machen die Geisslechlöpfer, dann kommen wir Iffelenträger, gefolgt vom Samichlaus, von den Schmutzlis und Fackelträgern. Anschliessend ertönen die Klänge der Blechbläser, danach sind die Trychler und die Hornbläser an der Reihe. Mit dem Ende des Umzugs ist das Fest aber längst nicht vorbei. In den Beizen werden Rippli und Sauerkraut gegessen und die ganze Nacht wird gefeiert. Morgens um 6 Uhr findet dann das Sächsiumzügli statt, bei dem noch mehrere Hundert Klausjäger dabei sind.
Wie kam es dazu, dass Sie Klausjäger und Träger der imposanten Kopflaternen, Iffelen genannt, wurden?
Schon im Kindergarten habe ich Iffelen gebastelt und bin beim Kinderumzug mitgelaufen. Die Tradition begleitete mich auch später, und als junger Mann werkelte ich auf eigene Faust an den Iffelen. Als ich vor etwa 16 Jahren einen Iffelenkurs besuchte, war es vollkommen um mich geschehen. Seitdem bin ich passionierter Iffelenbauer und war bereits rund 40-mal am Klausjagen dabei.
Sie sind bekannt für Ihre detailreichen Iffelen. Woher nehmen Sie die Inspiration für die aufwendigen Verzierungen?
Ich lasse mich von Kirchen inspirieren, aber auch von Motiven auf Teppichen, Vorhängen oder Appenzeller Häusern. Wenn ich etwas sehe, was mir gefällt, fotografiere ich es und lege es in einem Sammelordner zur Inspiration ab.
Welche Bedeutung haben die kunstvollen Motive der Iffelen?
Bei den Motiven und der Farbgestaltung sind wir relativ frei. Auf der Vorderseite der Iffel muss die Figur des St. Nikolaus abgebildet sein und auf der Rückseite ein Kreuz und die Buchstaben IHS, die für Jesus, Heiland, Seligmacher stehen. Die christliche Symbolik gehört für mich dazu. Ansonsten achte ich darauf, dass das Motiv optisch ansprechend ist.
Würden Sie sich als Künstler bezeichnen?
Ich betrachte meine Arbeit definitiv als Kunst. Man braucht ein sehr gutes Vorstellungsvermögen, um sich die filigranen Motive zu überlegen und zu realisieren. Mit den Jahren gewinnt man an Erfahrung und kann sich kreativ austoben. Heute besitze ich sechs Iffelen. Bei meiner aktuellsten, die 1,60 Meter hoch ist, habe ich mich erstmals an einen 3-D-Effekt gewagt.
Wie viel Geduld und Zeit erfordert die Herstellung einer Iffel?
Für kleinere Iffelen brauche ich etwa 400 Arbeitsstunden, für die grossen ca. 1'000 bis 1'200 Stunden. Es ist viel Arbeit, aber es ist Arbeit, die mir viel Freude macht. Das Entwickeln der Motive, die detaillierte Umsetzung – diesen Prozess finde ich spannend und gleichzeitig meditativ.
Steckbrief
Alter: 50 Jahre Beruf: Allrounder in einer Druckerei Klausjäger seit: Kindergarten Hobbys: Turnen, Biken, Skifahren, Langlauf
Die Arbeitsutensilien des Iffelbauers: Cutter, Stanzmesser, Schere, Pergamentpapier, Pinsel und Weissleim.
Präzisionsarbeit mit meditativem Charakter: Jedes Stanzloch wird einzeln ausgeschnitten und mit Pergamentpapier und Weissleim beklebt.
Wie schwer sind die leuchtenden Kunstwerke?
Eine Iffel wiegt circa 8 bis 15 Kilogramm. Die ganz grossen Iffelen, von denen die grösste 2,50 Meter hoch ist, wiegen rund 20 Kilo. Das Tragen ist aber kein Problem. Anfangs trug ich sie noch mit beiden Händen, inzwischen klappt es mit nur einer Hand. Wenn man die Balance beherrscht, geht es ganz gut. Problematisch wird es erst bei Wind, Regen oder Schnee. Dann lasse ich die Iffel zu Hause und gehe mit der Trychle. Bisher hatten wir in der Regel meistens Wetterglück beim Klausjagen.
Wie wird man Mitglied der St. Niklausengesellschaft?
Ab 16 Jahren kann man Mitglied werden. Interesse am Brauch des Klausjagens und eine regionale Verankerung setzen wir voraus. Bei der Gründung wurde festgelegt, dass das Klausjagen ein Männerbrauch ist. Deshalb sind nur Männer zugelassen. Im Kindergarten basteln aber auch Mädchen an den Iffelen und tragen sie beim Kinderumzug. Und auch an den Iffelenkursen nehmen Frauen teil.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Küssnachter Klausjagens?
Ich wünsche mir, dass es genauso fortbestehen bleibt. Dass dieser wunderbare Brauch an die nachkommenden Generationen weitergegeben und gelebt wird. Die Ursprünge des Brauchs reichen Jahrhunderte zurück, als die Menschen in der dunklen Winterzeit mit Lärm versuchten, böse Geister zu vertreiben. Das Klausjagen geht auf die Gründung der St. Niklausengesellschaft zurück: 1928 schlossen sich einige Küssnachter zusammen, um das ausschweifende Treiben in geordnete Bahnen zu lenken und einem behördlichen Verbot zuvorzukommen. Heute strömen jedes Jahr rund 20'000 Zuschauende nach Küssnacht am Rigi, um Geisslechlöpfer, Iffelen, Samichlaus, Trychler, Musikanten und Hörner zu bestaunen.
Das Klausjagen findet traditionell am 5. Dezember statt. Fällt dieser auf einen Samstag oder Sonntag, wird es am Freitag durchgeführt. In diesem Jahr ist der Klausumzug für den Freitag, 3. Dezember um 20.15 Uhr vorgesehen.
Weitere Infos unter klausjagen.ch.
Text: Julia Kliewer Fotos: Petra Wolfensberger