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Gefordert, nicht überfordert

Gefordert, nicht überfordert – die CoronaSituation in einem Basler Pflegewohnheim

Wir, als Basler Pflegewohnheim, welche in den letzten Jahrzehnten hunderte Bewohner*innen unterschiedlichster Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit auf dem letzten Lebensabschnitt begleitet und betreut haben sowie pflegen durften, sind tief betroffen von den unglaublich vielen reisserischen, vernichtenden als auch unwahren Artikeln und Schlagzeilen über Alters- und Pflegeheime in den Medien seit Beginn der Pandemie.

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Wir öffnen symbolisch unsere Türen – welche immer so gut wie möglich offen waren – und berichten über das «Corona-Jahr» aus unserer Sicht.

Nichts ist so sicher wie die Tatsache, dass jeder und jede von uns eines Tages diese Welt verlassen wird, unklar bleibt wann, wo und wie? COVID-19 hat uns gezeigt, wie nahe Krankheit und Sterben plötzlich sein können und so wurden wir von heute auf morgen mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert.

Schreckensbilder aus Italien haben die Sache auf's Unschönste befeuert und Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Armeezelte wurden aufgestellt, Beatmungsgeräte installiert, die jedoch nie zum Einsatz kamen. In der zweiten Welle war dies gar kein Thema mehr.

Und plötzlich mutierten die vielen Alters- und Pflegeheime in der Schweiz zu Todesfallen. Sie verfügten laut Medien über keinerlei Hygiene- oder Schutzkonzepte, sie hatten zu wenig Fachpersonal, ihre Pflichtlager nicht aufgefüllt und sowieso waren sie unfähig, ihre Bewohnenden vor dem Tod zu beschützen. Das ist ein Affront allen Pflegenden in Langzeitpflegeinstitutionen gegenüber, die täglich Grossartiges leisten, ihre Arbeit mit Kopf, Hand, Herz und Überzeugung ausführen, vielen sehr einsamen Menschen schöne Beziehungen ermöglichen und ein wohlverdientes Zuhause auf ihrem letzten Lebensabschnitt geben.

Aus unserer Sicht war die komplette Schliessung der Pflegeheime und in einzelnen Häusern die vollständige Isolation der Bewohnenden in ihren Zimmern während der ersten Welle nicht gut. Das mag zwar der sicherere Weg sein, bestimmt aber nicht der lebenswertere. Denn Angst ist nie ein guter Ratgeber.

Jedes Heim musste die riesige Flut an behördlichen Verordnungen, Empfehlungen und Weisungen regeln, organisieren, auf die eigene Institution abstimmen und umsetzen. Und trotzdem haben viele Heime Ideenreichtum und Engagement bewiesen, indem sie den Bewohnenden mit Alternativangeboten die Einsamkeit entschärft und den Alltag abwechslungsreich gestaltet haben.

Wir waren gefordert, aber nicht überfordert. Aktuell gibt es schweizweit leere Betten wie noch nie, alleine im Kanton Basel-Stadt sind es weit über 200! In der ersten Welle gingen wir davon aus, dass wir die Spitäler entlasten würden, dafür hätten wir die infrastrukturellen, die personellen und die fachlichen Ressourcen gehabt. In der Schweiz hat es viele ausgebildete Intensivpflegefachleute, die aktuell in Alters- und Pflegeheimen, in Spitexorganisationen und in der Bildung ihrer Aufgabe nachgehen, die vielleicht nicht mehr arbeiten oder pensioniert sind. Warum wurden diese nie zur Mithilfe und Unterstützung angefragt?

Das Durchschnittsalter neu eintretender Bewohnenden in Alters- und Pflegeheimen beträgt in der Regel 84 Jahre und mehr. In diesem fragilen Alter genügt ein Misstritt in den eigenen – zu Recht so hochgepriesenen – vier Wänden und nichts ist mehr wie es war. Meistens treten Menschen nach schweren Verletzungen und Spitalaufenthalten oder aufgrund fortschreitender Krankheiten in ein Alters- und Pflegewohnheim ein. Auch in Nicht-Coronazeiten stirbt pro Jahr ein Viertel bis ein Drittel der Bewohnenden eines natürlichen Todes, begleitet von Angehörigen und Pflegenden. kungen auf Stimmung, Verhalten, Kognition und Physis. Der Mangel an Bewegung und die fehlende Stimulation von aussen kommen erschwerend hinzu. Der Vorteil in einem Alters- und Pflegeheim zu leben ist unbestritten; wenn man alleine sein will kann man das, wenn man vor die Zimmertüre tritt hat man Begegnung, Begleitung und bei Bedarf Unterhaltung.

Was der breiten Öffentlichkeit nicht bewusst ist oder entgeht, ist die Realität, dass nur ungefähr ein Drittel der Bewohnenden in einem Heim wirklich regelmässig Besuch erhält oder überhaupt noch Angehörige hat. Wir sehen es als eine unserer Hauptaufgaben, den vielen einsamen Bewohnenden Bezugsperson zu sein, ihnen individuelle Unterstützung zu geben und die Betreuung und Pflege bis zum Lebensende auf ihre Bedürfnisse abzustimmen. In diesem Rahmen entstehen eindrückliche und tragfähige Beziehungen bis ans Lebensende. Unsere Arbeit ist wichtig und sinnstiftend.

Wir halten uns an die Regeln, schützen unsere Bewohnenden und Mitarbeiter*innen, aber wir entscheiden immer auch mit gesundem Menschenverstand, Empathie und Menschlichkeit. Frei nach Abraham Lincoln:

Am Ende sind es nicht die Jahre im Leben, die zählen, es ist das Leben in den Jahren.

Dorfstrasse 38 | 4057 Basel Tel 061 638 28 28 | Fax 061 638 28 29 info@aph-christophorus.ch www.aph-christophorus.ch

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