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Fachkompetenz am historischen Bauobjekt

Schwerpunkt: KULTURERBE

Fachkompetenz am historischen Bauobjekt

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Unzählige historisch wertvolle Bauten und Objekte warten in der Schweiz auf eine Sanierung durch qualifizierte Handwerker. «Handwerker in der Denkmalpflege» ist seit 2012 die Kaderausbildung, wenn es um Restaurierung und Schutz wertvoller historischer Bauten geht. Die Ausbildung eignet sich dabei genauso für Handwerker wie für Bauleiter und Poliere.

Text: Anita Bucher Fotos: zvg

«Rund 80'000 historisch bedeutsame Bauwerke gibt es in der Schweiz.» Niklaus Ledergerber, Denkmalpfleger der Stadt St. G allen und Vizepräsident von «Handwerk in der Denkmalpflege» weiss wovon er redet. Kulturgut ist sein Thema. Und dieses muss selbstverständlich unterhalten und restauriert werden von qualifizierten Baufachleuten. Denn sonst ist dieses Kulturerbe unwiderruflich verloren. Oft ist aber der Preis bei öffentlichen Vergaben immer noch das Wichtigste. «Klar, der Preis ist immer ein wichtiges Argument. Aber man hat auch im öffentlichen Beschaffungswesen die Möglichkeit, gewisse Grundkriterien festzulegen, wie etwa Erfahrung und Referenzen» resümiert er. Denn nur qualifizierte Fachleute können schlussendlich auch zufriedenstellende Arbeiten ausführen.

2012 hat eine Trägerschaft aus damals 18 Organisationen, darunter der Schweizerische Maler- und Gipserunternehmer-Verband (SMGV), der Verband Schweizer Bildhauer und Steinmetzmeister (VSBS) und der Baumeisterverband Zürich-Schaffhausen (BZS) einen Lehrgang geschaffen, der diese Qualität sichern kann. Partner sind unter anderem das Bundesamt für Kultur, die schweizerische UNESCO-Kommission und die HG Commerciale. 200 Fachleute haben beim Aufbau der Weiterentwicklung des Lehrganges «Handwerk in der Denkmalpflege» mitgeholfen.

Arbeiten auf einer historischen Baustelle

Die zweijährige berufsbegleitende Weiterbildung Handwerker/in in der Denkmalpflege vermittelt Berufsleuten aus acht verschiedenen Bauberufen die Kompetenz, historische Bauten und Objekte qualifiziert zu analysieren, stilgerechte Pläne für deren Sanierung und Instandhaltung zu erstellen sowie die erforderlichen Arbeiten professionell auszuführen. Der Abschluss ist aufbauend auf der entsprechenden Vorbildung in acht verschiedenen Fachrichtungen möglich: Mauerwerk/Verputz, Holzbau, Gartenbau, Malerei, Möbel/Innenausbau, Naturstein, Pflästerung/Trockenmauerwerk und Stuck.

In fachübergreifenden Basismodulen werden zunächst allgemeine Grundsätze der Denkmalpflege, Architektur und Kunstgeschichte vermittelt. Anschliessend erwerben die Teilnehmenden in ihrem jeweiligen Fachbereich das spezifische Wissen und Können, das sie in die Lage versetzt, wirksam zum Erhalt und dem Schutz von historisch wertvollen Bauten beizutragen. Die bestandene Abschlussprüfung führt zum eidgenössisch anerkannten Fachausweis Handwerker/in in der Denkmalpflege. Und diese sind gefragt, wie Ledergerber gerne bestätigt.

Verantwortung übernehmen auf der Baustelle

Ledergerber wünscht sich vermehrt kompetente Fachleute auf den Baustellen der Denkmalpflege. «Auf der einen Seite werden immer mehr Denkmalpflegestellen gestrichen, auf der anderen gibt es immer mehr und immer komplexere Schutzobjekte – wir haben immer weniger Ressourcen für regelmässige Baustellenbesuche und eingehende Begutachtungen. Wir sind auf gute Leute auf der Baustelle angewiesen. Das hat auch für uns Denkmalpfleger grosse Vorteile. Wir müssen weniger mit den Handwerkern diskutieren wie etwas auszuführen ist und wir müssen weniger Kontrollen machen.»

Drei Fragen an:

Thomas BEER

Thomas Beer ist Mitinhaber der Bauunternehmung Meier-Ehrensperger und Präsident Handwerk in der Denkmalpflege.

Herr Beer, für wen ist diese Ausbildung interessant?

Zum Beispiel für einen Polier, der häufig für Umbauten verantwortlich ist. Ein solcher kommt naturgemäss häufig an historische Bausubstanzen heran. Hier ist es sicher ein Mehrwert, wenn jemand weiss, wie er etwas denkmalpflegerisch einordnen kann. Dann ist er ein wertvoller Ansprechpartner für Denkmalpfleger und Bauleiter.

Das klingt auch nach einem Mehrwert für den Arbeitgeber?

Auf jeden Fall. Bei historisch wertvollen Gebäuden entscheidet in der Regel nicht bloss der Preis über die Auftragsvergabe. Bei öffentlichen Submissionsverfahren wird Fachkompetenz hoch gewichtet. Handwerker in der Denkmalpflege sind Spezialisten, mit denen ein Unternehmen bei öffentlichen Submissionsverfahren punkten kann.

Braucht es denn auf historischen Baustellen überhaupt einen Polier? Ist da die Denkmalpflege nicht bereits omnipräsent?

Die Denkmalpflege ist oft sehr präsent, das stimmt. Aber Denkmalpfleger sind häufig Theoretiker mit einer kunsthistorischen Ausbildung, einem Germanistikstudium oder einem architektonischen Hintergrund. Sie sagen zwar vor Ort, dass auf eine historische Wand wieder ein entsprechender Putz gehört, was die praktische Ausführung angeht können sie aber meist keine Anweisungen geben. Dafür braucht es einen Fachmann vor Ort, wie etwa den Polier.

EINE AUSSICHTSREICHE WEITERBILDUNG

Handwerker/innen in der Denkmalpflege mit eidg. Fachausweis verfügen über die notwendigen Qualifikationen zur Arbeit an historisch wertvollen Bauten. Der Beginn des nächsten Lehrgangs ist für Frühling 2021 geplant.

Drei Fragen an: Thomas SCHNÜRIGER

Thomas Schnüriger ist Polier bei MeierEhrensperger und Baukader-Mitglied.

Wieso hast Du diese Ausbildung gemacht?

Ich habe vorher schon auf diesem Gebiet gearbeitet. Altbauten finde ich faszinierend. Da erlebst Du tagtäglich neue Überraschungen auf der Baustelle. Wenn man zum Beispiel eine Fassade sanieren will, weiss man nicht, was unter dem Putz zum Vorschein kommt: Vielleicht ein tolles Mauerwerk oder aber was überhaupt nicht Brauchbares.

Wie hat sich Dein Berufsalltag seither verändert?

Mein Job hat sich nicht gross verändert. Aber mein Auftreten. Ich bin selbstsicherer geworden und kann dies bei Bausitzungen und Beratungen auch zeigen. Oft bin ich heute auch in der Lage vor Ort selbst zu entscheiden, und weiss diese Entscheidung stimmt dann auch. Früher musste ich mir oft fachkundliche Hilfe holen. Besonders in der Materialkunde und was die Härtegrade der Materialien angeht, habe ich viel von der Ausbildung profitiert und ich habe mir ein grossartiges Netzwerk aufgebaut mit Kontakten zu Zimmermannen, Steinhauern, Malern und Gipsern. Um dieses bin ich immer wieder mal froh.

Hat die Ausbildung Deinen Blick auf das Schweizer Kulturerbe verändert?

Definitiv ja. Früher bin ich am Landesmuseum vorbeigelaufen, ohne mir viel Gedanken zu machen. Wenn man weiss warum man etwas nachbauen soll oder erhalten soll, dann hinterfragt man Dinge auch viel mehr. Man will ja, dass man die verschiedenen Epochen eines Gebäudes sieht. Das führt heute manchmal zu einer anderen Entscheidung als ich das vielleicht früher gemacht hätte, als ich die Dinge hauptsächlich in schön oder nicht schön gegliedert habe und so über die Vorgehensweise bei einem Anbau oder Umbau entschieden habe.

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