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«WIR MÜSSEN SPÜREN, WIE SICH EIN UNTERNEHMEN SELBST SIEHT» DER BIELER CORPORATE-DESIGN-SCHÖPFER ROLAND BROTBECK IM INTERVIEW «Corporate Design» ist ein oft bemühter Begriff – und doch ist vielen Unternehmer noch zu wenig bewusst, wie wichtig das Erscheinungsbild einer Firma ist. Der Bieler Gestalter Roland Brotbeck kreiert mit seiner Agentur Brotbeck Corporate Design AG solche Erscheinungsbilder. Im LEADER-Gespräch lässt er sich hinter die Kulissen schauen.
34 | LEADER Oktober 2004
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TEXT : STEFAN SCHERRER BILDER: BROTBECK CORPORATE DESIGN/STEFAN SCHERRER
Wird generell dem Corporate Design in unserem Land gebührend Beachtung geschenkt? Roland Brotbeck: Ich finde nicht, aber das gilt nicht nur für die Schweiz. Das zeigt sich nur schon daran, dass es nur sehr wenige Betriebe gibt, die sich auf diese Arbeit spezialisieren. Kommunikation für Unternehmen läuft vor allem über die Werbeagenturen. Wer macht Corporate Design, und wer macht Werbekampagnen? Die Trennung wird fast nicht gemacht. Warum ist diese Trennung nötig? Für CD-Projekte braucht es Spezialisten. Bei der Werbeagentur kriegt der Kunde aber alles: Corporate Identity, Corporate Design und die Werbung. Ausserdem gibt es dort viele Personalwechsel. Für unsere Arbeit ist nebst viel Erfahrung und Knowhow grosse Konstanz aber unabdingbar. Bei Berufskollegen habe ich beobachtet: wer sich innerhalb einer Werbeagentur für die Arbeit an CD interessiert, wechselt früher oder später zu einer darauf spezialisierten Agentur. Corporate Design ist ein Bestandteil der Corporate Identity, stimmt das so? Darüber haben wir schon oft diskutiert. Das genau zu definieren, die Begriffe voneinander zu trennen, ist schwer. Selbst in der Fachliteratur gibt es darüber verschiedenste Ansätze. Für grosse Unternehmen mit einer strategischen Corporate Identity trifft das durchaus zu. Kleinere Unternehmen haben zwar auch eine Identität, sie ist aber nicht wirklich geplant. Sie entsteht, wächst mit der Zeit. Bei ihnen ist Corporate Design die hauptsächliche Umsetzung ihrer Identität. Der Aufwand, ein CI-Konzept zu erstellen, ist für kleinere Unternehmen zu gross. Wenn Sie für kleinere Unternehmen arbeiten, fehlen Ihnen die konkreten Vorgaben? Die müssen wir selber erfühlen. Das machen wir im Gespräch mit dem Kunden. Wie sieht er seine Unternehmung? Wer ist sein Zielpublikum? Wie geht er den Markt an? Wer sind die Kunden? Es braucht gar nicht so viele Fragen, um die wesentlichen Dinge spüren zu können. Wir fragen natürlich auch, ob der Kunde eigene Vorstellungen mitbringt. Wie gehen Sie nach dem Briefing vor? Dann erst entwickeln wir unsere Vorschläge und präsentieren sie. Bei uns hat sich in den letzten Jahren herausgestellt, dass wir die Bedürfnisse gut erkennen. Das zeigt sich daran, dass wir fast immer eine einzige Gestaltungslinie konsequent verfolgen können. Nur selten werden Varianten zu unseren Vorschlägen gewünscht. Und wenn dem Kunden mal etwas nicht gefällt? Dann müssen wir uns fragen, was wir nicht oder falsch verstanden haben. Aufgrund der Antworten auf diese Fragen nehmen wir Änderungen vor oder beginnen nochmals von vorn. Selber bevorzuge ich, noch einmal bei Null zu beginnen. Also im Workshop mit dem Kunden herauszufiltern, in welche Richtung wir gehen müssen. An etwas bestehendem zu «schräubeln» liegt mir weniger. Stellen Sie dem Kunden «Hausaufgaben», muss er etwas zum Briefing mitbringen? Nicht wirklich. Wir arbeiten mit einer Checkliste, dokumentieren uns. Wir wollen möglichst viel über den Betrieb wissen. Über seine Hintergründe, seine Geschichte, Ziele und Visionen.
Was sind denn die wichtigen Punkte, damit ein gutes CD entstehen kann? Zuallererst braucht es mal einen Auslöser. Wenn beispielsweise jemand ein Logo hat, aber seine Publikationen und sein Kommunikationsauftritt nicht einheitlich sind. Wenn ein Unternehmen das merkt, kommt es auf uns zu. Es kann aber auch sein, dass jemand eine Broschüre bei uns bestellt und uns noch andere Arbeiten zeigt. Da kann es vorkommen, dass wir anregen, erst einmal grundsätzlich die Erscheinung zu überdenken: Stimmt das Erscheinungsbild mit der Identität der Firma überhaupt noch überein? Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Viele Unternehmen lassen ein Corporate Design erstellen – eine Art Basisausrüstung – und arbeiten dann zwanzig Jahre lang damit. Ein CD will aber ständig gepflegt sein. Uns ist es deshalb sehr wichtig, etwas zu kreieren, das weiter entwickelt werden kann. Anpassungen müssen stets möglich sein. Ein CD machen und abliefern ist zu einfach. Das muss ein Prozess sein, in dem immer wieder überprüft wird, ob das CD noch den Bedürnissen des Unternehmens entspricht. Ein CD muss also quasi mitwachsen können? Genau. Ein gutes CD bewegt sich ja zwischen dem Ist-Zustand und dem Soll-Zustand einer Unternehmens-Persönlichkeit. Das CD ist eine Unterstützung, künftige Ziele zu erreichen. Es ist auch ein gutes Instrument für die Motivation der Mitarbeiter. Wenn der Auftritt stimmt und gut kommuniziert wird, wächst das Bewusstsein, für eine gute Firma zu arbeiten. Das Entwickeln des CD ist also bereits ein Blick in die Zukunft? Das ist bei gestalterischen Aufgaben immer so. Aber eben, das visuelle Bild der Unternehmung muss zwingend mit seinem Charakter übereinstimmen. Swisscom beispielsweise hat einen starken Werbeauftritt. Nebst vielen anderen Aspekten nehmen Konsumenten die Swisscom als eher teuer wahr, was gar nicht unbedingt stimmt. Also muss die SwissLEADER Oktober 2004 | 35
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Corporate Design com dort Anpassungen vornehmen, damit sie richtig wahrgenommen wird. Das zeigt doch, wie viel Fingerspitzengefühl unsere Arbeit erfordert. Können Sie ein Beispiel nennen für ein Corporate Design, das bewusst wahrgenommen wird? Dazu fällt mir die Post ein, für die ich im Bereich CD schon einige Teilprojekte betreute. Ihre Werbung ist ganz auf dem CD aufgebaut. Das wird auch wahrgenommen. Persönlich ist mir der Auftritt zu statisch, zu starr, auch wenn er mir eigentlich gefällt. Der Spielraum, das CD weiter zu entwickeln, ist sehr gering. Dort sehe ich auch eine Gefahr. Aber vielleicht widerspiegelt das ja den Charakter des Betriebs richtig (lacht). Das Ganze ist komplex. Wie viel muss das CD vorgeben, was muss es offen lassen? Ich finde, dass die Werber und Gestalter noch Spielmöglichkeiten haben müssen und sich trotzdem an die Vorgaben halten können. Auch Publikationen, die intern entwickelt werden, müssen dem CD folgen können. Und wie gesagt, ein CD muss laufend wachsen können. Das muss von Zeit zu Zeit analysiert werden. Stimmt der Auftritt noch? Ist er noch zeitgemäss? Entspricht er dem Unternehmen noch? Aber das zu fragen ist auch ein Stück weit unsere Aufgabe. Auch, dass wir den Kunden darauf aufmerksam machen, wenn wir finden, die Erscheinung sei nicht mehr stimmig.
Das Corporate Design (CD) definiert das visuelle Erscheinungsbild einer Firma. Dies geht weit über die Gestaltung des Firmenlogos hinaus. Der Auftritt des Unternehmens wird umfassend und für viele verschiedene Anwendungen definiert. Nebst dem Briefpapier, Inseraten und Broschüren gehören dazu etwa auch die Beschriftung der Fahrzeuge, der Internett-Auftritt, Schulungsunterlagen und Werbegeschenke. Die Zeiten, wo der Grafiker ein Logo zeichnet und seine Position auf dem Briefpapiers bestimmt, sind längst vorbei. Gerade in Märkten, wo sich gleichwertige Produkte oder Dienstleistungen mehrerer Anbieter konkurrenzieren kommt Corporate Identity (CI) und dem Corporate Design grosse Bedeutung zu. Manchmal gar entscheidende. Je nach Grösse der Firma und ihren Bedürnissen entsprechend umfasst das CD-Manual einige wenige Seiten oder füllt Ordner mit breiten Rücken und ganze CD-Roms. Festgelegt werden darin etwa die Platzierung des Logos und der Gestaltungselemente, der Einsatz von Farben und Schriften und die Platzierung der Bilder. Einige Unternehmen stellen Vorlagen, Bilder und Logos im Web bereit. Ein praktischer Service für Werber und Gestalter und viele andere. Das CD kann so auch stets auf den neuesten Stand gebracht werden.
Wäre es für Ihre Firma nicht interessant, bereits bei der Entwicklung der Corporate Identity Einfluss zu nehmen? Oh doch, natürlich, das ist sehr spannend. Eine Firma, ein Produkt zu positionieren. Zielgruppen definieren, den Markt, das Konsumverhalten zu analysieren. Das haben wir auch schon mit Erfolg gemacht und werden es noch verstärkt tun. Dafür brauchen wir aber Kooperationspartner aus den Bereichen CI- und Marketing-Beratung. Mein Fachgebiet ist die visuelle Gestaltung, darauf will ich mich auch künftig konzentrieren.
Zur Person Der Bieler Gestalter Roland Brotbeck ist Geschäftsführer der Firma Brotbeck Corporate Design AG. Zusammen mit vier Mitarbeitern entwickelt er Erscheinungsbilder (Corporate Design) für Unternehmen. Zu seinen Kunden gehören sowohl Bundesämter wie auch renommierte Firmen und kleinere und mittlere Unternehmen. Brotbeck ist Grafik Designer und war in mehreren Werbeagenturen als Art Director und Atelierleiter tätig, bevor er sich 1992 selbständig machte. Am SPRI (Schweizerisches Public Relations Institut) vermittelt er sein Knowhow in visueller Kommunikation angehenden PR-Fachleuten. Etwa zwanzig Agenturen haben sich laut Brotbeck in der Schweiz auf Corporate Design spezialisiert. Die meisten von ihnen beschränken sich nicht nur auf dieses Fachgebiet. Fast alle sind im Raum Zürich tätig. Brotbeck Corporate Design dürfte zwischen Olten und Lausanne die einzige Agentur dieses Profils sein.
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