Wettbewerb 2012 - Wo steht der deutsche Energiemarkt?

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Wettbewerb 2012 Wo steht der deutsche Energiemarkt?


2  |   Wettb ewerb 2 012 – Wo steht d er d eutsc he Ene rg i e m a r k t ?

Vorwort

Berlin, Oktober 2012 Sehr geehrte Damen und Herren,

Hildegard Müller, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung und Mitglied des Präsidiums

mehr als ein Jahrzehnt ist es her, dass in Deutschland und Europa die Weichen für eine grundlegende Neuordnung des Energiemarktes gestellt wurden: Am 29. April 1998 wurde der Gas- und Strommarkt für alle Kunden geöffnet. Für die damalige Energiewirtschaft fast eine Revolution. Heute ist der Wettbewerb auf dem deutschen Energiemarkt eine Selbstverständlichkeit. Auf dem Weg zu einem funktionierenden Wettbewerb gab es Anlaufschwierigkeiten zu bewältigen. Heute können wir aber mit Stolz feststellen, dass sich die Er­ geb­nisse des Wettbewerbs in Deutschland sehen lassen können, und zwar auch im europäischen Maßstab. 2012 ist ein Jahr, um Bilanz zu ziehen. Die EU-Kommis­ sion wird gemäß des Dritten Binnenmarktpakets im Herbst dieses Jahres einen Bericht über den Stand und Fortschritt des Binnenmarktes vorlegen. Im Hinblick da­rauf haben wir schon 2009 mit der Initiative „Wett­be­werb 2012“ deutlich gemacht: Die deutsche Energiewirtschaft arbeitet kontinuierlich an der Ver­ besserung der Wettbewerbsbedingungen auf den Märk­ten für Strom und Gas. So hat gerade der deutsche Gasmarkt seit 2009 eine äußerst beachtliche Entwicklung ge­nom­men – nicht zuletzt, weil es gelungen ist, die Marktgebiete von 41 im Jahr 2006 auf heute 2 zu reduzieren. Ziel dieses Papiers ist es, transparent zu machen, wie weit der Wettbewerb in Deutschland gediehen ist und welche Beiträge die Branche zum heute erreichten Stand beigetragen hat. Dabei liegt der Fokus vor allem auf den Bereichen Großhandelsmärkte, Marktstruktur, Transparenz, Infrastruktur sowie insbesondere auf dem Nutzen und den Möglichkeiten für die Kunden. Wir wollen uns nicht auf den erreichten Erfolgen ausruhen, sondern arbeiten weiter mit allen Kräften. Über Ihre Anregungen, Feedback und weitere Ideen freuen wir uns deshalb. Ihre Hildegard Müller


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s ch e E n e rg i e m ar kt?  |   3

Einleitung............................................................................................................................................ 04 Fokus Kunde........................................................................................................................................ 05 Wettbewerbsentwicklung.................................................................................................................... 06 Ausweitung der Vertriebsgebiete....................................................................................................... 12 Absehbare Entwicklung........................................................................................................................ 12 Deutschland im europäischen Vergleich............................................................................................ 13 Fokus liquide Großhandelsmärkte.................................................................................................... 15 Schlüsselfunktion des Großhandels für den Wettbewerb................................................................ 15 Handelsplätze für Strom und Gas........................................................................................................ 16 Entwicklung der Liquidität................................................................................................................... 18 Churn-Rates im europäischen Vergleich............................................................................................ 22 Entwicklung Intraday-Handel.............................................................................................................. 23 Regelenergiemarkt Strom/Gas............................................................................................................. 25 Kapazitätsplattformen Gas.................................................................................................................. 25 Konvergenz der nationalen Gasmärkte.............................................................................................. 26 Die Entstehung regionaler Stromgroßhandelsmärkte in Europa..................................................... 27 Regionaler Terminmarkt über CASC.................................................................................................... 30 Fokus wettbewerbliche Marktstruktur............................................................................................ 31 Marktanteile in der Erzeugung............................................................................................................. 32 Marktanteile von Strom-Vertrieben................................................................................................... 35 Marktanteile von Ferngasunternehmen............................................................................................. 37 Marktanteile von Gas-Vertrieben........................................................................................................ 38 Fokus Markttransparenz.................................................................................................................... 40 Transparenz für Level-Playing-Field.................................................................................................. 40 Transparenz im Erzeugungsbereich.................................................................................................... 40 Transparenz im Gasmarkt..................................................................................................................... 42 Transparenz auf der Kundenrechnung............................................................................................... 42 Fokus Zugang zur Infrastruktur........................................................................................................ 43 Plattform für Wettbewerb.................................................................................................................... 43 Marktprozesse und Branchenvereinbarungen................................................................................... 43 Reduzierung der Anzahl der Gasmarktgebiete.................................................................................. 46 Effiziente Nutzung von Regelenergie................................................................................................. 49 Entflechtung (Unbundling).................................................................................................................. 49 Fokus Ausbau von Infrastruktur....................................................................................................... 50 Ferngasleitungen................................................................................................................................... 50 Neubau Erdgasspeicher........................................................................................................................ 50 Kuppelleitungen Strom......................................................................................................................... 53 Netzentwicklungspläne........................................................................................................................ 53 Ausblick............................................................................................................................................... 54 Weitere Liberalisierungsgewinne durch Europäisierung.................................................................. 54 Gegenläufige Entwicklung aufhalten.................................................................................................. 54 Anhang: Wettbewerbsindikatoren.................................................................................................... 56


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Einleitung

Während Klimawandel und Energiewende die öffentliche Diskussion beherrschen, hat sich die Versorgung mit Strom und Gas in Deutschland – jenseits der politischen und öffentlichen Wahrnehmung – mit großen Schritten zu einem Wettbewerbsmarkt entwickelt. Die Position des Kunden wurde verbessert, Wechselfristen verkürzt, der Datenaustausch zwischen Lieferanten und Netzbetreibern wurde so verbessert, dass neue Anbieter heute deutlich bessere Beding­ungen vorfinden. Auch auf der Seite der Anbieter ist dies zu spüren: Haushaltskunden haben im Durchschnitt die Wahl unter 147 Strom-Anbietern je Netzgebiet. 1

Ein besonderes Augenmerk sowohl des Gesetzgebers als auch der Netzbetreiber und der Händler/Lieferanten lag in den vergangenen Jahren auf der Verbesserung der Liquidität des Gasmarktes und der dazu notwendigen Vereinfachung des Gasnetzzugangs: So wurden mit der schrittweisen, aber drastischen Reduzierung der Marktgebiete und mit der Neufassung der Gasnetzzugangsverordnung wichtige Meilensteine erreicht. Zudem setzte ein Überangebot an Gas und eine zeitweise rückläufige Abnahmeentwicklung die ölpreisgebundenen Verträge unter Druck. So führte auch der Boom von Gas aus unkonventionellen Lagerstätten, insbesondere Schiefergas (Shalegas) in den USA dazu, dass freiwerdende Mengen verflüssigten Erdgases (LNG) nach Europa kamen. Der Markt hat letztlich auch hier die richtigen Sig­nale gesetzt. Das in Deutschland unter Wettbewerbsbedingungen entstandene Spei­ cher­­po­ten­zial trägt seinerseits zur Verbesserung des Gas­mark­tes bei. Händler verfügen über die Möglichkeiten der Optimierung ihrer Produkte. Besonders starke Marktveränderungen sind mit der „Energiewende“ verbunden: Der Ausstieg aus der Kernenergie insgesamt, aber auch die sofortige Abschaltung von 8 Kernkraftwerken im März 2011 haben die Konzentration bei den Stromerzeugern nochmals deutlich verringert. Ein Übriges trägt der stetige Zuwachs bei der eingespeisten erneuerbaren Energie bei, der die konventionelle Erzeugung zurückdrängt. Der Umstieg auf erneuerbare Energien erfordert in erheblichem Maße den Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze. Hier gilt es darauf zu achten, dass der stetige Zuwachs an erneuerbaren Energien gemeinsam mit dem verzögerten Netzausbau nicht den freien Wettbewerb behindert. Eine Teilung des deutschen Strommarktes in zwei oder drei Preiszonen oder die Einschränkung der dem Handel zur Verfügung stehenden Kuppelkapazitäten durch Ringflüsse wären dabei kontraproduktiv.

1

Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011, Seite 9


2%

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Fokus Kunde

Die stetige Verwirklichung des gemeinsamen europäischen Energiebinnenmarktes hat eine wachsende positive Auswirkung auf die Intensität des nationalen Wettbewerbs. In Deutschland wurden die Vorgaben des Dritten Europäischen Binnemarkt­pakets mit der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) im August 2011 frühzeitig in nationales Recht umgesetzt. Hierdurch werden die Rechte des Kunden nochmals gestärkt. Der BDEW hat zahlreiche Beiträge zur praktischen Umsetzung geleistet. Beispielsweise hat er maßgeblich zur Schaffung der Schlichtungsstelle Energie e. V. beigetragen. Die Schlichtungsstelle wurde von Verbrauchern und Versorgern gut angenommen. Die Einigungsquote per 31. Juli 2012 lag bei über 90 Prozent.

Zentrale wettbewerbsrelevante Punkte der EnWG-Novelle zur Stärkung der Rechte des Kunden: • • • • •

Erhöhung der Transparenz der Kundenrechnung Lieferantenwechsel innerhalb von drei Wochen Eckpunkte für die Ausgestaltung und Einführung intelligenter Messsysteme Einführung einer maximalen Bearbeitungsfrist von vier Wochen für Verbraucherbeschwerden Einrichtung einer Schlichtungsstelle für Endkunden

Die steigende Wettbewerbsintensität auf dem Endkundenmarkt für Strom und Gas hat dazu geführt, dass Energieversorger neue Märkte erschließen und ihren Kunden zunehmend ein breites maßgeschneidertes Angebot an Energiedienstleistungen anbieten. Deutschland verfügt bereits heute über den größten und einen der am weitesten entwickelten Märkte für Energiebzw. Energieeinspardienstleistungen. Dabei wird in Zukunft die Bedeutung dieses Marktes weiter steigen, da Energie- bzw. Energieeinspardienst­lei­s­ tun­­gen eine zentrale Rolle beim Erreichen der nationalen und internationalen Klimaschutzziele spielen werden.

Themenfelder der Anträge bei der Schlichtungsstelle Energie 1% 1%

2% 2%

Abrechnung

%

Vertrag

44%

1% 1%

2%

Abrechnung

10%

Lieferantenwechsel, An-­‐/ Abmeldung

Vertrag

44%

Farbwerte Pantone: Warm Gray 8 CMYK: 0-9-16-54 RGB: 147-138-129

Lieferantenwechsel, An-­‐/ Abmeldung

Sperrung

Sperrung

Sachschäden/ Baumaßnahmen

Sachschäden/ Baumaßnahmen

Zähler

40%

Sons@ges

Themenfelder der Anträge bei der Schlichtungsstelle Energie Quelle: Schlichtungsstelle Energie, Stand 31.07.2012

Zähler Sons@ges


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Wettbewerbsentwicklung Wesentliche Messgrößen für einen funktionierenden Wettbewerb sind die Anzahl der pro Netzgebiet zur Verfügung stehenden Strom- und Gaslieferanten und die Anzahl der Lieferanten- und Vertragswechsel. Die Vielfalt der Anbieter hat sowohl auf dem Strom- als auch auf dem Gasmarkt in den letzten Jahren beständig zugenommen.

„Am 31. Dezember 2010 waren im einwohnergewichteten Mittelwert bereits durchschnittlich 147 [Strom-] Lieferanten je Netzgebiet tätig.“ Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011, S. 42

Auch die Monopolkommission spricht in ihrem Sondergutachten Energie 20112 von einer „steigenden Anzahl von Anbietern auf dem Stromendkundenmarkt“ und einer „großen Dynamik“ in diesem Bereich. Gleichzeitig weist die Monopolkommission darauf hin, dass „mittelfristig jedoch mit einer Konsolidierung zu rechnen (ist).“

Beim Gas hat sich für die meisten Haushaltskunden in den Jahren 2008 bis 2010 die Anzahl der Lieferanten deutlich erhöht. Statt zwischen eins bis fünf konnten die meisten Haushaltskunden 2010 zwischen 11 bis 50 Lieferanten wählen. In 36 Netzgebieten konnte der Haushaltskunde seine Anbieterwahl aus mehr als 50 Lieferanten treffen, und diese dynamische Entwicklung hält an. Kumuliert hatten 27,7 Prozent (Strom) und 17,6 Prozent (Gas) aller Haushaltskunden ihren Anbieter bis März 2012 gewechselt. Dabei zeigt sich, dass die Wechselbereitschaft ungebrochen ist. Besonders hoch ist sie naturgemäß in Phasen hoher Primär­ energie­preise.

Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 62 Absatz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes:

2

„Energie 2011 – Wettbewerbsentwicklung mit Licht und Schatten“


Vertragsstruktur von Haushaltskunden, Stand 31. Dezember 2010 in TWh 16,41 5,99 % 68,26

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189,24 69,09 %

Haushaltskunden mit einem Grundversorgungsvertrag beim Grundversorger Vertragswechsel: Haushaltskunden mit einem anderen Vertrag beim Grundversorger Lieferantenwechsel: Haushaltskunden mit einem Vertrag bei einem anderen Lieferanten als dem Grundversorger

Abbildung 7: Vertragsstruktur von Haushaltskunden gemäß Abfrage Großhändler und Lieferanten Stand 31. Dezember 2010

Prozentualer Anteil der Netzgebiete, (Seite 12 „Wettbewerb 2012“) in denen die dargestellte Anzahl von Lieferanten tätig sind

,3

,0

2007

48

49

2008

,6

40

,5

50,0

2009

37

40,0

,4 28

,6 ,8

19

,4

23

,1

27

30,0

2010

9 9,

3 8,

10

,8

14

,3

16

20,0

3, 7 5,

2

10,0 1, 9 0, 6 1, 3 1, 5

prozentualer Anteil der Netzgebiete

51

,9

60,0

0,0 1 Lieferant

2 bis 20 Lieferanten 2007

21 bis 50 Lieferanten 2008

2009

51 bis 100 Lieferanten

mehr als 100 Lieferanten

2010

Prozentualer Anteil der Netzgebiete, in denen die dargestellte Anzahl von Lieferanten tätig sind, gemäß Abfrage VNB (Elektrizität) Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011

5 Monitoring-Referat 603; Bundesnetzagentur

22.10.2012

Anzahl der Netzgebiete nach Anzahl der dort aktiven Lieferanten Anzahl der Netzgebiete nach Anzahl der dort aktiven Lieferanten (Haushaltskunden) (Haushaltskunden) 500

465

2008

Anzahl der Netzgebiete

450 400

2009

350

2010

300

242

250

199210

200 150

158 96

50

111

93

100

41

14

29

41 9

0

16

0 8

36

0 1 bis 5 Lieferanten

6 bis 10 Lieferanten

11 bis 20 Lieferanten

21 bis 30 Lieferanten

31 bis 50 Lieferanten

mehr als 50 Lieferanten

Anzahl der Lieferanten 2008 2009 2010 Anzahl der Netzgebiete nach Anzahl der dort aktiven Lieferanten (Haushaltskunden)

Abbildung 5: VNB Gas in den Jahren 2008 bis 2010 gemäß Abfrage Anzahl Netzgebiete nach Anzahl der dort aktiven Lieferanten (Haushaltskunden) Quelle:der Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011 gemäß Abfrage VNB Gas in den Jahren 2008 bis 2010

(Seite 8 „Wettbewerb 2012“)

Anzahl Lieferantenwechsel von Letztverbrauchern 2006 bis 2010 1.000.000 900.000 800.000

112.418


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Lieferantenwechsel im Strom- und Gasmarkt: Versorgerwechsel der Haushalte in der Stromversorgung (kumulierte Wechselquote)

Versorgerwechsel der Haushalte*) in der Gasversorgung (kumulierte Wechselquote)

Quelle: BDEW-Kundenfokus, BDEW-Energietrends, *) Haushalte mit eigenem Gaszähler und direktem Vertragsverhältnis mit dem Gasversorger

In absoluten Zahlen betrachtet, nutzten die Haushaltskunden im Jahr 2010 die Möglichkeiten der Anbietervielfalt auf dem Strommarkt für insgesamt rund 2,7 Mio. Lieferantenwechsel und ca. 2,2 Mio. Vertragswechsel. Somit haben sich 2010 mehr Kunden für einen Wechsel des Lieferanten entschieden als für einen neuen Tarif beim bisherigen Versorger.

Im Gasbereich ist das Lieferantenwechselvolumen im Jahr 2009 noch moderat um 10 Prozent gestiegen, was einer Wechsel­ quote von 5,16 Prozent entspricht. Im Jahr 2010 hat sich das Lieferanten­wechsel­ volumen von 47,18 TWh auf 110,38 TWh gut verdoppelt, was einer Wechselquote von 10,88 Prozent entspricht. Und die Entwicklung ist weiterhin dynamisch.


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3

Monitoringbericht 2011

Jährliche Wechselzahlen Strom:

Anzahl 0,8 Mio. Wechsel

3.500.000

1,5 Mio. Wechsel

2,3 Mio. Wechsel

2,4 Mio. Wechsel

3,0 Mio. Wechsel 5

3.000.000

Anzahl der Netzgebiete nach Anzahl der dort aktiven Lieferanten (Haushaltskunden) 162.547 142.949

2.500.000

2.000.000

450 1.500.000 400

Anzahl der Netzgebiete

304.698

443.237

1.805.785

1.744.669

442.970

465

500

113.197 220.219

350 1.000.000 300

150 0

1.133.821 199210

158

678.423

96

0

111

93

2006 14

50

2.267.206

242

119.140

250 500.000 200 100

254.859

41

Haushaltskunden 1 bis 5 6 bis 10 Lieferanten Lieferanten

41

200729

2008 9

36 2010 0 8

2009 16

0

Haushaltskunden bei Einzug 11 bis 20 21 bis 30 Lieferanten Lieferanten

Weitere Letztverbraucher 31 bis 50 mehr als 50 Lieferanten Lieferanten

Anzahl der Lieferanten Abbildung 3: Anzahl Lieferantenwechsel von Letztverbrauchern (2006 bis 2010) 2008

2009

Anzahl Lieferantenwechsel von Letztverbrauchern (2006 bis 2010) (Seite 10 „Wettbewerb 2012“) Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011 Abbildung 5:

2010

Anzahl der Netzgebiete nach Anzahl der dort aktiven Lieferanten (Haushaltskunden) gemäß Abfrage VNB Gas in den Jahren 2008 bis 2010

(Seite 8 „Wettbewerb 2012“)

Jährliche Wechselzahlen Gas:

Anzahl Lieferantenwechsel von Letztverbrauchern 2006 bis 2010 1.000.000

112.418

900.000 800.000

88.947

700.000 600.000 20.523

500.000 15.052

400.000

48.668 720.039

15.626

300.000 200.000

28.359

100.000 0

353.460

402.958

3.875 5.688

100.719

2006

2007

Monitoring-Referat 603;Haushaltskunden Bundesnetzagentur

2008

Haushaltskunden bei Einzug

2009

2010

Gewerbe- und Industriekunden 22.10.2012

Abbildung 6: Anzahl Lieferantenwechsel von Letztverbrauchern (2006 bis 2010)

(Seite 11 „Wettbewerb 2012“)

Anzahl Lieferantenwechsel von Letztverbrauchern (2006 bis 2010) Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011 Monitoring-Referat 603; Bundesnetzagentur

22.10.2012


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Strom | Vertragsstruktur von Haushaltskunden, Stand 2010: Vertragsstruktur von Haushaltskunden, Stand 2010 20,31 TWh 15,5%

56,90 TWh 43,5%

53,73 TWh 41,0% Haushaltskunde mit einem Grundversorgungvertrag beim Grundversorger Vertragswechsel: Haushaltskunde mit einem anderen Vertrag beim Grundversorger Lieferantenwechsel: Haushaltskunde mit einem Vertrag bei einem anderen Lieferanten als dem Grundversorger

Abbildung 9: Vertrags- und Lieferantenwechsel von Haushaltskunden

(Seite 12 „Wettbewerb 2012“)

6

Gas | Vertragsstruktur von Haushaltskunden, Stand Dezember 2010 in TWh: Vertragsstruktur von31. Haushaltskunden, Stand 31. Dezember 2010 in TWh 16,41 5,99 % 68,26 24,92 %

189,24 69,09 %

Haushaltskunden mit einem Grundversorgungsvertrag beim Grundversorger Vertragswechsel: Haushaltskunden mit einem anderen Vertrag beim Grundversorger Lieferantenwechsel: Haushaltskunden mit einem Vertrag bei einem anderen Lieferanten als dem Grundversorger

Abbildung 7: Vertragsstruktur von Haushaltskunden gemäß Abfrage Großhändler Vertragsstruktur von Haushaltskunden gemäß Abfrage Großhändlerund und Lieferanten Lieferanten Stand 31. Dezember 2010 Stand 31. Dezember 2010 Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011

(Seite 12 „Wettbewerb 2012“)

,3

,0

48

50,0

5

ebiete

Monitoring-Referat 603; Bundesnetzagentur

49

51

,9

60,0 22.10.2012


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Unter den Energielieferanten nehmen die Grundversorger aufgrund ihres öffentlichen Auftrags zur Stromversorgung nach wie vor eine besondere Position im Wettbewerb ein. (Dafür sorgt insbesondere die gesetzlich vorgeschriebene Zuordnung eines jeden Stromabnehmers zum Grundversorger, solange der Kunde nicht selbst einen anderen Anbieter wählt.) Trotzdem ist festzustellen, dass durch Lieferanten- und Vertragswechsel der Anteil der Grundversorger an der Gesamtversorgung im Strom- und Gasbereich seit 1998 kontinuierlich gesunken ist.

Viele Kunden, die nach wie vor Strom oder Gas von ihrem ursprünglichen Anbieter beziehen, haben aber einen Vertragswechsel von der Grundversorgung zu einem Sondervertrag vorgenommen. Daraus ist – in Übereinstimmung mit der Bundesnetzagentur, dem Bundeskartellamt und der Monopolkommission – abzuleiten, dass ein strukturell gesicherter Wettbewerb auf dem Strom- und Gasendkundenmarkt herrscht. Steigende Wechselquoten zeigen auch, dass die gesetzlichen Rahmen­bedingungen eine Intensivierung des Wett­bewerbs unterstützen.

Wechselquoten sind nicht alles Die Wechselquote zeigt nur einen Ausschnitt der Wettbewerbsintensität. Die Einbeziehung des Wechsels zu anderen Produkten des bisherigen Versorgers in die Beurteilung ist zwingend. Kundenbindungsmaßnahmen und Alternativangebote an die eigenen Kunden sind Elemente des Wettbewerbs, senken aber tendenziell die Wechsel­ bereitschaft. Solche Produkte sind Alternativen zu einem Anbieterwechsel und Reaktion auf inten­siven Wettbewerb. Dies erkennt auch die Bundesnetzagentur in ihrem aktuellen Monitoringbericht 2011 (S. 44) ausdrücklich an. Die wichtigsten Indikatoren zur Abbildung der Wettbewerbsentwicklung werden im Anhang dargestellt und diskutiert.


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Ausweitung der Vertriebsgebiete Aber nicht nur die Vielfalt der Anbieter hat in den vergangenen Jahren nachweislich zugenommen. „Kommunale und private Akteure [nutzen] gleichermaßen die Strate­gie einer (z.B. bundesweiten) Ausweitung ihrer Vertriebsgebiete.“, so die Monopolkommission. 2008 war die Mehrzahl der Anbieter nur in einem Netzgebiet, in dem sie die Grundversorgung ausübten, und gegebenenfalls noch in maximal vier weiteren Netzbetrieben tätig. Heute sind neue Anbieter im Durchschnitt in 200 Netzgebieten tätig und etablierte Grundversorger in durchschnittlich 31 Netzgebieten aktiv.3

3

Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011, S. 43

Absehbare Entwicklung Im zukünftigen Energiesystem werden die Endkunden nicht mehr nur als reine Energiekonsumenten auftreten, sondern je nach Größe und Ausprägung auch rückkoppelnd in das energiewirtschaftliche System eingreifen, z. B. als dezentraler Erzeuger oder durch die Inanspruchnahme variabler Tarifangebote. Um diese neue Rolle aktiv wahrnehmen zu können, müssen Endkunden, dort wo es wirtschaftlich und energiewirtschaftlich sinnvoll ist, mit intelligenten Messsystemen ausgestattet werden. Die Öffnung der Märkte für Messstellenbetrieb und -dienstleistungen im Jahr 2008 hat dazu geführt, dass die Unter­­nehmen der Energiewirtschaftsbranche in Pilotprojekten bei interessierten Kunden die Technik auch in Kombination mit variablen Tarifen testen. Die in der EnWG Novelle 2011 geschaffenen und durch Verordnung näher auszuge­ stal­ten­den Regelungen werden die Weichen für weitere Produktvielfalt am Energieendkun­den­markt stellen, wie zum Beispiel zusätzliche Serviceleistungen, aber vor allem Energiemanagementdienstleistungen. Dies wird zu einer weiteren Intensivierung des Wettbewerbs führen. Grundvoraussetzung dafür sind jedoch marktorientierte regulatorische Rahmenbedingungen, die attraktive Wettbewerbsprodukte ermöglichen, sodass der Kunde an den Vorteilen des Energiemarktes partizipieren kann.


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Deutschland im europäischen Vergleich Mit den Beschlüssen zur Energiewende wird sich der Umbau der deutschen Energiewirtschaft weiter beschleunigen, was auch Einfluss auf den Wettbewerb haben wird. Dies wird weitere Anpassungen der wettbewerblichen Rahmenbedingungen seitens der nationalen und europäischen Regulierer und Gesetzgeber mit sich bringen. Dabei muss zwingend das Kosten-Nutzen-Verhältnis weiterer Maßnahmen im Blick behalten werden, damit nicht am Ende dieser Bemühungen statt einer Verbesserung der Marktbedingungen eine Belastung der deutschen bzw. europäischen Haushaltskunden und des Wirtschaftsstandorts Deutschland bzw. Europa steht. Mit Besorgnis ist die Entwicklung zu sehen, dass derzeit nur noch 35 Prozent des Haushaltsstrompreises am Markt gebildet werden, nämlich der Anteil für Beschaffung, Service und Vertrieb. Der Anteil der regulierten Netzentgelte liegt bei ca. 20 Prozent. Mit rund 45 Prozent machen staatlich induzierte Lasten den größten Teil der Kundenrechnung aus. Das macht eine nennenswerte und wettbewerbsstimulierende preisliche Differenzierung zwischen konkurrierenden Stromanbietern zunehmend schwieriger.

In Deutschland wurden die für den Endkundenmarkt maßgeblichen europäischen Vorgaben des Drittes Energiebinnenmarktpakets mit der EnWG-Novelle 2011 frühzeitig in nationales Recht umgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt waren in 18 anderen europäischen Mitgliedsländern die erforderlichen Umsetzungsschritte noch nicht oder nur teilweise ergriffen worden. Nicht selten dominieren dort einzelne staatliche Energieversorger den Markt, und Endkunden haben in diesen Märkten nach mehr als einem Jahrzehnt nach Beginn der europäischen Liberalisierung immer noch keine echte Wahlmöglichkeit. Hinzu kommt, dass die Endkundenpreise in diesen Märkten häufig staatlich fixiert sind und regelmäßig unterhalb derjenigen Preise liegen, die sich bei Zugrundelegung des jeweiligen Börsenpreises ergeben müssten, was die Attraktivität eines Markteintritts neuer Wettbewerber stark einschränkt. Mitgliedstaaten schotten so ihre Märkte ab. Gleichzeitig profitieren die dortigen Versorgungsunternehmen von den offenen Märkten anderer Mitgliedstaaten wie Deutschland oder Großbritannien als zusätzliches Betätigungsfeld. Hier sieht die deutsche Energiewirtschaft vor allem die Europäische Kommission in der Pflicht, für die Durchsetzung geltenden europäischen Rechts zu sorgen und faire Wettbewerbsbedingungen für alle europäischen Energieversorger zu schaffen.


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Strom: Preisregulierung im Vertriebsmarkt

Gas: Preisregulierung im Vertriebsmarkt

Quelle: Europäische Kommission “2009-2010 Report on Progress in Creating the Internal Gas and Electricity Market - Technical Annex” und BDEW, EasyMap-Kartengrundlage: (C) LUTUM+TAPPERT, Bonn


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Fokus liquide Großhandelsmärkte

Schlüsselfunktion des Großhandels für den Wettbewerb Die Liberalisierung der europäischen Energiemärkte Ende der 1990er Jahre war zugleich die Geburtsstunde der Wertschöpfungsstufe Energiehandel. Der Energiehandel hat sich seither sehr positiv als Bindeglied und Intermediär zwischen den Wertschöpfungsstufen Erzeugung und Vertrieb platziert. Er schafft damit eine wesentliche Grundlage für einen effizienten Wettbewerbsmarkt. Gerade der deutsche Stromhandelsmarkt ist mit einer Churn-Rate4 von rund zehn wohl der liquideste Stromhandelsplatz in Europa. Dafür gibt es gute Gründe, wie z. B. die frühe Etablierung eines Börsenplatzes, die Heterogenität der Marktteilnehmer, die geografische Lage quasi als europäisches Drehkreuz sowie eine zunehmend hohe Transparenz. Im Hinblick auf Liquidität und Transparenz hat auch der Gashandel in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung vollzogen. Weitere Verbesserungen sind durch die wachsende europäische Integration zu erwarten. Die zunehmende grenzüberschreitende Kooperation der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) wird hierzu ebenfalls einen wesentlichen Beitrag leisten. Der deutsche Gasmarkt unterscheidet sich zudem durch seine strukturelle Vielfalt – viele Marktteilnehmer auf allen Wertschöpfungsstufen – sehr von anderen europäischen Gasmärkten, die in der Regel nur einen dominanten etablierten Marktteilnehmer und nur einen Ferngasnetzbetreiber kennen, der oftmals auch die Verteilnetze betreibt. Durch die Bündelung von Liquidität an transparenten, für alle Teilnehmer zugänglichen Marktplätzen spiegelt der sich dort bildende Marktpreis die Knappheit im Markt wieder (d. h. das Verhältnis von Angebot und Nachfrage). Der Energiehandelsmarkt bewirkt damit eine faire Bepreisung der Waren Strom und Gas und verschafft allen Teilnehmern Transparenz über die Werthaltigkeit der angebotenen und nachgefragten Energiemengen. Er setzt somit auch die notwendigen Anreize, um Angebote bzw. Nachfrage zu mobilisieren, was gerade in (nicht netzbedingten) Engpasssituationen die Versorgungssicherheit erhöht. 4

Denn ein knappheitsbedingt hohes Preisniveau führt dazu, dass gegebenenfalls zusätzliche Erzeugungsbzw. Speicherkapazitäten am Markt angeboten werden können. Gleichzeitig üben die Großhandelspreise eine wichtige längerfristige Signalwirkung auf Investitionen aus. Insbesondere im europäischen Kontext kann der Energiehandelsmarkt auch ein Lenkungssignal dar­ stellen; d. h. er gibt nicht nur Hinweise, ob investiert werden soll, sondern auch wo. Eine Hauptaufgabe des Großhandels im liberalisierten Energiemarkt besteht darin, dass die gehandelten Produkte ein effizientes Risikomanagement (insbesondere Preis- und Mengensicherung) ermöglichen und zwar für Erzeuger wie auch für Konsumenten. Für einen effizienten Umgang mit den Chancen und Risiken des liberalisierten Energiemarktes ist es daher essenziell, die jeweiligen Geschäftsrisiken zu identifizieren, zu bewerten und zu bewirtschaften. Der Energiehandel ermöglicht dabei die Bewertung der Risiken und deren Bewirtschaftung durch die Möglichkeit zum effizienten Risikotransfer. Ohne einen funktionierenden und liquiden Energie­ handel, der die Chance der Positionsabsicherung bietet, wären sowohl Energieversorgungsunternehmen als auch Nachfrager in einem liberalisierten Markt erheblichen systematischen Preis- und Mengenrisiken ausgesetzt. Der Transfer dieser Risiken, z. B. über Absicherungsprogramme (Hedging), führt im Übrigen auch zu einer weiteren Intensivierung des Wettbewerbs, da ein liquider Großhandel es Vertrieben ermöglicht, ihren Energiebedarf effizient und marktbasiert decken zu können. Dass der Markt eine effiziente Positionssteuerung aufgrund von fundamentalen Ereignissen erlaubt, hat sich mit der Verkündung des Kernkraft-Moratoriums gezeigt: Die fundamentale Veränderung führte im März 2011 zu einem nachvollziehbaren Preisanstieg bei deutlich gestiegener Liquidität – nicht jedoch zu drastischen Ausschlägen oder gar Versorgungsengpässen.

Bevor Strom und Gas physisch geliefert werden, werden sie am Terminmarkt gehandelt. Die sog. Churn-Rate beschreibt die Umschlaghäufigkeit und

ist damit ein Indikator für die Liquidität. Ein liquider Terminhandel dient der Optimierung der Beschaffung, nicht aber der Erzielung spekulativer Gewinne.


16   |   Wettb ewerb 2 0 1 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Handelsplätze für Strom und Gas

Der deutsche Stromgroßhandelsmarkt hat eine Schlüsselstellung in der EU. Als liquidester Stromgroßhandelsmarkt Europas dient er als maßgebliche Referenz: Der Grundlastkontrakt für das Folgejahr (aktuell Cal’13 Base) hat seine Rolle als Benchmarkkontrakt für Strom in Kontinentaleuropa weiter ausgebaut – analog z. B. dem Brent-Frontmonatskontrakt für Nordseeöl an der britischen ICE-Börse oder dem Gas-Frontmonat am britischen NBP („National Balancing Point“) oder dem niederländischen TTF („Title Transfer Facility“).

für das BEB Marktgebiet (heute Gaspool) im Juli 2007 durch die European Energy Exchange AG (EEX) möglich. Im Oktober 2007 wurde das EGT-Marktgebiet (heute NCG) integriert. Im Oktober 2008 schlossen sich das Marktgebiet der EGT und das Marktgebiet der bayernets erstmalig zu einem gemeinsamen Markgebiet zusammen und integrierten in den folgenden Jahren weitere Marktgebiete (GRTGas, Thyssengas, GVS/Eni) bis zur heutigen Ausgestaltung des NCG als qualitätsübergreifendes Markgebiet.

Die Entwicklung eines funktionierenden deutschen Gasgroßhandelsmarktes musste aufgrund der ursprünglich bestehenden Vielzahl von Gasmarktgebieten einige große Hürden nehmen. Durch die Marktgebietszusammenlegungen im deutschen Gasmarkt der letzten drei Jahre haben sich in Deutschland zwei wesentliche virtuelle Handelspunkte, NetConnect Gemany (NCG – vormals EGT) sowie Gaspool (vormals BEB), etabliert. Der Handel von standardisierten Produkten ist mit der Etablierung einer Spot-Handelsplattform

Die Reduktion der Marktgebiete von 15 im Oktober 2007 auf zwei im Jahr 2011 sowie weitere regulatorische Änderungen haben das Gashandelsgeschäft stark intensiviert. Dieser Prozess konnte aufgrund von konstruktiver Beteiligung der betroffenen Unternehmen zwei Jahre eher abgeschlossen werden als nach geltender Verordnung erforderlich. Mittlerweile sind die beiden deutschen Marktgebiete, NetConnect Germany (NCG) und Gaspool, die Handelspunkte mit dem größten Wachstum in Europa. Von 2006 bis 2010 hat sich das Handelsvolumen in Deutschland mehr als verhundertfacht (2006: 16,1 TWh pa, 2010: 1704,3 TWh pa) (Quelle NCG, Gaspool Website).5 Bedingt durch die bedeutende Erdgasproduktion in den Niederlanden hat sich mit dem TTF in den Niederlanden ein sehr wichtiger Handelsplatz für Erdgas etabliert. So ist der liquide virtuelle Handelsplatz TTF durch eine sehr internationale Teilnehmerstruktur gekennzeichnet. Auch viele deutsche Marktteilnehmer sind dort aktiv. Wesentlich zur Etablierung der Marktplätze für Strom und Gas beigetragen hat die Vielfalt der Marktteil­neh­ mer (Regionalversorger, Stadtwerke, reine Ver­trie­be und Handelsunternehmen, Erzeuger, aber auch Global Player aus dem Gas- und Ölbereich sowie Finanzdienst­ leister), die auch in Zeiten volatiler Marktpreise für Liquidität sorgen. Außerdem begünstigt insbesondere die deutsche Einheitspreiszone die Ausbildung einer hohen Liquidität.

5

Quelle: EGT 2011, Prospex


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s c h e E n e rg i e m a r kt?  |   17

EPEX SPOT Marktgebiete

Quelle: EPEX SPOT, 2012

Neben einem liquiden Terminmarkt ist auch ein funktionierender und liquider Spotmarkt ein wichtiger Indikator. Im Strombereich haben die französische Börse Powernext und die European Energy Exchange in Leipzig ihre Stromspotmarktaktivitäten für Deutschland und Frankreich gebündelt und in einem grenzüberschreitenden Joint Venture namens European Power Exchange (EPEX SPOT) mit Sitz in Paris zusammengeführt. EPEX SPOT ist darüber hinaus in Österreich und in der Schweiz aktiv und bildet somit den Nukleus für den Spotmarkt in der Region Zentralwesteuropa CWE (DE-FR-BeNeLux).


18   |   Wettb ewerb 201 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Entwicklung der Liquidität Die Handelsvolumina sowohl im Strom- als auch im Gasbereich haben sich seit Beginn der Liberalisierung kontinuierlich erhöht.

Die Bedeutung des Energiehandels in Europa hat auch im Jahr 2010 nochmals zugenommen. Auf schätzungsweise mehr als 10.600 TWh beläuft sich der Elektrizitätshandel in Deutschland. Im Gasgroßhandel wurden ca. 1.686 TWh gehandelt. Der Energiehandel ist sowohl für Energieerzeuger bzw. Energieproduzenten als auch große Nachfrager ein wichtiges Instrument, um sich gegen Energie­preisschwankungen abzusichern (sog. Hedging). Die Bedeutung des Elektrizitäts- und Gashandels steigt zudem, weil gerade kleine und kommunale Unternehmen durch eine flexi­blere Handelsstrategie Wettbewerbsvorteile bei der Belieferung von Kunden generieren können. Darüber hinaus spielt speziell der Börsenhandel eine zunehmende Rolle bei der Integration der erneuerbaren Energien. Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011, S. 78

Der außerbörsliche Großhandel von Gas hat sich, wie die Bundesnetzagentur bestätigt, sehr gut entwickelt: „Im Vergleich zu anderen wichtigen europäischen Handelsplätzen in Kontinentaleuropa wurden an den sechs deutschen Handelsplätzen mit 1.686.670 GWh die höchsten Mengen umgesetzt. Eine Entwicklung, die auch durch die jüngsten Analysen des laufenden Jahres 2011 bestätigt wird.“ 6 Der Gashandel an den europäischen Hubs zeigt insgesamt ein deutliches Wachstum. Die beiden deutschen Gas-Hubs NCG und Gaspool haben dabei in Bezug auf das gehandelte Volumen den niederländischen TTF mittlerweile erreicht. Wachstumsraten des Handels an den europäischen Hubs von jährlich rund 50 Prozent sind Ausdruck des Vertrauens der Händler in die Liqui­ dität und Zuverlässigkeit dieser Hubs und vor allem auch der beiden deutschen Handelspunkte.

6

Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011, S. 62

Rund 200 bcm Erdgas wurden in 2011 an NCG und Gaspool gehan­delt, dies war mehr als das Doppelte des deutschen Gasverbrauchs.

Die börslich gehandelten Gasmengen fallen dagegen prozentual nach wie vor bescheiden aus. Aufgrund der hohen Zuwachsrate und im europäischen Quervergleich kommt die Bundesnetzagentur dennoch zu einer positiven Einschätzung: „Im Vergleich zu anderen europäischen Börsen hat die EEX eine tragende Rolle eingenommen. Die Ende Mai 2011 durchgeführte Erweiterung der Handelsplätze um den niederländischen TTF, die Einführung des 24 / 7 Handels sowie die Herabsetzung der Mindestkontraktgröße von zehn MW auf ein MW lassen eine weitere Steigerung der Handelsliquidität erwarten.“ 7

7

Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011, S. 63


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s c h e E n e rg i e m a r kt?  |   19

Handelsvolumina am Spotmarkt für Gas 2009 – Feb. 2012

Handelsvolumina am Spotmarkt für Gas, Quelle: EEX, 2012

OTC Handelsvolumina (1999-2011) an den wesentlichen europäischen Hubs 700 bcm

CEGH

600 bcm

TTF

GRTgaz

TIGF

PSV

huberator

GasPool

NCG

500 bcm

400 bcm

300 bcm

200 bcm

100 bcm

OTC Handelsvolumina (1999-2011) an den wesentlichen europäischen Hubs Quelle: Heather, Oxford Institut for Energy Studies, „Continental European Gas Hubs: Are they fit for purpose?“, 2012

2011

2010

2009

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

1999

0 bcm


20   |   Wettb ewerb 201 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Handelsvolumina am Spot- und Terminmarkt für Erdgas in TWh

Entwicklung des Handelsvolumens am Spot- und Terminmarkt für Erdgas an der EEX Quelle: EEX Unternehmens- und Produktbroschüre

Der börsliche Spothandel im Strommarkt an EEX und später EPEX SPOT ist seit seinem Beginn kontinuierlich durch jährliche Zuwachsraten gekennzeichnet. Im mehrjährigen Mittel trifft dies auch auf den Strom-Terminmarkt zu.

Handelsvolumina am Spot- und Terminmarkt für Strom in TWh

Handelsvolumen am Terminmarkt für Strom, Quelle: EEX, 2011


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s c h e E n e rg i e m a r kt?  |   21

Dieser Liquiditätszuwachs war keine Selbstverständlichkeit. Andere europäische Großhandelsmärkte erlebten im gleichen Zeitraum durchaus eine rückläufige Entwicklung. Nach kontinuierlichem Anstieg ist das Handelsvolumen aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise seit dem Jahr 2011 sowohl im Strom- als auch im Gasbereich allerdings wieder etwas gesunken.

Auf dem Markt für die Speicherung von Gas macht sich der mittler­weile erfolgte Kapazitätszubau mit zunehmenden frei verfügbaren Kapazitätsprodukten bemerkbar und sorgt für Liquidität im Speicher­­angebot. Dies belegen auch die auf der Auk­tions­­ plattform store-x registrierten Angebote, deren Umfang 2011 sehr stark angestiegen ist.

Handelsvolumina am Spot- und Terminmarkt für Strom in TWh

Handelsvolumen am Spotmarkt für Strom 8, Quelle: EPEX SPOT, 2012

Gesamtvolumen in Zentraleuropa in 2010

Die Entwicklung des deutschen Erdgashandelsmarktes bestehend aus den sechs deutschen Marktgebieten im Vergleich zu anderen kontinentaleuropäischen Handels­plätzen. Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011, Datenbasis: Huberator, GTS, CRE

8

Der Spotmarkt für Strom wird seit 2009 durch die gemeinsame Gesellschaft EPEX SPOT SE betrieben, an der EEX AG und Powernext SA,

die jeweils 50 Prozent der Anteile halten.


22  |   Wettb ewerb 2 0 1 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Churn-Rates im europäischen Vergleich Neben dem Handel über die verschiedenen europäischen Börsen finden die Handelsaktivitäten im Strommarkt hauptsächlich über außerbörsliche Handelsplattformen (Broker; „over-the-counter OTC“) statt. Seit der Liberalisierung sind die Handelsvolumina in den verschieden EU-Ländern gestiegen. Allerdings ist durchaus eine unterschiedliche Trendentwicklung zu erkennen, was u. a. auch an der Festlegung der notwendigen regulatorischen Rahmenbedingungen liegt. Zwischenzeitlich zeigt der deutsche Stromgroßhandelsmarkt die größte Churn-Rate auf, d. h. das Verhältnis zwischen Handelsvolumen und physischem Verbrauch.

Im europäischen Vergleich haben gehandelte Volumina und Churn-Rates der deutschen Gashandelspunkte NCG und Gaspool noch Aufholbedarf, die deutliche Aufwärtstendenz ist jedoch erkennbar. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass ein Teil der Liquidität des niederländischen Handelspunktes TTF auch daher rührt, dass hier ebenfalls deutsche Marktteilnehmer aktiv sind.

Stromgroßhandel: Churn-Rates 2008/2009

9,4

Germany 6,1

Nordic 4,2

Major markets total 3,6

UK 2,9

Netherlands 1,8

Spain Italy

1,2

France

1,1

Stromgroßhandel: Churn-Rates 2008/09

9

Quelle: BDEW, Office of the Gas and Electricity Markets (OFGEM) “Liquidity Proposals for the GB wholesale electricity market” 2010

9

OFGEM publiziert Churn-Rates nicht auf regelmäßiger Basis. Die im Jahr 2010 für 2008/09 erhobenen Daten dürften zwar aufgrund der Weltwirtschaftskrise

geringer ausgefallen sein. Dennoch geben sie einen guten Vergleich über die Umschlaghäufigkeit an einzelnen Handelspunkten oder in einzelnen Märkten.


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s c h e E n e rg i e m a r kt?  |   23

Handelsvolumen an kontinentaleuropäischen Hubs

Handelsvolumen an kontinentaleuropäischen Hubs, Quelle: ICIS Heren, European Gas Hub Report Q4 2011

OTC Churn-Rates

OTC Churn-Rates, Quelle: ICIS Heren, European Gas Hub Report Q4 2011

Entwicklung Intraday-Handel Neben dem sogenannten Day-ahead Markt (Handel heute für morgen) ist auch der Intraday-Markt (Handel heute für heute) ein wichtiges Marktsegment, welches gerade wegen des rasant zunehmenden Ausbaus der erneuerbaren Energien an Bedeutung gewinnt. Er ist notwendig, um kurzfristige Prognoseabweichungen zu managen. Die Entwicklung des kurzfristigen Handels „heute für heute“ trägt maßgeblich zur Integration der Erneuerbaren bei.

Seit 2009 wird der Intraday-Handel von der EPEX SPOT organisiert. EPEX SPOT ist mit derzeit knapp 18 TWh der wichtigste Intraday-Marktplatz Europas geworden. Dabei macht Deutschland mit rund 16 TWh den größten Anteil aus. Wesentlicher Grund hierfür ist die Vermarktung der erneuerbaren Energien über den Handelsmarkt.


24  |   Wettb ewerb 2 0 1 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Intraday-Volumina EPEX SPOT DE und FR

Intraday-Volumina EPEX SPOT DE und FR, Quelle: EPEX SPOT, 2012

Grenzüberschreitender Intraday-Handel EPEX SPOT

Grenzüberschreitender Intraday-Handel EPEX SPOT, Quelle: EPEX SPOT, 2012


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s c h e E n e rg i e m a r kt?  |   25

Regelenergiemarkt Strom/Gas

Kapazitätsplattformen Gas

Gemäß Stromnetzzugangsverordnung sind die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber seit 2007 verpflichtet, die drei Regelenergiequalitäten (primär, sekundär, Minutenreserve) in einer gemeinsamen, anonymisierten regelzonenübergreifenden Ausschreibung über eine Internetplattform10 zu beschaffen. Über Poolbildung können auch Kleinerzeugungsanlagen am Regelenergiemarkt teilnehmen.

Im August 2011 wurde die Primärkapazitätsplattform (PKP) der Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) in Betrieb genommen. Die damit einhergehende Standardisierung von Produkten und Prozessen stellt für Transportkunden eine erhebliche Erleichterung dar. Durch die Vereinheitlichung wesentlicher Vertragstexte ist der Monitoring-Aufwand gesunken. Einheitliche Kapazitätsprodukte und wichtiger noch gleiche Vergabemechanismen, schaffen zudem einen leichteren Zugang zum Markt für Leitungskapazität. Die Nachfrage nach Kapazitäten ist derzeit noch sehr gering (ca. 12,7 Pro­ zent der angebotenen Menge findet Käufer11). Es bleibt zu hoffen, dass durch den Day-ahead Handel ein weiterer Zuwachs zu verzeichnen sein wird. Langfristig bekannte Auktionstermine schließlich erleichtern die Planung.

Infolge der Einführung einer einheitlichen Berechnungsmethodik für die Sekundärregelung und die Minutenreserve durch die Bundesnetzagentur hat sich der ausgeschriebene Bedarf an Regelenergie mittlerweile verringert. Weder Bundeskartellamt (Sektoruntersuchung 2011) noch die Monopolkommission sehen angesichts des geltenden Regelwerks Änderungsbedarf bei der Regelenergiebeschaffung. Der Regelenergieeinsatz im Gasnetz folgt den Vorgaben der Gasnetzzugangsverordnung und dem von der Bundesnetzagentur festgelegten „Grundmodell der Ausgleichsleistungs- und Bilanzierungsregeln im Gassektor (GABi Gas)“. Für den Markt relevant ist vor allem die so genannte „externe Regelenergie“, die jedoch nur zum Einsatz kommt, wenn die interne Regelenergie zur Lösung netzrelevanter Probleme nicht ausreicht. Externe Regelenergie beschaffen die Marktgebietsverantwortlichen jeweils in einem transparenten, marktorientierten und nicht diskriminierenden Verfahren. Nach einer entsprechenden Ausweitung der Handelszeiten auf einen 24 / 7-Gashandel beschaffen die Marktgebietsverantwortlichen fast die vollständige Regelenergiemenge an der EEX und an dem niederländischen TTF.

10

https://www.regelleistung.net

11

TRAC-X primary, Evaluierungsbericht 2011/2012, S. 20

12

https://secondary.trac-x.de/tracx/index.do

Es bleibt somit noch viel zu tun. Den gesetzlichen Anspruch der Massentauglichkeit erfüllt die Primärkapazitätsplattform derzeit noch nicht: So kann insbesondere auch bei der Bedienungsfreundlichkeit (gegebenenfalls allg. Benutzerfreundlichkeit) der Plattform noch viel verbessert werden, wie der Provider TRAC-X in einem veröffentlichten Evaluierungsbericht darstellt. Neben dem Primärmarkt für Kapazitäten existiert die Sekundärhandelsplattform TRAC-X secondary.12 Über TRAC-X secondary können Händler Transportkapazitäten an andere Händler weiterveräußern, d. h. sekundär vermarkten. Es können sowohl Day-ahead-Kapazitäten als auch Long-Term-Kapazitäten gehandelt werden. Im Day-ahead-Bereich der Plattform ist der kurzfristige Handel mit grenzüberschreitenden festen Transportkapazitätsrechten für den jeweils folgenden Tag möglich, im Long-Term-Bereich sind langfristige Transportkapazitäten handelbar. Auch hier wird stetig an einer Verbesserung und Massengeschäftstauglichkeit gearbeitet. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit den entsprechenden Stakeholdern.


26   |   Wettb ewerb 201 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Konvergenz der nationalen Gasmärkte Ähnlich wie im Strommarkt wachsen die nationalen Gasmärkte in Kontinentaleuropa zunehmend zusammen. Dies lässt sich an der hohen Korrelation der Preise an den wesentlichen europäischen Gas-Hubs sehr gut ablesen. Die hohe Preiskorrelation zeigt, dass die Gasmärkte in Europa (Ausnahme Italien und Österreich) mittler­weile sehr eng miteinander verbunden sind und die Preisdifferenzen zwischen den Märkten sich stark abgebaut haben. Das weitere Zusammenwachsen der Märkte durch eine grenzüberschrei­tende Kooperation der Übertragungsnetzbetreiber und der Regulierungsbehörden (Stichwort Gas Target Model) sowie europaweites Handeln der Handelsgesellschaften werden die Entstehung des europäischen Gasmarktes weiter stützen.

Forward-Notierungen an den europäischen Gas-Hubs 2012

34

32

30

PSV CEGH Czech

28 €/MWh

PEG Gaspool NCG

26

Zeebrugge TTF NBP

24

22

20

2

01

1.2

.0 03

12

.20

.01

10

12

.20

.01

17

12

.20

.01

24

12

.20

.01

31

12

.20

.02

07

12

.20

.02

14

12

.20

.02

21

12

.20

.02

28

12

.20

.03

06

12

.20

.03

13

12

.20

.03

20

12

.20

.03

27

Forward-Notierungen an den europäischen Gas-Hubs 2012 Quelle: Heather, Oxford Institute for Energy Studies, „Continental European Gas Hubs: Are they fit for purpose?“, 2012


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s c h e E n e rg i e m a r kt?  |   27

Die Entstehung regionaler Stromgroßhandelsmärkte in Europa Schon seit Jahrzehnten waren die nationalen Netze durch Interkonnektoren miteinander verbunden. Dies diente primär der Netzsicher­heit. Mit der Liberalisierung kam der grenzüberschreitende Stromhandel hinzu. Er traf jedoch auf systembedingte Einschränkungen. Mit der Kopplung von Märkten ist nun etwas qualitativ Neues entstanden.

In der Vergangenheit waren der Handel von Strom an der Börse und die Nutzung von grenzüberschreitenden Über­tragungskapazitäten zwei gänzlich voneinander getrennte Aktivitäten. Die natio­nalen Strom­groß­handelsmärkte wurden separat von einander betrieben ohne Berücksichtigung grenz­über­ schrei­tender Handels­mög­­lichkeiten. Bei der Marktkopplung (Market Coupling) werden diese beiden Berei­che miteinander verknüpft, indem grenzüberschreitenden Übertragungskapa­zi­tä­ten bereits bei der Bestimmung der Börsenergebnisse berücksichtigt werden. Zuvor war es für Stromhändler, die beispielsweise in Deutschland produzierten Strom in Frankreich verkaufen wollten, erforderlich, nicht nur ein Stromhandelsgeschäft abzuschließen, sondern auch dementsprechende Übertragungskapazitäten zu erwerben. Diese Separierung wies erhebliche Nachteile auf. So konnte es vorkommen, dass im Falle von Engpässen auf den grenzüberschreitenden Leitungen nicht ausreichend Übertragungskapazität erworben werden konnte oder dass Kapazitäten erworben wurden, die aufgrund eines niedrigeren Strompreises im Zielland letztlich wertlos wurden. Derartige Ineffizienzen verhindert die Marktkopplung. Ein grenzüberschreitendes Stromhandelsgeschäft kommt nur zustande, wenn entsprechende Übertragungskapazitäten zur Verfügung stehen und das Geschäft ökonomisch sinnvoll ist. Die Marktkopplung führt im Ergebnis zu einer Angleichung der Preise an den Strombörsen. Diese sind unter anderem darauf zurückzuführen, dass die grenzüberschreitenden Übertragungskapazitä­ten bei der Preisbestimmung bisher kaum eine Rolle spielten. Handelsmöglichkeiten blieben ungenutzt und die hohen Preisunterschiede spiegelten die energiewirtschaftlich ineffiziente Nutzung der Über­ tragungs­kapazitäten wider. Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011, S. 32

Alle relevanten Akteure in Deutschland haben sich intensiv und konstruktiv an der Kopplung der Märkte beteiligt.

Nach der im November 2009 erfolgreich gestarteten Marktkopplung zwischen Deutschland und dem nordischen Markt stand für das Jahr 2010 die Einführung einer Marktkopplung in der Region CWE auf der Agenda. Eine besondere Herausforderung war es hierbei, die beiden Marktkopplungen gut auf­ein­ ander abzustimmen. Für einen reibungslosen Start war eine umfangreiche Koordinierung der beiden Projekte notwendig, da die beiden Verbünde operativ noch unterschiedlich organisiert sind. Gerade für Deutschland, das die Schnittmenge beider Projekte bildet, war diese Koordinierung besonders wichtig. Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011, S. 102


28   |   Wettb ewerb 2 0 1 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Am 9. November 2010 ist mit der Kopplung der Strommärkte Nordwesteuropas (Deutschland, Frank­reich, Benelux und Skandinavien) ein Meilenstein zur Integration der Strommärkte in der Europäischen Union erreicht worden. Seitdem sind die nationalen Stromspotmärkte von neun Ländern auf Großhandels­ebene miteinander gekoppelt. Der BDEW hat diese Entwicklung über die so genannte „Market Parties Platform“ (MPP) gefördert. Die damit erwarteten positiven Auswirkungen durch optimale Nutzung der Grenzübergangskapazitäten auf die Marktergebnisse haben sich erfüllt. So lässt sich mittlerweile in ca. 70 Prozent der Stunden Preis-

gleichheit in Deutschland, Frankreich und Benelux beobachten. Davor war dies in weniger als einem Prozent der Stunden eines Jahres der Fall.13 Seit dem Start der Marktkopplung in Zentralwesteuropa ist eine starke Konvergenz der Großhandelsmarktpreise zu beobachten. Auch wenn der beschleunigte Kernenergieausstieg in Deutschland sich dämpfend auf die Preiskonvergenz ausgewirkt hat, lagen die Zeitintervalle, in denen sich im Großhandelsspotmarkt völlige Preisgleichheit zwischen Belgien, den Nieder­ landen, Luxemburg, Frankreich und Deutschland einstellte, im Schnitt bei 63 Prozent.

CWE Market Coupling: Preiskonvergenz

FR=DE= Month DE=FR DE=NL DE=BE FR=BE FR=NL NL=BE FR=DE=BE FR=BE=NL FR=DE=NL DE=BE=NL BE=NL Divergence 11 70% 99% 72% 97% 70% 72% 70% 70% 69% 71% 69% 0,0% 2010 12 45% 70% 46% 98% 67% 68% 45% 67% 45% 46% 45% 0,0% 1 77% 83% 77% 100% 89% 89% 77% 89% 76% 76% 76% 0,0% 2 76% 82% 76% 97% 86% 87% 76% 86% 76% 76% 76% 1,8% 3 73% 89% 72% 96% 76% 76% 72% 76% 72% 72% 72% 3,2% 4 73% 85% 73% 100% 70% 70% 73% 70% 67% 67% 67% 0,0% 5 65% 94% 65% 100% 65% 65% 65% 65% 64% 64% 64% 0,0% 6 44% 91% 44% 99% 42% 43% 44% 42% 41% 41% 41% 0,0% 2011 7 48% 93% 49% 99% 49% 49% 48% 49% 48% 48% 48% 0,0% 8 53% 91% 53% 98% 55% 53% 53% 53% 53% 52% 52% 0,0% 9 73% 94% 73% 100% 76% 76% 73% 76% 72% 72% 72% 0,0% 10 82% 93% 82% 100% 86% 86% 82% 86% 82% 82% 82% 0,0% 11 82% 92% 82% 99% 88% 88% 82% 88% 82% 82% 82% 0,0% 12 63% 72% 63% 100% 75% 75% 63% 75% 60% 60% 60% 0,0% 1 63% 66% 64% 99% 68% 69% 63% 68% 54% 54% 54% 0,0% 2 21% 66% 33% 67% 26% 47% 19% 26% 18% 32% 18% 3,0% 2012 3 52% 55% 51% 93% 73% 80% 50% 73% 47% 49% 47% 0,1% 4 73% 72% 73% 100% 77% 77% 73% 77% 64% 64% 64% 0,0% 5 72% 49% 72% 100% 48% 48% 72% 48% 42% 42% 42% 0,0% Total 63% 80% 64% 97% 68% 69% 63% 67% 59% 60% 59% 0,4%

Year

CWE Market Coupling: Preiskonvergenz, Quelle: EPEX SPOT, 2012

13

Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011, S. 31 und 102


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s ch e E n e rg i e m a rkt?  |   29

Preiskonvergenz im deutschen und niederländischen Markt

Preiskonvergenz im deutschen und niederländischen Markt, Quelle: ECOFYS 2012, Daten von Platts

Ein Blick auf die Entwicklung der Preisunter­schiede zwischen den Niederlanden und Deutschland zeigt exemplarisch, dass die Einführung der Marktkopplung einen Quantensprung bewirkt hat. Waren die Großhandelspreise zuvor oft in wenigen Prozent aller Stunden eines Jahres deck­ungsgleich, so hat sich das Bild mit der Einführung der Marktkopplung umgedreht.

Aktuelle Marktkopplung mit Nachbarstaaten

Aktuelle Marktkopplung mit Nachbarstaaten, Quelle: Europex, 2012

Die EU-Kommission und die Agentur für die Zusammen­ arbeit der europäischen Energieregulatoren (ACER) streben eine Kopplung der Spotmärkte als Zielmodell für die gesamte EU bis 2014 an; dies hat sich auch der Europäische Rat zu Eigen gemacht. Allerdings sind bis dahin noch zahlreiche Hürden zu bewältigen, denn noch ist es ein großer Schritt, die unterschiedlichen Entwicklungsstufen der Marktkopplung in Europa zu harmonisieren und zusammenzuführen.


30   |   Wettb ewerb 2 0 1 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Die Verbesserung der Nutzung der Grenzkuppelstellen für den untertäglichen grenzüberschreitenden Stromhandel bildete ein weiteres Schwerpunktthema speziell in der Region CWE. Am 14. Dezember 2010 wurde an der Grenze D/FR ein System installiert, das auch eine implizit kontinuierliche Kapazitätsvergabe erlaubt und damit den deutschen und den französischen Intradaymarkt koppelt. Parallel dazu bleibt ein expliziter (direkter) Nutzungszugriff für bilaterale Handelsgeschäfte bestehen. Die ersten Ergebnisse zeigen einen klaren Erfolg des Modells. Sowohl die Handelsvolumina als auch die Zahl der Marktteilnehmer ist deutlich angestiegen. Die implizite und explizite Kapazitätsnutzung ergänzen sich und bieten die not­ wen­dige Flexibilität, um unterschiedliche Marktbedürfnisse zu erfüllen. Neben bilateralen Projekten arbeiten ÜNB, Börsen und Regulierer derzeit unter Einbeziehung der auf europäischer Ebene stattfindenden Expertengremien an einem Konzept für die Etablierung eines gemeinsamen implizit kontinuierlichen Kapazitätsvergabemodells für die Regionen CWE, NE und Großbritannien. Dieses Projekt wird faktisch zu einer Kopplung der genannten Märkte auch im untertäglichen Handel führen. Die Implementierung wird nach derzeitigen Plänen bis Ende 2012 angestrebt. Falls das geplante Modell wie vorgesehen auch den Nukleus für ein gesamteuropäisches Modell bildet, wird die Region CWE hier auch wieder eine Vorbild- und Wegweiserfunktion für die Integration des gesamteuropäischen Strommarkts übernommen haben. Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011, S. 102

Entwicklungsstand der langfristigen Vergabe von Engpasskapazitäten – Strom

Regionaler Terminmarkt über CASC Auch der grenzüberschreitende Terminmarkt ist von großer Bedeutung. Gerade für Absicherungsgeschäfte, die grenzüberschreitend getätigt werden sollen, sind feste Kuppelkapazitäten erforderlich. Hierzu wurde unter maßgeblicher Beteiligung aller deutschen Übertragungsnetzbetreiber die Capacity Allocation Service Company (CASC) mit Sitz in Luxem­­ burg gegründet. Dort werden durch die Über­tra­gungs­ netz­betreiber Interkonnektor-Kapazitäten auf Termin verauktioniert (Jahr / Monat). Dies erfolgt seit 2009 für Frankreich / Benelux / Deutsch­land und wurde inzwischen kontinuierlich er­wei­tert um die Grenzen von Italien, der Schweiz und Teilen Skandi­na­viens.

Current level of development on long term – Electricity, Quelle: Everis und Mercados EMI, 2010


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s c h e E n e rg i e m a r kt?  |   31

Fokus wettbewerbliche Marktstruktur

Eine hohe Anzahl von Marktteilnehmern auf den verschiedenen Stufen der energiewirtschaftlichen Wertschöpfungskette ist u. a. ein Zeichen für funktionierenden Wettbewerb, die Abwesenheit von Marktschranken und eine Bestärkung für die Entwicklung des Wettbewerbs auf den nachgelagerten Wertschöpfungsstufen. Darüber hinaus sorgt eine hohe Anzahl von Marktteilnehmern dafür, dass einzelne Unternehmen keine Markmacht aufbauen können und dadurch den Wettbewerb verzerren. Im europäischen Vergleich ist die Anbieteranzahl in

Deutschland auf allen Stufen der energiewirtschaftlichen Wertschöpfungskette sehr hoch. Die stetig steigende Anzahl ausländischer Marktteilnehmer unterstreicht dabei die Attrakti­vi­tät der deutschen Energiewirtschaft und den dis­kriminie­rungsfreien Zugang zu den einzelnen Teil­märkten. Auch die Bundesnetzagentur kommt in ihrem Monito­ring­bericht 2011 zu diesem Schluss und stellt fest, dass die hohe Anzahl an Wettbewerbern zeigt, dass die notwendigen Rahmenbedingungen für einen wirk­samen und unverfälschten Wettbewerb vorliegen.

Vielfalt im Energiemarkt

rd. 300

Stromerzeuger (> 1 MW)

rd. 920

Stromnetzbetreiber rd. 140

Stromhändler

rd. 1.100

Stromlieferanten Erdgasfördergesellschaften

5 rd. 720

Gasnetzbetreiber Gasspeichergesellschaften Gashändler

23 rd. 60 rd. 850

Gaslieferanten rd. 530

Fernwärmeerzeuger Fernwärmenetzbetreiber

rd. 410

Fernwärmelieferanten

rd. 560

Zahl der Unternehmen in den einzelnen Marktbereichen, Addition nicht möglich, da viele der Unternehmen in mehreren Sparten und auf mehreren Wertschöpfungsstufen tätig sind und somit mehrfach erfasst wurden; teilweise gerundet Quelle: BDEW, 2011


32  |   Wettb ewerb 201 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Marktanteile in der Erzeugung Die Marktanteile der „großen Vier“ in der deutschen Stromerzeugung haben sich in den vergangenen drei Jahren erheblich verringert. Dafür waren die folgenden Entwicklungen ursächlich:

• Verkauf von Erzeugungskapazität durch E.ON in Höhe von 4.800 MW; • Erheblicher Zuwachs in der Produktion aus erneuerbaren Quellen (aktuell ca. 20 Prozent des deutschen Stromverbrauchs); • Stillsetzung von 8.400 MW Kernkraftwerkskapazität durch die Novelle des AtG; • Stärkerer Stromaustausch unter anderem durch Etablierung des Central West Europe Market Coupling seit November 2010 zwischen Fr, D, BeNeLux für Day-ahead-Produkte und Optimierung der Net Transfer Capacity.

Der beschleunigte Kernkraftausstieg wirkte sich darüber hinaus massiv auf den Anteil der installierten Strom­­er­zeu­­ gungs­leis­tung der vier Großen aus: nach dem Moratorium ver­fügen darüber hinaus die vier großen Stromerzeuger Deutschlands, RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall, nur noch über 46,9 Prozent der Stromerzeugungsleistung. Insgesamt gibt es der­zeit unter Berücksichtigung von Kraftwerken größer 10 MW 126 vonein­ander unabhängige Kraftwerksbetreiber.14  Eine ähnlich hohe Erzeugervielfalt findet sich in der EU nur in Dänemark und in den Niederlanden.

Marktanteile im deutschen Stromerzeugungsmarkt

RWE 18,5 %**

EEG-Anlagen* 35%

Allgemeine Versorgung (ohne EEG-Anlagen) 59%

E.ON 12,3 %

Top 4: 46,9 %

VE 8,3 % EnBW 7,8 % Sonst.AV 11,9%

Industriekraftwerke 6%

Stromerzeugungsmarkt: Marktanteile an der verfügbaren installierten Kapazität (2011) in Deutschland *zählen sachlich ebenfalls zur Allgemeinen Versorgung, ** inkl. langfristiger Bezugsverträge Quellen: Unternehmensangaben, Geschäftsberichte, BDEW, 2011

14

Bundesnetzagentur, Kraftwerksliste Stand 02.07.2012,

berücksichtigt werden nur fossile Kraftwerke einschließlich Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen und Laufwasser-Kraftwerke.


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s ch e E n e rg i e m a rkt?  |   33

In seiner Sektorenuntersuchung vom Januar 2011 berücksichtigt das Bundeskartellamt die EEG-Strommengen nicht mit der Begründung, diese seien nicht wettbewerblich organisiert, sondern deren Vermarktung erfolge unabhängig von Mengen- und Preissig­na­len auf der Basis gesetzlicher Bestimmungen15. Dies ist zwar richtig, nichtsdestotrotz haben die EEG-Mengen durch ihr Mengenangebot direkten Einfluss auf die Preisbildung am Spotmarkt und beeinflussen sowohl den Marktpreis als auch den Einsatz, die Fahrweise und das Angebotsverhalten der konventionellen Kraftwerke. Daher wäre zumindest eine qualitative Berücksichtigung der EEG-Kapazitäten bei der Betrachtung des Erzeugungsmarktes angebracht. Jüngste öffentliche Äußerungen des Präsidenten des Bundeskartellamtes weisen darauf hin, dass ein Nachdenken über eine Ausweitung des relevanten Marktes stattfindet und die wettbewerblichen Entwicklungen nicht unbemerkt geblieben sind. Die Monopolkommission stellt in ihrem Sondergutachten 5916 die Kartellamtspraxis in Frage, den steigenden Anteil der EEG-bedingten Stromerzeu-

gung als eigenständigen Markt zu betrachten. Ferner regt die Monopolkommission an, über einen Zeitraum von zwei Jahren die Korrelation von Nettogroßhandelspreisen und den Engpässen an den Grenzkuppelstellen zu beobachten. Zeigen sich über diese Periode relativ homogene Bedingungen, so die Monopolkommission, sollte der räumlich relevante Markt entsprechend ausgedehnt werden. Aktuelle Untersuchungen17 zeigen eine Korrelation der Day-ahead-Spotmarktpreise von Deutschland mit den Nachbarstaaten von 60 Prozent (z. B. mit Nordpool) bis 80 Prozent und darüber (Frankreich, BeNeLux, Schweiz, Österreich). Bei der Marktkonzentration liegt Deutschland unter den europäischen Staaten auf einer guten Position. Sowohl beim Herfindahl-Hirschman-Index (HHI)18 als auch beim Anteil des größten Stromerzeugers spielt Deutschland in der Liga der früh liberalisierten Länder wie Großbritannien, d. h. die Konzentration in Deutschland gehört zu den Niedrigsten der EU.

Herfindahl-Hirschman-Index 2009

Herfindahl-Hirschman-Index 2009, Quelle: Europäische Kommission / DNK Weltenergierat, 2012

Bundeskartellamt, Sektorenuntersuchung, Abschlussbericht, S. 17

15

Monopolkommission, Sondergutachten 59, Ziffer 156

16

z. B. ESMT; „Electricity Wholesale Sector: Market Integration and Market Power“, Studie vom 13.01.2010; S. 30

17

Der Herfindahl-Hirschman-Index (Abkürzung: HHI, Zeichen: ) ist die am häufigsten genutzte Kennzahl zur Konzentrationsmessung in einem Markt. Der

18

Herfindahl-Hirschman-Index gibt an, wie stark die Unternehmenskonzentration in einem Markt ist. Bei einem Wert von 10.000 gibt es nur einen Monopolanbieter.


34  |   Wettb ewerb 201 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Marktanteil 2010 des größten Stromerzeugers Marktanteil 2010 des größten Stromerzeugers* 100% 90%

87%

85%

Marktanteil an der Stromerzeugung in %

80%

81%

79%

73%

70% 60% 50% 40%

28%

30%

28%

27%

24%

20%

21%

17%

Marktanteil 2010 des größten Stromerzeugers, Quelle: Eurostat, 2012

Im europäischen Vergleich wird besonders deutlich, dass Deutschland in der Stromerzeugung eine relativ geringe Marktkonzentration aufweist. Einige Desinvestitionen und der beschleunigte Kern­ ener­gie­ausstieg lassen erwarten, dass die HHI-Punktzahl für Deutschland abermals gesunken ist.

Frank­reich und Deutsch­land / Österreich) und die Marktkopplung mit Nordeuropa durch eine hohe, oft sogar sehr hohe Preiskonvergenz bemerkbar.

Deutschland ist intensiv in den europäischen Markt eingebunden. Dies ist zum einen dem hohen Anteil an Kuppelkapazitäten zum benachbarten Ausland ins­be­ son­dere in westlicher und südlicher Richtung ge­schul­ det. Zum anderen macht sich die Marktkopplung in Zentralwesteuropa (Belgien, Niederlande, Lux­emburg,

Während der in Zentralwesteuropa häufigen Phasen der Preisgleichheit macht es keinen Unterschied, ob eine Erzeugungsanlage im In- oder Ausland steht. Zu Recht wird daher immer wieder die Frage diskutiert, ob die Marktabgrenzung des Erzeugungsmarktes auf Deutschland noch adäquat ist.

Polen

Großbritannien

Spanien

Finnland

Italien

Deutschland

Tschechien

Belgien

Slowakei

Griechenland

0%

Frankreich

10%


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s ch e E n e rg i e m a rkt?  |   35

Physikalischer Stromaustausch Deutschlands mit seinen Nachbarländern 2011 in Mrd. kWh

Quelle: BDEW, 2012

Marktanteile von Strom-Vertrieben Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern hat Deutschland bereits im Jahr 1998 den Endkundenmarkt für Strom zu 100 Prozent für den Wettbewerb geöffnet. Seither hat es eine kontinuierliche Entwicklung gegeben. Inzwischen sind in Deutschland mehr als 1000 Stromvertriebe aktiv. Sowohl die Bundesnetzagentur als auch die Monopolkommission haben sich in ihren zuletzt veröffentlichten Berichten positiv über den Wettbewerb im deutschen Endkundenmarkt geäußert.

Der Marktanteil der vier größten Elektrizitätslie­fe­ ranten im gesamten Haushaltskundensegment geht kontinuierlich zurück. Mit Blick auf die Marktkonzentra­ tion spricht die Bundesnetzagentur in ihrem letzten Monitoringbericht von einer „Senkung um 6,3 Prozent­ punkte“ innerhalb der letzten zwei Jahre“: „Lag im Jahr 2008 der Anteil der vier größten Elektrizitätslieferanten im gesamten Haushaltskundensegment noch bei 50,1 Prozent und im Jahr 2009 bei 48,2 Prozent, so liegt er im Berichtsjahr 2010 bei 43,8 Prozent.“ 19

19

Bundesnetzagentur, Monitoringbericht, S. 46


36   |   Wettb ewerb 2 0 1 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Die Bundesnetzagentur spricht davon, dass „[…]unter anderem die hohe Zahl an Wettbewerbern [zeigt], dass die notwendigen Rahmenbedingungen für einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb im Segment Elektrizitätsendkundenmarkt vorliegen.“ Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011, S. 42

Der Marktanteil der vier größten Elektrizitätslieferanten im gesamten Haushaltskundensegment geht kontinuierlich zurück. Mit Blick auf die Marktkonzentration spricht die Bundesnetzagentur in ihrem letzten Monitoringbericht von einer Senkung um 6,3 Prozentpunkte innerhalb der letzten zwei Jahre: „Lag im Jahr 2008 der Anteil der vier größten Elektrizitätslieferanten im gesamten Haushaltskundensegment noch bei 50,1 Prozent und im Jahr 2009 bei 48,2 Prozent, so liegt er im Berichtsjahr 2010 bei 43,8 Prozent.“ 20

Marktanteile der Stromvertriebe RWE 16,8%

Übrige 43,1% EnBW 14,3%

Nach einer Erhebung von Eurostat liegt Deutschland im europäischen Vergleich mit der geringsten Marktkonzentration im Stromvertrieb an der Spitze. So lag 2009 der kumulierte Marktanteil der Stromvertriebe mit mehr als 5 Prozent Anteil am Stromabsatz an Letztverbraucher bei nur knapp über 40 Prozent. Lediglich drei Unternehmen verfügen bundesweit über einen Anteil von mehr als fünf Prozent im Stromendkundenmarkt.

E.ON 12,9% Stw. München 0,9% Stw. Hannover Vattenfall Europe RheinEnergie EWE 0,9% 4,5% 2,1% 1,6% N-ERGIE MVV Energie 1,2% 1,7%

Marktanteile 2009 (einschließlich konsolidierter Tochterunternehmen) an der Stromabgabe an Letztverbraucher (Stromabgabe an Letztverbraucher im Inland – Gesamte Stromversorgung) Quelle: Unternehmensangaben, BDEW, 2009

kumulierter Marktanteil 2010 der Stromvertriebe mit mehr als 5% Anteil am

Deutschland mit geringster Marktkonzentration im Stromvertrieb Stromabsatz an Letztverbraucher/Anzahl der Unternehmen >5%-Anteil

90%

1 1 2 2 2 7 5 4 1 6 6 4 3 3 5 1 5 3

80% 70%

5 3 1 4 7 8 8 3

60% 50%

3 5 3

40% 30% 20%

Norwegen

Deutschland

Italien

Schweden

Türkei

Polen

Rumänien

Estland

Spanien

Ungarn

Niederlande

Belgien

Bulgarien

Frankreich

Litauen

Slowakei

Tschechien

Luxemburg

Österreich

Großbritannien

Griechenland

Irland

Portugal

Lettland

Slowenien

Kroatien

EJR Mazedonien

0%

Malta

10% Zypern

kumulierter Anteil am Stromabsatz an Letztverbraucher in %

100%

Kumulierter Marktanteil 2010 der Stromvertriebe mit mehr als 5% Anteil am Stromabsatz an Letztverbraucher / Anzahl der Unternehmen > 5%-Anteil Quelle: Eurostat und BDEW, 2012, keine Angaben für Dänemark und Finnland vorhanden

20

Bundesnetzagentur, Monitoringbericht, S. 46


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s c h e E n e rg i e m a r kt?  |   37

Marktanteile von Ferngasunternehmen Gemäß der Unterscheidung des Bundeskartellamts lassen sich die Unternehmen der deutschen Gaswirtschaft unterteilen in Ferngas­ unternehmen mit Importbezug und Erdgasfördergesellschaften (überregionale Ferngasunternehmen), Ferngasunternehmen ohne eigene Förderquellen und Importbezug (regionale Ferngasunter­ nehmen) sowie Regional- und Ortsgasunternehmen (häufig Stadt­ werke). Der Marktanteil der fünf größten importierenden Ferngasunternehmen ist zwischen den Jahren 2008 und 2010 von 81,6 Prozent auf 72,9 Prozent gefallen.

Marktanteil 2010 des größten Vorlieferanten (Gasimport/inländ. Förderung)* Marktanteil 2010 des größten Vorlieferanten (Gasimport/inländ. Förderung)* 100%

100%100%100%100%

97% 97% 96% 94%

Marktanteil am Gasimport/ inländ. Förderung in %

90%

89% 78%

80% 70%

73% 73% 72% 70%

60%

52% 51% 48%

50%

44%

40%

41%

36% 36%

33%

30%

23%

20%

Marktanteil des größten Vorlieferanten (Gasimport/inländ. Förderung) Quelle: Eurostat, *keine Angaben für Niederlande, Luxemburg, Österreich, Dänemark und Türkei vorhanden, ** Angaben für 2009

Großbritannien

Ungarn

Deutschland**

Irland

Italien

Spanien

Rumänien

Litauen

Schweden

Belgien

Kroatien

Tschechien

Frankreich

Slowakei

Griechenland

Slowenien

Portugal

Polen

Bulgarien

Lettland

Finnland

Estland

0%

EJR Mazedonien

10%


38  |   Wettb ewerb 201 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Marktanteile von Gas-Vertrieben Die Vertriebsstufe des deutschen Gasmarktes zeichnet sich durch eine hohe wettbewerbliche Marktstruktur aus. Deutschland verfügt mit 850 Gasvertrieben über den europaweit heterogensten Gasmarkt. Zum Vergleich existieren in Italien 303 Gasan­bieter, gefolgt von Rumänien mit 52 Gasanbietern.

Der größte deutsche Gasvertrieb ver­­fügte 2010 über einen Marktanteil von 8,7 Prozent. Im europäischen Vergleich liegt der Marktanteil des größten Gasvertriebs in Frankreich bei 65 Prozent oder in Großbritannien bei 54 Prozent. Die Zahlen belegen die europaweit hohe Wettbewerbs­intensität auf der Vertriebs­ stufe des deutschen Gas­marktes, wenngleich nicht zu verkennen ist, dass der Markt­anteil der großen Vertriebe mit zunehmender Verbrauchsintensität der Letztverbraucher deutlich ansteigt.

Der Marktanteil der fünf größten deutschen Gasvertriebe ist zwischen den Jahren 2008 und 2010 von 44,3 Prozent auf 36,9 Prozent gefallen.

Marktanteil 2010 des größten Gasvertriebs* Marktanteil 2010 des größten Gasvertriebs* 100% 98% 98% 97% 95% 94% 93% 85% 76%

80% 70%

70%

65% 65%

62%

60%

55% 47%

50%

43%

40%

37% 36%

30%

31%

27% 26% 25% 16%

20%

Marktanteil 2010 des größten Gasvertriebs. Quelle: Eurostat, *keine Angaben für Niederlande, Luxemburg, Österreich, Dänemark und Türkei vorhanden

21

Zahlen zu Marktanteilen für diese Gruppe von Unternehmen sind nicht verfügbar.

Ungarn

Italien

Rumänien

Spanien

Belgien

Portugal

Kroatien

Österreich

Schweden

Großbritannien

Tschechien

Irland

Frankreich

Slowenien

Slowakei

Griechenland

Polen

Bulgarien

Estland

Finnland

EJR Mazedonien

0%

Litauen

10% Lettland

Marktanteil am Gasabsatz an Letztverbraucher in %

90%

9%

Deutschland

100%


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s c h e E n e rg i e m a r kt?  |   39

Anteile der größten drei und größten fünf Unternehmen in den einzelnen Sektoren des Gasmarktes 2008 bis 2010

Anteil der

Bereich

Anteil der größten

kommunalen

Anteil der größten Drei

Fünf

Versorger

(in Prozent)

(in Prozent)

(in Pozent)

Jahr

2008

2009

2010

2008

2009

2010

Import

66,0

60,6

56,4

81,6

74,7

72,9

0,2

Export

73,5

53,5

66,0

89,6

76,0

82,7

0,3

62,8

69,5

56,0

82,4

84,3

72,2

0,9

35,2

30,1

29,3

44,3

39,6

36,9

37,8

28,2

25,9

26,3

36,0

31,7

31,1

53,7

Speicher Arbeitsvolumen

2008

2009

2010

Gasabgabe an LV Gesamt Gasabgabe an LV ≤ 300 MWh/Jahr

keine Angaben

Gasabgabe an LV > 300 MWh/Jahr

26,7

22,8

25,2

35,5

30,4

33,1

48,1

57,6

51,6

46,7

68,3

66,1

57,7

12,5

45,3

41,5

39,2

63,1

59,0

50,0

27,6

≤ 100.000 MWh/Jahr Gasabgabe an LV > 100.000 MWh/Jahr Gasabgabe an Gaskraftwerke

Anteile der größten drei und größten fünf Unternehmen in den einzelnen Sektoren des Gasmarktes 2008 bis 2010 Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011


40   |   Wettb ewerb 2 0 1 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Fokus Markttransparenz

Transparenz für Level-Playing-Field

Transparenz im Erzeugungsbereich

Transparenz über das Marktgeschehen stellt eine wichtige Voraussetzung für Wettbewerb dar. Markttransparenz ermöglicht nachvollziehbare Preisbildungsprozesse und schafft gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen (Level-Playing-Field). Sie ist somit ein wichtiges Kriterium für neue Marktteilnehmer zum Markteintritt. Hierbei ist allerdings nicht entscheidend, wie viele Informationen zugänglich sind, sondern dass die „richtigen“ Informationen in hinreichender Auflösung für die Marktteilnehmer zur „richtigen“ Zeit verfügbar sind.

Seit 2009 erfolgt die Veröffentlichung von Fundamentaldaten im Erzeugungsbereich über die Transparenzplattform der EEX sowohl auf Basis gesetzlicher Veröffentlichungspflichten als auch freiwilliger Selbstverpflichtungen der Übertragungsnetzbetreiber und der Stromerzeuger 22. Mit der Transparenzplattform, an deren Entstehung und Ausgestaltung der BDEW maßgeblichen Anteil hatte, werden marktnah an zentraler und neutraler Stelle markt­relevante Erzeugungs- und Verbrauchsdaten ver­öffentlicht (u. a. geplante und tatsächliche Produktion, Nichtverfügbarkeiten). Abgebildet wird das grenzüberschreitende Marktgebiet Deutschland / Öster­reich und voraussichtlich künftig auch Tschechien. Erfasst werden derzeit rund 96 Prozent der instal­lier­ten Erzeugung 23. Die veröffentlichten Daten werden fort­laufend von der Bundesnetzagentur auf Vollständigkeit geprüft. Die Regulierungsbehörde sieht in der EEX-Transparenzplattform einen positiven Beitrag zum Markt­geschehen und erkennt ihr einen „Vorbildcharak­ter auch für europäische Lösungen“ zu 24.

Besonders bedeutend sind sogenannte Fundamentaldaten. Darunter versteht man u. a. Daten zur Verfügbarkeit, Nutzung und Auslastung von Erzeugungs- bzw. Produktionsanlagen und der Strom- und Gasnetze. Die marktnahe Veröffentlichung von Fundamentaldaten ermöglicht für die Marktteilnehmer eine fundierte Einschätzung der tatsächlichen Angebotsund Nachfragesituation auf den jeweiligen Märkten. Die Transparenz auf den deutschen Strom- und Gasmärkten konnte in den letzten Jahren auf allen Wertschöpfungsstufen deutlich gesteigert werden. Beispielhaft seien genannt: die Aufnahme des börslichen Strom- und Gashandels und die damit geschaffene „Transparenzplattform Erzeugung“, die Internetplattform für die Vermarktung von Regelenergie, die europäische Transparenzplattform der Übertragungsnetzbetreiber, die im Entstehen begriffene EU-weite koordinierte Aufsicht über den Energiegroßhandel (REMIT) und die ausführliche Darlegung von Verbrauchsund Kostendaten auf den Kundenrechnungen.

EEX-Transparenzplattform

Weiterhin können die Monitoringberichte der Regulierungs- und Kartellbehörden erwähnt werden, die zu verschiedensten Themen, u. a. Entwicklung Strom-, Gas- und Biogasmarkt eine regelmäßige Berichterstattung auf Basis von Unternehmensdaten gewährleisten.

22

www.transparency.eex.com

23

EEX, http://www.transparency.eex.com/de/, Stand Mai 2012

24

Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011, S. 79

EEX-Transparenzplattform, Quelle: EEX, 2012


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s c h e E n e rg i e m a r kt?  |   4 1

Zur Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen im europäischen Großhandel ist es zudem besonders wichtig, dass die Veröffentlichungspflichten in allen Mitgliedsstaaten vergleichbar sind. Daher haben die Energieregulierungsbehörden gemeinsam im Jahr 2010 – für den Elektrizitätsbereich in Zusammenarbeit mit dem europäischen Verband der ÜNB ENTSO-E einen Vorschlag für europaweit verbindliche Vorschriften zur Transparenz der Fundamentaldaten unterbreitet. Dieser Vorschlag basiert auf den in Deutschland bereits erfolgreich umgesetzten Transparenzvorgaben. Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011, S. 78

Insbesondere die Vorhersagen für konventionelle und erneuerbare Erzeugung können zudem als Basis für Anwendungen zur Nachfragesteuerung dienen. Die Steuerung der Stromnachfrage, das so genannte Demand-Side-Management, verbessert die Kosteneffizienz der Stromversorgung durch Verlagerung der Nachfrage hin zu Zeiten hohen Stromangebots. Hier kann die gezielte Bereitstellung von Erzeugungsdaten einen Beitrag leisten: Entsprechende Anwendungen bieten Konsumenten die Möglichkeit, ihren Stromverbrauch in Zeitspannen mit hoher ErneuerbarenEinspeisung zu konzentrieren. Neben dem Großhandelsmarkt für Strom kommt einer marktkonformen und transparenten Organisation des Regelenergiemarktes eine bedeutende Rolle zu. Regelenergie wird benötigt, um die permanenten Leistungsschwankungen in den Übertragungs- und Verteilnetzen auszugleichen und so die Systemstabi­ lität zu gewährleisten. Über die Internetplattform regelleistung.net der Übertragungsnetzbetreiber er­ folgt die marktorientierte Vergabe von Regelleistung mittels Auktionen. Die damit einhergehende zeitnahe Veröffentlichung marktrelevanter Daten, u. a. Markt­ teilnehmer, Leistungspreise, anonymisierte Bieterlisten, Zuschlagsgebote, erhöht auch hier die Markttrans­ parenz.

Die Märkte der einzelnen EU-Staaten sind eng miteinander verflochten, die Entscheidungen der Marktteilnehmer des Großhandels haben grenzüberschreitende Auswirkungen. Zu Recht werden deshalb künftig im Rahmen der EU-Verordnung REMIT (Regulation on wholesale energy market integrity and transparency) Daten für ein europaweites Register bereitgestellt. Die EU-Verordnung wird europaweit Transparenz schaffen und das Vertrauen in den fairen Wettbewerb im europäischen Energiehandel stärken. Aus Gründen des bürokratischen Aufwands ist allerdings nicht nachvollziehbar, dass eine Markttransparenzstelle im nationalen Maßstab zusätzliche Daten über Handelsgeschäfte und Fundamentaldaten zum Beispiel über die Verfügbarkeit von Kraftwerken oder Leitungen bei den Unternehmen in Deutschland erheben soll.


42  |   Wettb ewerb 2 0 1 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Transparenz im Gasmarkt Im Jahr 2010 wurde mit der überarbeiteten Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV) ein weiterer Schritt hin zu erhöhter Markttransparenz geschaffen, wie die Bundesnetzagentur ausführt. Grundsätzlich spielt die Erhöhung der Transparenz im Gasmarkt bei allen Anpassungen am Netzzugangsregime eine sehr wichtige Rolle. Beispielsweise im Bericht zur Evaluierung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Ausgleichsund Regelenergiesystems gemäß § 30 GasNZV vom 1. April 2011 macht die Bundesnetzagentur Vorschläge zur Verbesserung der Transparenz beim Regel- und Ausgleichsenergiesystem. Diese Vorschläge wurden dann auch im Rahmen eines Änderungsverfahrens konsultiert. Zu einer Festlegung kam es allerdings nicht mehr, da sich

aus Sicht der Bundesnetzagentur die Transparenz im Ausgleichs- und Regelenergiesystem zwischenzeitlich auch ohne Festlegung erheblich verbessert hat. Als weiteres Bespiel lässt sich die Festlegung der Bundesnetzagentur zur Einführung eines Konvertie­rungs­systems in qualitätsübergreifenden Marktgebieten nennen, in der ein Schwerpunkt auf ausreichende Transparenz gelegt wurde. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass durch die Ver­öffent­lichungs­vor­ga­­ben der Regulierungsbehörden und aktives Mitwirken aller Marktteilnehmer die Markttransparenz deutlich erhöht werden konnte.

Transparenz auf der Kundenrechnung Verständliche Strom- und Gasrechungen durch den Energielieferant liefern einen Mehrwert für Letztverbraucher. Die Energierechnungen enthalten heute neben den reinen Verbrauchsund Kostenpositionen eine Vielzahl nützlicher Zusatzinformationen, wie den bezogenen Energieträgermix, die Zählernummer und den nächstmöglichen Kündigungstermin nebst Kündigungsfrist. Der Nachfrager wird so hinsichtlich seines Energieverbrauchs und der ökologischen Herkunft seines Stroms sensibilisiert.

25

Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011, S. 49

Weiterhin wird der Anbieterwechsel erleichtert, wodurch der Wettbewerb im Energiemarkt gestärkt wird. Transparenz erfordert Vergleichbarkeit. Andererseits ist die Kundenrechnung im Zeitalter des Wettbewerbs nicht nur ein wesentliches Instrument der Kundenbindung, sondern auch der Unterscheidung vom Wettbewerber. Der BDEW hat daher für Strom und für Gas jeweils einen Leitfaden und Eckpunkte zur Ausgestaltung der Kundenrechnung erarbeitet.


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s ch e E n e rg i e m a rkt?  |   4 3

Fokus Zugang zur Infrastruktur

Plattform für Wettbewerb

Marktprozesse und Branchenvereinbarungen

Die Netzinfrastruktur bildet die Plattform, auf der Wettbewerb aufbaut. Das gilt für Strom- und Gasnetze gleichermaßen. Hierzu muss der Betreiber eines Netzes dieses allen Nutzern diskriminierungsfrei zur Verfügung stellen. Wettbewerb im Strom- und Gasmarkt – insbesondere auf der Endkundenstufe – erfordert zugleich Massengeschäftstauglichkeit. Hier sind in den ca. letzten fünf Jahren in Deutschland riesige Fortschritte gemacht worden. Da es sich hierbei vor allem um Standardisierungen sowie um technische und organisatorische Vereinbarungen handelt, sind diese in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen worden. Gleichwohl stellen sie das Rückgrat des Wettbewerbs – insbesondere im Endkundenmarkt – dar und tragen zu seiner volkswirtschaftlichen Effizienz bei. Hierdurch wird zugleich – stärker noch als durch Entflechtungsmaßnahmen – die Neutralität der Netzbetreiber sichergestellt.

Im Wettbewerb optimieren sich die Marktakteure aus ihrer jeweiligen Marktrolle heraus individuell. Des­halb muss der Marktrahmen die richtigen und aus­ reichen­den Anreize für ein dem Gesamtsystem und dem Kunden­nutzen dienliches Verhalten setzen. Zur Nutzung der Strom- und Gasnetze gibt es in Deutschland klare, transparente und praktikable Abwicklungsregeln. Diese betreffen vor allem Liefe­ ranten­wechselprozesse, Verfahren zur Bilanzkreis­ abrechnung und den Einsatz einheitlicher Datenformate.

Lieferantenwechsel: Lieferantenwechselprozesse betreffen Kunden, Alt- und Neulieferanten, gegebenenfalls Ersatzversorger und Netzbetreiber. Einheitliche massengeschäftstaugliche Prozesse für den Lieferantenwechsel wurden 2006 (GPKE für Strom) und 2007 (GeLI für Gas) eingeführt. Seither wurden sie periodisch an die Erkenntnisse aus der praktischen Anwendung angepasst. Zuletzt wurden sie zur Abwicklung von Kundenwechseln innerhalb von drei Wochen gemäß dem Dritten EU-Binnenmarktpaket im Oktober 2011 überarbeitet.

Verfahren zur Bilanzkreisabrechnung: Führung und Ausgleich von Bilanzkreisen sind essenzielle Elemente zur Ermöglichung von Endkundenwettbewerb im Strom- und Gassektor. Bei Verfahren zur Bilanzkreisabrechnung geht es um die Abrechnung des von Lieferanten an Letztverbraucher gelieferten Stroms zwischen den Marktrollen Lieferant, Verteilnetzbetreiber, Bilanzkreisverantwortlicher und Bilanzkoordinator. Im Juni 2011 wurden diese an neue Anforderungen angepasst. Zur weiteren Vereinheitlichung der Geschäftsvorfälle werden neben dem Haupttext auch die unterschiedlichen Verträge und Leitfäden bereitgestellt. Beispielsweise werden im Leitfaden „Geschäftsprozesse Bilanzkreismanagement Gas“ bilanzierungsrelevante Prozesse zwischen den beteiligten Marktrollen möglichst detailliert erfasst und mit Hilfe eines einheitlichen Rollenmodells grafisch dargestellt.


44  |   Wettb ewerb 2 0 1 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Datenformate: Festgelegte Prozesse müssen in elektronische Datenformate umgewandelt werden, damit die Kommunikation zwischen den Marktrollen automatisch erfolgen kann. Die automatische Abwicklung ist die Abwicklung von Massenprozessen.

Die Komplexität der Prozesse, die Masse der Vorgänge und das Zusammenspiel der einzelnen Prozesse und Formate ist enorm hoch. Der BDEW erarbeitet federführend Umsetzungshilfen für den Markt. Im Auftrag der Bundesnetzagentur erstellt, pflegt und entwickelt der BDEW die Datenformate, die im halbjährlichen Turnus veröffentlicht werden, weiter. Ergebnis: Die Abwicklung der stark zunehmenden Prozesse läuft automatisch und ist somit Grundvoraus­ setzung für einen funktionierenden deutschen Energie­markt. Auch in Bezug auf die übrigen Prozesse nimmt der BDEW eine federführende Rolle ein.

Die Prozesse werden ständig mit den Erfahrungen der Marktteilnehmer rückgekoppelt und periodisch angepasst. Hierzu bearbeitet der BDEW jede an ihn gerichtete Frage aus dem Markt zu Prozesslücken oder -unklarheiten der Festlegungen der Bundesnetzagen­ tur und stimmt die Lösungen branchenweit unter Ein­beziehung aller Marktrollen ab. Hieraus resultieren erhebliche Kostensenkungen für die Marktteilnehmer, da der manuelle, bilaterale Klärungsaufwand reduziert werden kann.

Schritte zur Entwicklung von Marktprozessen

1

2

Erarbeitung von Marktprozessen

5

Einbindung und Abstimmung mit weiteren Verbänden

Erarbeitung Datenformate

6

3

Vorlage an BNetzA

Konsultation Datenformate/ Festlegung Datenformate

Entwicklung von Marktprozessen, die einzelnen Entwicklungsschritte Quelle: BDEW, 2012

7

4

KonsultationsVerfahren/ Festlegung Marktprozesse

Umsetzung Prozesse und Datenformate

8

Controlling: z.B. geänderte Anforderungen, Markterfahrung, etc.


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s c h e E n e rg i e m a r kt?  |   4 5

Im Gasbereich nimmt die Kooperationsvereinbarung (KoV) eine besondere Rolle ein. Die Verbände BDEW, VKU und GEODE entwickeln bereits seit 2006 gemeinsam die Kooperationsvereinbarung der Netzbetreiber zum Netzzugang Gas, in der die Einzelheiten ihrer Zusammenarbeit für einen transparenten, diskriminierungsfreien, effizienten und massengeschäftstauglichen Netzzugang geregelt sind, und erfüllen damit die gesetzlichen Verpflichtungen des Energiewirtschaftsgesetzes und der Gasnetzzugangsverordnung.

Die KoV regelt auf vertraglicher Basis die Einzelheiten des Gasnetzzugangs. Dies betrifft zum einen vertragliche Vereinbarungen zwischen den Netzbetreibern bzw. Marktgebietsverantwortlichen als auch vertragliche Vereinbarungen mit den Transportkunden bzw. BKV. Somit wird eine größtmögliche Standardisierung der diskriminierungsfreien Zugangsbedingungen zum Gasmarkt erreicht.

Ein- und Ausspeisevertrag: Der Vertrag enthält die notwendigen Regelungen zur Ein- und Ausspeisung von Gas sowohl in das Netz der Fernleitungsnetzbetreiber als auch der Verteilnetzbetreiber mit Entry-Exit System. Er beschreibt die Rechte und Pflichten der Netzbetreiber, die den Netzzugang betreffen, einschließlich des zu entrichtenden Entgelts. Der Einspeisevertrag berechtigt den Transportkunden zur Nutzung des Netzes vom Einspeisepunkt bis zum Virtuellen Handelspunkt; der Ausspeisevertrag berechtigt den Transportkunden zur Nutzung des Netzes vom Virtuellen Handelspunkt bis zum Ausspeisepunkt beim Letztverbraucher, zu einem Grenzübergangs- oder Marktgebietsübergangspunkt oder zu einer Speicheranlage im Sinne des § 3 Nummer 31 des Energiewirtschaftsgesetzes. Lieferentenrahmenvertrag: Betreiber von örtlichen Gasverteilernetzen haben Transportkunden den Netzzugang zu den Bedingungen des standardisierten Lieferantenrahmenvertrags anzubieten. Der zwischen dem Netzbetreiber und dem Transportkunden geschlossene Lieferantenrahmenvertrag berechtigt Transportkunden in einem Marktgebiet zur Nutzung der Netze ab dem Virtuellen Handelspunkt und zur Ausspeisung von Gas an Ausspeisepunkten der örtlichen Gasverteilernetze. Bilanzkreisvertrag: Der Bilanzkreisvertrag regelt die Einrichtung eines Bilanzkreises sowie die Erfassung von verbrauchten Mengen sowie den Ausgleich und die Abrechnung von Abweichungen zwischen allokierten Gasmengen und tatsächlichem Verbrauch. Bilanzkreisverträge werden dem Transportkunden, wenn er gleichzeitig Bilanzkreisver­antwortlicher ist, vom Marktgebietsverantwortlichen angeboten. Beabsichtigt ein Transportkunde ausschließlich den Handel mit Gas am Virtuellen Han­ dels­punkt eines Marktgebietes, so muss er ebenso einen Bilanzkreisvertrag mit dem Marktgebietsverantwortlichen abschließen.

Die KoV wird fortlaufend überprüft und zyklisch angepasst. Zusätzlich finden in regelmäßigen Abständen Netz­nutzerforen Gas statt, in denen Netznutzer Anpassungsvorschläge vorbringen können. Inzwischen liegt die 5. Fassung vor (KoV 5)26. Sie berücksichtigt

26

http://www.bdew.de/

zum einen Erfahrungen aus der Praxis, zum anderen aber auch seit der letzten Fassung (KoV 4) vorliegende Festlegungen bzw. Beschlüsse der Bundesnetzagentur. Die neu gefasste Kooperationsvereinbarung wird zum 1. Oktober 2012 wirksam.


46   |   Wettb ewerb 2 0 1 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Reduzierung der Anzahl der Gasmarktgebiete Die weitgehende Reduzierung der Gasmarktgebiete war ein wesentliches Ziel aller Marktteilnehmer, weil damit unmittelbar die Erwartung einer höheren Liquidität verbunden war.

werden. Für Transportkunden und Händler hat dies keine Relevanz mehr, da alle Ein- und Ausspeisepunkte und somit auch alle Kunden in einer großen Bilanzzone zusammengefasst werden. Auf diese Weise können Transportkunden und Händler ihre Kunden unabhängig von der Gasqualität mit Gas versorgen, was vorher nicht möglich war. Festlegungen der Bundesnetzagentur haben die notwendigen Instrumente für die Netzbetreiber geschaffen, damit diese die weiterhin bestehenden technischen Herausforderungen bewältigen können.

Tatsächlich konnte zum 1. April 2011 die Integra­ tion der ehemaligen Marktgebiete Thyssengas H-Gas und Thyssengas L-Gas sowie des Markt­ ge­biets OGE L-Gas in das nun qualitätsübergreifende Marktgebiet NetConnect Germany vollzogen werden. Technisch müssen die L-Gas- und H-Gas-Netze weiterhin getrennt betrieben

[… Alle] Ein- und Ausspeisepunkte und somit auch alle Kunden [werden] in einer großen Bilanzzone zusammengefasst. […][Die] verbliebenen festen Kapazitäten durch die Erweiterung des Marktgebietes [haben] eine viel größere freie Zuordenbarkeit und Reichweite, als in den ehemals getrennten Marktgebieten. Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011, S. 51

Die neue Gasnetzzugangsverordnung aus dem Jahr 2010 vereinfacht u. a. den Zugang zu nicht genutzten Gastransport- und Speicherkapazitäten, was wettbewerbliche Gastransporte erleichtert, bundesweite Lieferangebote für neue Lieferanten wirtschaftlich attraktiver macht und damit die Auswahlmöglichkeiten der Endkunden erhöht. Entwicklung der Anzahl der Marktgebiete 45 40 35

15

30 25

7

H+L-Gas L-Gas

20 15

5

26 21

10

14

5 0

H-Gas

5

2006

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5

9

5

7

3 7

3 3

1 1 1

2

01.05.06 19.07.06 25.04.07 01.10.07 01.10.08 01.04.09 01.10.09 01.04.11 01.10.11

Entwicklung der Anzahl der Marktgebiete, Quelle: BDEW und Monopolkommission 2011, Sondergutachten 59


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s c h e E n e rg i e m a r kt?  |   4 7

Gasmarktgebiete in Deutschland

Sieben benannte Marktgebiete H-Gas (2009)

> 2 kombinierte H- und L-Gasgebiete (2012)

Drei benannte Marktgebiete L-Gas (2009)

Vereinfachte Darstellung der H-Gas Marktgebiete in Deutschland (Stand: 01.10.2007 und 01.10.2008), L-Gas Marktgebiete in Deutschland (Stand: 01.10.2008 und 01.04.2009) Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2009; ENET GmbH Marktgebietsübersicht Deutschland ab Okt. 2011


48   |   Wettb ewerb 2 0 1 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Dementsprechend positiv fällt das Urteil der Bundesnetzagentur zur wettbewerblichen Nutzung der Gasinfrastruktur aus: „Im Zusammenhang mit dem von der Bundesnetzagen­tur vorgelegten Evaluierungsbericht zum Ausgleichs- und Regelenergiesystem Gas hat sich gezeigt, dass sich die mit der Festlegung beabsichtigten positiven Effekte für die Belebung des Wettbewerbs erfüllt haben. Neben dem deutlich verbesserten Wettbewerb um Haushaltskunden, hat sich auch die Liquidität an den Handelsmärkten verbessert. Die durch das Ausgleichs- und Regelenergiesystem erzeugte Dynamik des Systems, lässt auf weitere Fortschritte hoffen“.27 Der Speichermarkt hat sich weiter wettbewerblich entwickelt und zeigt dabei eine sehr hohe Dynamik. Die Umsetzung der Regelungen des Dritten Binnenmarktpakets ist erfolgt, und diese zeigen große Erfolge hinsichtlich der Transparenz von notwendigen Markt- und Nutzungsdaten sowie des Produktangebots.

Mittlerweile veröffentlichen alle Speicherbetreiber die geforderten Daten individuell auf ihren Internetseiten. Daneben existiert nach wie vor die aggregierte deutschlandweite Datenerfassung und Darstellung für Füllstände und Ein-und Auslagerungsmengen auf täglicher Basis auf der Internetseite der Gas Infrastructure Europe28. Diese Darstellung ist sehr nützlich zur Beurteilung großräumiger Versorgungssituationen und ist durch grafische Darstellungen ergänzt worden. Stundengenaue Daten werden in Deutschland nun mit den Transportnetzbetreibern ausgetauscht und dort veröffentlicht. Ferner ist ein Trend zu am Liquiditätsmarkt orientierten variablen Speicherprodukten und Bepreisungen erkennbar, der den markt- und wettbewerblich orientierten Speichermarkt zunehmend charakterisiert.

27

Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011, S. 49

28

http://www.gie.eu.com/index.php/maps-data/gse-storage-map


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s c h e E n e rg i e m a r kt?  |   4 9

Effiziente Nutzung von Regelenergie Seit Mai 2010 beschaffen die vier deutschen Über­ tra­gungs­­netzbetreiber im Rahmen eines deutschen Netzregelverbundes (NRV) gemeinsam.

Aufgrund dieser Vorzüge haben sich die Übertra­gungs­ netzbetreiber Energienet.dk (Dänemark), Tennet BV (Nieder­lande), Swissgrid (Schweiz) und CEPS (Tschechien) inzwischen dem Netzregel­verbund angeschlossen. Die hierdurch erzielten deutlichen Effizienzgewinne kommen letztlich den Netznutzern zugute.

Netzregelverbund

Der modular aufgebaute NRV verhindert die Aktivierung gegenläufiger Sekundärregelund Minutenreserveleistung (MRL), dimensioniert den Regelleistungsbedarf gemeinsam für alle Regelzonen, schafft einen deutschlandweit einheitlichen Markt für Sekundär­ regelleistung (SRL) und führt zu einem kostenoptimalen Einsatz der Regelleistung für ganz Deutschland. Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011, S. 109

Netzregelverbund, Quelle: ECOFYS, 2012

Entflechtung (Unbundling) In den Diskussionen um das Zweite und Dritte Liberalisierungspaket hatte die Frage, wie weit die Entflechtung zwischen Netz und Vertrieb/Erzeugung gehen sollte, in erster Linie hohen Symbolgehalt. Vor allem der wettbewerbliche Zusatznutzen von eigentumsrechtlicher Entflechtung wurde seinerzeit erheblich in Frage gestellt. Diese Diskussionen wurden mittlerweile von der energiepolitischen Entwicklung eingeholt. RWE hatte den konzernzugehörigen StromÜbertragungsnetzbetreiber Amprion schon frühzeitig als Independent Transmission Operator – ITO – ausgebildet, mittlerweile jedoch knapp 75 Prozent an ein Konsortium aus der Finanz- und Versicherungswirtschaft veräußert. Der Gas-Übertragungsnetzbetreiber Thyssengas wurde bereits vorher aufgrund einer Auflage aus einem Kartellverfahren veräußert.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei E.ON und Vattenfall: Die Übertragungsnetzbetreiber sind verkauft. TransnetBW ist als unabhängiger Übertragungsnetzbetreiber an die Stelle der EnBW Transportnetze AG getreten. Bei den deutschen Verteilnetzbetreibern steht aktuell die noch stärkere Markentrennung zwischen Vertriebsund Netzgesellschaften an. Damit dürften die aus Wettbewerbssicht notwendigen Entflechtungsschritte abgeschlossen sein. Weiterhin beschleunigte die Novellierung des EnWG mit der Implementierung von Entflechtungs­vor­schriften für Speicherbetreiber die Ausgründung der Spei­cher­ge­sell­ schaften von den Mutterkonzernen. Dies ist nun von der Mehrzahl der Speicherbetreiber umgesetzt.


50   |   Wettb ewerb 201 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Fokus Ausbau von Infrastruktur

Abgesehen von den positiven Effekten für die Versorgungssicherheit kann der Ausbau von Infrastruktur auch den Wettbewerb fördern. Beispielsweise macht es der Ausbau von Erdgasspeichern Lieferanten leichter, von Schwankungen des Marktpreises zu profitieren, sich physisch abzusichern und ihre Kunden verlässlich beliefern zu können.

Ferngasleitungen

Neubau Erdgasspeicher

Ende 2011 wurde die Ostsee-Pipeline Nord Stream zusammen mit der Ostsee-Pipeline-Anbindungs-Leitung (OPAL) in Betrieb genommen. Im Jahr 2012 wird die Nordeuropäische Erdgasleitung (NEL) Gas aus der Nord Stream (Gesamtlänge rund 1.220 km) in Richtung Westen abtransportieren. Zu diesem Zweck werden Erweiterungsinvestitionen von GASCADE umgesetzt, um den weiterführenden Transport von Gasmengen, die u. a. über Nord Stream Deutschland erreichen und über die NEL abtransportiert werden sollen, zu ermöglichen.29

Seit 2010 ist am Erdgasspeichermarkt ein Wandel hin zu einem klaren Käufermarkt zu beobachten. Durch die zunehmende Liquidität auch der deutschen Handelspunkte für Erdgas (Gaspool und Net Connect Germany) besteht offenbar aus Sicht vieler Marktteilnehmer nicht mehr die Notwendigkeit, Speicherkapazität im bisher gewohnten Umfang zur Kundenversorgung vorzuhalten. Dies führt zu einer verringerten Nachfrage nach Speicherkapazität und verschärft damit den Wettbewerb unter den Speicherbetreibern.

Beide Nord Stream-Anschlussleitungen (Gesamtlänge rund 920 km) und die Erweiterungsinvestitionen vom Ferngasnetzbetreiber GASCADE sind Bestandteile eines energiewirtschaftlichen Gesamtkonzeptes mit dem Ziel, den Transport russischen Erdgases aus Sibirien auf einem neuen Lieferweg durch die Ostsee in die Bundesrepublik Deutschland und weiter nach Westund Südeuropa zu realisieren. Mit einem geplanten Investitionsvolumen von rund 10 Milliarden Euro und Kapazitäten von 55 Milliarden Kubikmetern jährlich ist dieses energiewirtschaftliche Gesamtkonzept eines der größten Gasinfrastrukturprojekte in Europa. Wegen der herausragenden Bedeutung für die Versorgung Europas mit Erdgas und das Funktionieren des Erdgasbinnenmarktes ist es als „Vorrangiges Vorhaben von europäischem Interesse“ in die Leitlinien der trans­europäischen Energienetze aufgenommen worden.

29

Zudem konkurrieren die Speicherbetreiber infolge der zunehmenden Orientierung an den Handelsmärkten für Gas nicht nur untereinander, sondern mit allen dem Markt zur Verfügung stehenden Lieferflexibilitäten. Durch die derzeit allgemein gute Versorgungslage bei Erdgas gerät die Marktposition der Speicherbetreiber damit zusätzlich unter Druck. Darauf deutet zum Beispiel die Häufung von Speicherauktionen auf der Handelsplattform store-x im Vorfeld des aktuellen Speicherjahres 2012/13 hin, die durch Speicherbetreiber abgehalten worden sind. Die betreffenden Speicherbetreiber oder auch deren Kunden sahen sich offenbar gezwungen, freie oder ungenutzte Kapazitäten auf diesem Wege zu vergeben. Die auf den Internetseiten der Betreiber veröffentlichten, buchbaren Tarife bei einer Neuvermarktung erscheinen nicht mehr durchsetzbar. Daher mussten die Speicherbetreiber in diesen diskriminierungsfreien Vergabeverfahren offenbar verringerte Speichertarife hinnehmen, um Leerstände ihrer Kapazitäten zu vermeiden. Ein Trend besteht aber auch darin, die Speichertarife mit variablen und mit den Marktpreisen korrelierenden Anteilen zu verbinden und zusätzliche Servicekomponenten und Flexibilitätsanteile zu integrieren.

Es ist von GASCADE geplant, die Verdichterstationen in Bunde, Lippe und Weisweiler auszubauen sowie eine neue Verdichterstation bei Rehden und neue Lei-

tungsverbindungen zu errichten, um den bedarfsgerechten Abtransport weiterer Gasmengen aus der im Bau befindlichen NEL nach Westeuropa sicher zu stellen.


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s ch e E n e rg i e m a rkt?  |   51

Hinzu kommt derzeit noch, dass Engpässe im Gastransportnetz und deren nicht absehbare Beseitigung die Vermarktung von Speicherkapazitäten und deren Nutzung durch Speicherkunden erschweren. Die zum Teil mit einem schlecht kalkulierbaren Unterbrechungsrisiko behafteten Transportkapazitäten der angrenzenden Netzbetreiber machen die Nutzung von Speicherkapazitätsprodukten zunehmend unattraktiv für die Marktteilnehmer. Als Konsequenz fehlen zurzeit Investitionssignale zur Schaffung neuer Speicherkapazitäten, da im beschriebenen Marktumfeld keine ausreichenden Erlöse aus solchen Investitionen zu erwarten sind.

Die Bedeutung des bereits vorhandenen Speichervolumens ordnet die Bundesnetzagentur so ein: „Deutschland verfügt mit ca. 20 Milliarden Kubik­ metern Arbeits­gasvolumen über die größten Erd­ gasspeicherka­pa­zi­täten unter allen europäischen Staaten.“ 30 Neben den 48 in Deutschland in Betrieb befindlichen Poren- und Kavernenspeichern (Arbeitsgasvolumen: rund 20 Milliarden Kubikmeter) sind derzeit 23 Speicherprojekte in Planung oder Bau (Arbeitsgasvolumen: rund 12 Milliarden Kubikmeter), wobei die Daten für einige dieser Projekte noch nicht eingerechnet sind, da sie derzeit noch nicht vorliegen. Das Speichervolumen ist – falls der Markt Erweiterungen nachfragt – weiter ausbaubar, aber die vollumfängliche Realisierung be­reits geplanter Bauvorhaben erscheint unter den gegebenen Umständen fraglich.

[Insgesamt wird] „Deutschland …mit seinem gewichtigen Speichervolumen künftig eine wesentliche Rolle als Erdgasdrehscheibe für Westeuropa spielen. Durch das bestehende und das geplante Speichervolumen, eine Diversifizierung, des Erdgasbezugs, die heimische Gasförderung sowie durch günstige geologische Randbedingungen für die Planung neuer Speicher ist die kommerzielle Deckung des Gasbedarfs in Deutschland gewährleistet.“ Quelle: Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie, Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 2011, Hannover, Mai 2012, S. 56

30

Quelle: Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2011, S. 60


52  |   Wettb ewerb 2 0 1 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Erdgasspeicher in Deutschland

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Erdgasspeicher in Deutschland: In Betrieb und zukĂźnftige Speicher Quelle: Landesamt fĂźr Bergbau, Energie und Geologie und BDEW, Stand: 31.12.2011

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We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s ch e E n e rg i e m a rkt?  |   53

Kuppelleitungen Strom Wie beschrieben, hat die Einführung der Marktkopplung gezeigt, dass durch die enge Kopplung der Spotmärkte die verfügbaren Grenzkuppelstellen optimal ausgenutzt werden. Dadurch werden volkswirtschaftliche Effizienzen optimal gehoben, was im Idealfall zu einer Preisgleichheit zwischen den Märkten führt. Mit der Einführung eines lastflussbasierten Optimierungsansatzes wird erwartet, dass durch den intergrierten Ansatz weitere Potenziale gehoben werden können. Allerdings stoßen auch diese Optimierungsmaßnahmen an reale physische Grenzen, nämlich einem notwendigen Ausbau bzw. der Ertüchtigung von Interkonnektoren.

Beim physischen Ausbau der grenzüberschreitenden Kuppelleitungen gab es in den vergangenen drei Jahren erwartungsgemäß keine Veränderungen. Es gibt jedoch Fortschritte im Genehmigungs­verfahren der geplanten 380 kV-Höchstspannungsleitung von Wesel nach Doetinchem in den Niederlanden. Diese wird die Trans­port­kapa­zität zwischen den Übertragungs­ netzen von Amprion und Tennet zwischen 25 und 50 Prozent erhöhen und wesentlich zu einem stärkeren Zusammenwachsen der regionalen Märkte beitragen. Tennet und Amprion werden insgesamt etwa 70 Millionen Euro in die 60 km lange Kuppelleitung investieren. Der Baubeginn ist voraussichtlich 2014.

Netzentwicklungspläne Netzentwicklungspläne sollen u. a. dazu dienen, Investitionen in Netzinfrastruktur transparenter und für Dritte vorhersehbarer zu machen. Am 30. Mai 2012 haben die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber den Entwurf des ersten nationalen Netzentwicklungsplans Strom 2012 veröffentlicht und zur Konsultation gestellt. Das Leit­­szenario für 2022 sieht dabei zum ersten Mal auch Gleichstromleitungen für den Stromtransport vom Norden in den Süden Deutschlands vor. Diese Gleichstromleitungen machen einen Groß­teil des Trassenneubaus aus, der auf einer Länge von 3.800 km stattfinden soll. In bereits bestehenden Trassen sollen laut Ent­ wurfsfassung rund 4000 km neu gebaut und optimiert werden. Die Investitionen in das Stromnetz belaufen sich auf insgesamt rund 20 Milliarden Euro. Erstmals wird der Netzausbaubedarf hier in einem transparenten Verfahren ermittelt und wissenschaftlich, gesellschaftlich wie auch politisch abgesichert. Wettbewerbspolitisch wichtig sind einige Festlegungen, die getroffen wurden: So soll Netzausbau stets vor Kapazitätsbeschränkungen gehen, und die nicht durch erneuerbare Erzeugung gedeckte Last soll jeweils ohne regionale Restriktionen frei entsprechend der europäischen Merit Order aus dem Markt gedeckt werden. Die Szenarien und der Entwurf des Netzentwicklungsplans Gas wurden von den Ferngasnetzbetreibern erstellt und konsultiert. Derzeit läuft das Konsultationsverfahren durch die Bundesnetz­­ agentur. Die 14 deutschen Fernleitungsnetzbetreiber haben der Bundesnetzagentur entsprechend ihrer gesetzlichen Verpflichtung gemäß §§ 15a EnWG, 17 GasNZV Anfang April 2012 erstmals ihren gemeinsam erstellten Entwurf des Netzentwicklungsplans Gas 2012 mit zehnjähriger Laufzeit vorgelegt, der alle Maßnahmen zur bedarfsgerechten Optimierung, Verstärkung und zum Ausbau des Netzes sowie zur Versorgungssicherheit enthalten soll.

Auf Basis eines mittleren Gasbedarfsszenarios, das von den Fernleitungsnetzbetreibern als das Wahrscheinlichste angesehen wird, wurden bis 2015 Maßnahmen im Leitungsbau mit einer Gesamtlänge von knapp 200 km, einer zusätzlichen Verdichterleistung von 90 MW und einem Investitionsbedarf von rund 600 Millionen Euro ermittelt. Bis 2022 ergeben sich Maßnahmen im Leitungsbau mit einer Länge von knapp 730 km, einer zusätzlichen Verdichterleistung von knapp 360 MW und einem Investitionsvolumen von rund 2,2 Milliarden Euro. Die Bundesnetzagentur hat nach Vorlage des Entwurfs den Netznutzern im Rahmen eines weiteren Konsultationsverfahrens die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Der BDEW hat sich unter Einbeziehung seiner Mitgliedsunternehmen am Konsultationsverfahren beteiligt und zahlreiche Hinweise zur Netzmodellierung, zu den konkreten Netzausbaumaßnahmen und zur Versorgungs­ sicherheit gegeben. In verschiedenen, von der Bundesnetzagentur veranstalteten Workshops wurden die einzelnen Themen nach Abschluss des Konsultationsverfahrens im Juni 2012 nochmals mit den Fernleitungsnetzbetreibern und den sonstigen Marktteilnehmern erörtert. Im Mittelpunkt standen dabei das Vorgehen beim Anschluss von Kraftwerken und Speichern (einschließlich des entsprechenden Kapazitätsausbaubedarfs bei Neuanschluss bzw. Erweiterung) sowie Überlegungen für Kapazitätsprodukte und Modellierungsvorgaben für den kommenden Netzentwicklungsplan Gas. Die weiteren Verfahrensschritte sehen vor, dass der Netzent­ wick­lungsplan Gas 2012 spätestens im Dezember 2012 verbindlich werden soll. Bereits im Juli 2012 sollen die Vorarbeiten für den Netz­entwicklungsplan Gas 2013 beginnen.


54  |   Wettb ewerb 2 0 1 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Ausblick

Weitere Liberalisierungsgewinne durch Europäisierung

Gegenläufige Entwicklung aufhalten

Gemäß dem Beschluss des EU-Ministerrats vom 4. Februar 2011 soll die Vollendung des Elektrizitätsund Gasbinnenmarktes bis 2014 abgeschlossen sein. Hierzu werden von der Agentur zur Kooperation der Energieregulatoren (ACER) noch Rahmenrichtlinien erstellt, die anschließend von ENTSO-E im Strommarkt und ENTSO-G im Gasmarkt in verbindlichen Network Codes konkretisiert werden. Dabei werden auch der Rahmen und die Regeln festgelegt, die das gesamte Marktspektrum abdecken, vom Terminmarkt bis zum Regelenergiemarkt. Insgesamt sind dies sehr ambitionierte Vorstellungen in einem sehr engen Zeitkorsett. Gleichzeitig werden dadurch durchaus Marktstrukturen angepasst, wofür ein sorgfältiges Vorgehen unter Einbeziehung aller Stakeholder erforderlich ist. Beispielhaft genannt werden können hier die auszugestaltenden Vorgaben zur Bestimmung von Preiszonen im Stromgroßhandelsmarkt und die massiven Auswirkungen auf den Gesamtmarkt, vom Vertrieb bis hin zu den Erneuerbaren.

Ungeachtet der Zielsetzung der Europäischen Union, den Energiebinnenmarkt bis 2014 zu vervollkommnen, ist in Deutschland, in Verbindung mit den Beschlüssen zur Energiewende, derzeit eine gegenläufige Tendenz zu sehen. Vermehrt sind staatliche Eingriffe und eine Nationalisierung der Energiepolitik zu erkennen, die weitgehend unabgestimmt mit den europäischen Nachbarländern beschlossen wurden. Um den Erfolg der Liberalisierung und des Binnenmarktes nicht zu gefährden und auch weiterhin von den positiven Auswirkungen zu profitieren, muss an dieser Stelle eine bessere Koordinierung mit den europäischen Partnern angemahnt werden, damit es nicht zu einer Entkopplung der Märkte kommt.

Insgesamt kommt dem Energiehandel in einem sich rasant entwickelnden Marktumfeld auch zukünftig eine wesentliche Bedeutung zu, denn er ist der Nährboden für die Schaffung innovativer Produkte, die zukünftig noch mehr erforderlich sein werden. So wird der Übergang hin zu einer „smarten Energiewelt“ den Bedarf an maßgeschneiderten Produkten für Kunden weiter erhöhen. Der Bedarf an Flexibilitäten wird mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien steigen, und auch hier kann und wird der Markt effiziente Ansätze generieren und für Wettbewerb sorgen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass immer das Gesamtbild im Fokus steht: so werden schwankende Einspeisungen aus Erneuerbaren auch zu volatileren Spotmärkten führen. Zur Absicherung gegen diese Schwankungen bedarf es funktionierender Terminmarktprodukte.

Der Wettbewerb in Deutschland hat sich nach dem Zweiten und Dritten EU-Energiebinnenmarktpaket anerkanntermaßen gut entwickelt und hält einem EUweiten Vergleich nicht nur Stand, sondern Deutschland ist einer der sich am schnellsten verändernden Märkte in der Gemeinschaft. Damit sich dieser Wettbewerbsmarkt weiter entfalten kann, ist eine marktorientierte Politik auf allen Ebenen nötig, die den Wettbewerbsgedanken in den Mittelpunkt stellt. Dies ist umso mehr gefragt, als die zu meisternde Energiewende die deutsche Gesellschaft und insbesondere auch die Energiewirtschaft vor große Herausforderungen stellt. Vielfach wird hier der Ruf nach staatlichen bzw. regulatorischen Eingriffen lauter. Dies ist jedoch nicht zielführend, denn neben dem Aspekt des Klimaschutzes und der Versorgungssicherheit stellt eine preiswürdige Energieversorgung und somit die Kostenfrage ein entscheidendes Kriterium zum Gelingen der Energiewende dar. Anstelle staatlicher Eingriffe müssen vielmehr zuverlässige Rahmenbedingungen geschaffen werden, die einen offenen Wettstreit um innovative Ideen und effiziente Lösungen ermöglichen und fördern. Zudem sind Knappheitssignale, die nur im Markt entstehen können, wichtig, um die entsprechenden Preissignale für jetzt notwendige Investitionen auszusenden. Von daher bedarf es eines wettbewerblich ausgestalteten Marktdesigns, das gleichermaßen zum Gelingen der Energiewende und zur Steigerung des Wettbewerbs beiträgt.


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Anhang: Wettbewerbsindikatoren Indikator

Definition

Datenquellen

Datengrundlage

Zeitliche Abdeckung

Teil A: Kunden-/ Vertriebsbereich A.1 Anbieter je Netzgebiet

Anzahl der Lieferanten, die in einem Netzgebiet Haushaltskunden beliefern

Monitoringbericht der Bundesnetzagentur 2011

Erhebung bei Verteilnetzbetreibern

2007 bis 2010 (Strom); 2008 bis 2010 (Gas)

A.2 Anbieter je PLZ-Gebiet

Anzahl der Lieferanten, die in einem PLZ-Gebiet Strom und/ oder Gas anbieten

GET AG/Leipzig, e`net/Hückelhoven, Verivox/Heidelberg u.a.

Recherchen, Abfragen

aktuell

A.3

Gesamte Anzahl der Liefe-

BDEW

Recherchen

aktuell

Anbieter der Lieferanten

ranten im Bundesgebiet

A.4 Neue Anbieter

Anzahl von Energielieferanten, die in einem bestimmten Zeitraum neu an den Markt gekommen sind

BDEW

Recherchen

aktuell

A.5 Lieferantenwechsel

Anteil der Kunden, die in einem jahr ihren Energieanbieter gewechselt haben

Monitoringbericht der Bundesnetzagentur

Erhebung bei Verteilnetzbetreibern

2006-2010

A.6 Tarif- und Produktwechsel

Anteil der Kunden in verschiedenen Vertragsarten (Grundversorgung, Produkte)

BundesnetzagenturMonitoringbericht

Erhebung bei Lieferanten

Gas: 2005-2011 Strom: 2005-2011

A.7 Werbeausgaben

Werbeaufwendungen der Energieversorger

Axel Springer Mediapilot

Erhebung

1998-2011

A.8 Kundenzufriedenheit

Anteil von mit ihrem Energieversorger zufriedenen Kunden

BDEW-Kundenfokus

Meinungsforschung

2007-2011


We t t b e we r b 2 0 12 – Wo s t e h t d e r d e u t s ch e E n e rg i e m a rkt?  |   57

Qualität der Daten

Ziel­ bezug

Kommentar

hoch

hoch

Entscheidend für den Wettbewerb auf der Endverbraucherstufe ist, ob wechselbereite Strom- und Gaskunden ausreichende Wahlmöglichkeiten unter verschiedenen Anbietern haben. Die Anzahl der Lieferanten in den Netz­ gebieten und die zeitliche Entwicklung ist ein geeigneter Indikator hierfür.

hoch

hoch

Neben den Daten der Bundesnetzagentur, die die Anbieter je Netzgebiet ermittelt (s. Indikator A-1.1), steht über Datendienstleister, z. B. GET AG, auch die Anzahl der Anbieter je Postleitzahlengebiet zur Verfügung.

hoch

mittel

Die Attraktivität des deutschen Energiemarkts für Energieanbieter und die grundsätzliche Möglichkeit des Lieferantenwechsels kommen auch in der Entwicklung der Zahl der Energielieferanten zum Ausdruck. Einerseits verschwinden Unternehmen durch Fusionen oder Geschäftsaufgabe aus dem Markt, auf der anderen Seite kommen neue Anbieter hinzu (s. Indikator A.1-4).

nicht vollständig

hoch

Im Wettbewerbsmarkt sind - neben den überregionalen und deutschlandweiten Angeboten der etablierten Versorger - eine Reihe neuer Anbieter auf den Markt gekommen. Dabei kann es sich handeln: • um Ausgründungen bzw. Tochterunternehmen von bereits aktiven Versorgern (auch aus dem Ausland), • um Tochtergesellschaften von branchenfremden Unternehmen oder • um gänzlich neue Unternehmen. Alle neuen Anbieter tragen zum Wettbewerb und zur Vielfalt im deutschen Energiemarkt bei. Der BDEW hat seit 2009 148 neue Unternehmen als Stromlieferanten und 129 neue Unternehmen als Gaslieferanten erfasst.

hoch

mittel

Die Daten der Bundesnetzagentur zum Lieferantenwechsel zeigen die im Berichtsjahr bei den Netzbetreibern angefallenen Lieferantenwechsel. Dazu zählen auch diejenigen Haushalte, die nach einem Umzug in ein anderes Netzgebiet einen anderen Versorger als den Grundversorger auswählen. Dieser Indikator ist also eine quantitative Messgröße für die Wechselaktivitäten der Endverbraucher. Er spiegelt aber nicht die Wettbewerbssituation im Energiemarkt insgesamt wider, die durch viele andere Faktoren beeinflusst wird. Nachteilig ist auch, dass die Daten bei Veröffentlichung des Monitoringberichts der Bundesnetzagentur veraltet sind.

hoch

mittel bis hoch

Wettbewerb und Wahlmöglichkeiten der Kunden kommen auch darin zum Ausdruck, dass Kunden bei ihrem Versorger bleiben, dort aber aus dem Grundversorgungsvertrag in ein Produkt wechseln. Hierdurch verschieben sich die Anteile der Kunden nach Vertragsarten. Der Anteil der Grundversorgung nimmt damit tendenziell ab. Beim Erdgas ist der Anteil der Kunden mit einem Grundversorgungsvertrag geringer als bei Strom, da Haushalte, die Erdgas zum Heizen nutzten, früher überwiegend als Sondervertragskunden geführt wurden.

hoch

mittel

Um im Wettbewerb erfolgreich zu sein, müssen insbesondere neue Anbieter auch Werbemaßnahmen nutzen. Die Aufwendungen der Energieversorger für Werbung in verschiedenen Medien (Rundfunk, Zeitungen und Zeitschriften, Plakat etc.) spiegeln dies wider.

hoch

mittel

Kundenzufriedenheit und die auch daraus entstehende Kundenbindung sind in einem Wettbewerbsmarkt wichtige Ziele für die Anbieter. Kunden, die mit ihrem Energielieferanten zufrieden sind, sind weniger wechselbereit als unzufriedene Kunden. Eine wesentliche Strategie der Energieversorger ist deshalb die Steigerung der Kundenzufriedenheit.


58  |   Wettb ewerb 2 0 1 2 – Wo steht d er d eutsc he En e rg i e m a r k t ?

Indikator

Definition

Datenquellen

Datengrundlage

Zeitliche Abdeckung

Teil B: Branchenentwicklungen B.1 Energiepreise

Entwicklung der um Abgaben bereinigten Endverbraucherpreise

BDEW-Strompreisanalyse, BDEW-Gaspreisanalsyse

Datenbank GET AG; Analyse

1998-2012

B.2 Marktkonzentration Stromabsatz

Anteile der Energieversorger an der gesamten Stromabgabe an Endverbraucher

BDEW; Eurostat

Analyse

2003-2010

B.3

Anteile der Energieversorger an

BDEW; Eurostat

Analyse

2005 - 2011

Marktkonzentration Erzeugung

der gesamten Stromerzeugung

B.4 Konzentrationsmaße

Herfindahl-Hirschman-Index

Europäische Kommission: Fortschrittsbericht, Sektorenuntersuchung

Analyse

2004 - 2009

C.1 Liquidität der Handelsmärkte

Entwicklung der gehandelten Energiemengen an den Großhandelsmärkten EEX / EPEX-Spot

EEX, EPEX-Spot

Erhebungen

1999-2011

C.2 Teilnehmer an den Handelsmärkten

Entwicklung der gelisteten Händler an den Großhandelsmärkten EEX / EPEX-Spot

EEX, EPEX-Spot

Erhebungen

2002

Teil C: Handel

Weitere Indikatoren Standardisierung der Wechsel­prozesse Ausschreibung von Liefer­­­ver­trägen (ggf. VEA-Daten)


Qualität der Daten

Zielbezug

Kommentar

hoch

mittel

Die Entwicklung der Endverbraucherpreise wird immer mehr durch staatlich verursachte Steuern, Abgaben und Umlagen beeinflusst. Je höher dieser Anteil ist, desto weniger Möglichkeiten haben Anbieter zur Differenzierung im Preiswettbewerb.

hoch

mittel

Eine ausgewogene Anbieterstruktur gewährleistet prinzipiell auch eine gute Wettbewerbssituation. Auf der Absatzseite ist eine geringe Marktkonzentration ein Spiegelbild der Vielfalt im deutschen Energiemarkt und ein Indikator für gute Wettbewerbsvoraussetzungen. Im europäischen Vergleich erkennt man die spezifische Wettbewerbsposition in Deutschland.

hoch

gering

Aufgrund der hohen Kapitalintensität in der Stromproduktion sind im Erzeugungsmarkt bislang weniger Unternehmen aktiv gewesen als in anderen Marktbereichen. In Deutschland hat sich dies inzwischen geändert, u. a. durch steigende Anteile erneuerbarer Energien und durch Kooperationen von kleinen und mittleren Unternehmen in der Stromerzeugu ng. Die Marktkonzentration in der Erzeugung ist hierfür ein guter Indikator. Der europäische Vergleich der Marktkonzentration macht die Wettbewerbssituation in Deutschland deutlich.

hoch

mittel

Der HHI ist eine anerkannte Methode zur Bewertung der Marktkonzentration. Der Index berücksichtigt sowohl die relative Größe als auch die Gesamtzahl und Verteilung der einzelnen Unternehmen in einem Markt. Der HHI wird berechnet aus der Summe der quadrierten Marktanteile.

hoch

hoch

Hohe Liquidität auf den Handelsmärkten ist eine wichtige Voraussetzung für eine effiziente Preisbildung. Die gehandelten Energiemengen an den Energiebörsen für Strom und Gas sind der wichtigste Indikator für die Liquidität der Börsen.

hoch

hoch

Die Anzahl der Teilnehmer an den Handelsplätzen zeigt die Bedeutung der einzelnen Börsen. Eine hohe Teilnehmerzahl bedeutet tendenziell mehr Handelsaktivitäten.


Herausgeber BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V.

Ansprechpartner: Dr. Stephan Krieger Gesch채ftsbereich Strategie und Politik Telefon: +49. 30. 30 01 99 -1061 stephan.krieger@bdew.de Michael Nickel Leiter der Abteilung Volkswirtschaft Telefon: +49. 30. 30 01 99 -1600 michael.nickel@bdew.de

Gestalterische Umsetzung Q7 media GmbH & Co. KG


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