Streit-fragen
Das Magazin der Energie- und Wasserwirtschaft
März 2016
Wir können auch anders Auf Ideensuche
Start‑ups im Energiebereich sind begehrte Partner für etablierte Versorger Big Data
Ohne Strategie nützen Kundendaten nichts
Was passiert, wenn Branchen ihr Kerngeschäft revolutionieren müssen?
INTRO • ENERGIE
INTRO Streitpunkt Energie »Wir schlagen stattdessen vor, auf Sicht zu fahren. Ausschreibungsvolumina sollten nur für die Jahre 2019 und 2020 festgelegt werden.«
Titelfoto: Getty Images; Foto Seite 2/3: Shutterstock
Die CDU-Abgeordneten Michael Fuchs, Georg Nüßlein, Joachim Pfeiffer und Thomas Bareiß in einem Brief an Kanzleramtschef Altmaier zur aktuellen Diskussion über die Ausgestaltung des EEG 2016, 18. Januar 2016
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STREITFRAGEN — März 2016
ENERGIE • INTRO
» Wenn das so kommt, werden Windausbau und Energiewende praktisch gestoppt.« Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz in NRW am 22. Januar 2016 via Twitter
STREITFRAGEN
— März 2016
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ANSTOSS
Zurück auf die Überholspur! Sie nutzen die Lücken im Verkehr: kleine, agile Flitzer und Roller. Sie fahren an den Limousinen vorbei, die sich von ihren sechs Zylindern zufrieden auf der rechten Spur trei‑ ben lassen. Klar, die kleinen Flitzer haben keine Tiefga‑ rage. Aber auch keine Probleme bei der Parkplatzsuche. Ich bin sicher nicht der Erste, der dieses Bild für den Ver‑ gleich traditioneller Energieversorger mit beweglichen klei‑ nen Unternehmen nutzt. Aber es passt mehr denn je. Eines ist uns bereits klar: Die Art, wie wir arbeiten, Wa‑ ren produzieren, wie wir leben, wie wir reisen – alles wird sich ändern. Auch die Art und Weise, wie wir Ener‑ gie erzeugen und verbrauchen. LED und dezentrale Er‑ zeugung sind nur der Anfang einer noch unüberschau‑ baren und disruptiven Entwicklung. Digitalisierung bedeutet auch, dass bis 2020 weltweit 212 Milliarden Ge‑ räte miteinander und mit Menschen vernetzt sein wer‑ den. Wir reden also über eine industrielle Revolution. Aber was macht die Energiebranche daraus? Lange Zeit hat sie sich etwas selbstgefällig, hilflos zurückgezogen. Heu‑ te fragt man sich, ob und wie man den Schwung in die neue Welt hinbekommen soll: durch Transformation. Gro‑ ße Traditionsunternehmen wie Bosch machen das vor. Und was machen der Wettbewerb und die kleinen Flitzer in der Zwischenzeit? Sie besetzen ganze Geschäftsmodelle und die Nischen im Portfolio der traditionellen Unternehmen – und damit meine ich sowohl große Konzerne als auch kleine Stadtwerke. Ob beim Datensammeln im Haushalt, beim Ver‑ kaufen von Heizungsanlagen oder beim Vernetzen dezen‑ traler Erzeugung: Sie sind schon da, sie sind schneller und agiler. Was ist also zu tun, um neue Wege einzuschlagen? Zunächst muss man sich sicher überwinden, die Limousi‑ ne gegen mehrere kleine Autos einzutauschen – und wieder ab auf die Überholspur. Eine faire und konstruktive Zusam‑ menarbeit mit jungen Unternehmern und Start‑ups eröffnet dazu neue Möglichkeiten. Aber auch innerhalb des eigenen Hauses schlummert enorme Innovationskraft. Wenn man sie lässt. Nicht alle wollen oder können wie Google. Aber Zu‑ hören und Mut zum guten alten Unternehmertum sind die Tugenden der Stunde. Wie kommen Sie auf die Überholspur? THORSTEN MARQUARDT
Mehr zum Thema auf streitfragen.de/impulse und im Heft ab Seite 36
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STREITFRAGEN — März 2016
Foto: Tillmann Franzen
Leiter des :agile-Programms zur Förderung neuer Geschäftsideen bei E.ON
a in de ein them Delphi Energy Future 2040 DELPHI-Studi Wie verändern verändern sich die Energiesysteme in Deutschland, Europa und der Welt bis zum Jahr 2040?
DELPHI
Dieser umfassenden Frage widmet sich erstmals die internationale Zukunftsstudie Delphi Energy Future 2040, ein Gemeinschaftsprojekt des Bundesverbandes der Energieund Wasserwirtschaft (BDEW), der Deutschen Gesellschaft für internationale ma iZusammenarbeit n d (PwC). (GIZ) GmbH und the PricewaterhouseCoopers
Ei
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er
Welche zentralen Treiber, Akteure und Dynamiken werden die Zukunft der Energiesysteme maßgeblich beeinflussen? ein thema in der
DELPHI-Studie An der Zukunftsstudie waren über 350 Experten aus mehr als 40 Ländern aus allen Bereichen von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik beteiligt. Das Fundament des Delphi Energy Future bilden 56 Zukunftsthesen für das Jahr 2040, die im Rahmen von Experteninterviews entstanden sind und anschließend in zwei weltweiten Befragungsrunden bewertet wurden.
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EL PH I Stud
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dazu ie tudie
ZUKUNFTSSTUDIE • ENERGIESYSTEME
ein thema in der
DELPHI-Studie Streitfragen hat für diese Ausgabe einige Thesen aufgegriffen und zeigt damit: Die Ergebnisse der Zukunftsstudie sind bereits für das Hier und Heute relevant.
DIE VOLLSTÄNDIGE STUDIE LIEGT JETZT VOR UND KANN HERUNTER GELADEN WERDEN UNTER: www.delphi-energy-future.com/de STREITFRAGEN
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Streit-fragen
INTRO: 2 ANSTOSS: 4 ZAHLEN: 14 KONTER: 26
SCHLAGZEILEN: 48 TERMINE/IMPRESSUM: 49 OUTRO: 50
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Nachwuchs
In der Energiebranche haben Mechatroniker sehr gute Entwick‑ lungschancen.
Anteil der EE, in Prozent
Entwicklung der installierten Leistung der EEG-Anlagen in Deutschland bis 2020, in MW
Ziel der bis 2020 Anteil derBundesregierung EE, in Prozent
2018
2019
116.757 116.757
2017
112.246 112.246
2016
107.231 107.231
2015
97.060 97.060
2014
102.326 102.326
2013
92.111 92.111
2012
83.922 83.922
2011
77.645 77.645
2010
40
35,0
erreichter Anteil 2014
27,4
30 40
35,0
... in den Emissionen von Kohlekraftwerken ist Gegenstand hitziger Diskussionen. Aber der Hinweis auf amerikanische Vorgaben hat Tücken. 32 70.561 70.561
Die Debatte um den Ausstieg aus fossilen Energien hält die Energiewirt‑ schaft in Atem. Wie haben andere Branchen auf Umbrüche reagiert?
Quecksilber ...
Entwicklung der installierten Leistung der EEG-Anlagen in Deutschland bis 2020, in MW
60.077 60.077
Wenn eine Branche ihre Grundlage verliert
51.068 51.068
8
»Störfaktor«
2020
erreichter Anteil 2014 14,0 12,5bis 2020 Ziel der Bundesregierung 12,0
5,6
12,5
12,0
Kraftstoffe/Verkehr
27,4
18,0
13,7
14,0
18,0
20 30 10 20
13,7
Wärme/Kälte
Strom
Gesamtenergiebedarf
Wärme/Kälte
Strom
Gesamtenergiebedarf
0 10
5,6
0 2010
Legende:
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
2019
Legende: HESSEN 4.938 HESSEN
Bundesland/Region Gesamte erzeugte Energie in Gigawattstunden (GWh) Bundesland/Region
6.756
174
Deutschland baut seine Erneuerbaren Energien aus. Wie ist der Stand bei der Stromerzeugung? 24
HAMBURG
389
BREMEN
368
644
MECKLENBURG-VORPOMMERN
HAMBURG
4.027
295 368
7.622
389
BERLIN
387
HAMBURG
295
BERLIN
387 BERLIN NIEDERSACHSEN
15.791
SACHSEN-ANHALT
15.791
SACHSEN-ANHALT
7.429
234
BRANDENBURG
8.515
7.429
NIEDERSACHSEN
NIEDERSACHSEN
SACHSEN-ANHALT
24.832
11.174
BERLIN
234
BRANDENBURG
NIEDERSACHSEN
SACHSEN-ANHALT
24.832
8.515
NORDRHEIN-WESTFALEN
SACHSEN
9.288
3.114
13.371 NORDRHEIN-WESTFALEN
2.742
4.928
NORDRHEIN-WESTFALEN SACHSEN THÜRINGEN
15.179
9.288
4.928 4.534
THÜRINGEN
HESSEN
2.742
2.582
RHEINLAND-PFALZ
HESSEN
4.085
THÜRINGEN
4.938
HESSEN
2.582
RHEINLAND-PFALZ
4.085
SACHSEN
15.179 THÜRINGEN
4.534
RHEINLAND-PFALZ
7.308
SAARLAND
HESSEN
4.938
BAYERN
506
22.449
RHEINLAND-PFALZ
7.308
SAARLAND
BAYERN
BAYERN
32.384
SAARLAND
22.449
10.951
36
1.022 BAYERN
32.384
SAARLAND
BADEN-WÜRTTEMBERG
10.951
Erzeugter Strom nach erneuerbaren Energieträgern deutschlandweit, in GWh
2010
Erzeugter Strom nach erneuerbaren Energieträgern deutschlandweit, in GWh
2010
11.683
Sonnenenergie
6
13.371 BRANDENBURG
NORDRHEIN-WESTFALEN
BADEN-WÜRTTEMBERG
Sonnenenergie
BRANDENBURG
11.174
SACHSEN
3.114
506
11.683
MECKLENBURG-VORPOMMERN
HAMBURG
BREMEN
5.000 1.000
100 10
12.083
644
1.449
BREMEN
7.622
SCHLESWIG-HOLSTEIN
BREMEN NORD-/OSTSEE
4.027
5.000 10.000 GWh 2.500 7.500
2.500 100 10 1.000
MECKLENBURG-VORPOMMERN
1.449 SCHLESWIG-HOLSTEIN MECKLENBURG-VORPOMMERN 6.756
• Sonnenenergie •Größenangaben: Biomasse + sonstige EE • Windenergie 10.000 GWh 7.500
Es geht voran
Kraftstoffe/Verkehr
12.083
NORD-/OSTSEE
174 NORD-/OSTSEE
Gesamte erzeugte 4.938 Erzeugter Strom aus: Energie in Gigawattstunden (GWh) • Wasserkraft • Sonnenenergie • Biomasse + sonstige Erzeugter Strom aus: EE Windenergie •• Wasserkraft
Größenangaben:
2020
SCHLESWIG-HOLSTEIN
SCHLESWIG-HOLSTEIN NORD-/OSTSEE
19.474 19.474 Wasserkraft
Wasserkraft
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DEUTSCHLAND
99.306 GWh DEUTSCHLAND
99.306 GWh
30.355 30.355 Biomasse + sonstige EE
Biomasse + sonstige EE
37.794 37.794 Windenergie
Windenergie
1.022
BADEN-WÜRTTEMBERG
14.770
Innovationen in der Ener‑ 2014 giewirtschaft kommen zum 2014 großen Teil von Start‑ups. BADEN-WÜRTTEMBERG
14.770
DEUTSCHLAND
157.014 GWh
36.056 44.819 57.357 18.783 36.056 44.819 57.357 18.783
DEUTSCHLAND
157.014 GWh
Wasserkraft
Sonnenenergie
Biomasse + sonstige EE
Windenergie
Wasserkraft
Sonnenenergie
Biomasse + sonstige EE
Windenergie
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Bodenlast
Intensive Landwirtschaft und industrielle Massentierhaltung belasten das Grundwas‑ ser. Der Nitrateintrag steigt bedrohlich. 40
Streitgespräch
Fotos: Getty Images (2), ullstein bild, Norman Konrad (2), Annette Hauschild, Sebastian Treytnar, Shutterstock; Illustration: C3 Visual Lab
Passen Naturschutz und Windkraft zusammen? E-Autos vor
Auf der Straße stockt die Ener‑ giewende. Noch. Wie kann die Akzeptanz von Elektroautos erhöht werden? 46
Konfuzius hilft
Wie gelangen wir zur Erleuchtung in der Diskussion um Kohleausstieg und Dekarbonisierung? Machen Sie sich auf den Weg. 30
Sammeln, aber nach Plan
Energie 4.0 braucht Daten. Um zu wissen, welche Informationen für neue Geschäfts‑ modelle wichtig sein können, ist eine exakte Analyse wichtig. 42
STREITFRAGEN
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STÖRFAKTOR • DEKARBONISIERUNG
Gestern hui, heute pfui ... Immer wieder müssen Unternehmen aufgrund politischer Entscheidungen oder gesellschaftlicher Entwicklungen ihre Geschäftsgrundlage erneuern.
S
pätestens seit der COP21 in Paris ist die Dekarbonisierung – also der vollständige Verzicht auf die Nutzung von Öl, Kohle und Gas – das neue Schlagwort der Energiewende. Doch was passiert mit einem Wirtschaftszweig, dem man die Basis entzieht? Ein Blick in andere Branchen zeigt, dass die Energiewirtschaft nicht allein ist. Auch andere Industrien, vor allem energieintensive wie die Zementherstellung, haben schon bewiesen, dass CO2-Emissionen durch eine Modernisierung der Produktionsprozesse eingespart werden können. Jenseits der Klimadiskussion haben sich auch schon andere Industriebereiche vor die Herausforderung gestellt gesehen, ihre Geschäftsbasis auf neue Fundamente stellen zu müssen. Die Ergebnisse überraschen. Schroffe Brüche können oft auch der Anfang neuer, erfolgreicher Geschäftsmodelle sein.
Foto: iStockphoto
DEKARBONISIERUNG • STÖRFAKTOR
Müll brennt auch gut: Zur Zementherstellung wird viel thermische Energie benötigt. Kommt die aus Stein- und Braunkohle, ist der CO2-Ausstoß beträchtlich. Was tun? Millionen für Emissionszertifikate ausgeben oder investieren. Die Branche hat unter anderem mit dem Einsatz alternativer Brennstoffe einen Weg gefunden, die Emissionen stark zu reduzieren: Altreifen, Altöle, Gewerbe- und Siedlungsabfälle oder Altholz heizen jetzt überwiegend die Produktion an. Bei mehr als 63 Prozent lag deren Anteil am Brennstoffenergiebedarf 2014. Das bedeutete rund 2,1 Millionen Tonnen CO2 weniger als im Vorjahr.
Stör fakt or
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STÖRFAKTOR • DEKARBONISIERUNG
»Wir haben bereits Ende der 1980er‑Jahre FCKW in den Haarsprays von L’Oréal Paris ersetzt, mehrere Jahre, bevor dies gesetzlich vorgeschrieben wurde.«
Für Ihre schönsten Frisuren: Ohne Haarspray ging die moderne, gepflegte Frau nicht aus dem Haus. Doch bereits 1974 warnten amerikanische Wissenschaftler, dass die Freisetzung des in den Haarspraydosen verwendeten Treibgases FCKW (Fluorierte Chlorkohlenwas-
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STREITFRAGEN — März 2016
serstoffe) in erheblichem Maße die Ozonschicht angreife und zerstöre. Im Montrealer Protokoll, das heute als Meilenstein im Umweltvölkerrecht gilt, beschlossen die Industrienationen 1987 das Verbot von Fluorkohlenwasserstoffen. Also kein Haarspray mehr? Doch. Durch chemische Alter-
nativen wie Butan, Dimethylether oder Propan konnte die Industrie FCKW in Deos und Haarsprays problemlos ersetzen. Der Kosmetikkonzern L’Oréal stellte die Produktion seines Kulthaarsprays Elnett zügig auf FCKW-freie Treibmittel um und sicherte sich so seine Marktposition.
Fotos: Getty Images, plainpicture
Eva Leihener-Stefan, Geschäftsleiterin der Marke L’Oréal Paris in Deutschland
DEKARBONISIERUNG • STÖRFAKTOR
»Nach der Abspaltung des Geschäfts mit traditionellen Leuchtmitteln machen wir aktuell mehr als die Hälfte unseres Geschäfts mit LED-Technik.« Dr. Olaf Berlien, CEO Osram
Da geht ein Licht auf: 200 Jahre durfte sie leuchten, die Glühlampe. Auf einmal stand sie für Verschwendung: Nur etwa fünf Prozent der Energie wird in Licht umgewandelt, der Rest als Wärme abgegeben. Das bedeutete das Aus für die Lichtquelle. 2009 hat die EU in einer Ökodesign-Richtlinie die Herstellung und den Vertrieb von energieintensiven Glühlampen Schritt für Schritt verboten. Damit musste sich die Leuchtmittelindustrie neu erfinden. Heute brennen in den Haushalten vorwiegend Energiesparlampen und Halogenleuch-
ten. In diesem Jahr kommt nun für die meisten Halogenleuchten das Ende, denn auch die verbrauchen deutlich mehr Strom als Energiesparoder LED-Lampen. Speziell Letztere gelten als das Licht der Zukunft, denn sie erzeugen aus wenig Strom viel Licht und erzielen dank Halbleiterkristallen eine hohe Lichtausbeute. Auch der klassische Glühlampenhersteller Osram hat das LED-basierte Licht stärker in den Fokus gerückt und wird sich von seinem bisherigen Kerngeschäft mit Glüh-, Halogen- und Energiesparlampen zum 1. Juli dieses Jahres endgültig trennen.
STREITFRAGEN
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STÖRFAKTOR • DEKARBONISIERUNG
Untergang mit Ansage: Quecksilber‑Fieberthermometer waren mehr als 120 Jahre ein Standardprodukt des Gesundheitswesens. Seit Juni 2009 ist laut EU-Verordnung Schluss damit: Quecksilberhaltige Thermometer und Blutdruckmess geräte dürfen nicht mehr verkauft werden. Das Verbot kam mit einer mehrjährigen Vorankündigung. Die Medizintechnik-Branche konnte sich darauf einstellen. Ein-
geklemmt zwischen den strengen Umweltanforderungen und chinesischen Billiganbietern mussten sie an neuen umweltfreundlichen Lösungen für analoge Thermometer arbeiten. Wie das Traditionsunternehmen Geratherm: Den Untergang vor Augen, hat man dort monatelang getestet und schließlich eine Legierung aus Gallium, Indium und Zinn erfunden, die den Eigenschaften des Quecksilbers nahekam. Das analoge Thermometer war gerettet.
Dr. Gert Frank, Geschäftsführer Geratherm Medical
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STREITFRAGEN — März 2016
Fotos: Getty Images, plainpicture
»Wir wollten nicht untergehen! So haben wir alles auf eine Karte gesetzt und an einer neuen um‑ weltfreundlichen Lösung für die Thermometrie gearbeitet.«
DEKARBONISIERUNG • STÖRFAKTOR
»Wir sehen uns heute als ein modernes Un‑ ternehmen, das qualitativ hoch‑ wertige a in Produkte m e h t anbietetd – ob n mit oder ohne Fleisch.«
Godo Röben, Geschäftsleiter Marketing & PR sowie Forschung & Entwicklung Rügenwalder Mühle
Lesen Sie dazu auch die DELPHI Studie
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D
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EL PH I Stud
D Gemüse ist mein Fleisch: Der Trend hält an: Wurst und Geschnetzeltes ja, aber ohne Fleisch. Laut Vegetarierbund ernähren sich rund 7,8 Millionen Deutsche vegetarisch und 900.000 vegan. Wie reagiert die Fleischindustrie? Mit Alternativen. Mehr als 170 Jahre lang hat der niedersächsische Wurstproduzent Rügenwalder Mühle nur Fleischprodukte verkauft, eine Metzgerei eben. Nun bedient das Unternehmen auch die fleischlose Fraktion und bringt Produkte aus Soja, Eiklar und Rapsöl in die Regale von regulären Supermärkten. Andere Firmen, wie der Geflügelfleischer Wiesenhof, haben neue Produktionslinien mit „Schnitzel“ aus Gemüse und Weizenproteinen eingerichtet.
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DELPHI
ein thema in der
DELPHI-Studie 78 Prozent der Befragten erwarten, dass die Verbraucher im Jahr 2040 umfassende Nachhaltigkeit von Unternehmen, Produkten und Dienstleistungen voraussetzen. www.delphi-energy-future.com
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FAKTEN • ZAHLEN
wasser marsch!
Preistreiber sind Steuern und Abgaben 19,46 Cent/kWh
des Strompreises
2006
Um 47 Prozent ist der Strompreis für Haushalte seit 2006 vor allem aufgrund der Entwicklung staatlicher Preisbestandteile gestiegen.
54,1 % entfällt mittlerweile
auf Steuern und Abgaben.
2,77 2,56
2,55
*Prognosen für 2015/16
Mehr als die Hälfte
Mrd. Euro
28,69 Cent/kWh
2,32
1,96
Steuern, Abgaben 1990
24,6 % Regulierte Netzentgelte 21,3 %
Strombeschaffung, Vertrieb
1995
2000
2005
2010
2015
Investitionen der deutschen Wasserwirtschaft (Trinkwasser) (1990 bis 2016 *) in Milliarden Euro: Die hohen Aufwendungen machen sich bezahlt. Deutschland hat mit knapp sieben Prozent die geringsten Wasserverluste in Europa.
2016 * * Stand: Januar 2016
Erdgas punktet bei Wärme
19,3 Mio. Wohnungen werden mit Erdgas geheizt, gefolgt von Öl (10,8), Fernwärme (5,5) und Strom (1,7). Aber auch Kohle öfen gibt es noch. Briketts dienen in 300.000 Wohnungen zur Wärmeversorgung.
Durchschnittlich
20 Jahre
alt ist die Heizungsanlage von Mehrfamilienhäusern. In Ein- und Zweifamilienhäusern sind sie durchschnittlich 16.
4x 121
mehr Trinkwasser verbraucht ein US-Amerikaner jeden Tag im Vergleich zum deutschen Durchschnittsbürger.
Deutschland
475 Liter
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STREITFRAGEN
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USA
ZAHLEN • FAKTEN
Quecksilber-Belastung aus Kraftwerken sinkt stetig Ozeane und Re-Emissionen (z.B. Verdunstung) Verbrennung von Biom asse (u.a. Waldbrände)
675
Sonstige natürliche Quellen, Vulkane
32,2
Die deutschen Quecksilber-Emissionen in die Luft sind von rund 32 Tonnen im Jahr 1990 auf etwa 10 Tonnen im Jahr 2013 deutlich gesunken.
%
natürliche Quellen
1.850
Globale QuecksilberEmissionen nach Herkunftsbereichen 2008 in Tonnen
810
Kohlekraftwerke
10,2
69
2.682
Goldgewinnung
400
NE-Metall‑ Verarbeitung
310
Zementherstellung
236
Abfalllagerung und ‑behandlung
187
Herstellung Natronlauge
163
Sonstige
214
31
%
vom Menschen verursachte Emissionen
Entwicklung der nationalen Quecksilber-Emissionen in Tonnen 2013
Fotos: Fotolia, C3; Illustration: C3 Visual Lab; Quellen: BDEW, UBA, Destatis
1990 Energiewirtschaft (inkl. Raffinerien, Kohlebergbau, Abfallverbrenn ung u. a.)
-64 %
6,96 19,04
Industrie (Feuerungsanlagen und Prozesse)
-79 %
2,48 11,77 Quecksilber-Emissionen aus der Energiegewinnung unterliegen in Deutschland gesetzlichen Vorgaben (13. BImSchV, 2004), um eine Gesundheitsgefährdung auszuschließen und die Umwelt zu schützen. Seit 1990 wurden diese Emissionswerte um rund 64 Prozent gesenkt.
5,2
2013
Die Quecksilber-Emissionen aus Kohlekraftwerken betrugen 2013 5,2 Tonnen. 2014 waren es nach ersten Schätzungen 4,9 Tonnen.
STREITFRAGEN
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STREITGESPRÄCH • NATURSCHUTZ VERSUS ERNEUERBARE
„Das ist einfach ein Sündenfall“ Energiewende und Naturschutz dürfen sich nicht ausschließen. Doch gerade in ländlichen Räumen gibt es immer mehr Konflikte.Wie können diese gelöst werden?
D
er Ausbau der Erneuerba ren Energien schreitet immer weiter voran. Vor allem die steigende Anzahl an Wind kraftanlagen sorgt für Ak zeptanzprobleme und ruft Naturschützer auf den Plan. Über mögliche Lösungen diskutieren Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbun des Deutschland (NABU), und Andreas Jung (CDU), Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Konstanz. Herr Tschimpke, wie viele Vögel sterben jährlich an den Folgen des Windkraftausbaus? Olaf Tschimpke: Viele. Es ist nicht leicht, das zu zählen. Es gibt im speziellen Artenschutz tatsächlich eine ganze Reihe von Problemen, zum Beispiel bei Fledermäusen und bestimmten Vogelarten. Das sind Konfliktfelder, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, aber nicht die einzigen. Die Windkraft beeinträchtigt auch das Landschaftsbild. Der Naturschutz ist also dagegen ...? Tschimpke: Wenn Sie hier einen Konflikt zwischen Naturschutz und Klimaschutz herbeireden wollen: Den gibt es nicht. Klimaschutz ist allerdings nicht allein der Ausbau der Windenergie, sondern das ist ein Gesamtthema. Das beinhaltet die Leistungsfähigkeit der Ökosysteme genauso wie den Ausbau der Erneuerbaren Energien und
16
STREITFRAGEN — März 2016
die Themen Energiesparen sowie Energieund Ressourceneffizienz in Gebäuden. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht immer nur einen Teilaspekt betrachten. Ohne Wälder, Moore, gute Böden – das sind die größten CO2-Speicher überhaupt – wird kein Klimaschutz gelingen. Herr Jung, hat die Energiewende ein Akzeptanzproblem vor allem da, wo sie mit Windkraftanlagen und Hochspannungsleitungen sichtbar wird, also auf dem Land – und da insbesondere im Süden der Republik, also zum Beispiel bei Ihnen in Konstanz? Andreas Jung: Es gibt eine Diskussion, gewiss. Die habe ich auch im Wahlkreis. Im Landkreis Konstanz ist ein Zusammenschluss von Stadtwerken und Bürger energieunternehmen jetzt konkret dabei, einen Standort für eine Windkraftanlage umzusetzen – mit großer Akzeptanz der Gemeinde und der Bürger vor Ort. Ein zweiter Standort ist dagegen sehr umstritten. Ich habe neulich bei einer Podiumsdiskussion mit etwa 600 Bürgern ganz klar gesagt, dass Windkraft auch in Baden-Württemberg Standorte braucht. Die Windkraft wird die größte Rolle spielen unter den Erneuerbaren. Wenn man als Baden-Württemberger nicht will, dass der neue Länderfinanzausgleich heißt, der Norden produziert den Strom, schickt ihn zu uns und wir bezahlen, dann sollte man dafür sein.
Bundesweit bilden sich Bürgerinitiativen, denen der NABU nicht mehr stark genug Front gegen Windkraftanlagen macht. Sind der Natur- oder genauer der Artenschutz ein valides Argument gegen den Ausbau der Windkraft, Herr Tschimpke, oder wird es vorgeschoben? Tschimpke: Teilweise wird das sicher vermischt. Man will Windkraft nicht als Nachbar und sucht nach Naturschutzargumenten, auch wenn man sich jahrzehntelang nicht dafür interessiert hat. Wir als Naturschutz organisation müssen schon aufpassen, dass wir uns nicht vor den falschen Karren spannen lassen. Wir sind sogar dazu verpflichtet, als Verband für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen einzustehen und im Rahmen der Verbandsklage für das Einhalten der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu sorgen. Das ist nicht immer das, was Bürgerinitiativen bewegt. Wir als NABU stehen dafür ein, dass das Ganze versachlicht wird. Wir stehen zum Leitbild der naturverträglichen Energiewende und es wird deshalb immer jemanden bei uns im Verband geben, der das kritisiert. Das ist der Spannungsbogen, mit dem man leben muss. Deshalb haben wir sehr darum gerungen, das „Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende“ nun endlich im Juni auf den Weg zu bringen. Da wird es Mediatoren geben, die sowohl die speziellen Probleme des Artenschutzes und des Naturschutzes kennen als auch wissen, welche Problemlagen die Erneuerbaren Energien haben.
Fotos: Norman Konrad
Moderation TOM LEVINE
Dem NABU wird vorgeworfen, den Ausbau der Windkraft massiv durch Verbandsklagen zu behindern, Herr Tschimpke. Das ist doch keine Petitesse. Tschimpke: Es ist inzwischen längst untersucht worden, wie viele Verbandsklagen es seitens des Naturschutzes in Deutschland gibt. Das Umweltbundesamt hat für den Zeitraum zwischen 2006 und 2012 eine Analyse für große Infrastrukturvorhaben erstellt: Den mehr als 750 Vorhaben pro Jahr standen insgesamt gerade mal 58 Verbandsklagen aller Umweltverbände gegenüber, also weniger als zwölf im Jahr. Die Zahlen bei den Windenergievorhaben sind ähnlich. Und dann sind von diesen Klagen etwa 50 Prozent erfolgreich. Das ist doch ein Popanz. Wir haben im letzten und vorletzten Jahr einen enormen Ausbau der Wind energie in Deutschland erlebt. Da muss man doch mal die Kirche im Dorf lassen. Wir verhindern keine Windenergie, das könnten wir auch gar nicht, sondern wir lassen überprüfen, ob Planungsverfahren rechtskonform zum Bundesnaturschutzgesetz sind. Das ist ein völlig legitimes Anliegen und im Übrigen ein gesetzlicher Auftrag, den wir haben. Beispiel Offshore‑Windpark Butendiek: Das ist einfach ein Sündenfall. Den haben wir von Anfang an bekämpft, weil er mitten in einem der wichtigsten Vogelzug- und -rastgebiete liegt und auch für das Thema Schweinswal von erheblicher Bedeutung ist. Oder das Thema Schreiadler in Mecklenburg-Vorpommern, wo wir erfolgreich geklagt haben: Das ist das wichtigste Populationsgebiet in Deutschland und da muss man eine fachliche Abprüfung auch nach gesetzlichen Normen zulassen. Herr Jung, wird es immer schwieriger, Flächen für Windkraftanlagen ausfindig zu machen, bei denen weder der NABU noch andere Protagonisten klagen?
»Wir verhindern keine Windener gie, das könnten wir auch gar nicht.« Olaf Tschimpke
NATURSCHUTZ VERSUS ERNEUERBARE • STREITGESPRÄCH
Fotos: Norman Konrad, Shutterstock
Jung: Ich würde es gar nicht an der Frage der Klagen festmachen. Auch so ist es schon schwierig, Flächen zu finden. Es gibt für unsere Region Untersuchungen, welche Standorte hier vom Windangebot her potenziell möglich wären. Das sind ungefähr 20. Wie viele bleiben dann noch übrig, wenn wir allein die Frage nach dem Vogelschutz geklärt haben? Eine kleine einstellige Zahl. Ganz viele Standorte scheiden aus, ganz konkret, wegen des Rotmilans. Deshalb plädiere ich dafür, dass wir keine statische Sichtweise verfolgen. Völlig klar ist, dass Vogelschutz wichtig ist. Ich bin aber sehr skeptisch gegenüber der gegenwärtigen Regelung, die besagt: Wenn irgendwo ein Rotmilan sitzt, dann darf man in einem Radius von einem Kilometer keine Windkraftanlage bauen. Und ich bin noch skeptischer, wenn ich jetzt in dem Helgoländer Papier lese, dass gerade beim Rotmilan dieser Radius auf Vorschlag der Länderarbeitsgemeinschaften der Vogelschutzwarten noch einmal ausgeweitet werden soll. Mir haben Experten erklärt, dass ein Rotmilan sich nicht genau in einem Radius von einem Kilometer rund um seinen Horst bewegt, sondern dass er ein bestimmtes Flugverhalten hat. So orientiert er sich von seinem Horst am Wald rand eher in Richtung Offenland und nicht in Richtung Wald. Wenn man die Wiesen rund um die Windkraftanlage nicht mäht, dann könnte das zum Schutz dieses Vogels beitragen. Ich wünsche mir ein weniger statisches Verständnis, ohne den Vogelschutz zu beeinträchtigen.
über viele Jahre den Milan kartiert, kennt man dessen Standorte. Wenn die Länder geschlampt und ihre Naturschutzbehörden abgeschafft haben, sieht das anders aus. Aber auch da muss man die Ausbreitung des Vogels belegen können. Herr Jung, woher nehmen Sie den Optimismus, dass die ehrgeizigen Ziele der Energiewende zu schaffen sind? Jung: Das ist immer mit Anstrengung und Mühe verbunden. Seit ich politisch tätig bin, begleitet uns die Diskussion darüber, ob die Erneuerbaren es schaffen können. Die werden eine Nische bleiben, hieß es lange. Wenn wir aber die Fakten nehmen, dann haben wir beim Ausbau der Kapazitäten Fortschritte gemacht, die die Ziele weit übertroffen haben. Auch und gerade im Bereich der Windenergie. Seit vergangenem Jahr sind die Erneuerbaren der Energieträger Nummer eins
»Klar ist der Vo gelschutz wichtig. Aber ich plädiere dafür, dass wir kei ne statische Sicht weise verfolgen.« Andreas Jung in Deutschland. Darauf gilt es jetzt aufzubauen. Und natürlich bedarf das weiterhin erheblicher Anstrengungen, vor allem beim Leitungsbau und bei Entwicklung und Ausbau von Speichertechnologien.
Wäre die Einzelfallprüfung ein Weg? Tschimpke: Das Helgoländer Papier ist eine Empfehlung, die von den Vogelschutzwarten ausgesprochen worden ist, den zuständigen Fachbehörden für Ornithologie. Trotzdem muss immer in jedem Einzelfall geprüft werden, wie die Situation vor Ort tatsächlich ist, und zwar nicht nur in Bezug auf die Windenergie, sondern auch auf die Straßenoder Bebauungsplanung und so weiter. Und das passiert auch. Das Problem ist oft, dass keine Verlässlichkeit herrscht. Da wird der Korridor, auf den man sich für den Rotmilan geeinigt hat, bei der nächsten Planung wieder über den Haufen geworfen. Wer also keine Windkraftanlage vor der Tür will, beschafft sich halt irgendwo einen Rotmilan und setzt den da aus. Ist das so einfach? Tschimpke: Das ist Blödsinn. In einer vernünftig ausgestatteten Landesbehörde, die
Andreas Jung (li.) und Olaf Tschimpke diskutieren leidenschaftlich, auch am Telefon.
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STREITGESPRÄCH • NATURSCHUTZ VERSUS ERNEUERBARE
ziele nicht erreichen, wenn wir den Verkehr, die Landwirtschaft und die Gebäude weiter vernachlässigen. Das leidige Thema steuerliche Abschreibung ist wirklich ein Trauerspiel. Da haben wir die größten Potenziale und es passiert nichts. Ich habe nicht so große Sorgen beim Ausbau der Erneuerbaren, aber selbst da müssen wir langsam nachjustieren.
Andreas Jung und Olaf Tschimpke (re.) mögen verschiedene Ansichten haben, grundsätzlich ziehen sie aber an einem Strang.
Und was ist jetzt der nächste Schritt? Jung: Wir stellen die Förderung der Erneuerbaren Energien ja gerade auf neue Beine, was ich grundsätzlich begrüße. Damit die Erneuerbaren nahezu die gesamte Energie-
»Es wird immer von Energiewende geredet, aber ich denke, das Thema Naturverträglich keit gehört dazu.« Olaf Tschimpke
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versorgung leisten können, müssen sie sich stärker dem Wettbewerb stellen, noch mehr mit marktwirtschaftlichen Instrumenten gefördert werden. Aber wichtig ist, dass die Bürgerbeteiligung dabei erhalten bleibt. Die Erneuerbaren Energien haben den Vorteil, dass sie dezentral sind und nicht nur wenige große Konzerne davon profitieren, sondern viele kleine Unternehmen, Stadtwerke oder Bürgerinitiativen. Für die Akzeptanz vor Ort ist das wichtig. Jedes Projekt ist mit einem Eingriff in die Natur verbunden, da ist es gut, wenn nicht irgendein anonymer Investor dahintersteht, sondern eben auch die Bürger vor Ort, die diesen Eingriff hinnehmen müssen, profitieren. Tschimpke: Darf ich an dieser Stelle widersprechen? Wir reden ja nur über den Strommarkt. Das ist aber nicht die Energiewende. Wir werden die Klimaschutz-
Herr Jung, bei Ihnen in Konstanz gibt es keine Rotmilane, aber auch keine Windmasten. Macht es das einfacher, für den Ausbau der Windkraft zu streiten? Jung: Richtig ist: Bei uns im Landkreis Konstanz gibt es bisher noch keine Windkraftanlagen. Es sind aber Projekte in Planung und es gibt Befürworter und auch Gegner. Der Ausbau kommt in ganz Baden-Württem berg nur schleppend vorankommt. Das liegt unter anderem daran, dass hier von unserer Landesregierung eine verbindliche Regionalplanung abgeschafft wurde. Das halte ich für einen Fehler. Mit einer verbindlichen Regionalplanung kann festgelegt werden: hier Windkraft, da Naturschutz und dort Landschaftsschutz. Das muss man möglichst weit im Vorfeld und über Gemeindegrenzen hinweg tun. Jetzt ist die Planungsfrage als kommunale Aufgabe verankert worden. Das ist ein großes Problem, weil die Gemeindegrenzen oftmals oben auf dem Berg verlaufen. Das heißt, wenn die eine Gemeinde etwas plant, dann ist die Nachbargemeinde davon genauso und manchmal sogar mehr betroffen. Am Planungsverfahren ist sie aber nicht direkt beteiligt. Deshalb ist eine verbindliche Regionalplanung der richtige Weg, um die Anliegen aller Betroffenen und Beteiligten in einem größeren Zusammenhang in Einklang zu bringen. Tschimpke: Da stimme ich voll zu. Bisher wurde immer von Energiewende geredet, aber ich denke, das Thema Naturverträg-
Fotos: Norman Konrad, Shutterstock
Jung: Das sehe ich gar nicht als Widerspruch, sondern als Ergänzung. In der Tat ist Energieeffizienz, ist Gebäudesanierung der schlafende Riese, den wir endlich wecken müssen. Die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung haben wir im Bundestag beschlossen. Aber wir brauchen die Zustimmung der Länder, die jedoch nicht bereit sind, ihren Anteil zu tragen. Die Energiewende ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Und dass die Länder sich in dieser Frage verweigern, ärgert auch mich.
»Die Energie wende ist eine Gemeinschaftsaufgabe.« Andreas Jung lichkeit gehört dazu. Und da spielen natürlich Planungsprozesse eine ganz entscheidende Rolle. Wir haben überall da große Probleme, wo die Planung kommunalisiert wurde, weil wir Steuerungsmöglichkeiten auf regionaler Ebene einfach aus der Hand gegeben haben. Ich war immer ein großer Gegner davon. Ich komme aus Niedersachsen. Hier stehen wirklich große Windanlagen. Und daher weiß ich, was man falsch und was man auch richtig machen kann. Die verbindliche Regionalplanung ist eine der wichtigen Steuerungsinstrumente. Denn wir haben natürlich auch immer Verdrängungsprozesse. Wenn man einen Kompromiss gefunden hat, kann er nicht fünf Jahre später aufgelöst werden. Das zerstört sämtliches Vertrauen. Jung: Wir haben auch bei der Photovoltaik noch große Potenziale. Ich bin sehr dafür, dass wir die ausschöpfen – auf Dächern, auf Parkplätzen, auf größeren Gebäudekomplexen. Und Sie haben keine Probleme mit großen Solaranlagen, die auf den Wiesen gebaut werden? Tschimpke: Na ja, die Debatten, die gab es natürlich auch. Aber da muss man mal die Prioritäten richtig setzen. Ich kann schlichtweg nicht verstehen, dass es neugebaute Gewerbegebäude ohne Solaranlage gibt. Ich verstehe nicht, warum man das nicht einfach im Baugesetz vorschreiben kann. Wir haben so viele Großflächen, die völlig ohne Solartechnik ausgestattet werden, dass ich mir dann wirklich überlegen würde, ob ich immer in die Freifläche reingehen muss. Probleme mit dem speziellen Artenschutz haben wir jedenfalls bei den Photovoltaikanlagen nicht. Das ist eher eine Frage des Landschaftsbildes und des Flächenverbrauchs. In Norddeutschland sollen viele alte Anlagen durch das Repowering technisch
STREITGESPRÄCH • NATURSCHUTZ VERSUS ERNEUERBARE
aufgerüstet werden. Zementiert das aber nicht die Vormacht der Region im Bereich der Windenergie? Und damit auch die Notwendigkeit, große Stromtrassen zu bauen, die wiederum ein starker Eingriff in die Natur sind? Tschimpke: Windenergie richtet sich ja nach der Windhöffigkeit und da wird es immer einen gewissen Vorsprung in Norddeutschland geben. Trotzdem brauchen wir auch einen Ausbau im Süden. Das müssen wir mit kluger Förderpolitik unterstützen. Trotzdem werden wir nicht um den Leitungsausbau von Nord nach Süd kommen. Das sehen alle so. Allein schon aufgrund der Offshore-Technologie im Meer. Das muss man einfach ins Kalkül ziehen. Ich bin aber schon dafür, dass man die Potenziale im Süden nutzt und das auch mit einer vernünftigen Förderpolitik unterstützt. Wir müssen sehen, dass wir eine sinnvolle Struktur hinbekommen.
Durch das neue Ausschreibungsverfahren wird ja zunächst einmal, jedenfalls in der bisherigen Planung, keine Nord- und Südverteilung festgelegt. Herr Jung, sind Sie dafür, dass es da doch noch eine Quotierung geben sollte? Jung: Nein, das wäre nicht die richtige Antwort. Ich glaube aber schon, dass man bei der Ausschreibung gewisse Aspekte berücksichtigen muss, die über die Frage der Kapazität hinausgehen. Ich bin der Meinung, dass Regionalität und Dezentralität eine Rolle spielen müssen. Tschimpke: Man könnte auch das Thema Naturverträglichkeit in die Ausschreibung reinbringen und dann hätte man ein weiteres Steuerungsinstrument.
Wäre Ihnen daran gelegen, Herr Tschimpke? Tschimpke: Natürlich, das zwingt von vornherein dazu, sich vernünftig mit den Dingen auseinanderzusetzen. Dass man erst mal die Standorte, die am geeignetsten sind, auswählt und sich nicht gleich an dem Standort verkämpft, wo die dichteste Schreiadler population von ganz Deutschland lebt. Das wird auch steuernd auf die Projektierer einwirken und das ist gut so. Gilt das auch für die Akzeptanz der Bürger vor Ort? Herr Jung sagt, es ist wichtig, dass Bürgerenergiegruppen auch profitieren. Die stimmen einer Anlage zu und dann sagt man ihnen, da gibt es den falschen Vogel. Jung: Es ist notwendig, die Fragen der Naturverträglichkeit von vornherein mit ein-
Jung: Wir müssen im gesamten Bundesgebiet sehen, dass wir den Ausbau so steuern, dass wir unsere Ziele erreichen und aber eben nicht überkompensieren. Sie erinnern sich an Peter Altmaier als Umweltminister. Er hat mal alle Bundesländer bereist und die Ministerpräsidenten nach ihren Ausbauzielen gefragt. Danach hat er die Kapazitäten ausgerechnet. Das Ergebnis war dann etwa das Doppelte des Ausbauziels des Bundes. Dass wir deshalb eine Gesamtsteuerung brauchen, ist ja unbestritten. Diese Sorge steht aber im Widerspruch zur vorher genannten, dass die Ziele nicht erreicht werden könnten. Und aus genau dem Grund haben wir uns in der Koalition darauf verständigt, Ausbauziele nicht nur abstrakt zu formulieren, sondern konkret durch Korridore umzusetzen.
»Es ist notwendig, die Fragen der Naturverträglich keit von vornhe rein mit einzube ziehen.« Andreas Jung
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STREITFRAGEN — März 2016
Diskussionen über die Naturverträglichkeit der Erneuerbaren und die Kosten müssen geführt werden.
EL PH I Stud NATURSCHUTZ VERSUS ERNEUERBARE • STREITGESPRÄCH
»Der NABU hat sich massiv in Pro jekte eingebracht. Es ist ja nicht so, dass überall ge stritten wird.« Olaf Tschimpke
Fotos: Norman Konrad
zubeziehen. Und so etwas ist ja durchaus im Ausschreibungsverfahren möglich. Ich will an der Stelle noch mal auf ein anderes Thema hinweisen. Wir haben vereinbart, dass es beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit eine Clearingstelle geben soll, um solche Fragen frühzeitig zu behandeln. Wenn vor Ort Fragen auftauchen, soll Expertise vorhanden sein und ein Erfahrungsaustausch mit anderen Regionen möglich werden. Wir hoffen, dass dann vieles an Konflikten frühzeitig ausgeräumt werden kann, weil wir feststellen, dass es in manchen Regionen viele Diskussionen und im wahrsten Sinne des Wortes Gegenwind gibt und in anderen weniger. Und man kann besser voneinander profitieren und vieles frühzeitig klären. Tschimpke: Das Kernteam dieser Clearingstelle, das „Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende“, ist schon gebildet. Und im Wesentlichen geht es jetzt darum, Mediatoren zu finden. Ich verspreche mir davon eine ganze Menge. Man muss dann fachlich argumentieren und kann nicht nur emotional auftreten. Das ist ein wichtiger Schritt vorwärts. Auch der Vogelschutz muss dann seine Argumente fachlich belegen. Und bei Anlagen für Erneuerbare muss genau angegeben werden, warum dieser Standort geeignet ist und ein anderer nicht und wie das Landschaftsbild sich verändern würde. Das ist schon mal eine wichtige Voraussetzung für eine gleiche Gesprächsebene, auf der man sich dann am Ende vielleicht auch verständigen kann. Thema Netzausbau. Der hat für den Vogelschutz eine große Bedeutung. Es gibt aber auch ein massives Akzeptanzproblem. Windkraftanlagen sind das eine, aber so eine
380-Kilovolt-Leitung ist noch mal ein anderes Thema. Wird das ein schwelender Konflikt werden zwischen betroffenen Regionen und denen, an denen dieser Kelch vorbeigeht? Tschimpke: Na ja, auch da muss man unterscheiden zwischen dem Konflikt Naturschutz und Netzausbau und den Bürgern, die solch ein Netz nicht vor ihrer Haustür haben wollen. Es gibt fachlich fundierte Empfehlungen, wo Freileitungen nicht durchführen sollten und welche Vogelschutzmarkierungen man anbringen sollte, damit Kraniche oder Schwäne nicht mit den Leitungen kollidieren. Der Vogelschutz wird auch bei den vielen neuen Leitungsbauprojekten schon auf früher Planungsebene ernst genommen. Aber da jetzt über Erdkabel debattiert wird, kann man viele Konflikte auch entschärfen. Tatsächlich hat sich der NABU massiv mit verschiedenen Projekten eingebracht. Es ist ja nicht so, dass überall gestritten wird. In Schleswig-Holstein hat es eine sehr intensive Auseinandersetzung um Stromleitungen gegeben. Man hat sich gemeinschaftlich geeinigt, und das in einer Region, die nun wirklich schon viele Windanlagen hat. Das zeigt, dass ein vernünftiges Miteinander möglich ist. Aber es gibt natürlich auch einen gewissen Gewöhnungseffekt. Wenn man schon 20 Jahre mit Windanlagen gelebt hat, dann haben Sie ein anderes Bild, als wenn das jetzt ganz neu auf Sie zukommt. Das wird nicht ohne Konflikt gehen. Das wissen wir doch alle. Wir müssen versuchen, auf einer sachlichen Ebene zusammenzukommen. Herr Jung, Sie bekommen in Ihrer Partei von einigen Skeptikern Gegenwind, wenn es um den Ausbau der Erneuerbaren Energien geht. Glauben Sie, dass bei noch stärkeren Umwelt- und Naturschutzauflagen und steigenden Energiepreisen die Akzeptanz in der Öffentlichkeit anhält? Jung: Wir haben Beschlüsse auf dem Bundesparteitag gefasst, die hat auch die Regierung gefasst, und wir haben sie im Koalitionsvertrag stehen: Die Erneuerbaren Energien sind die Zukunft und wir wollen die Stromversorgung auf Erneuerbaren Energien aufbauen. Trotzdem müssen wir die Akzeptanzproblematik diskutieren. Natürlich gibt es theoretisch Alternativen. Die eine ist die Kernenergie – die hat die Akzeptanz verloren und wir steigen zu Recht aus. Dann ist da die Kohle. Da ist die Akzeptanz regional unterschiedlich. Aber wegen unserer Klimaziele kann sie
ein thema in der
DELPHI-Studie Zwei Drittel glauben, dass dezentrale Energiesysteme im Jahr 2040 neue Entwicklungsperspektiven für ländliche Räume bieten. www.delphi-energy-future.com
über 2050 hinaus keine Alternative sein. Und Fracking ist auch nicht wirklich eine Option. Das heißt, der Weg hin zu regenerativen Energien ist klar. Trotzdem ist die Akzeptanz nicht automatisch da. Und deshalb müssen wir die Diskussionen über die Naturverträglichkeit und über die Kosten führen. Da haben wir mit den Beschlüssen in der Großen Koalition vieles auf den Weg gebracht in Richtung mehr Wettbewerb, in Richtung Marktwirtschaftlichkeit. Auch die Entscheidung für eine Erdverkabelung in bestimmten Gebieten wird die Akzeptanz erhöhen. Ich erhoffe mir davon auch eine Beschleunigung des Netzausbaus. Es handelt sich dabei zugegeben um eine teure Maßnahme und auch das ist ein Eingriff, aber ein viel geringerer als Strommasten. Natürlich muss jeweils im Einzelfall geprüft werden, welche Auswirkungen die Erdkabel unter der Erde auf den Naturschutz haben. Wir führen diese Diskussion manchmal so, als bräuchte man nur Energienetze, weil wir auf Erneuerbare setzen. Auch für andere Energieträger bräuchten wir Netze, wenngleich es natürlich manchmal andere wären. Die teuersten Netze sind die, die man nicht baut! Tschimpke: Vielleicht muss man an der Stelle auch mal fair sein. Wir wissen alle, dass wir jetzt natürlich einen großen Investitionsschub auch durch Erneuerbare haben, was zwangsläufig auch zu Kostensteigerungen führt. Das wird auf Dauer aber nicht so bleiben. Es ist eine Investition in die Zukunft und deswegen haben wir ja auch immer zum EEG gestanden. Wir hätten diesen Technologiefortschritt sonst nicht hinbekommen.
Kommentare zum Thema auf
streitfragen.de/debatten
STREITFRAGEN
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KARTE • AUSBAU ERNEUERBARER ENERGIEN
ENERGIEWENDE wie weit ist deutschland?
Spätestens in 20 Jahren soll Energie aus erneuerbaren Quellen die Stromversorgung dominieren. Ihr Anteil bei der Wärmeversorgung und im Verkehrssektor wird zunehmen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Europäische Union mit ihren Mitgliedsländern konkrete Ziele zum Ausbau der regenerativen Energieträger festgelegt. Die Bundesregierung
Legende:
hat beschlossen, dass bis zum Jahr 2025 zwischen 40 und 45 Prozent des im Land verbrauchten Stroms aus Erneuerbaren Energien produziert werden sollen. Weitere zehn Jahre später sollen es 55 bis 60 Prozent sein. Die Grafik zeigt die Entwicklung des Ausbaus der Erneuerbaren seit 2010, sie gibt Aufschluss über den Status quo und bietet einen Ausblick.
SCHLESWIG-HOLSTEIN
6.756
NORD-/OSTSEE HESSEN
4.938
Bundesland/Region Gesamte erzeugte Energie in Gigawattstunden (GWh)
174 MECKLENBURG-VORPOMMERN
4.027 BREMEN
368
HAMBURG
Erzeugter Strom aus: • Wasserkraft • Sonnenenergie • Biomasse + sonstige EE • Windenergie Größenangaben:
295
BERLIN
10.000 GWh 7.500
NIEDERSACHSEN
15.791
5.000
SACHSEN-ANHALT
234
BRANDENBURG
7.429
8.515
2.500 1.000
SACHSEN
3.114
100 10
NORDRHEIN-WESTFALEN
9.288
THÜRINGEN
2.742 HESSEN
2.582
RHEINLAND-PFALZ
SAARLAND
BAYERN
506
22.449
BADEN-WÜRTTEMBERG
10.951
Erzeugter Strom nach erneuerbaren Energieträgern deutschlandweit, in GWh
11.683
Sonnenenergie
24
19.474
STREITFRAGEN — März 2016
Wasserkraft
2010
DEUTSCHLAND
99.306 GWh
30.355 Biomasse + sonstige EE
37.794 Windenergie
Quelle: BDEW, BMWi/AGEE-Stat, Mittelfristprognose der ÜNB; Illustration: C3 Visual Lab
4.085
AUSBAU ERNEUERBARER ENERGIEN • KARTE
Anteil der EE, in Prozent
116.757
112.246
40
35,0
erreichter Anteil 2014 Ziel der Bundesregierung bis 2020
107.231
102.326
97.060
92.111
83.922
77.645
70.561
60.077
51.068
Entwicklung der installierten Leistung der EEG-Anlagen in Deutschland bis 2020, in MW
27,4
30
18,0 12,5
12,0
14,0
20
13,7 10
5,6 0
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
2019
2020
Kraftstoffe/Verkehr
Wärme/Kälte
Strom
Gesamtenergiebedarf
SCHLESWIG-HOLSTEIN
12.083
NORD-/OSTSEE
MECKLENBURG-VORPOMMERN
1.449
7.622
BREMEN
644
HAMBURG
389
BERLIN
387
NIEDERSACHSEN
SACHSEN-ANHALT
24.832
11.174 BRANDENBURG
13.371
NORDRHEIN-WESTFALEN SACHSEN
15.179
4.928 THÜRINGEN
4.534 HESSEN
4.938 RHEINLAND-PFALZ
7.308
BAYERN
32.384
SAARLAND
1.022
BADEN-WÜRTTEMBERG
14.770
2014
18.783 Wasserkraft
DEUTSCHLAND
157.014 GWh
36.056 44.819 57.357 Sonnenenergie
Biomasse + sonstige EE
Windenergie
STREITFRAGEN
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KONTER • KOHLEAUSSTIEG
Beginnt der Ausstiegswettlauf?
Dr. Patrick Graichen
Michael Vassiliadis
Der Volkswirt und Politikwissenschaftler ist seit Januar 2014 Direktor von Agora Energiewende. Der Thinktank erarbeitet Konzepte für den Umbau der Energieversorgung.
Der 52-Jährige ist Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie und zuständig für die Gesamtleitung. Er setzt sich für eine Energiewende ohne Strukturbrüche ein.
Die energiepolitischen Trends des Jahres 2015 sind eindeutig: G7-Gipfel von Elmau, Klimakonferenz von Paris, Dauer-Smogalarm in Peking und Delhi, globale Durchbrüche bei Wind- und Solarenergie, wärmstes Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, stark anwachsende Divestment-Bewegungen, dramatische Kursverluste bei Kohle-, Öl- und Gasförderern … das alles zeigt in eine Richtung: die Dekarbonisierung ist das Paradigma der Energie26
STREITFRAGEN — März 2016
Wie gut, dass wir in Deutschland mit der Energiewende bereits klare Ziele habe n. Zum Beispiel eine Strom erz eugung, die bis 2050 zu 90 bis 95 Proz ent auf erneuerbarer Basis erfolgen soll.
Illustration: C3 Visual Lab
Das Agora-Konzept zur schrittweisen Dekarbonisierung des Stromsektors ist umstritten. Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie weist den Vorschlag entschieden zurück.
KOHLEAUSSTIEG • KONTER
Aber weltweit steigen die CO2-E mission en nach allen Prognosen über 2030 hinau weiterhin, s. Dem wirtschaft der kommenden Jahrzehnte. Durch Klide uts che n Vo rbild mit den härtesten Klimaz ielen mawandel und Luftverschmutzung wird die Politik sch ein t bislang niemand begeistert zu folgen förmlich zum Handeln gezwungen. Und weil Er. neuerbare Energien immer billiger werden, ist die thos. 25 Milliarden Dekarbonisierung im Gegensatz zu früher heute Leider nur ein grüner My 20 Jahre auch wirtschaftlich darstellbar. Das gilt weltweit, Euro Subvention allein 2015, über insgesamt 480 Milliarden: Wer will sich das in Europa und natürlich auch für Deutschland. außer Deutschland heute leist en? Dem Stromsektor kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, denn die Dekarbonisierung von
Schade, dass weder die bisherigen Ziele beim Elektroauto noch bei der energeti schen Gebäudesanierung auch nu r annähernd erreicht sind.
Wärme und Verkehr wird – neben einer deutlichen Steigerung der Effizienz – darüber erfolgen, dass diese Sektoren elektrifiziert werden. Die Integration der Energiesektoren eröffnet insofern viele neue Geschäftsfelder, ändert jedoch nichts daran, dass die CO₂-Emissionen des Stromsektors schnell sinken müssen.
Und was längst auf dem Weg ist.
Deutschland kann nicht Energiewendeland sein und Kohleland bleiben. Wie ein solcher Strukturwandel ausgewogen im Sinne aller Beteiligten geschehen kann, hat Agora Energiewende in elf Eckpunkten ausgeführt. Unser Vorschlag für einen Kohlekonsens 2040 baut auf den Erfahrungen des Atomkonsenses auf. Er ist wesentlich davon bestimmt, Planungssicherheit und Verlässlichkeit zu gewährleisten – und zwar in all ihren zahlreichen Facetten: Die betroffenen Unternehmen und Beschäftigten wissen endlich, was auf sie zukommt, und können vorausschauend planen. Die restliche Energiewirtschaft hat ebenfalls Sicherheit und kann auf dieser Basis ihre Kraftwerke optimieren und neue Anlagen planen. Das vorgeschlagene Instrument der Restlaufzeiten löst
Hat ja auch noch nie irgendjemand behauptet. Die alle derselben falschen Strategie folgen. Statt willkürlichem Abschalten brauchen wir Antworten auf die offenen Fragen der Energiewende: Wann kommen die Leitungen, wie speichern wir volatilen Strom, wer bez ahlt die ganz e Party? Nämlich drastische Stilllegungen, tau sen df Arbeitsplatzabbau und brutaler Struk acher turbruch. Alles Effekte einer Strategie, die Brau nkohle unwirtschaftlich zu machen.
die geringsten Verteilungswirkungen aus, gleichzeitig ermöglicht ein neuer Strukturwandelfonds den betroffenen Regionen, eine neue Wirtschaftsstruktur aufzubauen.
Kleine Zwischenfrage: Wie wirkt das auf Wettbewerbsfähigkeit und Investitionen der Industrie? Gas ist siebenmal so teuer. STREITFRAGEN
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KONTER • KOHLEAUSSTIEG
Die elf Eckpunkte haben bereits einige Diskussionen ausgelöst. So wurde behauptet, mit ihnen wäre die Versorgungssicherheit Deutschlands in Gefahr. Das ist natürlich Unsinn: Wie die Berechnungen der Gutachter von enervis zeigen, stehen auch in der Transformationsphase jederzeit genügend Kraftwerkskapazitäten zur Verfügung. Auch die Behauptung, dass
Agora selbst sagt: Daf ür brauchen wir 40 neue Großkraftwerke, die Gas ver feu ern. Wer soll die bauen? Und wer bezahlt die zwingend folgende Preisexplosion?
erst viele neue Stromspeicher nötig seien, bevor der Kohleausstieg erfolgen könne, ist falsch. Alle Untersuchungen zum Thema Stromspeicher kommen zu dem Ergebnis, dass diese erst ab einem Anteil von 70 bis 80 Prozent Erneuerbare Energien wirklich gebraucht werden. Der Agora-Vorschlag ist ein Angebot – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wer es ausschlägt, sollte die Alternativen klar vor Augen haben. Es wäre naiv und wirklichkeitsfremd, darauf zu setzen, dass es beim Thema Kohle noch ewig so weitergeht wie bisher, mit einem CO₂-Preis von unter zehn Euro und keinerlei nationalen Instrumenten. Realistischer ist vielmehr eine jahrelange Auseinandersetzung, eine daraus folgende anhaltende Investitionsunsicherheit – und am
Reines Wu nschdenken! Wie soll das klappen, wenn auch Verkehr und Wohnen mit Erneuerbaren versorgt werden – und der Wind nicht weht? Ein Angebot, auf das wir gerne verzichten!
An nationalen Inst rumenten fehlt es in Deutschland nicht, wohl aber an europäischer Koordination.
Ende eine wie auch immer geartete spontane Politik entscheidung. Ob das besser ist? Ich bezweifle es.
E L F ECK PU N K T E FÜ R E I N E N KO H L E KO N S E N S: DER RAHMEN 1
Der allein der Logik eines grünen Thinktanks folgt.
Zeitnahe Einberufung eines „Runden Tischs
Nationaler Kohlekonsens“ 2
Schrittweiser, gesetzlich geregelter Ausstieg aus
der Kohleverstromung bis zum Jahr 2040 DER KOHLEAUSSTIEG IM KRAFTWERKSPARK 3
Kein Neubau von Stein- und
Braunkohlekraftwerken 28
STREITFRAGEN — März 2016
Abschalten als deutsche Kernkompetenz ? Nein danke!
KOHLEAUSSTIEG • KONTER
4
Festlegung eines kosteneffizienten Abschalt-
plans der Bestands-Kohlekraftwerke auf Basis von Restlaufzeiten mit Flexibilitätsoption in den Braunkohlerevieren 5
Verzicht der nationalen Politik auf zusätzliche
Klimaschutzregelungen für Kohlekraftwerke über den vorgeschlagenen Abschaltplan hinaus
Wie wäre es, erst einmal die Erneuerba ren effizient und markt fähig zu machen? Der Rest folgt dann fast von alleine.
DER KOHLEAUSSTIEG IN DEN BRAUNKOHLEREGIONEN 6
Kein Aufschluss weiterer Braunkohletagebaue
und Verzicht auf Einleitung neuer Umsiedlungsprozesse Finanzierung der Folgelasten von Braunkohle-
tagebauen über eine Abgabe auf die künftig noch geförderte Braunkohle 8
Der nächst e Preisschub.
Absicherung des ausstiegsbedingten Strukturwandels über einen Strukturwandelfonds DER KOHLEAUSSTIEG IN WIRTSCHAFT
Agora unterschätzt syst ematisch alle Kost en des eigenen Konzepts. Sonst wäre es auch nicht haltbar. hema in
n
Gewährleistung der gewohnt hohen
t
d
er
UND GESELLSCHAFT 9
DELPHI
Aktive Gestaltung und dauerhafte finanzielle
Ei
7
Versorgungssicherheit über den gesamten
Mit EU-Recht gar nicht zu vereinbaren.
und zeitnahe Stilllegung der im Zuge des Ausstiegs CO₂-Zertifikate 11
Sicherung des Wirtschaftsstandortes
EL PH I Stud
D
aus der Kohleverstromung frei werdenden
DE
ie
10
ein
Lesen Sie dazu auch die Stärkung des europäischen Emissionshandels DELPHI Studie
Transformationszeitraum
Deutschland und der energieintensiven Industrie während der Transformationsphase
bsfähiger . r e w e b tt e w antie ensch Du rch Gar s glau bt doch kein M Preise? Da
ein thema in der
DELPHI-Studie 56 Prozent glauben, dass im Jahr 2040 trotz wirtschaftlicher Krisen weltweit die ökologischen Ziele wichtiger als Wachstum und Beschäftigung sein werden. www.delphi-energy-future.com
STREITFRAGEN
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SPIEL • DEKARBONISIERUNG
Die sechs Stufen auf dem Pfad der Erleuchtung r it te h c S n e ig t h ic r ie d g? n W ie f inde n w ir u r ie is n o b r a k e D in Richt u ng Schon Konfuzius sagte: Über das Ziel hinausschießen ist ebenso schlimm wie nicht ans Ziel kommen! Was müssen wir bedenken und diskutieren, bevor ein Plan für die Dekarbonisierung 1 2 3 entstehen kann? Denn wer heute schon weiß, wie es geht, der wandelt im Dunkeln ... Auch alle anderen Sowieso-Entwicklun1
2 1
Jede Diskussion über die CO2-Reduzierung in der Stromerzeugung muss damit beginnen, die schon vorgegebenen nationalen Zielsetzungen zu betrachten. Das Problem: Für den Stromsektor gibt es kein verbindliches Treibhausgas‑Minderungsziel. Eine mögliche Grundlage dafür könnte das Energiekonzept der Bundesregierung dem Jahrmit 2010 sein. Jede grosse Reiseausbeginnt Die hier benannten sollen im Klimaeinem kleinenZiele Schritt. schutzplan 2050 festgeschrieben werden. In Anlehnung daran könnte der Stromerzeugung eine anteilige CO 2-Reduzierung zugeordnet werden.
Jede grosse Reise beginnt mit einem kleinen Schritt. Jede grosse Reise beginnt mit einem kleinen Schritt.
4
Die Rolle des europäischen Emissionszertifikatehandels (ETS) muss in einem weiteren Schritt untersucht werden. Das gilt vor allem für die Effekte auf die deutsche Stromerzeugung und ihreden CO2Hahn -Emissionen. Die Du kannst Auswirkungen des reformierten ETS nach zwar einsperren, aber die 2020 inklusive der Marktstabilitätsreserve Sonne geht doch auf. sind hier ausschlaggebend.
Du kannst den Hahn zwar einsperren, aber die Sonne geht doch auf. Du kannst den Hahn zwar einsperren, aber die Sonne geht doch auf.
4 STREITFRAGEN — März 2016
Wenn ihre Zeit gekommen ist, platzen die Pfirsiche im Schatten.
K
ARMA
Wenn ihre Zeit gekommen ist, P U N K T platzen die Pfirsiche im Schatten. Wenn ihre Zeit gekommen ist, platzen die Pfirsiche im Schatten.
6
5
4 30
2
gen gilt es zu betrachten und zu analysieren. Zum Beispiel den Ausbau der Erneuerbaren Energien gemäß EEG, die 3 Modernisierung des Kraftwerksparks und das betriebswirtschaftliche Ausscheiden von Kraftwerken. Der Stromverbrauch, die3Entwicklung der Brennstoffpreise und die deutsche Handelsbilanz sind weitere CO2-Einflussfaktoren.
5 5
6 6 offne dich der Wahrheit und du wirst erwachen zu Freiheit, Klarheit und Freude am Sein.
DEKARBONISIERUNG • SPIEL
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2 Du kannst den Hahn zwar einsperren, aber die Sonne geht doch auf.
3
Wenn ihre Zeit gekommen ist, platzen die Pfirsiche im Schatten.
Jede grosse Reise beginnt mit einem kleinen Schritt.
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Du kannst den Hahn zwar einsperren, aber die Sonne geht doch auf. Jede grosse Reise beginnt mit einem 4 kleinen Schritt.
ARMA
U N K T
Du kannst den Hahn zwar einsperren, aber die Sonne geht doch auf.
Jede grosse Reise beginnt mit P U N K T einem kleinen Schritt.
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Ein guter Vogel wahlt den Baum aus, auf dem er rastet. U N K T
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In einem weiteren Schritt müssen die Auswirkungen zusätzlichen klimapoEin von guter Vogelnationalen wahlt den litischen Instrumenten untersucht werden. Baum aus, auf dem er rastet. Dazu gehören vornehmlich marktorientierte, aber auch ordnungsrechtliche Instrumente, wobei unterschiedliche Perspektiven und Kriterien herangezogen werden. Auch die Wechselwirkungen mit anderen Sektoren und dem ETS werden hier mitbetrachtet.
Ein guter Vogel wahlt den Baum aus, auf dem er rastet.
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Niemand weiter von Es brauchtist in der Debatte um der die Dekarbonisierung einen strukturierten Dialog. DieWahrheit entfernt als derjenige, sen zualle initiieren ist Aufgabe der Politik. Der der Antworten weiss. BDEW steht seit Sommer 2015 dafür bereit und beschäftigt sich bereits intern mit strukturverträglichen Strategien. Es muss klar sein, dass ein offener Dialog nicht ein Kohleausstiegsdatum vorwegnehmen kann und 5 damit unnötigerweise Spielräume verengt.
Der strukturierte Dialog zwischen der Politik und den Beteiligten aus Wirtschaft und Wennwird ihre Zeit gekommen ist, Gesellschaft geführt. platzen die Pfirsiche im Schatten.
offne dich der Wahrheit und du wirst erwachen zu Freiheit, 6 Klarheit und Freude am Sein.
offne dich der6Wahrheit und du wirst erwachen zu Freiheit, Klarheit und Freude am Sein.
Niemand ist weiter von der Wahrheit entfernt als derjenige, der alle Antworten weiss.
offne dich der Wahrheit und du wirst erwachen zu Freiheit, Klarheit und Freude am Sein.
Fotos: Shutterstock (2), Alamy
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Wenn ihre Zeit gekommen ist, platzen die Pfirsiche im Schatten.
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Niemand ist weiter von der Wahrheit entfernt als derjenige, der alle Antworten weiss.
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MEINUNG • QUECKSILBER-EMISSIONEN
Brauchen wir die strengeren Qu Ja. Schluss mit Kohlestrom. Die Bundesregierung muss endlich handeln und die gesundheitlichen Folgen der Quecksilber‑Emissionen ernst nehmen. Von OLIVER KRISCHER
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ie Verstromung von Kohle ist nicht nur die klimaschädlichste Form der Stromerzeugung, sondern durch den Ausstoß etlicher Schadstoffe auch gesundheitsgefährdend. Durchschnittlich sieben Tonnen des hochgiftigen Quecksilbers stoßen deutsche Kohlekraftwerke jährlich aus. Das Gift lagert sich vor allem in Gewässern ab. Schon heute werden regelmäßig lebensmittelrechtliche Grenzwerte in Schwertfisch, Thunfisch, Aal und anderen großen, älteren Fischen überschritten. Über die Nahrungskette gelangt es auch in den menschlichen Organismus. Wissenschaftliche Studien belegen: Quecksilber führt bei Ungeborenen und Kleinkindern zu Schäden bei der Gehirnausbildung und bewirkt verminderte Intelligenz. Auch bei Erwachsenen führt es zu Nervenschäden und verändert das Erbgut. Zudem besteht der Verdacht, dass es krebserzeugend wirkt. Die USA haben wegen der Gesundheitsrisiken von Quecksilber strengere Grenzwerte für Kohlekraftwerke erlassen. Doch weder die schwarz-rote Bundesregierung noch die Kraftwerksbetreiber scheinen bereit zu sein, einen vergleichbaren Schutz vor der hochgiftigen Substanz in Deutschland schaffen zu
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wollen. Immerhin: Ab 2019 sollen wenigstens etwas strengere Quecksilber-Grenzwerte in der gesamten EU gelten. Diese werden aber immer noch 2,5- bis 6,7-fach höher sein als in den USA. Dabei gibt es schon heute Techniken für die Reduzierung von bis zu 85 Prozent des Quecksilber‑Ausstoßes, wie eine Studie von Ökopol im Auftrag der Grünen‑Bundestagsfraktion belegt. Doch aus Kostengründen wird darauf verzichtet. Es ist unverständlich, weshalb die USA – wahrlich kein Hort des Klimaschutzes – strengere Grenzwerte als der vermeintliche Umweltschutz-Vorreiter Deutschland hat. Die Studie zeigt zudem auf, dass bei Anwendung der US-Grenzwerte fast alle der 53 meldepflichtigen Kohlekraftwerke in Deutschland nicht am Netz bleiben könnten. Die Bundesregierung muss hier endlich handeln: Union und SPD dürfen die gesundheitlichen Folgen der massiven Quecksilber‑Emissionen nicht länger zugunsten der Kohleverstromung ignorieren. Neben dem Klimaschutz sind Gesundheitskosten durch Quecksilber‑Emissionen weitere Argumente, weshalb Deutschland noch stärker auf Erneuerbare Energien und Energieeffizienz setzen muss. Auch deshalb brauchen
wir einen sozialverträglichen Kohleausstieg in den kommenden zwei Jahrzehnten. Denn nach der Klimakonferenz von Paris ist klar: Klimaschutz ist ohne Kohleausstieg nicht zu haben.
»Ab 2019 sollen wenigstens etwas strengere Quecksil‑ ber-Grenzwerte in der gesamten EU gelten.«
Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen
QUECKSILBER-EMISSIONEN • MEINUNG
ecksilber-Grenzwerte der USA? Nein. Deutschlands Kohlekraftwerke gehören bereits heute zu den besten der Welt. Und Alleingänge bringen nichts. Von ALFONS KATHER
Fotos: Shutterstock, Rainer Christian Kurzeder, privat
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ie menschliche Gesundheit ist nicht unmittelbar durch die Quecksilber‑Gehalte in der Luft, sondern durch die Quecksilber‑Anreicherung in der globalen Nahrungskette gefährdet. Quecksilber‑Emissionen sind somit kein lokales, sondern ein globales Problem, dem wir als Weltgemeinschaft unbedingt entgegentreten müssen. In deutschen Kraftwerken wird aufgrund der umfangreichen Rauchgasreinigung bereits seit Jahrzehnten mehr als die Hälfte des Quecksilbers in Staubfiltern und Rauchgasentschwefelungsanlagen abgetrennt. US-Kraftwerke dagegen hatten bis vor Kurzem deutlich höhere Quecksilber‑Emissionen als deutsche Kraftwerke. Daher haben die USA vor etwa vier Jahren die heutigen Grenzwerte festgelegt. Deutsche Kohlekraftwerke sind dadurch von ihrer führenden Position hinter die USA zurückgefallen, zählen aber immer noch mit zu den besten der Welt. Bei richtiger Umrechnung der US-amerikanischen Grenzwerte erfüllen viele deutsche Kohlekraftwerke diese bereits. Die Aussage der Ökopol-Studie vom 21. Dezember 2015, dass kein deutsches Kohlekraftwerk
die US-Grenzwerte einhalte, ist falsch – dies erkläre ich in einer Stellungnahme zur Ökopol-Studie auf der Internetseite meines Instituts. Die Ökopol-Studie besagt, dass man 85 Prozent der Quecksilber‑Emissionen aus deutschen Kohlekraftwerken abtrennen könne. Dabei wird jedoch ein willkürlich ermittelter Grenzwert vorausgesetzt, der für Braunkohlekraftwerke weniger als 20 Prozent des US-Grenzwertes beträgt. Um solch einen Grenzwert einzuhalten, müsste zum Beispiel bei einem Kraftwerk ein Quecksilber‑Abscheidegrad von über 98 Prozent erreicht werden, was mit immensen Kosten und Stillstandszeiten verbunden wäre. Solch überzogene Forderungen zielen daher eher auf ein Abstellen der Kohlekraftwerke ab. Offensichtlich ist den Kohlekraftwerksgegnern nicht bewusst, dass sie damit den weiteren Ausbau der fluktuierenden regenerativen Stromerzeugung aus Wind und Sonne verhindern. Solange wir über keine Stromspeichertechnologien verfügen, sind die Kohlekraftwerke zur Residuallastabdeckung zwingend erforderlich. Da es sich bei den Quecksilber‑Emissionen um ein globales Problem handelt, sollte Deutschland sich bei der weiteren
Absenkung der Grenzwerte nicht so sehr an den USA, sondern an der Vorgabe der EU orientieren. Alleingänge mit niedrigeren Grenzwerten würden global gesehen nur eine sehr geringe Wirkung zeigen, die deutsche Volkswirtschaft aber nachhaltig negativ beeinflussen.
»Deutschland sollte sich nicht an den USA, sondern an den Vorgaben der EU orientieren.« Prof. Dr.-Ing. Alfons Kather, TU Hamburg, Institut für Energietechnik
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Euro Einstiegsgehalt (brutto j채hrlich)
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Mechatroniker haben im Jahr 2014 in Deutschland ihre Ausbildung abgeschlossen
Jahre hat die Kooperative Ingenieurausbildung (KIA) insgesamt gedauert (erst 2,5 Jahre Facharbeiter, weitere 2,5 Jahre Diplom-Ingenieur)
MECHATRONIK • NACHWUCHS
Herr der Anlagen Immer mehr Menschen erzeugen ihren eigenen Strom. Diese dezentralen Mini-Kraftwerke müssen genehmigt und betreut werden. Interview MICHAELA HARNISCH
Die Energiewende bringt frischen Wind in die Branche. Dadurch entstehen viele neue Jobs und Chancen für junge Arbeitnehmer. Zum Beispiel für Lucas Falk, der bei der Netz Leipzig GmbH die Stromerzeugungsanlagen von Privat- und Gewerbekunden betreut. Was hat Sie am Energiesektor interessiert?
In der 11. Klasse habe ich mich umgeschaut und festgestellt: Strom braucht man eigentlich immer. Also habe ich mich bei den Leipziger Stadtwerken für ein duales Studium als Anlagenmechaniker mit Studienrichtung Energie- und Umwelttechnik beworben. Beim Bewerbungsgespräch wurde das nicht mehr angeboten und so habe ich mich stattdessen für das kooperative Studium zum Mechatroniker und Ingenieur entschieden. Was macht ein Mechatroniker in der Energiewirtschaft?
Durch das Grundlagenwissen in Mechanik, Elektrotechnik und Informatik ist man vielfältig einsetzbar. So habe ich während der Ausbildung im Gas- und Dampfkraftwerk, in der hauseigenen Werkstatt sowie bei den Betriebsingenieuren gearbeitet. Was man dann genau macht, hängt ja vom jeweiligen Unternehmen ab. Wie ging es nach der Ausbildung weiter?
Da ging das Studium in Zittau weiter. Das habe ich 2012 mit dem Diplom abgeschlossen. Danach war ich zwei Jahre Trainee bei den Leipziger Stadtwerken.
Foto: Sebastian Treytnar
Wo arbeiten Sie jetzt?
Ich bin seit Oktober 2014 bei der Netz Leipzig GmbH im Energiedatenmanagement angestellt. Das ist eine Tochter der Leipziger Stadtwerke. Was machen Sie da?
Ich betreue die dezentralen Erzeugungsanlagen, die bei uns am Netz angeschlossen werden, also größtenteils Photovoltaikan-
lagen und Blockheizkraftwerke (BHKW) von Privatkunden. Bevor die ans Netz angeschlossen werden dürfen, sind gewisse technische Anforderungen zu erfüllen. Ist alles in Ordnung, kann die Anlage errichtet werden und wir nehmen sie ab. Bei größeren Objekten gehe ich selbst hin. Sobald dies geschehen ist und alle erforderliche Bescheide vorliegen, wird die Vergütung festgelegt. Worauf kommt es besonders an?
Es ist eine Menge Koordinationstalent gefordert. Wenn ich die Abnahme einer größeren Anlage vorbereite, brauche ich jemanden vom Zählerwesen, der die Wandlerzähler einbaut und prüft. Dann brauche ich von der Anlagenerrichter-Seite den Betreiber, dann noch den Anlagen-Produzenten. Bei vielen Terminen koordiniere ich das alles selbst. Von wie vielen Anlagen reden wir denn?
Derzeit sind es knapp 1.000, für die ich ge-
Steckbrief NAME: Lucas Falk ALTER: 27 GEBURTSORT: Leipzig WOHNORT: Leipzig POSITION: SB Energiedaten-
management AUSBILDUNG: Kooperative Ingenieuraus-
bildung – FA und Dipl.-Ing. (FH) Mechatronik INTERESSEN: Wie kann man ein stabiles Netz trotz vieler dezentra ler Erzeugungsanlagen gewährleisten? EMPFEHLUNG: Ohne technisches Grund verständnis geht gar nichts. Man muss komplexe Zusammenhänge schnell erfassen können und bereit sein, ständig dazuzulernen.
meinsam mit zwei Kollegen rundum verantwortlich bin: von der Antragsbearbeitung über die Kontrolle aller Unterlagen bis zur Koordination der Abnahmetermine, der Einstufung der Vergütung und den jährlichen Testaten. Wir sind die Zahnrädchen, die dafür sorgen, dass alles läuft. Wie lange betreuen Sie die Anlagen?
Solange die Anlagenbetreiber ihre Vergütung bekommen und am Netz sind: Bei BHKW, die unter das KWK-Gesetz fallen, sind es zehn und bei Photovoltaikanlagen, die unter das EEG fallen, 20 Kalenderjahre. Wir haben die jährlich im Testat zu betrachten. Manche Kunden wollen auch ihre Anlage umbauen, entweder ihren Strom komplett einspeisen oder ihn selbst nutzen. Das bearbeiten wir dann auch. Es gibt ja eine Menge Verwaltungsvorschriften und ständig ändert sich etwas.
Ja, darum haben wir einen wöchentlichen Termin mit unserer Juristin. Das Lesen der Gesetzestexte erfordert gewisse Übung. Teilweise beißen sich die Gesetze und Verordnungen untereinander oder mit technischen Richtlinien. Auch werden Begriffe unterschiedlich definiert. Der Gesetzgeber versteht zum Beispiel unter einer Erzeugungsanlage etwas anderes als der Techniker. Was ist das Spannende an Ihrem Job?
Man hat mit vielen verschiedenen Abteilungen, Firmen und Privatpersonen zu tun, denn das ist ein sehr komplexer Prozess, den wir stemmen. Es verändert sich ständig etwas, vor allem die Gesetze, und man kann sowohl technisches als auch kaufmännisches Wissen einbringen.
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UNTERNEHMERGEIST • INNOVATIONEN IN DER ENERGIEWIRTSCHAFT
Anfang stand lediglich die Idee, dass es doch möglich sein muss, in Zeiten der Energiewende mehr Haus- und Wohnungseigentümer zum Heizungsaustausch zu bewegen. Inzwischen bietet Thermondo Wechselwilligen ein online berechnetes und herstellerneutrales Festpreisangebot an, das neben Beratung, Montage und Wartung sogar die Beantragung von Fördermitteln enthält. Innerhalb kürzester Zeit stehen die Thermondo-Handwerker mit dem Tablet in der Hand vor der Tür. Die Heizungsbauer 4.0. Thermondo wuchs zu Anfang so rasch, dass die Gründer aus Platzmangel den Keller der damals angemieteten Altbauwohnung für Meetings nutzten. „Es war trocken, aber etwas staubig“, erinnert sich Pausder. Derart unterirdisch lernten auch die Mitarbeiter des Energieriesen E.ON das Start‑up kennen, als Thermondo für die zweite Phase Investoren suchte. „Die fanden den Raum ziemlich spektakulär.“ Und die Idee der Jungunternehmer ebenfalls. E.ON stieg ein. Für Start‑ups wie Thermondo ist ein großes Energieunternehmen nicht nur als Finanzier interessant. Sie haben bei Thomas Birr, einer Kooperation auch Zugang Leiter Stratezu Millionen von Kunden, um gie und Innovaihre Entwicklung anzubieten, zu tion bei RWE testen und zu optimieren. Bessere Partner lassen sich kaum finden, zumal auch die Energiekonzerne händeringend nach Ideen suchen, die sich zu neuen Geschäftsmodellen entwickeln lassen. Denn noch nie war der Innovationsdruck in der Branche so groß wie heute. „Der Energiemarkt wird von einer Innovationsgeschwindigkeit erfasst, die wir sonst nur aus der IT-Branche kennen“, sagt Innovationsforscher Hendrik Send, Professor am Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft. ERFOLGSMODELL STABILITÄT UND VERLÄSSLICHKEIT Keiner weiß, in welche Richtung sich der Strommarkt entwickeln wird. Allein der Gedanke, eine tiefgreifende Neuerung wie Uber als Alternative zum Taxi oder Airbnb als das neue Hotelzimmer könnte auch die Energiebranche erschüttern, treibt den Vorständen den Angstschweiß auf die Stirn. Bei der Frage, wer bei Innovationen die Nase vorne hat, geht es um nichts weniger als die Existenz der etablierten Energieversorger. RWE lässt intern bereits Worst-Case-Szenarien entwickeln. „Disruptive Digitals“ heißen die Innovationen, die die Ener-
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Fotos: Marcus Simaitis, Annette Hauschild
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er Schreibtisch von Philipp Pausder misst 1,20 Meter und sieht exakt so aus wie all die anderen in dem trendigen Großraumbüro mit Holzboden und freigelegten Backsteinmauern in Berlin-Mitte. Für den Geschäftsführer und Gründer des Start‑ups Thermondo käme es nie infrage, für sich einen größeren Arbeitsplatz als seine Mitarbeiter zu beanspruchen, ein Einzelbüro zu beziehen oder Brainstorming-Meetings abzuhalten. „Konzernig“ nennt Pausder solche Gepflogenheiten und meint damit: uncool, schwerfällig und vor allem nicht kreativ. Ideen müssten gleich ausgesprochen und weiterentwickelt werden – am besten mit allen Beteiligten quer durch den Raum. Begeisterung und Motivation sollen nicht durch Türen und starre Hierarchien aufgehalten werden. „Ich möchte, dass wir uns austauschen und Spaß haben.“ Auf diese Weise hat Pausder es mit seinen Thermondo-Mitbegründern Florian Tetzlaff und Kristofer Fichtner weit gebracht. Am
INNOVATIONEN IN DER ENERGIEWIRTSCHAFT • UNTERNEHMERGEIST
Wo sind die Ideen? Noch nie war der Innovationsdruck auf die Energiekonzerne so groß wie heute. Doch Schnelligkeit und Risikofreude entsprechen nicht der DNA der Branche. Die Kooperation mit Start‑ups soll es richten. Von SILKE MERTINS
Steffen Heinrich, einer der Gründer des Start-Ups Qinous
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UNTERNEHMERGEIST • INNOVATIONEN IN DER ENERGIEWIRTSCHAFT
gieversorger in ihren Grundfesten erhin zu Erneuerbaren Energien und dezentraler Versorgung als versponnene Mode betrachteschüttern könnten. Ganze Teams befassen GREEN ECONOMY sich mit Fragen wie: In drei Jahren gibt te, die man auszusitzen gedachte. Photovoltaik GRÜNDUNGSMONITOR 2014 – ein Unwort, das es zu vermeiden galt. „Es es keine Energieversorger mehr. Was ist passiert? „Erschreckend, auf welch reale ist unfassbar, wie träge viele Unternehmen Im Jahr 2013 gingen rund 16.700 neue Unter‑ nehmen der Green Economy in den Bereichen gewesen sind und wie wenig aufgeschlossen Ideen die Kollegen kommen“, sagt ThoErneuerbare Energien, Energieeffizienz, Kreislauf‑ mas Birr, Leiter Strategie und Innovation gegenüber neuen Ideen“, sagt Steffen Heinwirtschaft und Klimaschutz an den Start. Die rich. Wenn er an seinen ehemaligen Arbeitbeim zweitgrößten Energiekonzern. „Nur jungen Unternehmen schufen 1,1 Millionen neue ein Beispiel: Eine unserer Stärken ist die geber denkt, dann greift er sich immer noch Arbeitsplätze. Insgesamt leisten rund 14 Prozent aller treue Kundschaft. Es wäre ein Szenario, an den Hals, als müsste er seine Krawatte loGründungen in Deutschland mit ihren Produkten und diese Kundenbindung zu zerstören, inckern. Mit einem Vorschlag durchzudringen Dienstleistungen einen Beitrag zu einer umwelt‑ und dem man den Wechselprozess zum Ersei lange schlicht unmöglich gewesen. „Dort klimaschonenden Wirtschaft. Fast zwei Drittel der lebnis macht und sehr stark vereinfacht.“ hatte damals keiner eine Vision.“ Mit 42 Jahjungen Unternehmen haben sich auf grüne Dienst‑ Noch können die Versorger darauf ren stieg er aus. leistungen spezialisiert, ein weiteres Drittel bietet bauen, dass die Kunden auch bei PreisunIn seinem ersten Bewerbungsgespräch saß umwelt- und ressourcenschonende Produkte an. Die terschieden nur ungern wechseln. Doch ihm ein Gründer im ausgeleierten schwarzen höchsten Gründungszahlen im Bereich der Green „die Technologiekonzerne lauern nur daT-Shirt gegenüber. Man duzte sich. An feste Economy verzeichnen Bayern, Nordrhein-Westfalen rauf, die Schnittstelle zu den StromkunStrukturen oder Arbeitszeiten war nicht zu und Baden-Württemberg. Quelle: Borderstep Institut den zu besetzen“, sagt Birr. „Da sind wir denken. Es gab keine klare Richtung, keine für Innovation und Nachhaltigkeit gemeinnützige GmbH sehr wachsam. Deswegen arbeiten wir Tabus, außer vielleicht, dass es nicht nach etmit Volldampf daran, diese Modelle als was Altem riechen durfte. „Ich habe mich sofort wohlgefühlt.“ erste zu finden.“ Doch das ist leichter gesagt als geInzwischen gehört Steffen Heinrich selbst tan. Die Stromanbieter sind mit den Eigenschaften Stabilität und zu den Gründern. Zusammen mit seinen Partnern Busso von BisVerlässlichkeit groß geworden. Risikofreude und Schnelligkeit – marck und Dr. George Hanna hat er Qinous ins Leben gerufen, das widerspricht allem, wofür die Energieunternehmen historisch ein Start‑up, das die Energieversorgung in stromnetzfernen Restehen. Die ersten Schritte auf dem Weg zur Energiewende waren gionen neu erfinden will. Denn dort lärmen und stinken bisher noch relativ nah an ihrer DNA. Da hatte man es mit langfristiger Dieselgeneratoren vor sich hin. „Was da brachliegt!“, so Heinrich. Planung und Versorgungssicherheit zu tun. Aber bei der Digita- Er tritt an die Fensterfront der vier Meter hohen Räume in der lisierung geht es um Wochen und Monate. Villa Rathenau, einem Jugendstil-Gebäude in Berlin-SchöneweiEine Denkfabrik oder Ideenwerkstatt inmitten der regulären de, in dem einst die AEG ihren Geschäftssitz hatte. Es liegt direkt Belegschaft anzusiedeln, ist von vornherein ein hoffnungsloses Un- neben der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin sowie terfangen. Es geht dabei nicht nur um Kleiderordnung und Einzel- einigen anderen Forschungseinrichtungen. Die Nähe zu den Wisbüros, sondern um eine ganz andere Arbeitsweise und einen neuen senschaftlern ist wichtig für Qinous, weil sie häufig mit Instituten Blick auf die Welt. „Kreative Räume“ verortete man eher im Töp- und Studenten an Projekten zusammenarbeiten. ferkurs der Volkshochschule als im eigenen Konzern. Flache Hie Heinrich zeigt auf drei unspektakuläre Container, die neben rarchien mit amorphen Strukturen und ständigem, ungesteuertem einem Parkplatz abgestellt sind – sein ganzer Stolz. Darin steckt Gedankenaustausch, schnelle und flexible Umsteuerung, wenn et- die standardisierte Elektronik, um Micro Grids zu betreiben mit was nicht so gut läuft – so funktionieren die Unternehmen nicht. Leistungen von 30 Kilowatt bis zu einem Megawatt. Die Prototypen RWE hat deshalb abseits des Normalbetriebs eigene Innova- sind eine Kampfansage an Dieselgeneratoren, denn sie speichern tions-Hubs geschaffen, wo es auch „deutlich anders aussieht als und ersetzen sie durch Photovoltaik – billiger, leiser und umweltin den übrigen Büros von RWE“, versichert Birr. Und dort „geht freundlicher. Dieselmotoren werden nur noch als Back‑up eingees sehr kreativ zu.“ Diese „Innovationszellen“ allein reichen aller- setzt. Wie ruhig und kostengünstig es in so vielen Teilen der Welt dings nicht einmal im Ansatz, um Schritt zu halten. Mit eigenen zugehen könnte, schwärmt Heinrich. Allein die UNO-HilfsorgaBüros vor Ort scannt RWE auch die Entwicklungen in den USA nisationen wären in der Lage, in den Krisengebieten Hunderte der und Israel, den international produktivsten Start‑up-Szenen. Denn Qinous-Container einzusetzen. anders als Konzerne können Neugründungen ihre Ideen in einer Solche standardisierten und damit bezahlbaren Netzlösungen ganz anderen Geschwindigkeit entwickeln als große Unterneh- in der Box, klimatisiert und fernsteuerbar, sind für abgelegene men. „Und dann geht es natürlich auch um die schiere Menge“, Gegenden interessant: eine touristische Anlage auf einer kleinen sagt Birr. „An den kreativen Hotspots der Welt gibt es eine solche griechischen Insel etwa, eine abgelegene Siedlung in den Bergen, Fülle an Ideen – da könnte man selbst mit einer noch so großen aber auch für die vielen Dörfer und Ortschaften in weitläufigen internen Mannschaft nicht mithalten.“ Staaten wie Kanada oder in Entwicklungs- und Schwellenländern. Gerade erst hat Qinous die Ausschreibung für die Versorgung WELTEN PRALLEN AUFEINANDER eines australischen Aborigine-Dorfes gewonnen, ein Pilotprojekt. Die kreative Gründerszene und die Energieunternehmen trennt Das Potenzial ist riesig, denn in vielen Gegenden der Welt wird mehr als nur eine kulturelle Kluft. Kritiker sprechen gar von einem wahrscheinlich nie ein richtiges Stromnetz gebaut; so wie etwa in „Grand Canyon“. Jedenfalls wird die kulturelle Transformation ei- Afrika das flächendeckende Telefonfestnetz mit der Mobiltelefonnige Zeit dauern. Zumal die Energiebranche viele Jahre den Trend technologie übersprungen wurde. 38
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INNOVATIONEN IN DER ENERGIEWIRTSCHAFT • UNTERNEHMERGEIST
Foto: Marc Beckmann/Ostkreuz
Doch ob sich ein großes deutsches Energieunternehmen für die zweite Finanzierungsphase von Qinous findet, ist fraglich. Das internationale Interesse der deutschen Versorger sei gering, so Heinrichs bisherige Erfahrung. „Es ist erstaunlich, wie sehr sich die deutschen Großen von vergleichbaren anderen Großen unterscheiden.“ Qinous hält deshalb in ganz Europa Ausschau nach finanzstarken Partnern aus der Energiebranche. START‑UPS SIND WETTEN AUF DIE ZUKUNFT Es ist aber nicht allein der Fokus auf den deutschen Absatzmarkt, der eine Kooperation verhindern könnte. Für die Energieunternehmen ist es oft auch schwierig zu entscheiden, wo sie investieren sollen. Denn es ist durchaus nicht immer eine Win-win-Situation. Die großen Energiekonzerne brauchen neue Geschäftsmodelle, um am Ende des Tages damit Geld zu verdienen. „Das Problem ist, dass sie Riesen sind“, sagt Innovationsforscher Send. „Damit Start‑ ups einen nennenswerten Beitrag leisten können, müssen sie sehr schnell und sehr stark wachsen – das können viele nicht leisten.“ Außerdem gehen den Investoren nicht selten auch Millionen Philipp Pausder, von Euros oder Dollars verloren, Geschäftsfühdenn sieben von zehn Start‑ups rer und Grünscheitern. Das gehört in der Szeder des Start‑ups ne dazu. No big deal. Aber große Thermondo Konzerne verlieren ungern Geld. Einige steigen deshalb auch schon in der Vorgründungsphase ein, um sich inhaltlich mit dem anvisierten Start‑up auseinandersetzen zu können. Denn: Entscheidungen für oder gegen ein Start‑up sind immer auch eine Wette auf die Zukunft. Lernen müssten die Energieriesen vor allem mehr über ihre Kunden. Es fängt schon damit an, dass sie nach wie vor als „Zählpunkte“ betrachtet würden, kritisiert Innovationsforscher Send. Dabei werde es immer wichtiger zu verstehen, wie Menschen leben und was sie wollen. „Die Energiewirtschaft scheint damit überfordert zu sein, den Verbrauchern interessante Angebote zu machen.“ Trotz der oft langjährigen Verbindung ist über die Stromkunden, ihre Daten und Wünsche sehr wenig bekannt – gefährlich wenig. Viele Deutsche träumen beispielsweise von der Selbstversorgung mit Strom, am liebsten mit Erneuerbaren Energien. Gleichzeitig wird Photovoltaik immer kostengünstiger und einfacher zu in stallieren. In Dresden werden von dem Start‑up Heliatek inzwischen sogar ultraleichte organische So-
larfolien entwickelt, die auf jedes Fenster aufgeklebt werden und die Nutzung der Sonnenenergie enorm nach vorne bringen könnten. RWE gehört sogar zu den Investoren. Wenn sich dank solcher Neuerungen Nachbarschaftsnetze oder Peer-to-Peer-Netzwerke entwickeln und es technisch möglich wird, auf unkomplizierte Weise andere mitzuversorgen, wäre die Branche mit einem der gefürchteten „Disruptive Digitals“ konfrontiert. Die Abrechnung würde dann nicht mehr auf der Basis von Stromlieferverträgen, sondern über sogenannte Blockchain-Protokolle erfolgen, wie sie bereits bei der Internetwährung Bitcoin angewandt werden. „Wenn so etwas erst einmal funktioniert“, so Thomas Birr von RWE, „dann ist das eine Revolution – eine Art Internet für Energie.“ Und wer braucht dann noch die Stromkonzerne? SILKE MERTINS schreibt als freie Journalistin über Wirtschaftst hemen. Sie hat zuvor 13 Jahre lang als Redakteurin und Korrespondentin für die Financial Times Deutschland gearbeitet. Heute berichtet sie vor allem für die NZZ am Sonntag aus Deutschland.
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ESSAY • SAUBERES GRUNDWASSER
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SAUBERES GRUNDWASSER • ESSAY
Das sstinkt tinktzum Himmel Die intensive Landwirtschaft zerstört unsere Lebensgrundlage: Mehr Fleisch, höhere Ernten und am Ende – nitratbelastetes Grundwasser.
Fotos: ullstein bild
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Von REINER SCHWEINFURTH
ir sehen es nicht, riechen und schmecken es nicht Hans, Geschäftsführer Wasser‑ und Abwasser‑Zweckverband Nieund was es langfristig in unserem Organismus dergrafschaft in Niedersachsen, sagte dem öffentlich-rechtlichen bewirkt – darüber gibt es noch keine abgeschlos- Sender ZDF im vergangenen September: „Wenn die Entwicklung senen Untersuchungen: Nitrat im Grundwasser. der Grundwasserbelastung so weitergeht, werden wir auf Dauer Aus dieser Ressource beziehen über 90 Prozent der eine Aufbereitungsanlage bauen müssen. Und das wird dann entMenschen in Deutschland ihr Trinkwasser. Umso sprechende Kosten verursachen, das kann bis zu einer Verdoppeverstörender, was die EU-Kommission herausgefunden hat. Bei lung des Wasserpreises führen.“ 82 Prozent aller Seen und Flüsse stellte sie eine Nitratbelastung fest, Ackerbauern in Franken, die nicht im Verdacht stehen, Ökodie mit über 50 Milligramm pro Liter den Grenzwert überschrei- rebellen zu sein, legen schon Flächen still, weil aus ihren Bruntet. Tendenz steigend. Oft ist die Durchsetzung drei‑ oder viermal nen kein gesundes Trinkwasser mehr kommt. Mal sehen, wann so hoch. Der Grund dafür ist unbestritten – eine Massentierhal- die niedersächsischen Landwirte im Kreis Viersen folgen, denn tung, die der Hinterlassenschaften der Tiere immer schwerer Herr hier ballt sich die Fleischproduktion Deutschlands. Jedenfalls wird, und eine Landwirtschaft, die auf Teufel komm raus düngt. wird diese Notbremse in Zukunft öfter gezogen werden, wenn Umwelttoxikologen sind sich inzwischen einig, dass Nitrat zu den nichts passiert. Danach sieht es aber aus. Denn die notwendige großen Umweltproblemen der Gegenwart gehört und die Stabilität Novellierung der Gülleverordnung wird frühestens 2019 greifen – Millionen Kubikmeter Exkremente zu spät. von Ökosystemen gefährdet. Aber was müsste passieren? Zum Beispiel die Gülle in Biogas umEin klassischer Zielkonflikt schwappt an die Oberfläche: Der wirtschaftliche Erfolg der Fleischproduzenten gefährdet die Schutz- wandeln? „Das ist leider auch keine Lösung“, sagt Egon Harms vom pflicht der Wasserwerke, den Oldenburgisch-Ostfriesischen Menschen sauberes Wasser zur Wasserverband. „Die Gärreste Wenn wir unser Verhalten nicht ändern, müssen Verfügung zu stellen. Auch die müssen auch irgendwohin. Und neue Wasseraufbereitungsanlagen gebaut werden. sie sind noch nitratbelasteter.“ Bundesregierung weiß, dass die Festlegung der Werte verschärft Also bleibt nur, den FleischDamit kann sich der Wasserpreis verdoppeln. werden muss. Es fällt mehr Gülle konsum einzuschränken: wenian, als es bewirtschaftete Flächen gibt, die sie aufnehmen können. ger Tiere, weniger Mist. Würde etwa jede zweite Fleischmahlzeit 2010 gab es 167 Millionen Kubikmeter, die auf hiesigen Äckern als durch ein Essen ohne Schwein, Rind und Huhn ersetzt, verringerte Dünger verteilt wurden. Neue Zahlen soll es erst 2017 geben. Mut- sich die Nitratbelastung um fast die Hälfte. Die Verbraucher haben maßlich wird sich die Menge im Vergleich zur letzten Erfassung es wenigstens teilweise in der Hand. Gegen die exportorientierte fast verdoppelt haben. Das jedenfalls legen die Produktionszah- Produktion sind sie aber erst mal machtlos. Bis zur vegetarischen len der Fleischindustrie nahe. Die erlebt nämlich gerade goldene Weltgesellschaft dauert es noch. Zeiten, trotz immer mehr Vegetariern und Veganern. Mit einem Eine Option zur Verbesserung der Lage wäre, weniger zu dünUmsatz von zwölf Milliarden Euro im Jahr 2014 war sie die Loko- gen. In Franken haben sich Wasserwerke, Bauern, Müller und Bämotive bei der Lebensmittelerzeugung. Im letzten Jahr gab es mit cker zusammengetan, um „Grundwasserschutzbrot“ zu backen. über acht Millionen Tonnen Fleisch eine Rekordmenge. Der dafür verwendete Weizen wird nur noch einmal im Jahr geSeit 2004 hat sich die gehandelte Menge Hühnerfleisch in düngt. Dadurch gibt es im Korn weniger Eiweiß, der Teig hat eine Deutschland fast verdoppelt, in den Ställen wurden noch nie so andere Qualität. Den Leuten schmeckt’s – und die Nitratbelastung viele Schweine wie zurzeit gehalten, 58.350.000 kamen 2012 unters sinkt kontinuierlich. Es gibt also ein Fünkchen Hoffnung, jedenfalls Messer. In anderen Ländern sehen die Zuwächse ähnlich aus. In beim Ackerbau. Dabei darf es aber nicht bleiben. Sonst, so Wasserden Niederlanden gibt es einen Gülle-Tourismus, der den Trans- fachmann Hans, geht’s für die Verbraucher, also uns alle, richtig ins port zu bis zu 200 Kilometer entfernte Entladungsflächen in Kauf Geld. „Wir haben zurzeit 95 Cent pro Kubikmeter, in der Zukunft nimmt. Mit Vorliebe an die deutsche Grenze. Hierzulande boomt wären das sicherlich an die zwei Euro, die bezahlt werden müssten.“ diese „Verklappung“ ebenfalls: Tanklaster holen die Überschüsse bei den Bauern ab und bringen sie zu Landwirten, bei denen zu wenig Mehr zu diesem Thema auf eigener Dünger anfällt. Dies schafft aber keinen Ausgleich mehr. Es streitfragen.de/impulse stinkt zum Himmel und die Wasserwerke schlagen Alarm. Johann STREITFRAGEN
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MYTHENCHECK • BIG DATA
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11 0 010 100 101 110 01 DELPHI 1 0 1 00 hema in t d n 11 0 01 00E 1 1 LPH I Stud 01 0 01 10 1 11 0 1 0 0 0 0 1 1 11 01 1 0 1 1 11010 1 1 0101 0 0 0 0 1 1 0 0 1 0 1 01 1 0 1 0 ein thema in der
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60 Prozent erwarten, dass 2040 Internetriesen sowie die Daten- und IT-Industrie die größten Player in der Energiewelt sind, weil sie große Datenmengen verarbeiten können. www.delphi-energy-future.com
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Das sieht nach einem System aus. Aber viele Informationen zu sammeln, bringt nicht automatisch einen Wissensvorsprung.
BIG DATA • MYTHENCHECK
Datengold: Klondike für Energieversorger Lukrativer Informationsschatz oder Suche nach der Nadel im Heuhaufen? Big Data im Mythencheck. Von ULI DÖNCH
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s klingt verführerisch: Wer so viele Daten wie möglich abgreift, weiß über alle Vorgänge sowohl im Unternehmen als auch bei seinen Kunden und Geschäftspartnern Bescheid, zieht die richtigen Schlüsse daraus und steigert seine Produktivität schlagartig. Das zumindest erhoffen sich viele Firmen vom Hightech-Schlagwort „Big Data“ – meist vereinfachend übersetzt als „viele Daten“. IT-Experten wie der US-Amerikaner Geoffrey Moore warnen sogar: „Ohne Big Data zu sein, ist wie blind in der Mitte einer Autobahn zu stehen.“ Aber stimmt das überhaupt? Gilt die Formel „Viel hilft viel, doch mehr hilft mehr.“ auch für die Unternehmen der Energiewirtschaft? Stehen die Unternehmen der Strom-, Gas- und Wasserbranche vor einer Datenrevolution mit all ihren Chancen und Risiken? Tatsache ist, dass in kaum einer anderen Branche solch riesige Datenmengen anfallen: Jedes Kraftwerk misst, was es produziert, liefert und in Rechnung stellt. Es kontrolliert ständig die Leistung seiner Pumpen, Turbinen und Leitungsnetze. Jeder Energie- und Wasserversorger besitzt schon jetzt durch ganz simple Kundendaten einen Quell an Informationen. WACHSENDE FLUT AN ENERGIEDATEN Doch das ist erst der Anfang. Ausgelöst durch die Energiewende müssen sich die Versorgungsunternehmen gigantischen neuen Daten-Herausforderungen stellen: – Immer mehr Strom aus Windturbinen und Sonnenkollektoren fließt in die Netze. – Viele Privathaushalte beziehen nicht nur Strom, sie erzeugen ihn auch selbst und liefern ihn den Energieversorgern. Diese Konsumenten werden zu sogenannten Prosumenten. – Die Kunden sollen künftig durch Smart Meter individuelle Stromta rife bekommen, damit sie ihren Verbrauch den unterschiedlich hohen Tagespreisen anpassen können. – Bis 2020 sollen 80 Prozent der EU-Haushalte mit diesen intelligenten Stromzählern ausgerüstet sein. Das sind allein in Deutschland gut 40 Millionen Kunden.
– Diese 40 Millionen Smart Meter werden ständig aktuelle Verbrauchswerte senden. Manche sogar mehrmals am Tag. Statt eines Messwertes pro Kunde und Jahr werden die Energiekon zerne jeden Tag insgesamt 3,8 Milliarden Datensätze empfangen, pro Jahr 1,4 Billionen. Und die Daten aus der Industrie sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. – Die Zahl der Daten durch interne und externe E-Mails, digitale Dokumente und die Kommunikation der Computer unterein ander („Machine-to-Machine“) steigt drastisch. – Hinzu kommt eine Flut an unstrukturierten neuen Daten aus den sozialen Medien, die Unternehmen durch Business‑Analytics Programme herausfiltern können. DER DATENSCHATZ DER ENERGIEWIRTSCHAFT Klar ist, dass diese Datenmasse extrem wertvolle Informationen für die Energiebranche enthält. Wer es schafft, diese Bestände sicher zu speichern, schnell zu sichten, effektiv zu ordnen und die richtigen Schlüsse zu ziehen, verschafft sich einen klaren Wettbewerbsvorteil. Michael Neff, Geschäftsführer der RWE IT GmbH, sieht die größten Potenziale für Big Data im Vertrieb sowie im Kontakt zu Unternehmen und Verbrauchern: „Big Data wird die Genauigkeit der Vorhersage von Kundenverhalten und Kundenbedarf signifikant verbessern.“ VORTEILE UND NUTZEN DER DIGITALISIERUNG Datenvielfalt und Digitalisierung nützen allen: der Energiewirtschaft und ihren Kunden. Denn wenn die Unternehmen die Produktion und den Verbrauch von Energie in Echtzeit analysieren, können sie den aktuellen und künftigen Bedarf besser abschätzen. Ein Beispiel: Für einen Feiertag werden viel Sonne und Wind prognostiziert, die Stromerzeugung würde steigen, der Verbrauch wegen der Freiluftaktivitäten der Kunden sinken. Dank Big Data könnten sich die Unternehmen auf dieses Szenario vorbereiten. Sie nutzen die Wettervorhersage, um ihre Anlagen auf die Produktion zusätzlicher erneuerbarer Energie einzustellen und die überSTREITFRAGEN
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MYTHENCHECK • BIG DATA
Da fehlt noch der Durchblick: Es ist aussichtslos, die berühmte Nadel im Heuhaufen zu suchen, ohne zu wissen, wie sie aussieht.
GROSSE DATENMENGE, GROSSES MISSVERSTÄNDNIS? Bleibt die Frage: Wenn das Sammeln und Analysieren möglichst vieler Daten so viel Nutzen stiftet, warum machen es dann nicht einfach alle? Weil es leider nicht so einfach ist. Die Einschätzung „Viel hilft viel.“ galt früher für den Einsatz von Dünger in der Landwirtschaft. Heute weiß man: Es war ein Fehler. Zu viel Dünger laugt den Boden aus, macht ihn sogar unfruchtbar. Ähnliches gilt auch für das Anhäufen von Daten: Ein Unternehmen kann in seinem Datenüberfluss ertrinken – wenn es nicht richtig sammelt und analysiert. „Viel hilft nicht viel“, warnt Prof. Wolfgang Marquardt, Chef des Forschungszentrums Jülich, im Magazin „Medica“. „Wir können im Prinzip beliebig viele Daten erzeugen, ohne dass sie Informationen erhalten. Man muss die richtigen Daten haben, die einen Mehrwert bieten und qualitativ hochwertig sind.“ Man muss sich vorher überlegen, was man wissen will. 44
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Welche Informationen man für ein neues Geschäftsmodell oder eine neue Leistung, die man erbringen will, denn bräuchte. Und man braucht Vorkenntnisse, um Daten zu sortieren. Es wäre aussichtslos, die berühmte Nadel im Heuhaufen zu suchen, ohne zu wissen, wie sie aussieht. Dr. Wolfgang Heuring, Leiter der Siemens Konzernforschung: „Um solche Datenmengen richtig auswerten zu können, muss man sie verstehen.“ HERAUSFORDERUNG: DIGITALER KUNDE Im Zentrum der Digitalisierung durch Big Data steht der Verbraucher. Dieser moderne Kunde ist aber nicht mehr passiv, sondern „omnipräsent, individuell, vergleichend und preissensitiv“, beschreibt Johannes Kempmann, Präsident des BDEW, den Typus des Konsumenten 2.0. „Aber noch viel wichtiger, er ist nicht mehr geduldig oder verbindlich. Die Energieversorger müssen daher flexibler, schneller und kommunikativer mit ihren Kunden interagieren.“ Durch den richtigen Einsatz von Big Data werden die Unternehmen die Konsumenten besser kennenlernen. Sie können ihnen wirklich individuelle Leistungen anbieten: Zu wem passt welcher Tarif, welches Detail fehlt noch, wie hat sich die Stimmung des Kunden verändert, wer könnte zu einem Konkurrenten wechseln? So wie inzwischen fast jeder dritte Verbraucher. Wer Informationen clever nutzt, kann sein Geschäftsmodell erweitern – etwa durch Dienstleistungen. So wie British Gas. Der Konzern verbündete sich 2012 mit dem Start-up AlertMe – einem Experten für Smart‑Home-Technologie. Gemeinsam entwickelten
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schüssige Energie zu lagern – in Speichern oder den Batterien von E-Autos. Und als Zukunftsvision könnten die Kunden dann womöglich wegen des kurzzeitigen Stromüberschusses von Sonderangeboten profitieren. Durch Big Data lassen sich zudem teure Versorgungsengpässe vermeiden. Immer mehr Produktionsanlagen kommunizieren miteinander. Ein mögliches Anwendungsfeld: Muster in den Betriebsdaten eines Kraftwerksblocks zu finden, die vor einer Überhitzung der Druckkessel warnen. „Informationen sind das Öl des 21. Jahrhunderts und die Daten-Analyse ist der Motor“, schwärmt Peter Sondergaard vom Forschungsinstitut Gartner.
BIG DATA • MYTHENCHECK
Big Data richtig angewandt und in ertragreiche Geschäftsmodelle übersetzt, eröffnet Energieunternehmen neue Möglichkeiten.
die beiden Firmen unter anderem einen intelligenten Wärme-Thermostat. British Gas verkauft heute rund 200.000 Stück pro Jahr und eroberte einen Marktanteil von 29 Prozent – so eine Analyse der Unternehmensberatung PwC. 2015 übernahm British Gas AlertMe und offeriert den Kunden seither weitere Services rund um das Smart Home: Wartung von Heizung und Elektronik, Klempnerund Installateurarbeiten sowie eine Hausratversicherung. 30 Prozent der Kunden nutzen diese energienahen Dienstleistungen. Noch einen Schritt weiter geht ein italienischer Energieversorger. Das Unternehmen nutzt aufwendige Datenprogramme („Advanced Data Analytics“), um seine Kunden in verschiedene Segmente aufzuteilen (zum Beispiel wohlhabende Familie, preisbewusster Student, technikbegeisterter Neuinteressent), Verhaltensmuster zu erkennen und die Verbraucher besser zu verstehen. So offeriert man etwa Bestandskunden beim Umzug unaufgefordert neue Produkte und Dienstleistungen. Unzufriedene Studenten, die durch Kritik in sozialen Medien auffallen, bekommen das Angebot eines neuen, günstigeren Ausbildungstarifs. Und potenzielle neue Kunden umwirbt man mit einer kostenlosen Prüfung der Energieeffizienz ihres Haushalts. JAHRHUNDERTCHANCE FÜR ENERGIEVERSORGER Fest steht: Big Data ist kein Allheilmittel. Aber richtig angewandt und in ertragreiche Geschäftsmodelle übersetzt, eröffnet es den Energieunternehmen neue Möglichkeiten. Nach einer Studie des Business Application Research Center (BARC, 2015) berichten
69 Prozent der Firmen, die Big Data nutzen, von besseren strategischen Entscheidungen, steigenden Umsätzen und sinkenden Kosten. Prof. Björn Bloching, Unternehmensberater bei Roland Berger und Co-Autor des Buches „Smart Data – Datenstrategien, die Kunden wirklich wollen“, beschreibt die enormen Chancen des Datengoldes: „Aus einzelnen Smart-Data-Projekten entsteht bei systematischem Vorgehen ein selbstlernendes System. Immer mehr Menschen und Abteilungen des Unternehmens lernen, Kundendaten immer intelligenter zu nutzen. Das Gelernte wird zum Automatismus.“ SMART DATA STATT BIG DATA Was aber bedeutet Smart Data für die Energieversorger? Im Kern: aus vielen Informationen die schlauen Informationen herauszufiltern. „Daten an sich haben zunächst keinen Wert“, betont Dr. Wolfgang Martin, Experte für Analytik und Business Intelligence, in einer Zeitschrift des US-Konzerns IMS. „Erst wenn man sie analysiert, interpretiert und nutzt, veredelt man sie.“ Übertragen auf die Bedürfnisse der Energiebranche heißt das: Unternehmen sollten sich vor dem Zusammentragen von Daten darüber klar werden, welche Informationen sie sammeln, welche davon eine Analyse lohnen, was sie mit dem gespeicherten Wissen erreichen wollen – und vor allem: wen. ULI DÖNCH ist Wirtschaftsexperte und arbeitet als freier Autor. Davor leitete er das Wirtschaftsressort des Nachrichtenmagazins FOCUS.
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KUNDENDIENST • E-MOBILITY
Wie lebt es sich mit einem E-Fahrzeug? Und was muss sich ändern, damit mehr Elektroautos auf die Straßen kommen?
Nicht kleckern, y t i l i b o m Esondern klotzen!
EL PH I Stud E-MOBILITY • KUNDENDIENST
Foto: Norman Konrad
I
ch fahre ein Elektroauto nicht nur deswegen, weil ich beruflich mit E-Mobilität zu tun habe, sondern weil ich von dieser Antriebsart überzeugt bin. Vor ein paar Tagen hatte ich wieder mal eine volle Fuhre. Ich habe meine beiden kleinen Kinder, die Kinderwagen und den Einkauf aus dem Baumarkt nach Hause chauffiert. Traut man dem Auto eigentlich gar nicht zu, so von außen. Aber was den Stauraum und den Komfort im Innenbereich betrifft, ist ein BMW i3 super. Das muss ich fairerweise sagen, bevor es an die Kritik geht. Die Einschränkungen beginnen bei der Reichweite. Mit meinem rein elektrisch angetriebenen Auto komme ich im Winter nur 90 Kilometer weit. Es geht zu viel Energie für die Heizung und den Motor drauf. Wenn es auf dem Rückweg einer geplanten Fahrt keine Ladeeinrichtung gibt, komme ich theoretisch nur 45 Kilometer weit. Das ist natürlich sehr wenig und ein bekanntes Problem. Es reicht zwar, um einkaufen zu fahren. Aber sobald man mal aus der Stadt raus will, funktioniert das nicht. Auf langen Strecken nehmen wir deshalb den Zug. Ich wünsche mir eine Reichweite von 200 oder 300 Kilometern. Um auch mal weiter zu fahren. Darum geht’s eigentlich. Aber es gibt kein rein elektrisches Produkt deutscher Hersteller, das solch eine Reichweite hat. So etwas bietet nur der US-Autobauer Tesla an. Die deutschen Autobauer wollen ja herausgefunden haben, dass ein Durchschnittsmensch 18 Kilometer am Tag fährt, und haben dann mit bestem Gewissen, um das Gewicht gering zu halten, die Reichweite für den Sommer auf 200 Kilometer gebracht. Tatsächlich sind es nur 140 Kilometer. Und es gibt immer eine Leistungsreserve. Zudem soll ein Automobil vor allem Unabhängigkeit erzeugen. Andererseits kostet so ein Tesla-Auto mit dieser Reichweite und Extras ja 80.000 Euro. Das ist für die meisten Menschen viel zu teuer. Heute ist ein E-Auto etwas für sehr gut verdienende, ökologisch denkende Menschen. Vor ein paar Jahren hat man immer gelesen, die Autos sind wegen der Batteriepreise so teuer. Das liest man aber gar nicht mehr. Als ich vor neun Jahren mit dem Thema anfing, hat eine Kilowattstunde rund 1.300 Euro gekostet. Derzeit kostet sie noch 200 Euro und der Preis wird weiter fallen. Deshalb gilt dieses Argument heute nicht mehr. Der Preis für die Fahrzeuge sinkt deswegen nicht, weil meiner Meinung
nach die deutschen Autobauer immer noch keine rein elektrischen Autos mit entsprechender Reichweite haben. Ich denke, der Preis wird spätestens 2018 runtergehen. Da werden VW, Mercedes und BMW – bezogen auf Preis und Reichweite – attraktive Fahrzeuge anbieten. Denn ab 2021 gilt EU-weit die CO2-Regel: 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer. Das entspricht etwa vier Liter Diesel. Dies kann mit den derzeitigen Verbrennungsmotoren kaum erreicht werden. Ich behaupte mal, es wird in zehn Jahren keine kleinen Dieselmotoren mehr geben, weil es einfach zu teuer wird, entsprechende Filter einzubauen; der VW-Skandal zeigt das. Wenn man mal rechnet, dass die Autos zwei, drei Jahre früher auf den Markt kommen, dann wird das 2018 der Fall sein. Die Konkurrenz ist mit Tesla da. Der Tesla 3 wird in die Golfklasse drängen. Ich wür-
Ab 2018 wird es E-Mobile geben, die weiter fahren und weniger kosten als heute. de mich als Fahrzeughersteller auf dieses Modell konzentrieren und nicht alle Kraft darauf verwenden, einen sogenannten „Tesla Fighter“ zu entwickeln – der noch mehr beschleunigt, noch mehr Pferdestärken hat. Dann ist Tesla nämlich schon wieder einen Schritt weiter. Wie man die Reichweiten verlängern könnte? Das Interessante ist, dass der BMW, den ich fahre, dafür eigentlich schon ausgelegt ist. Der Bauraum für weitere Batterien ist schon vorhanden. BMW will das serienmäßig auch ab dem kommenden Jahr machen. Das wirkt sich dann positiv auf die Reichweite aus. Ein weiterer Hemmschuh ist die Ladeleistung im Wechselstrom-Bereich. Die Wechselstrom-Ladeinfrastruktur ist schon heute auf schnelles Laden mit drei Phasen ausgerichtet. Leider kann diese Leistung derzeit mit den meisten deutschen Fahrzeugen nicht abgerufen werden. Wäre dies möglich, würde sich die Ladezeit um zwei Drittel verkürzen. Es muss sich also einiges ändern, damit die Leute E-Autos kaufen. Neben den technischen Parametern zählen auch die Rahmenbedingungen dazu, neudeutsch auch „Framework“ genannt. Würde man den Dieselpreis oder die gesamte Mineralölsteuer um einen Cent erhöhen, dann ergäbe dies pro Jahr 500 bis 600 Millionen Euro Mehreinnahmen. Dieses Geld könnte zur Förderung des Kaufes schadstoffar-
ein thema in der
DELPHI-Studie Mehr als 50 Prozent erwarten, dass Elektrofahrzeuge im Jahr 2040 über 3.000 Kilometer je Ladung fahren können und sich in wenigen Minuten aufladen lassen. www.delphi-energy-future.com
mer Autos verwendet werden. Umso mehr, da in einer ganzen Reihe von Städten die Feinstaubbelastung zeitweise extrem hoch ist. Den Kommunen drohen Strafzahlungen in Millionenhöhe an die Europäische Union. Staub reizt die Schleimhäute, dringt in Lunge und Blutkreislauf ein, wo er Krebs erzeugen kann. Und Stickstoffdioxide sind extrem schädlich für Asthmatiker. Ich verstehe daher nicht, warum seitens der Politik nicht gehandelt wird. Das finde ich sehr schade. Das zusätzliche Geld aus dem Diesel-Cent könnte den Kunden, den Stadtwerken, allen, die mit E-Mobility zu tun haben, zugute kommen. Man könnte damit zum Beispiel auch die Fahrzeugpreise senken. Da es zu wenig Neufahrzeuge gibt, fehlt ein funktionierender Gebrauchtwagenmarkt. Da kommen wir zur nächsten Überlegung. Über 70 Prozent der Neuwagen werden von Firmen gekauft. Diese Autos kommen nach zwei, drei Jahren auf dem Gebrauchtwagenmarkt, wo sie dann an Privatleute gehen. Das Segment fehlt bislang, deshalb sollte es für Firmen Sonderabschreibungen geben. Da hätte die Regierung kaum Einnahmeausfälle, würde aber den Gebrauchtwagenmarkt für die Stromer in Gang bringen. Und dann müssen wir den Zugang zur Ladeinfrastruktur vereinfachen. Aber da arbeiten wir ja täglich dran. Eigentlich ist klar, woran es hakt und wie es besser geht. Man muss nur damit beginnen. Dann könnten auch schon vor 2018 mehr Menschen mit E-Autos unterwegs sein. DR. MARK STEFFEN WALCHER ist Geschäftsführer der smartlab Innovationsgesellschaft mbH. smartlab, ein Unternehmen der Stadtwerke Aachen, Duisburg und Osnabrück, entwickelt innovative Dienstleistungen, Produkte und Konzepte für Elektromobilität.
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SCHLAGZEILEN • MEDIENCHECK
SCHLAGZEILEN, die wir gern lesen würden
TERMINE • VERANSTALTUNGEN
Was kommt Die Energie- und Wasserbranche ist in Bewegung. Fortwährend finden Kongresse, Tagungen und Foren zu aktuellen politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Themen statt.
11.–13. April 2016 Berliner Energietage 2016 25.–29. April 2016 Hannover Messe mit dem Energieforum „Life Needs Power 2016“, unterstützt vom BDEW 30. Mai–3. Juni 2016 IFAT, Weltleitmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoff wirtschaft, München 7.–9. Juni 2016 BDEW Kongress 2016, Berlin, u. a. mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Bundesminister Sigmar Gabriel, EU-Kommissar Maroš Šefčovič
Impressum Herausgeber BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. Reinhardtstraße 32 10117 Berlin streitfragen@bdew.de www.bdew.de Gesamtverantwortung Mathias Bucksteeg Chefredaktion Henning Jeß Redaktionsschluss Februar 2016
Konzept und Realisierung C3 Creative Code and Content GmbH, unter redaktioneller Mitarbeit von Ricarda Eberhardt, Birgit Heinrich (Bildwelt), BDEW Autoren dieser Ausgabe Uli Dönch, Michaela Harnisch, Tom Levine, Silke Mertins, Reiner Schweinfurth Druck und Verarbeitung Brandenburgische Universitätsdruckerei und Verlagsgesellschaft Potsdam mbh Karl-Liebknecht-Straße 24/25 14476 Golm bei Potsdam
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OUTRO • WASSERCENT
OUTRO Streitpunkt Wasser »Wenn wir von Berlin Geld wollen, sagt man uns dort, dass wir unsere haushaltpolitischen Hausaufgaben machen sollen. Der Wassercent leistet dafür einen Beitrag.«
Foto: Shutterstock
Anja Siegesmund (Bündnis 90/Die Grünen), Umweltministerin in Thüringen, zur Notwendigkeit, einen Wassercent einzuführen (Quelle: Ostthüringer Zeitung, 30. November 2015)
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WASSERCENT • OUTRO
»Die Grünen sind nicht angetreten, Abgaben zu erhöhen.« Dirk Adams, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Thüringer Landtag, zum gleichen Thema, 22. Januar 2016
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