BDEW-Magazin "Streitfragen" - 3/2016

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Streit-fragen

Das Magazin der Energie- und Wasserwirtschaft

November 2016 Blockchain

Direkte Transaktionen im Energiegeschäft – geht das? Round Table

Energieexperten diskutieren über die Innovationsfähigkeit der Branche

Was ihr wollt

Vom Versorger zum Energiedienstleister: Neue Ver­kaufskonzepte und -produk­te sind digital und höchst individuell.


INTRO • ENERGIE

»Die Bundesregierung muss endlich eine Klimapolitik auf den Weg bringen, die künftigen Generationen Rechnung trägt. Tut sie das nicht, dokumentiert der Klimaschutzplan 2050 vor allem ihr historisches Versagen.« BUND-Vorsitzender Prof. Dr. Hubert Weiger zu einem Entwurf des Klimaschutzplans 2050, Presse-Information vom 7. September 2016

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Titel und Rücktitel Foto: Gettyimages, Seite 2–3 Foto: Shutterstock

INTRO Streitpunkt Energie


ENERGIE • INTRO

»Der Klimaschutzplan ist ein Horrorkatalog für die Wirtschaft, der Bürokratie und immense Kosten nach sich zieht und auch die Bürger treffen wird.« Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrats der CDU, Presse-Information vom 22. August 2016

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ANSTOSS

Krawatten ablegen wird nicht reichen! Start-ups und neue Geschäftsmodelle sind in aller Munde. Überall scheinen Inkubatoren, Akzeleratoren, PitchingWettbewerbe wie Pilze aus dem Boden zu schießen. Doch woher rührt dieser Hype? Und wird dadurch die Energie­ branche weiter oder schneller umgebaut? Bereits vor über 15 Jahren begann der Umbau unserer Branche: Spätestens mit dem EEG wurden neue Technologien weiterentwickelt, zeitgleich ein erster Ausstiegspfad aus der Atomenergie definiert. Neue Unternehmen sind seitdem in den Energiemarkt hineingewachsen, und wichtige Trends wirken: hin zu mehr Dezentralität, zu Null-Grenzkosten-Technologien, zu den erneuerbaren Energieträgern. Jetzt kommt ein weiterer Veränderungstreiber hinzu: die Digitalisierung, mit Schlagwörtern wie Internet of Things, Smart x oder Plattformtechnologien. Sie verstärkt Trends und setzt mit Sharing-Economy-Ansätzen, Selbststeuerungen über Algorithmen oder regionalen Geschäftsprozessen noch neue Trends obendrauf. Es ist insbesondere die Digitalisierung, durch die es jungen Gründern und Technologiefreaks nun gelingt, schnell völlig neue Geschäftsmodelle zu definieren. Traditionelle Player der Branche suchen daher proaktiv die Zusammenarbeit mit externen Innovatoren und unterstützen diese finanziell. Jedoch haben sich klassische Risikokapital-Investoren mehr und mehr aus den Frühphasenfinanzierungen herausgezogen, zugleich sind Investments in „Hardware-Innovationen“ massiv zugunsten von Digitalisierungs-Geschäftsmodellen ins Hintertreffen geraten. Es ist heute im eher anlagengetriebenen Bereich schwer, Investoren gerade in der frühen Phase zu gewinnen. Eine zunehmende Risikoaversion und auch eine Nachwirkung der Finanzkrise 2008 tragen hierzu bei.

Ich bin überzeugt: Wir brauchen Entrepreneure und Intrapreneure! DR. DIRK BESSAU, Leiter der Berliner Büros von KIC InnoEnergy

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Foto: Marc Beckmann

Aber die Energiewende und die Digitalisierung benötigen letztlich auch Veränderungen der „Physik“, der Hardware, der Infrastruktur – den langen Atem. Digitale Start-ups werden die Branche verändern, etablierte Player vor sich hertreiben – aber alleine werden sie nicht erfolgreich sein können. Daher werden auch aus anderen Branchen neue Investoren gerade für Finanzierungs- und Skalierungsprozesse gebraucht. Und schließlich: Energieversorger benötigen interne Organisations- und Kulturveränderungen. Das Ablegen der Krawatten mag symbolisch wichtig sein, wie auch ein veränderter Dresscode. Aber wir sollten uns nicht selber in einen Start-up-Hype mit überzogenen Erwartungen bringen.


Gas kann Grün!

APPELL

Auf Initiative des BDEW haben zehn Verbände und Vereinigungen an die Politik appelliert, einen Klimaschutzplan 2050 zu verabschieden, der seinem Namen gerecht wird und die Rolle des Energieträgers Gas bei der Dekarbonisierung anerkennt. Die Energiewende geht nicht ohne Gas.

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ie unterzeichnenden Verbände unterstreichen ihre Unterstützung für die Erreichung einer CO2 Reduktion von 80 bis 95% bis zum Jahr 2050. Diese Reduktion muss in den Bereichen Strom, Wärme und Mobilität erfolgen. Der Energieträger Gas kann in allen diesen Bereichen einen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten. Der Klimaschutzplan 2050 erkennt in seiner jetzigen Form diese Potentiale allerdings nicht an und verfolgt insbesondere im Wärmebereich einen „Ausstiegspfad“ für Gas. Die Dekarbonisierung im Wärmebereich muss jedoch im Wettbewerb, technologieoffen und innovativ geschehen. Eine einseitige Vorfestlegung auf eine Elektrifizierung oder sogar Technologieverbote stünden dazu im klaren Widerspruch. Der gezielte Einsatz von Gastechnologien leistet bereits heute und auch langfristig einen Beitrag zur Dekarbonisierung. Denn Gas kann grün! Der Energieträger Gas hat das Potential aufgrund seiner Flexibilität sowohl Partner der erneuerbaren Energien zu sein, als auch selbst erneuerbar zu werden. Durch in das Gasnetz ein-gespeistes Biogas oder mittels der Power to Gas Technologie her-gestellter synthetischer Gase wird der Energieträger zunehmend regenerativer. Gas trägt bereits heute aber insbesondere auch lang-fristig – weit über 2030 hinaus – zu einer deutlichen Verbesserung der CO2- Bilanz unserer Energieversorgung bei. Die in Deutschland und europaweit vorhandene Gasinfrastruktur ist von entscheidendem Vorteil bei der Bewältigung der Her-

ausforderungen der Energiewende. Ferngasnetze, lokale Gasverteilnetze und Gasspeicher sorgen für Versorgungssicherheit und erlauben einen kostengünstigen Transport und Einsatz sowie die Speicherung CO2-armer und mittelfristig CO2-neutraler Energieträger. Durch die Aufnahme von erneuerbarem Strom wird die Gasinfrastruktur zur Batterie der Energiewende. Falsche Signale im Jahr 2016 für einen „Ausstieg aus dem Gas“ im Wärmebereich würden die von allen gewollte Wärmewende erschweren, CO2 Einsparungen unnötig verteuern und eine zentrale Infrastruktur der Energiewende gefährden. Das Setzen von Jahreszahlen, ab wann die Gastechnologie nicht mehr eingesetzt werden soll, widerspräche nicht nur dem Geist der Präambel des Klimaschutzplanes 2050 im Bezug auf Bezahlbarkeit und Technologieoffenheit, sondern wäre ein massiver Eingriff in den Markt, der bereits heute die Entwicklung von innovativen Gastechnologien verhindern würde. Gas ist dezentral, flexibel, effizient, speicherbar und preiswert. Es ist ein Garant für das Gelingen der Energiewende und die Reduktion von CO2, heute und in 2050. Wir appellieren daher an die Bundesregierung, einen Klimaschutzplan 2050 zu verabschieden, der im Sinne seiner eigenen Präambel für Technologieneutralität und Innovationsoffenheit steht und der die Rolle des Gases bei der Dekarbonisierung anerkennt. Wir als Vertreter der Gaswirtschaft sind uns unserer Verpflichtung bewusst, diesen Beitrag zur Dekarbonisierung über 2030 hinaus auch zu erbringen. Wir werden diesen Beitrag liefern!

DIESER APPELL WIRD GETRAGEN VON: Arbeitsgemeinschaft für sparsamen und umweltfreundlichen Energieverbrauch e.V. (ASUE), Biogasrat e.V., Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie e.V. (BDH), Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW), Bundesvereinigung der Firmen im Gas- und Wasserfach e.V. (FIGAWA), Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW), Fachverband Biogas e.V., Initiative Erdgasspeicher e.V. (INES), Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas e.V. (FNB Gas), Zukunft Erdgas e.V.

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INTRO: 2 ANSTOSS: 4 ZAHLEN: 22

TERMINE/IMPRESSUM: 49 OUTRO: 50

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»Störfaktor«

Jetzt also die Digitalisierung. Für die Energiewirtschaft ein gigantischer Veränderungsprozess. Innerhalb kurzer Zeit. Wo sie schon stattfindet. 8

Die spannende Welt der Netze Ohne die 900 Netzbetreiber in Deutschland würde die Energieversorgung nicht funktio­ nieren. 40

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Expertengespräch

Quo vadis, Energiebranche? Da schmilzt es hin ... Die Energiewende kostet sehr viel mehr als versprochen. Die CO2 -Emissionen sinken nicht. Und Erdgas wird als Part­ ner beim Klimaschutz ignoriert. 32

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Fotos: Julia Unkel, Maurice Weiss/Ostkreuz, Gettyimages, Fotolia, alamy (2) Istockphoto (2) dpa/picture alliance Illustration: Mathis Rekowski/2Agenten

Nachwuchs Die Dortmunder Stadtwerke sehen in der Ausbildung auch einen Inte­ grationsfaktor. Ein Anfang ist das Pro­ jekt MigrAzubis.


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Hauptsache, geeicht

Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Gaszähler in deutsche Haushalte eingebaut. Es folgten Wasserund Stromzähler. Jetzt werden die Geräte smart. Eine Geschichte des Messwesens.

Jeder nach seinen Bedürfnissen König Kunde: Die Energie­branche braucht innovative, digitale Ver­kaufskonzepte. 24

Mobilität der Zukunft – individuell und elektrisch Sind Elektroautos nachhaltig? Die Energie­ wende im Verkehrsbereich ist ein Zankapfel. 34

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Fünf Manage­ rinnen – fünf Statements Energiespezialis­ tinnen legen dar, worauf es aus ihrer Sicht jetzt und in Zukunft ankommt.

Ein IT-Konzept verändert die Geschäftswelt Was wäre, wenn die Blockchain-Tech­ nologie Einzug in die Energiebranche hielte? 28

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STÖRFAKTOR • DIGITAL

Und das ist erst der Anfang ... Die Energiebranche vibriert. Der Weg in die Informationsgesellschaft zwingt zu neuen Geschäftsmodellen, Strukturen und Bündnissen. Von MICHAELA HARNISCH , Illustrationen MATHIS REKOWSKI

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ast beiläufig hat die Energiewende eine neue, digitale Welt hervorgebracht. Denn die Integration von über 1,5 Millionen regenerativen Erzeugungsanlagen mit ihrer schwankenden Stromeinspeisung hat eine Komplexität geschaffen, deren Bewältigung nur mithilfe digitaler Systeme gelingt. Nicht umsonst bezeichnen Branchenkenner die Energiewende als eines der größten nationalen IT-Projekte aller Zeiten. Dezentrale Anlagen werden zu „virtuellen Kraftwerken“ zusammengeschlossen, lernfähige Algorithmen helfen, Schwankungen im Stromnetz zu prognostizieren, Plattformen vernetzen Kunden und Unternehmen auf noch nie da gewesene Weise – Computer-Nerds tauchen mit ihren smarten Ideen im Gepäck auf Branchentreffen der Energie- und Wasserwirtschaft auf. Lange Zeit hat sich die Energiebranche auf ihr klassisches Geschäftsfeld verlassen, inzwischen ist sie nicht mehr wiederzuerkennen – ist längst Teil der globalen vernetzten IT-Familie. Doch das ist nur der Anfang. Permanent muss in diesem Veränderungsprozess neu über die künftige Art der Wertschöpfung nachgedacht wer­den. Ein Ausschnitt.

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DIGITAL • STÖRFAKTOR

Stör fakt or Die Daten der eigenen vier Wände: Nicht nur die Anzahl der automatisierten und Smart-Home-Anwendungen steigt stetig – diese werden auch immer intelligenter. So ein Gebäude liefert dann eine enorme Menge an digitalen Informatio­nen. Schlaue Köpfe des französischen Elektronikkonzerns Schneider Electric haben überlegt, wie man diesen Datenstrom für das Gebäudemanagement nutzen kann. Und zwar nicht nur zur Überwachung des laufenden Betriebs. Die Software „Building Analytics“ will Schwachstellen und nahende Reparatur­ ereignisse erkennen, bevor es zu Ausfällen und Störungen kommt. Also wie ein digitaler Hausmeister, der einen virtuellen Rundgang macht und schaut, wo es zieht und bröckelt. Geben die Daten Hinweise auf Abweichungen zum Normbetrieb, bietet das Programm Lösungsvorschläge mit konkreten Handlungsempfehlungen. Je mehr Erfahrungswerte das System sammelt, desto schlauer wird es. So entwickelt es sich weiter und lernt, wie das Gebäude tickt. Das Ziel: Reduktion der Gesamt­ energiekosten um bis zu 30 Prozent.

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STÖRFAKTOR • DIGITAL

Stör fakt or »Virtuelle Kraft­ werke werden zu­nehmend ein BigData-Thema, denn hier werden Infor­ mationen in Echt­ zeit gesammelt.« Stefan Sewckow, Bereichsleiter Trading & Origination, Trianel GmbH

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Ein Kraftwerk ohne Dach und Wände: Der Film „I, Robot“ aus dem Jahr 2004 macht es vor: Ein Supercomputer steuert alle einzelnen Roboter in seinem Netzwerk. Viele fantastische Theorien sind mittlerweile real. Virtuelle Kraftwerke beispielsweise haben ganz ähnliche Aufgaben. Sie bündeln, steuern und vermarkten zentral den dezentral erzeugten Strom. Prosumer speisen auch kleine Mengen in diese Sammelstelle ein. Kommunale Stadtwerke und Prosumer greifen immer häufiger auf dieses Modell zurück. Sie schließen sich in Kooperationen wie der Trianel GmbH zusammen, die inzwischen sechs Millionen Kunden versorgen. Durch den virtuellen Leistungspool lohnt es sich, auch geringere Energiemengen flexibel an Strommärkten anzubieten und zu vermarkten. Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist. Und das virtuelle Kraftwerk übernimmt die Kommandozentrale für das Ganze. Außerdem: Die Informationen über Erzeugung und Verbrauch können ausgewertet werden und Märkten sowie Netzbetreibern als Impulsgeber dienen.


DIGITAL • STÖRFAKTOR

»Nicht nur die SENN-Modelle – auch ihre Schöpfer ler­ Stör nen ständig hinzu, während sie Modelle entwickeln, die fakt immer genauere Abbildungen der Realität darstellen.« or Dr. Hans-Georg Zimmermann, Leitender Forscher Neuronale Netze, Siemens (CT)

Wenn, dann – Denken wie ein Mensch: Das Gehirn lernt ständig. Ereignisse und Bilder werden in Kategorien gespeichert und ausgewertet. Künstliche Systeme wollen das adaptieren. Inzwischen gelingt es ihnen, immer präzisere Vorhersagen zu treffen. Etwa in der schwankenden Energieproduktion bei den Erneuerbaren. Denn weder Windstärke noch Sonnenstrahlung sind konstant. Und auch der Verbrauch ist unter­schiedlich hoch. Damit sich die Erzeuger und Transporteure auf Schwankungen einstellen können, bietet Siemens die Prognose-Software „SENN“ (Simulation Environment for

Neural Networks) an. Ursprünglich errechnete sie Börsenkurse, nun gibt der lernfähige Algorithmus wichtige Antworten für die Energiewirtschaft: Wann erzeugt der Windpark am wenigsten? In welchem Monat ist der Stromverbrauch am höchsten? Je mehr Daten aus der Vergangenheit das neuronale Netz bekommt, desto genauer sind die Vorhersagen für die Zukunft – ein datengetriebenes Gehirn sozusagen. Das Resultat der Prognosen? Produktionsschwankungen können ausgeglichen, Blackouts vermieden und günstige Strompreise ermittelt werden. Eine Win-win-Situation für Versorger und Verbraucher.

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STÖRFAKTOR • DIGITAL

Stör »Wir wollen das Auto zum begehrtesten digitalen Gerät machen.« fakt or Prof. Rupert Stadler, Vorstandsvorsitzender Audi AG

Parken unter Spannung: „Weiter fahren, komfortabler laden!“ Das sind die Aufgaben, an denen die E-Mobility-Branche mit Hochdruck arbeitet. Autobauer und IT-Hersteller tüfteln an Innovationen, um E-Autos für die Masse attraktiv zu machen. Induktives Laden – also Laden

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ohne Kabel – könnte eine Lösung sein. Audi will das kontaktlose System „Audi Wireless Charging“ bereits 2017 in einem Fahrzeug für den privaten Zweck anbieten. Zwei Magnetspulen, eine in einer Bodenplatte, die andere im Fahrzeugboden, laden die Batterie. Durch Sensoren, Funktechnik und

Apps läuft alles vollautomatisch. Auch die perfekte Lade­position findet das Auto selbst. Der nächste große Schritt im Technologierennen ist schon getan: Durch Magnetplatten auf den Straßen können Autos während der Fahrt geladen werden. Die erste Teststrecke gibt es schon in Frankreich.


DIGITAL • STÖRFAKTOR

Stör fakt or »Ein Mehr an Daten verspricht ein Mehr an Profit, sofern man die Daten intelligent miteinander ver­ knüpft.« Kai Biermann, Leiter des Zentrums für Erneuerbare Energien, DWD

Der Wetterfrosch ist digital: Der Deutsche Wetterdienst (DWD) und das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) lassen den digitalen Wetterfrosch die Prognosen abgeben. Denn sie setzen auf Big Data. Mit der Masse an Informationen erstellen sie Punktgenau-Prognosen unter anderem für Kunden aus der Erneuer­ baren-Branche. Das sind individuell zusammengestellte Vorhersagen über verschiedene Wetterfaktoren für einen bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit. Man kann also herausfinden, wann es wie warm, regnerisch oder windig in einem Gebiet ist. So kann die erwartete Stromausbeute besser kalkuliert werden.

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STREITGESPRÄCH • DIGITALISIERUNG

Wir müssen stärker kooperieren Quo vadis, Energiewirtschaft? Was sind denn eigentlich die Ideen der Zukunft, die Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse, mit denen Geld verdient werden kann? Fünf Energieexperten diskutieren am „Round Table“. Moderation TOM LEVINE

Auftakt: Die Gesprächsrunde startet.


DIGITALISIERUNG • STREITGESPRÄCH

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ie Dynamik der Energiewende zwingt alle Unternehmen der Energie- und Wasserwirtschaft zu einem permanenten Wandel. Sie sind durch diese Entwicklungen einem noch nie da gewesenen Wettbewerbs- und Veränderungsdruck ausgesetzt, der sich in den kommenden Jahren verstärken wird. Was sind die größten Herausforderungen, und wie kann man ihnen begegnen? Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung, hat zu einem „Round Table“ eingeladen. Es sind gekommen: Dr. Susanna Zapreva, Vorstandsvorsitzende enercity AG, Stefan-Jörg Göbel, Managing Director, Head of Distri­buted Energy at Statkraft Markets GmbH, Dr. Frank Pawlitschek, CEO ubitricity GmbH, und Dr. Dieter Steinkamp, Vorstandsvorsitzender der RheinEnergie AG.

Fotos: Maurice Weiss/Ostkreuz

Herr Kapferer, ist Digitalisierung der Megatrend, oder ist die Energiewende das, was viel stärker den Veränderungsdruck bringt? Stefan Kapferer: Ich glaube, dass wir bei der Energiewende ein neues Stadium errei­ chen, eine Art postideologisches Zeitalter. Wir reden nicht mehr darüber, ob wir das eigentlich machen wollen. Es ist völlig klar, dass dieser Transformationsprozess voran­ schreitet. Und weil das so ist, geht es jetzt vielmehr um die Frage, wo es Geschäfts­ modelle gibt in diesem neuen Zeitalter der Energiewende. Und da gibt es wenig, das man ohne Digitalisierung denken kann. Die entscheidende Frage wird sein, ob es in der Verknüpfung des Produkts und der Digita­ lisierung die Chance gibt, in neue Sektoren reinzukommen und neue Branchen zu er­ obern. Und umgekehrt wird spannend, wer aus anderen Branchen den Digitalisierungs­ aspekt nutzt, um bei uns ins Geschäft zu kommen. Gilt das für alle Ihre Mitglieder? Kapferer: Unsere Branche ist in puncto Größe sehr heterogen. Hier am Tisch sitzen Vertreter von Unternehmen in einer gewis­ sen Größenklasse, die können solche Prozes­ se gut steuern. Aber was machen Stadtwerke mit 15.000 angeschlossenen Haushalten? Da haben Sie keinen Chief Digital Officer. Wie kriegen die das hin? Das ist, glaube ich, eine Frage, zu der wir als Verband noch mehr Un­ terstützung organisieren müssen. Frau Zapreva, funktioniert bei enercity die Digitalisierung? Dringen Sie in den Bereich

vor, wo man sich neue Märkte erschließt? Susanna Zapreva: Wir stehen beim Thema Digitalisierung erst am Beginn. Die zentra­ le Herausforderung sehe ich darin, dass die Ökosysteme der Kunden zunehmend zu­ sammenwachsen. Das Ökosystem Mobili­ tät, das Ökosystem Energie, das Ökosystem Information, das wächst alles zusammen. Deshalb geht es nicht mehr nur darum, den Kunden mit Energie zu versorgen, son­ dern darum, ihm das zu bieten, was er auch sonst gewohnt ist. Das dürfen wir nicht ver­ schlafen. Und das heißt konkret: Es reicht nicht, jetzt mal eine Digitalisierungsstrate­ gie formulieren zu lassen. Was für uns an­ steht, erfordert eine Transformation in der gesamten Organisation, das erfordert ein neues Denken, eine ganz andere Herange­ hensweise an den Kunden. Da stehen wir als Branche – und da nehme ich uns nicht aus – ganz, ganz, ganz am Anfang. Aber Sie haben doch jetzt gerade mit viel PR-Effekt angefangen, Energie gegen Bitcoin zu verkaufen, das ist doch digital. Zapreva: Ja, richtig, aber sehen Sie: Die digitale Währung Bitcoin ist ein Beispiel für die Disruption von Geschäftsprozes­ sen, wir werden da auch nicht verschont. Ich bin ja neu in dem Unternehmen und habe mir zuerst angeschaut, wo wir unse­ ren Kunden eigentlich begegnen. Bei der großen Masse ist das leider Gottes immer noch ausschließlich die Rechnung. Da ha­ ben wir die Rechnung komplett neu und modern gestaltet und überlegt, wie wir die Aufmerksamkeit der Kunden darauf len­ ken können. Und eine der Ideen war halt Bitcoin. Die Kunden müssen lediglich eine persönliche digitale Brieftasche anlegen. Ein Geschäftspartner von uns übernimmt dann die Abwicklung mit einem globa­ len Bitcoin-Zahlungsservice. Die Bitcoins machen greifbar, was es heißt, wenn eine

»Wir erreichen bei der Energiewende ein neues Stadium, eine Art postideologisches Zeitalter.« Stefan Kapferer

»Den meisten Kunden begegnen wir leider immer noch ausschließlich auf der Rechnung.« Dr. Susanna Zapreva

Branche komplett verschwindet. Erst die Banken, dann der Energiehandel. Denn wenn man das zu Ende denkt, ist auch der Handel ersetzbar durch die Blockchain, also die Grundlage von Bitcoin. Wir sind nicht davon ausgegangen, dass alle Kun­ den plötzlich in Bitcoins zahlen, aber der Transformationsprozess, der intern da­ mit angestoßen worden ist, der begreif­ bar gemacht worden ist, der war sehr gut. Erstaunlicherweise war das Kundenecho dann ziemlich groß. Das habe ich in der Ausprägung gar nicht erwartet. Herr Pawlitschek, Bitcoin steht für die endgültige Digitalisierung der Kundenschnittstelle. Bei Ihnen, bei ubitricity, kommt Digitalisierung eher als Hardware daher, als smartes Ladekabel. Wird übersehen, dass das Digitale in der Energiebranche mehr mit Ingenieurleistung zu tun hat als mit irgendwelchen Apps? Frank Pawlitschek: Es stimmt, wir haben einen intelligenten mobilen Zähler entwi­ ckelt, den der Kunde bei uns in die Hand bekommt. Also Hardware. Aber eigent­ lich ist das Ladekabel nichts anderes als ein mo­biles Endgerät für Strom, vergleichbar mit den mobilen Endgeräten, die Sie alle vor sich auf dem Tisch liegen haben und bei denen es um Daten-Content geht, dem Smartphone. Und alles das, was Sie eben sagten, Frau Zapreva, passt hervorragend in die Logik hinter unserem Kabel. Es geht nämlich bei Ihnen und bei uns um die Fra­ ge, wer denn nachher Geld verdient. Weil das Geld zukünftig nicht mehr über die Hardware verdient wird, sondern mit den Services, die über eine Hardware laufen oder an einer Hardware hängen. Die Fra­ ge ist immer: Wie nahe sind Sie am Kun­ den, und wie können Sie diese Nähe kom­ merzialisieren? Wir werden uns in Zukunft darauf einstellen müssen, dass derje­ STREITFRAGEN

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»Jemand muss sich auch zukünftig da­rum kümmern, dass das Gesamtsystem funktioniert.« Stefan-Jörg Göbel

nige, der Wertschöpfung erzielen will, beim Kunden sein muss. Mit der Digitali­ sierung ist es gelungen, die gesamte Welt von Dienstleistungen tagtäglich dem Kun­ den einfach mitzugeben. Wir machen das mit unserem mobilen Stromzähler so: Wir verbinden eine Dienstleistung – Strom be­ ziehen – mit einem Gerät, das tatsächlich beim Kunden ist. Wo auch immer Sie den Stromzähler nutzen, Sie kaufen immer bei dem damit verbundenen Stromversorger. Herr Göbel, der Content, den Herr Paw­ litschek jetzt mobil verkauft, muss erst mal erzeugt werden. Statkraft produziert diesen Content: Strom. Finden Sie auch, dass das gesamte Geschäft in der Energiewirtschaft sich im Grunde genommen an den Kunden-Touchpoint verlagert? Wer macht noch Strom und damit Geld? Stefan-Jörg Göbel: Ja, in der Tat wird das Rückgrat der Stromversorgung heute wei­ terhin von sehr vielen Großkraftwerken ge­ bildet. Und was auch nicht stattfindet, ist das Systemdenken. Es funktioniert näm­ lich nicht, wenn jeder Kunde macht, was er will, und sich privat optimiert. Die Ener­ giewende muss im Gesamtkontext passie­ ren, sonst kann sie keiner bezahlen – sie ist unsicher und übrigens auch nicht mehr umweltfreundlich. Also – alles zum Kun­ den zu verlagern und alles peer to peer ab­ zuwickeln über die Blockchain, vollau­ tomatisch als Airbnb des Energiemarkts, das klingt erst mal schön und ist auch gut, um Denkprozesse aufzubrechen. Aber das wird unsere Stromversorgung nicht besser machen. Der Strom kommt nicht mehr aus 100 Großkraftwerken in Deutschland, son­ dern im Augenblick aus ungefähr zwei Mil­ lionen Geräten. Zurzeit funktioniert das noch ganz gut, weil es genug Flexibilität gibt, mit der wir alles ausbalancieren. Aber bei zehn Millionen Photovoltaikanlagen 16

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auf Deutschlands Dächern fliegt uns die Si­ cherung raus, wenn die Sonne scheint und keiner Strom haben will. Irgendjemand muss diese zigmillionen Geräte, Photovol­ taikanlagen, Fahrzeugbatterien managen, irgendjemand muss sich darum kümmern, dass das Gesamtsystem noch funktioniert. Das ist eine komplexe Dienstleistung, die bezahlt werden muss. Ich glaube, dass dies in den nächsten zehn Jahren der Kern der energiewirtschaftlichen Entwicklung sein wird. Nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Teilen der Welt. Kapferer: Wir sollten den Aspekt der Wertschöpfungskette nicht gänzlich auf­ geben, denn wenn die Sektorkopplung kommt, im Sinne der Elektrifizierung, dann ist alles, was es an Dienstleistung gibt, um das zusammenzubinden, ein ex­ trem gutes Geschäftsfeld der Zukunft. Gleichzeitig sollten wir die Erzeugungs­ kapazitäten, die wir zukünftig benötigen, nicht leichtfertig aufgeben. Heute werden die Erneuerbaren Energien ja in einem eher volkswirtschaftlich ineffizienten Pro­ zess ausgebaut. Fünf Zahnärzte stellen ein Windrad in der Uckermark auf: Das ist ein tolles Modell für die fünf Zahnärzte, um Geld zu verdienen. Aber ist das unser Inter­esse, volkswirtschaftlich? Wäre das nicht effizienter zu organisieren? Da haben wir durchaus eine Kernkompetenz.

V. li.: Frank Paw­litschek, Dieter Steinkamp, Stefan Kapferer, Susanna Zapreva und Stefan-Jörg Göbel

Dieter Steinkamp: Wobei ich mir die Fra­ ge stelle: Wer organisiert diese Vielzahl dezentraler Player und optimiert das auch noch im Sinne der Versorgungssicherheit? Da gibt es aus der Energiebranche nicht mehr so viele, die das Know-how dafür haben. Für mein Unternehmen steht ab­ solut im Fokus, eine solche Rolle wirklich ausfüllen zu können. Aber es gibt natür­ lich viele andere Energieversorgungsun­ ternehmen, die werden diesen Schritt vielleicht auch nicht machen wollen, die werden sich andere Geschäftsmodelle su­ chen müssen. Wir bekommen vermutlich viele neue Rollen im Markt, die dann die unterschiedlichen Teilsegmente des ge­ samten Systems abdecken werden. Wir werden die Erzeugung haben, und das sind dann auch die fünf Zahnärzte mit der Windkraftanlage in der Uckermark. An­ dere werden in Richtung Optimierung für Privathaushalte oder Gewerbe gehen. Wir haben Player wie Smartcity, mit einer Ver­ bindung zwischen Verkehr, Energiever­ sorgung und möglicherweise sonstigen Leistungen aus dem kommunalen Dienst­ leistungsportfolio. Jeder wird seine eigene Rolle weiterentwickeln müssen. Wie findet man diese Rolle, Herr Steinkamp? Steinkamp: Man muss eigenes Know-how kritisch prüfen und schauen, welche Kun­

Fotos: Maurice Weiss/Ostkreuz

STREITGESPRÄCH • DIGITALISIERUNG


DIGITALISIERUNG • STREITGESPRÄCH

denzugänge man hat. Und dann wird sich das schon differenzieren. Einige wenige werden vielleicht komplexere Dienstleis­ tungen entwickeln können, aber es wird auch viele geben, die sich vermutlich ir­ gendwann einmal fragen: Was ist über­ haupt noch meine Rolle? Wahrscheinlich ist es viel leichter, auf der grünen Wie­ se ein Einprodukt-Unternehmen in einer Nische zu gründen, als unsere Unterneh­ men über einen längeren Zeitraum und ei­ nen Change-Prozess in die neue Welt zu überführen, während die alte Welt immer noch da ist und dort auch noch immer Geld verdient. Pawlitschek: Die Gefahr ist, dass die Un­ ternehmen der Energiewirtschaft einen Nokia-Moment erleben. Was ich damit meine? Das ist der Moment, wo sie tech­ nisch in der Lage sind, ein Produkt auf den Markt zu bringen, der Kunde aber das Produkt eigentlich nicht mehr als in­ novatives Produkt, sondern als reines Fol­ lower-Produkt ansieht. Übertragen auf unsere Branche heißt das, dass wir nicht immer nur reagieren dürfen, sondern auch agieren müssen. Für den Transforma­ tionsprozess haben wir eben nicht unend­ lich viel Zeit. Es wird immer andere Play­ er geben, die sich auch aufstellen. Deshalb müssen wir jetzt zeigen, dass wir in Inno­ vationsthemen reingehen, bei denen die

Leute erst mal staunen: Wie, mein Stadt­ werk macht jetzt auch Telekommunika­ tion? Macht jetzt auch Mobilität? Es ist wichtig, mal in diese Richtung zu denken, denn diese Transformationsprozesse ge­ hen eben tatsächlich nicht von selbst. Und ich glaube, das Zeitfenster ist hierfür nicht unendlich groß. Göbel: Aber Timing ist nicht so einfach. Wenn ich fünf Jahre zu früh aufgestellt bin, ist das einfach wahnsinnig teuer, und ich mache keinen Stich. Wenn meine Kun­ den nicht massenhaft anrufen und sagen, sie wollen morgen eine Batterie haben und eine Photovoltaikdachanlage, dann ist es auch wenig sinnvoll, dass ich die entspre­ chende Infrastruktur selbst bereithalte. Wir haben in der Energiebranche genü­ gend Mitspieler, die jedes Thema besetzen und dann Dienstleistungen liefern kön­ nen. Nur so wird das funktionieren. Zapreva: Ich würde die Dringlichkeit nicht unterschätzen. Wenn man sich die junge Generation anschaut: Alles, was nicht mit dreimal wischen auf dem Handy erreicht ist, ist weg. Wenn für diese Men­ schen mal Entscheidungen anstehen, dann werden sie die anders treffen, als wir es heute gewohnt sind. Und wenn man dann nicht darauf vorbereitet ist und als Mar­ ke kein Standing hat, dann kommen sie

nicht zu einem. Wir haben einen enormen Handlungsbedarf, das in die Köpfe der Menschen zu bringen, dass wir nicht ein reiner Strom- und Gaslieferant sind, son­ dern dass wir rund um das Thema Energie die Themen besetzen. Göbel: Nicht, dass ich missverstanden werde: Das ist richtig, was Sie sagen, Frau Zapreva. Mir geht es darum, ob ich alles selber machen muss. Nicht jedes Stadt­ werk muss zehn Innovationsprojekte im eigenen Haus machen. Wir müssen uns umschauen, was wir als Teil eines Baukas­ tens dazunehmen können. Wir sind auch die vergangenen einhundert Jahre nicht auf die Idee gekommen, unsere eigenen Gasturbinen zu bauen. Das wäre ja auch vermessen.

»Man muss eigenes Know-how kritisch darauf prüfen, welche Kunden­ zugänge man hat.« Dr. Dieter Steinkamp


STREITGESPRÄCH • DIGITALISIERUNG

Frank Pawlitschek, ubitricity

Herr Kapferer, sind die Strukturen in der Energiebranche für die Transformation förderlich? Oder haben Sie da eher Sorge? Kapferer: Einerseits nein. Wir haben das Produkt, auf dem fast alles basiert in der Welt. Die Menschen auf der Straße identi­ fizieren unsere Unternehmen mit Energie. Das ist ein Asset. Andererseits mache ich mir natürlich Sorgen. Wenn dieser Trans­ formationsprozess selbst für Unternehmen in der Größe von enercity oder RheinEner­ gie eine Herausforderung ist, wie geht es dann den kleineren Stadtwerken? Wie or­ ganisiert so ein Stadtwerk eigentlich den Prozess, sich neue Geschäftsmodelle zu erschließen, wenn die kommunalen Auf­ sichtsräte mehr an der Ausschüttung als an der Investition in Zukunftsfelder inter­ essiert sind? Und wenn einfach der Um­ satz nicht da ist, der eine Investition sinn­ voll macht. Ich glaube, dass wir innerhalb der Branche sehr viel stärker auf Koope­ rationen setzen müssen. Und dass wir als

»Für den Transformationsprozess haben wir nicht unendlich viel Zeit.« Dr. Frank Pawlitschek

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STREITFRAGEN — November 2016

Verband Matching-­Prozesse zwischen un­ seren etablierten Mitgliedsunternehmen und denen fördern müssen, die als innova­ tive Köpfe das Thema Energiewende voran­ treiben. Die Frage, wie man eigentlich zu­ künftig noch Geld verdienen kann, die darf auch der Verband stellen. Göbel: Die Stadtwerke, von denen Sie re­ den, sind aber nicht alles nur Unterneh­ men, die im Wettbewerb miteinander ste­ hen, sondern dies ist ja auch ein Verbund, der zusammenarbeitet. Wir versuchen, dem Stadtwerk mit 15.000 Hausanschlüs­ sen eine Dienstleistung zu liefern, die ganz einfach plug and play funktioniert. Die be­ zahlt das Stadtwerk – und fertig. Steinkamp: Ohne Kooperation geht gar nichts. Aber man muss unterscheiden. In­ nerhalb der Branche gibt es die Chance, Skaleneffekte durch gemeinsame Nutzung von vorhandenen Lösungen zu haben. Da, wo es um Neuentwicklungen geht, glau­ ben wir dagegen stärker an vertikale Ko­ operationen – also über Branchengrenzen hinweg. Nicht jeder wird etwas von null bis zur absoluten Marktdurchdringung entwickeln können, sondern wir werden alle Entwicklungsstufen – welche auch im­ mer das zukünftig sind – mal selbst betrei­ ben, mal mit anderen, mal werden wir das von anderen übernehmen. Kooperation ist für mich ein absolutes Muss. Ich sage das auch im eigenen Unternehmen. Ich glau­ be nicht daran, dass eine RheinEnergie in zehn Jahren noch so autark durch die Welt marschiert wie heute.

Wohin führt das? Zu ganz vielen Bürger-Bullerbüs oder einem Öko-Google? Gewinnen die Kleinen oder die Großen? Kapferer: In den Medien sieht ja al­ les nach einer Kombination von Prosu­ mer-Verhalten, eigener Erzeugung, Batte­ riespeicher im Keller und Vernetzung über digitale Möglichkeiten aus. In diesen Pro­ zessen müssen wir Partner sein, weil man sie ohnehin nicht aufhalten kann. Was Herr Steinkamp vertikale Kooperationen genannt hat, wird am Ende vielfach eine vertikale Integration in Richtung Bürger sein. Und damit in Richtung Bullerbü, wie Sie das gerade nannten. Und was Google anbelangt: Da steht ja die Frage im Raum: Was machen wir eigentlich mit unserem riesigen Datenvolumen? Was sind die Ge­ schäftsmodelle? Das Analysieren solcher Daten ist – innerhalb der gesetzlichen Vor­ aussetzungen, die man erfüllen muss – nur sinvoll, wenn man glaubt, dass sich ir­ gendwie ein Mehrwert generieren lässt. Steinkamp: Da muss man sich die Kun­ densegmente angucken. Bei Privatkun­

Susanna Zapreva, enercity

Fotos: Maurice Weiss/Ostkreuz

Zapreva: Ich denke, wir stehen uns im Tranformationsprozess oft selbst im Weg, weil wir immer so perfektionistisch sein wollen. Das ist die deutsche Mentalität und einer der großen Unterschiede zum Silicon Valley. Ein bisschen mehr Wagemut und die Option des konstruktiven Scheiterns muss man zulassen können. Dinge müssen nicht immer perfekt und auf den Millime­ ter präzise sein. So kommen wir nicht zu den notwendigen Innovationen.


den können wir aus Verhaltensdaten ab­ leiten, welche energiebezogenen Bedarfe vorhanden sind oder welchen Nutzen man den Kunden bieten kann. Das ist relativ trivial. Zukünftig bewegen wir uns im­ mer weniger im klassischen Energiever­ sorger-Geschäft, sondern zum Beispiel im Einzelhandelsmarkt, von was auch immer. Und da stelle ich mal infrage, ob wir als kommunal getragenes Unternehmen die­ jenigen sind, die diese Daten durch Wei­ tervermarktung vergolden wollen im Sinne von knochentrockener Kommerzia­ lisierung. Beim Segment großes Gewerbe und Industriekunden sieht das anders aus. Da sind wir bei Instandhaltung, Daten­ analyse und Datennutzen. Wenn man aus dem Energieverbrauch einer Produktion vorhersagen kann, was denn jetzt gleich passiert, dann sind das Ansatzpunkte, an denen unsere energiebezogenen Daten möglicherweise sehr schnell einen Wert entwickeln können. Zapreva: Wir werden aber zu einer noch viel granulareren Aufteilung der Kunden­ segmente kommen müssen. Unter den Privatkunden werden wir wahrschein­ lich bald Hunderte Kundengruppen ha­ ben, um aus der Digitalisierung Vorteile zu ziehen. Ein Mensch, der älter ist und vielleicht nicht in ein Heim gehen möch­ te, hat ja ganz andere Anforderungen an einen Infrastrukturanbieter als ein Stu­ dent. Da müssen wir etwas ganz anderes anbieten. Ob wir damit Erfolg haben wer­ den, wird in erster Linie davon abhän­ gen, welche Wandlungsfähigkeit wir als

Stefan Kapferer, BDEW

»Es ist wichtig, dass wir als Branchenverband die ganze bunte Energiewelt repräsentieren.«

Unternehmen entwickeln. Einfach nach Geschäftsmodellen zu suchen, die Er­ folg bringen, das wird nicht reichen. Die­ se Modelle werden nämlich oft sehr kurz­ lebig sein. Erfolg wird sich also nur bei denjenigen Unternehmen einstellen, die die Fähigkeit entwickeln, ständig dran­ zubleiben und sich kurzfristig zu verän­ dern. Es gibt mittlerweile Branchen, die täglich neue Produkte einführen. Wir be­ nötigen für eine Produktneuheit im SAPStefan Kapferer ISU in der Energiebranche drei bis vier Monate und denken nicht vom Kunden, sondern vom Zähler aus, das sagt doch alles. Wir brauchen aber schnellere inter­ glauben, man sei der First Mover, der den ne IT-Systeme, um auf kurzfristige Ver­ Markt aufrollt und übermorgen das deut­ sche Google ist oder so ähnlich. Man muss änderungen reagieren zu können. sich grundsätzlich überlegen, was man Pawlitschek: Da gibt es aber auch eine ein bisschen besser kann als andere und Art Gedankenblockade. Wenn man in wo man damit Geld verdienen will – und ein neues Innovationsfeld investiert, dann das dann streuen und ausprobieren. Schon wird in der Branche immer noch geglaubt, das ist auch bei uns im Unternehmen eine dass das jetzt etwas ganz Großes ist, et­ Veränderung des Denkens. Wir arbeiten was ganz Weittragendes. Ich bin mit dem aktiv daran, dass man Dinge auch mal Commodore 64 aufgewachsen. Da hat ausprobieren kann. Wir sagen den Leu­ man sich halt eine Software installiert und ten: Du darfst auch mal etwas falsch ma­ sie eben auch wieder gelöscht. Wer neue chen, wenn du begründen kannst, warum Bereiche für sich erschließen will, muss du das so gemacht hast. Und ich sehe, dass das auch bei uns auf Leute trifft, von de­ bereit sein, etwas auszuprobieren. nen ich nie erwartet hätte, dass die sagen: Steinkamp: Das hängt natürlich davon Das finde ich gut, da mache ich jetzt mal ab, was man als sein Geschäftsfeld be­ mit. Das ist ein bisschen eine Generatio­ zeichnet. Wir sind alle irgendwie noch nenfrage, aber wir haben Kreativität und hardwaregetrieben. Sie, Herr Pawlitschek, Innovationsfähigkeit in der Vergangen­ mal ausgenommen. Ich glaube, dass man heit auch einfach nicht genügend gefor­ wahrscheinlich ganz gut damit fährt, den dert, weil wir den Leuten die Strukturen Portfoliogedanken zu verfolgen, also nicht nicht gegeben haben, sich zu artikulieren, alles auf eine Karte zu setzen. Nicht zu sich einzubringen. STREITFRAGEN

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STREITGESPRÄCH • DIGITALISIERUNG

»Die Kunst für unsere Branche besteht darin, das Thema Innovation gut zu steuern.« Stefan-Jörg Göbel

Reden wir über Innovationskultur. Was tun Sie konkret, damit die Innovations­ fähigkeit stärker gefördert wird? Kapferer: Ich glaube, der erste Schritt ist schon getan. Das ist der Imagetrans­ fer der Branche selbst. Der Energiever­ sorger galt ja lange als klassisch-traditi­ onelles, „langweiliges“ Geschäft. Heute ziehen wir ganz andere Leute an, und das hat dann schon etwas damit zu tun, wo­ für wir stehen. Deswegen finde ich auch so wichtig, dass wir als Branchenverband diese ganze bunte Energiewelt repräsen­ tieren. Das macht den Reiz der Branche aus. Das ist, glaube ich, der erste Schritt, um neue, innovationsfreudige Leute an­ zulocken und um das Innovationspoten­ zial derjenigen zu wecken, die schon in der Branche arbeiten. Steinkamp: Wir gehen bei uns gerade ganz neue Wege, die auch konsequent aus

der Mannschaft heraus entwickelt werden. Wir geben den guten neuen Gedanken ei­ nen Raum – sowohl physisch als auch vir­ tuell. Da kann ich zum Beispiel virtuell mein Kärtchen anheften mit meiner Idee und schaffe Möglichkeiten der Kommu­ nikation mit allen anderen RheinEner­ gie-Leuten, die dann mal die Kundensicht, mal die Außensicht mitbringen. Das ist ein gesteuerter Prozess mit mehreren Filtern, in dem nicht hierarchisch bewertet wird. Für unser Unternehmen ist das etwas ganz Neues. Ich bin mal gespannt, was die ers­ ten drei Monate da bringen – vielleicht un­ ser unternehmensinternes Bitcoin. Göbel: Ich glaube, die Kunst für unsere Branche besteht darin, das Thema Inno­ vation gut zu steuern. Es geht nicht, dass die Kollegen, die im 24/7-Geschäft dafür sorgen, dass das Kraftwerk an- oder ab­ gefahren wird, schnell neue Ideen entwi­ ckeln und diese ganz nebenbei implemen­ tieren. Da gibt es zu Recht Testprozesse, um zum Beispiel Blackouts zu vermeiden. Wir müssen außerhalb des Livesystems Freiräume schaffen, in denen man expe­ rimentieren und vor allem auch Fehler machen darf. Pawlitschek: Wir sind jetzt noch nicht so groß mit 40 Mitarbeitern, aber schon bei uns sehe ich, wie wichtig das ist, Men­ schen richtig einzusetzen und denen die richtigen Freiräume zu geben. Was mir dar­über hinaus auffällt: Es wird im Be­

Dieter Steinkamp, RheinEnergie

Stefan-Jörg Göbel, Statkraft

»Es ist ein großer Fehler, im Energiebereich die Emo­ tionen draußen zu lassen.« Dr. Frank Pawlitschek

reich der Energie weiterhin ein ganz gro­ ßer Fehler begangen, nämlich neben Tech­ nik und Wirtschaftlichkeit das Thema Emotionen draußen zu lassen. Bei uns be­ werben sich, und das ist genau das, was Sie vorhin auch schon gesagt haben, ungefähr 90 Prozent der Leute vor dem Hinter­ grund, dass wir uns irgendwie darum kümmern, wie man Erneuerbare Energien besser in den Energiemarkt reinbekommt. Die folgen ihrem Bauchgefühl. Und die­ sen Aspekt vergessen wir in der Branche zu oft. Wir sind jetzt zum Beispiel gera­ de dabei, an unseren mobilen Stromzäh­ ler selbst erzeugten Solarstrom zu hängen, sodass man einfach den Strom, den man auf dem eigenen Dach erzeugt, mitneh­ men und nutzen kann für sein elektrisch betriebenes Auto. Ist das aus Netzsicht sinnvoll? Ja, wenn ich das noch synchro­ nisiere und den Einspeisevorgang auf den Lastgang des Fahrzeugs drauflege und das nicht zu weit auseinander sitzt. Kann man damit heute besonders viel sparen? Nein,


DIGITALISIERUNG • STREITGESPRÄCH

nen Stich mehr bekommt gegen Wind und Sonne. Und dann, wenn Sie noch weiter weggehen, nach Afrika oder auch Indien, wiederholt sich eigentlich die Geschich­ te, die es hier vor 150 Jahren gegeben hat. Dort gibt es lokale Netze, die sich zusam­ menschließen – nur mit einer anderen Technologie natürlich, nämlich mit Photo­ voltaik und Speichern. Im Großen also ist das schon ein weltweites Phänomen. Das ist ganz klar.

weil uns mit der EEG-Umlage und den Netzentgelten der Strom genau das Glei­ che kostet. Wollen die Leute es haben? Ja. Die Leute rufen uns reihenweise an, die fünf Zahnärzte zum Beispiel, die ihr Win­ drad betreiben. Die sagen: Ist das cool, jetzt kaufe ich einen Tesla, und ich möchte den Strom aus meinem Windrad einfach überall nutzen. Das ist emotional.

Fotos: Maurice Weiss/Ostkreuz

Zapreva: Ich glaube, das ist eines unserer Hauptthemen. Das Problem ist mittler­ weile nicht so sehr die Wirtschaftlichkeit, sondern dass die Dinge so günstig sind. Ich vergleiche das mit der Sauna, die rech­ net sich ja auch nie. Trotzdem bauen Men­ schen, die ein neues Haus bauen, sich eine Sauna ein. Das ist Lifestyle. Herr Göbel, ist das eigentlich international ähnlich? Oder haben Sie das Gefühl, dass das schon ein sehr deutsches Ding ist? Göbel: Es gibt zwei Länder, die da ganz vorne dabei sind, Deutschland und die USA. Dort ist diese Bewegung gigantisch. Einmal der mediale Hype um Tesla, dann aber auch der Hype um SolarCity, bei dem die Leute sich ihren eigenen Versorger bauen wollen. Das sind die Treiber. Die Amerikaner sind natürlich extrem schnell bei solchen Entwicklungen und haben eben auch eine Innovations- und Finan­ zierungslandschaft, die das treibt. Aber auch in Ländern wie Chile hat die Pho­ tovoltaik die Energiewirtschaft auf den Kopf gestellt. Oder in Peru. Oder in Bra­ silien, einem klassischen Wasserkraftland, wo Wasserkraft im Augenblick jedoch kei­

Kapferer: Was mir daran gut gefällt, ist der Umstand, dass es ja nach vorne weist. Die Mitarbeiter in den Unternehmen, im Verband sind in den vergangenen Jahren geprägt worden durch Diskussionsprozes­ se, die eher negativ waren. Heute ist das anders. Unsere Branche wäre als Ganzes gesehen an der Börse ein klarer Kauf. Da würde jeder sage: Die nehme ich. Dieses Selbstbewusstsein in der Branche und in den Unternehmen zu vermitteln, das ist extrem wichtig. Also Grund zum Optimismus, Frau Zapreva? Zapreva: Ich schaue grundsätzlich op­ timistisch auf diese Branche, sonst wäre ich ja nicht da, wo ich bin. Aber die Her­ ausforderungen sind groß, die Transfor­ mationsprozesse sind gigantisch. Es wird nur klappen, wenn man in Kooperationen den Mut hat, neue Wege zu gehen. Und das „Alte“ dabei mitzunehmen. Das ist die Aufgabe, die zu lösen ist. Das ist Transfor­ mation. Und nicht einfach ein paar Photo­

voltaikanlagen zu installieren und zu glau­ ben, man habe die Welt gerettet. Pawlitschek: Wir haben als Energiewirt­ schaft eine Marke für den Bereich Ener­ gie. Die ist ja da. Das darf man nicht ver­ gessen. Und wenn Sie jemanden auf der Straße ansprechen, an wen denkt er als Erstes beim Thema Strom? Die Energie­ versorger. Das heißt also: Man verbindet sie mit dem Thema. Strom wird das Ener­ giethema in den nächsten Jahren dominie­ ren. Man muss es jetzt nur noch schaffen, dass einem nicht irgendwann Player, die von außen kommen, den Rang ablaufen. In der klassischen Energiewirtschaft hat man jetzt eben ein paar Kraftwerke, die noch eine Weile laufen. Da kann man ja auch nicht einfach sagen: Ja, das mache ich nicht mehr, das brauche ich nicht mehr. Das ist ja finanziell nicht darstellbar. Und die Leute, die das jahrelang alles mit auf­ gebaut haben, arbeiten auch noch im Un­ ternehmen. Es wird einfach Zeit dafür be­ nötigt, zu vermitteln, dass das, was früher richtig war, sich nun ändern muss. Unter dem Strich aber ist diese Verschiebung von fossilen Energieträgern zu Strom, insbe­ sondere aus Erneuerbaren Energien, eine Chance für die Branche und nicht so sehr Risiko, wenn man es richtig macht.  Kommentare zum Thema auf

streitfragen.de/debatten

Die Experten sind sich einig: Die Digitalise­ rung der Energiebran­ che birgt überwiegend Chancen, wenn man es richtig macht.

STREITFRAGEN

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FAKTEN • ZAHLEN­­

Saubere Sache In 9.307 öffentlichen Kläranlagen Wassermengen in Mrd. m³

in Deutschland werden jährlich 9,8 Milliarden Kubik-­ meter Abwasser gereinigt. Dabei handelt es sich zur Hälfte um Schmutzwasser von Haushalten und Betrieben und zu gut einem Viertel um Niederschlagswasser. Ein weiteres knappes Viertel ist Fremdwasser, das durch undichte Kanalsysteme verursacht wird.

Wechsel freudig

42% aller Haushaltskunden haben seit Öffnung des Strommarktes 1998 mindestens einmal ihren Stromversorger gewechselt.

2,2

Fremdwasser

5,0

Schmutzwasser

2,6

Niederschlags­wasser

Der Gasmarkt wurde 2007 liberalisiert. Seitdem haben etwa

32%

der Haushaltskunden mindestens einmal ihren Gasversorger gewechselt.

* Stand: Stand: 3. Quartal 2016

Auf dem digitalen Sprungbrett

1,7

55 Prozent

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STREITFRAGEN

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Minuten

?

war im Durchschnitt die Versorgung der deutschen Erdgas­kunden im Jahr 2015 unterbrochen. Damit liegt der Wert unter dem langjährigen Mittel von 1,8 Minu­ten. Bis zum 30. April eines jeden Jahres sind die etwa 730 deutschen Gasnetzbetrei­ ber verpflichtet, der Bundesnetzagentur alle Versorgungsunterbrechungen zu melden.

Fotos: Istockphoto, Shutterstock Illustrationen: C3 Visual Lab

der Stadtwerke in Deutschland sehen in der Digitalisierung eine Chance. Aber immerhin noch knapp jedes siebte Unternehmen steht der Digitalisierung skeptisch gegenüber.

Hohe Zuverlässigkeit:


ZAHLEN • FAKTEN

Wenn die Leitungen überlastet sind ... Mit dem Ausbau der Erneuerbaren wird es schwieriger, Stromangebot und -nachfrage in Einklang zu bringen. Die Stromnetze stoßen an ihre Grenzen. Um das Netz stabil zu halten, müssen die Übertragungsnetzbetreiber unter anderem den Fahrplan der Kraftwerke ändern. Bei diesem „Redispatch“ wird nicht die eingespeiste Menge Strom, sondern die örtliche Verteilung verändert. Kraftwerke in einem Gebiet mit Stromüberschuss müssen ihre Produktion herunterfahren, stattdessen werden Anlagen in einer unterversorgten Region hochgefahren. Das führt zu steigenden Kosten, die über die Netzentgelte an die Verbraucher weitergegeben werden müssen. Allein im Jahr 2015 griffen die Netzbetreiber fast täglich, an 331 Tagen, in den Fahrplan ein.

11,16 TWh Eingriffe 2015

Redispatch-Volumina jährlich Gesamte Arbeit in Gigawattstunden 16.000

nach Netztransparenz.de nach BNetzA-Veröffentlichung (inkl. grenzüberschreitender Maßnahmen)

11.160

+ 285 %

5.197 2.566

2.278

2011

2012

2.965

4.256

306 2010

2013

2014

2015

2,9 TWh

Redispatch-Kosten jährlich in Millionen Euro

Eingriffe 2013

402

185,4

164,8

30

45

25

2007

2008

2009

13 2010

113,3

41,6 2011

2012

2013

2014

2015

Redispatch-Kosten 2015 nach ÜNB in Millionen Euro

207,5

191,9

1,7

1,4

50Hertz

TenneT DE

TransnetBW

Amprion STREITFRAGEN

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UNTERNEHMERGEIST • ENERGIEVERTRIEB

Um in Zukunft Kunden zu gewinnen und zu halten, braucht die Energie­branche ganz neue digitale Ver­kaufskonzepte – und Produk­te, die begeistern. Von SILKE MERTINS

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B

erlin im Jahr 2026: Familie Schneider hat auf dem Balkon und den Fensterbänken kleine Platten angeschraubt: Hochleistungs-Photovoltaik, kaum größer als ein Frühstücksbrettchen. An den Fensterscheiben kleben durchsichtige Folien, die ebenfalls Strom aus Sonnenlicht erzeugen. Die hausgemachte Energie fließt automatisch ins Stromnetz der Mietwohnung. Als Erstes wird der Batteriespeicher aufgeladen – ein Kasten im Flur-Wandschrank, so groß wie zwei übereinandergestapelte Schuhkartons. Für den Strom, den die Familie zusätzlich braucht, hat sie bei ihrem Anbieter, der auch ihre heimische Produktion managt, Windstrom gebucht. Per Mausklick kann jedoch stattdessen jederzeit auch zu Solar,

Foto: Thomas Grimm/plainpicture

Konsumierst du noch? Oder Produzierst du schon?


ENERGIEVERTRIEB • UNTERNEHMERGEIST

senden Zahl von Prosumern und immer mehr branchenfremden Unternehmen besetzt wird. Sie werden versuchen müssen, sich bei ihren Kunden unentbehrlich zu machen, sonst könnte es womöglich irgendwann sehr eng werden auf dem Markt für Strom und Gas. Beispiel E-Mobilität: Die Norweger setzen massiv auf Elek­troautos, die staatliche Förderung ist immens. Andere Länder, auch Deutschland, wollen nachziehen. Und wenn die Elektromobilität erst einmal richtig boomt, wer wollte die Autoindustrie davon abhalten, mit der induktiven Ladetechnologie im Fahrzeug auch gleich einen Stromvertrag mitzuverkaufen? Viele Energieversorger hätten das Nachsehen. Und das Geschäft machten auf einmal andere. Mit Hochdruck machen sich deshalb die Energieunternehmen in Deutschland – von den regional agierenden Stadtwerken bis zu den großen internationalen Konzernen – Gedanken über den Kunden der Zukunft. Denn die Energiebranche braucht dringend andere, vor allem digitale Vertriebsstrategien – und neue, interessante Produkte, die nicht nur cool und grün sind, sondern auch Einnahmen generieren.

Wasserkraft oder Energie aus der Nachbarschaft gewechselt werden. Die Söhne schauen mithilfe einer App, ob die Nachbarn womöglich mehr Solarstrom erzeugt haben als sie selbst. Das Leben im vierten Stock macht sich bezahlt. Allerdings liegt die Stromproduktion von Familie Schneider weit abgeschlagen hinter der der Großeltern am Berliner Stadtrand. Das gesamte Dach des Einfamilienhauses der Rentner ist mit PV-Anlagen bedeckt. An sonnigen Tagen können sie ihren eigenen Energiebedarf decken, ihr Elektroauto betanken und den überschüssigen Strom verkaufen. Reine Science-Fiction? Vielleicht. Klar ist, dass viele Energie­ unternehmen umdenken und Strategien entwickeln müssen, wie sie sich behaupten können in einem Markt, der von einer wach-

RAUS AUS DER KOMFORTZONE „In der Vergangenheit war alles sehr planbar“, sagt Erna-Maria Trixl, Geschäftsführerin Vertrieb der Stadtwerke München GmbH (SWM). „Das, was jetzt im Gange ist, ist kulturell neu für uns. Wir müssen unsere Komfortzone verlassen.“ Trixl ist schon lange klar, dass sich die Energiebranche am Onlinehandel orientieren muss. Und das heißt zuerst einmal: mehr über die Kunden erfahren. Trixl setzt deshalb Datenspezialisten ein, die unter anderem anhand der Vornamen das Alter und die Wechselwahrscheinlichkeit herausfiltern können. Die traditionellen Stromanbieter sind nach Trixls Überzeugung beim Thema Daten im Vorteil gegenüber anderen Playern. „Die Kunden vertrauen uns, und deshalb wird man uns am ehesten zutrauen, mit den Daten verantwortungsbewusst umzugehen.“ Die Stadtwerke München testen in einem Pilotversuch ein Gerät, das mithilfe lernfähiger Software den Stromverbrauch einzelner Geräte im Haushalt erkennt. Bewährt es sich, könnte Trixl sich vorstellen, die Ergebnisse mit Kaufangeboten zu vernetzen: Der Kühlschrank verbraucht zu viel? Hier geht es zu einem neuen, energiesparenden Gerät. Aus dem Verhalten beim Stromverbrauch könnten außerdem spezielle Tarife entwickelt werden: Warum jemandem, der immer erst nach 20 Uhr Strom verbraucht, nicht einen günstigen Nachttarif anbieten? Die Energieversorger werden zu Energiedienstleistern. Es geht nicht mehr nur um einzelne Produkte, sondern um Versorgungspakete und individuell zugeschnittene Angebote. Noch wichtiger als in der Vergangenheit wird dabei die Kundenbindung. Die Stadtwerke München versuchen es deshalb beispielsweise mit einer Bäder-App. Die MVV Energie AG aus Mannheim probiert es mit einer App, die den Usern neben Funktionen wie Zählerablesung auch einen Veranstaltungskalender, Parkmöglichkeiten und die Öffnungszeiten des Apothekennotdiensts in Mannheim anzeigt. „Begeisterung für Strom zu wecken, ist nicht gerade einfach“, räumt Holger Krawinkel, Leiter des Bereichs Customer Experience und Innovation bei MVV Energie, ein. Aber durchaus möglich: „Der Kunde ist dann begeistert, wenn er sich unabhängig machen kann.“ Die Sehnsucht nach Autarkie ist genauso groß wie der Wunsch, günstigen und sauberen Strom zu konsumieren. Bereits heutzutage kommen Photovoltaikanlagen sehr gut an, obwohl jeder Eigentümer sich noch selbst um alles kümmern muss. STREITFRAGEN

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UNTERNEHMERGEIST • ENERGIEVERTRIEB

Auch Speicherbatterien für Erneuerbare Energien werden in den kommenden Jahren erheblich leistungsfähiger und gleichzeitig billiger werden und damit den Massenmarkt erobern. Für Krawin­ kel steht deshalb der Begeisterungsfaktor fest: Selbstversorgung. „Wir setzen auf Photovoltaikanlagen und Batteriespeicher, die wir mit einer Flatrate für den Reststrom ergänzen“, erklärt er die Strategie seines Unternehmens. Die Idee ist, das gesamte Energiemanagement für die Kunden zu übernehmen – als neues Produkt. Denn trotz aller Freude an der hausgemachten Energie wollen die meisten Kunden sich nicht um die Einzelheiten wie die Batterie­ ladung und den Stand beim Stromverbrauch kümmern oder die Waschmaschine von unterwegs einschalten, weil die Sonne gerade scheint. Im Grunde soll der Strom auch weiterhin einfach nur da und immer verfügbar sein. OHNE UMDENKPROZESSE NUTZT NEUE IT WENIG Das Problem: Mit den bisherigen IT-basierten Kundenmanagementsystemen (CRM) vieler Energieunternehmen lässt sich der Vertrieb solcher Angebote nur schwer bewerkstelligen. Sie sind zu starr, zu kilowattstundenfixiert und oft veraltet. Sie eignen sich vielleicht noch, um einen klassischen Stromvertrag abzuschließen, aber für neue Vertriebsaufgaben sind sie kaum geeignet. Doch man kann bei den operativen Prozessen im Alltag auch nicht auf sie verzichten, sagt der Softwareentwickler Benjamin Szyszka vom IT-Unternehmen SIV AG. „Es wird eine Verzahnung geben zwischen den bisherigen CRM-Systemen und immer mehr analytischen Elementen.“ Auf diese Weise könnten auch Daten und Erkenntnisse über die Kunden für neue Angebote genutzt werden. „Mit einer solchen Verzahnung kann man auch kurzfristig und schnell reagieren.“

Viele Energieunternehmen wollen außerdem ihr IT-System selbst ausbauen können, wenn sie beispielsweise eine neue Vertriebsidee ausprobieren. „Unser System ist so konstruiert, dass der Kunde es selbst erweitern kann – ohne uns“, sagt Jürgen Topp, Vorstand des IT-Spezialisten Cursor Software AG. Technisch sei das alles kein Problem. „Die Herausforderungen sehe ich nicht auf der technischen Ebene, sondern in den Umdenkprozessen, die in den Unternehmen stattfinden müssen.“ Es ginge darum, die Marktveränderungen nicht nur hinzunehmen, sondern neue Produkte zu entwickeln und zu vermarkten. Die MVV Energie geht genau diesen Weg. Über das Beteiligungsunternehmen beegy GmbH setzt sie auf Sonnenenergie für Privatkunden als Geschäftsmodell. Bei beegy sieht der teilautomatisierte Vertragsabschluss so aus: Zunächst kann der Kunde errechnen lassen, was ihn seine „persönliche Unabhängigkeitserklärung“ kosten würde und ob sie sich für ihn lohnt. Dann kommt ein Berater und bespricht die Einzelheiten mit dem Kunden vor Ort. Anschließend folgt ein Vertrag und schließlich die Installation der PV-Anlagen. Damit das Geschäft mit der Begeisterung für Energieautonomie funktioniert, gibt beegy 40 Prozent seines Budgets für die IT aus. „Die neuen IT-Systeme müssen flexibel und erweiterbar sein“, sagt beegy-Geschäftsführer Christian Feißt. „Gerade auch, weil man das zukünftige Geschäft nicht vorhersagen kann.“ Man könne sie mit den Softwareplattformen der sozialen Medien vergleichen, die sich ja auch ständig weiterentwickelten. Und genauso leicht und intuitiv wie die Nutzung von Twitter oder Facebook soll dem beegy-Interessenten auch die Energie-Autarkie gemacht werden. „Wir verkaufen den Kunden Einfachheit, Transparenz und ein gutes Gefühl“, sagt Feißt. „Als Energiemanager im Hintergrund nehmen wir dem Kunden die Komplexität ab.“

Auf Bedürfnisse zugeschnitten: Aus dem Verhalten beim Stromverbrauch könnten spezielle Tarife entwickelt werden.

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ENERGIEVERTRIEB • UNTERNEHMERGEIST

Fotos: Alamy, Shutterstock

Der Hausbesitzer ist ein prima Kandidat für ein individuelles Energieprodukt.

ESTLAND IST VORREITER Das Konzept könnte funktionieren. Doch wie schnell wird die Branche mit solchen alternativen Geschäftsmodellen auch Gewinne erzielen? Die Energieunternehmen haben sich in den vergangenen zehn Jahren enorm gewandelt – mehr als die meisten es sich selbst je vorstellen konnten. Doch die Digitalisierung steht noch am Anfang. Jedenfalls dann, wenn man den Stand der deutschen Energiebranche mit Estland vergleicht. Das kleine baltische Land gilt als das Start-up Europas, anderen Ländern um Jahre voraus: von Wahlen per Mausklick bis hin zur digitalen Firmengründung in nur 20 Minuten ist alles bereits Realität. Wer nach Estland schaut, bekommt ein Bild der digitalen Zukunft – auch das der Energiewirtschaft 4.0. Karla Agan, der junge Vertriebschef des ehemaligen Monopolisten Eesti Energia AS, stammt aus der Start-up-Welt. Er hat ein Gefühl dafür, womit die Leute gerne auf ihren Handys herumspielen: Bin ich gestern weniger Schritte gelaufen als heute? Hat meine Freundin mehr Twitter-Follower als ich? „Daten zu vergleichen, ist ein Weg, sich mit dem Energieverbrauch zu befassen, der Spaß macht“, sagt er. „Natürlich“ könne man auf der Eesti-Energia-App schon jetzt den aktuellen Verbrauchsstand abrufen, aber mit der neuen App-Version, die in den nächsten Monaten auf den Markt komme, sei eben auch der Vergleich mit Freunden und anderen Usern möglich. Voraussetzung für diese „Gamification“ sind automatische Datenübertragungen in Echtzeit. „Ende des Jahres wird jeder estnische Kunde ein Smart Meter haben“, sagt Agan. Schon jetzt sind es 95 Prozent. Auch Kundendaten sammelt sein Unternehmen seit Jahren. „Ist ja schließlich keine Raketentechnik“, meint er schulterzuckend. Sie würden genutzt, um den Kunden besondere Tarife oder Produkte anzubieten. Eines dieser Produkte, das gerade flächendeckend in ganz Estland eingeführt wird, ist ein Photovoltaik-Rundum-sorglos-Paket. Die PV-Anlage mitsamt der Batterie

wird vom Kunden geleast, nicht gekauft, der Reststrom wird per Kilowattstunde abgerechnet – über sehr langfristige Verträge. „Ein exzellenter Weg, die Kunden an uns zu binden.“ Agan hat aber noch eine andere Möglichkeit ausgemacht, in der Zukunft auf digitale Weise gute Gewinne zu erzielen. Eesti Energia plant, Übertragungsnetzbetreibern für die kritischen Spitzenzeiten Reserveenergie zur Verfügung zu stellen. Und das geht so: Zwischen Wasserboiler und Stromnetz wird ein kleines Gerät eingebaut, das den Boiler für eine Stunde pro Tag abschaltet. Für den Kunden macht es keinen großen Unterschied, da das Wasser ohnehin bereits warm ist. Diese Stunde wird verkauft, der Gewinn aufgeteilt – 100.000-fach. „Die Übertragungsnetzbetreiber sind bereit, für diese Reserve gut zu bezahlen“, sagt Agan. „Es ist ein großes Zukunftsgeschäft.“ Wie erfolgreich die Geschäftsideen langfristig sein werden, weiß allerdings niemand. Vieles wird man schlicht ausprobieren müssen. In jedem Fall werden im nächsten Jahrzehnt die Kundenbedürfnisse sehr weit auseinandergehen. „Es wird Kunden geben, die weiterhin einfach nur wollen, dass der Strom aus der Steckdose kommt, und solche, die es spannend finden zu wissen, was ihr Kühlschrank verbraucht“, erläutert SWM-Geschäftsführerin Trixl. Für diese ganze Bandbreite müssen die Energieunternehmen Angebote bereithalten und innovative Ideen entwickeln. „Manche haben bereits eine digitale Agenda mit einem technischen Plan und zukünftigen Geschäftsmodellen“, sagt Topp von Cursor Software. Andere seien dagegen sogar von Twitter und Facebook überfordert. „Die werden ziemlich im Regen stehen“, befürchtet der IT-Fachmann. „Denn ohne eine digitale Kultur geht es nicht.“ SILKE MERTINS schreibt als freie Journalistin über Wirtschafts­t hemen. Sie hat zuvor 13 Jahre lang als Redakteurin und Korrespondentin für die Financial Times Deutschland gearbeitet. Heute berichtet sie vor allem für die NZZ am Sonntag aus Deutschland.

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SZENARIO • BLOCKCHAIN

... dann könnten e-Mobile beim Ampelstopp laden Minimale Strommengen könnten bei einem Ampelstopp über eine Induktionsschleife im Asphalt geladen und über die Blockchain abgerechnet werden.

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Fotos: Mauritius Images, dpa/picture alliance

Was wäre, wenn die Blockchain-Technologie Einzug in die Energiewirtschaft hielte ...


BLOCKCHAIN • SZENARIO

Den Strom von demjenigen kaufen, der gerade das beste Angebot hat? Die Blockchain würde das möglich machen. In der Finanzbranche arbeitet man mit dem IT-Konzept bereits. Wann ist es im Energiemarkt so weit? Von RALPH DIERMANN

... dann bräuchte man den Banken keinen Überweisungsauftrag mehr zu erteilen Heute braucht jeder, der Geld überweisen will, eine Bank. Sie wickelt die Zahlung ab und prüft, ob alle nötigen Daten stimmen. Die Blockchain-Techno­ logie macht dasselbe – nur vollautomatisch, schneller und billiger. Adieu, Bank!

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SZENARIO • BLOCKCHAIN

... dann hätten die nutzer keinen nachträglichen Einfluss auf die Prozesse

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ei m K a r tof fel k au f hat ma n die Qual der Wahl: Billigware aus dem Ausland? Bio aus der Region? Sieglinde oder Bintje? Beim Strombezug dagegen ist man an langfristige Verträge mit einem Anbieter, Laufzeiten und Kündigungsfristen gebunden. Noch. Denn das könnte sich schon in wenigen Jahren ändern. Blockchain heißt das Zauberwort, das die Energiebranche derzeit in Wallung bringt. Das IT-Konzept – technische Basis der virtuellen Währung Bitcoin – soll es Verbrauchern möglich machen, Strom mal hier, mal dort einzukaufen. Scheint die Sonne, lassen sie sich die Energie zum Beispiel vom Nachbarn

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mit der Solaranlage liefern, bei Wolken vom Biogas-Bauern zwei Dörfer weiter. Ebenso könnten sie gezielt bei denjenigen Erzeugern einkaufen, die den Strom gerade besonders günstig anbieten. Goldene Zeiten also für Klimaschützer und Schnäppchenjäger. Bei solchen Geschäften geht es um sehr geringe Energiemengen. Damit sie sich lohnen, müssen die Transaktionskosten extrem gering sein. Genau das leistet die Blockchain-Technologie. Ihr Prinzip: Kaufvorgänge werden nicht über eine zentrale Plattform abgewickelt, sondern über ein dezentrales Register, das von den Computern aller Teilnehmer des Handelssystems gebildet wird. Sie speichern die Transaktionen in laufend erweiterten digitalen Blöcken,

die bei jedem Geschäft an sämtliche beteiligten Rechner übertragen werden. Zusammen bilden sie eine Kette – die Blockchain. Da sich das System selbst organisiert, fallen praktisch keine Kosten an. Wie könnte ein solcher Stromhandel konkret aussehen? Voraussetzung ist, dass die teilnehmenden Erzeuger und Verbraucher Smart Meter installiert haben, die über das Internet miteinander kommunizieren. Sie liefern Daten zu Menge und Preis der übertragenen Energie. Die Informationen werden in der Blockchain gespeichert. Die Geschäfte werden auf Basis sogenannter Smart Contracts vollzogen, die in den Smart Metern hinterlegt sind. In diesen Verträgen vereinbaren die Parteien, wann sie Strom zu wel-

Fotos: Gettyimages (2)

Geschäfte und Kommunikation erfolgen ausschließlich virtuell. Der menschliche Faktor spielt keine Rolle mehr. Ein Anruf beim Kundenservice? Zwecklos, denn die Aktion wird vorprogrammiert und maschinell ausgeführt.


BLOCKCHAIN • SZENARIO

... dann müssten sich Versorger neu erfinden Wenn Erzeuger und Verbraucher direkt miteinander Geschäfte machen, wird der klassische Stromvertrieb überflüssig. Auch Aufgaben wie die Vermarktung von Grünstrom an der Börse fallen weg.

chem Preis handeln und wie die Energie bezahlt wird. Auch Ausschreibungen lassen sich mit Smart Contracts realisieren. Die Kunden können dafür beliebige Kriterien festlegen – in den Mittagsstunden bitte nur Solarstrom aus der Nachbarschaft zum Beispiel. Oder bitte nur Strom, der nicht mehr kostet als 22 Cent pro Kilowattstunde, egal wie und wo er produziert wurde. Der günstigste Erzeuger erhält dann automatisch den Zuschlag. Auch Erdgas könnte theoretisch auf diese Weise gehandelt werden. Ein solches Modell würde das Energiegeschäft radikal verändern. „Viele der Instanzen zwischen Erzeuger und Verbraucher, die Vertriebsgesellschaften und Direktvermarkter zum Beispiel, werden

mit der Blockchain überflüssig“, sagt Axel von Perfall, Experte für die Digitalisierung der Energiewirtschaft beim Beratungs­ unternehmen PwC. Doch bis es so weit kommt, sind noch zahlreiche Fragen zu klären. Angefangen bei der Finanzierung der Infrastruktur, etwa der Netze: Zwar könnte dies auch künftig über eine Umlage auf den verbrauchten Strom geschehen. Doch wie soll das in einem solch kleinteiligen System organisiert werden? Ungeklärt ist auch, wer die Verantwortung für die Versorgungssicherheit übernimmt. Wer springt zum Beispiel ein, wenn ein Betreiber einer Solaranlage seinen Kunden wegen einer falschen Wetterprognose nicht genug Strom liefern kann?

Wann Blockchain auch in der Energiebranche Einzug hält, hängt also davon ab, wie lange die Politik für die Beantwortung dieser Fragen braucht, wann der Gesetzgeber hier Regularien aufstellt. Auf Basis der heute schon vorhandenen Technologien spräche jedenfalls wenig dagegen, schon morgen mit dem Stromhandel über den Gartenzaun zu beginnen. RALPH DIERMANN ist freier Energiejournalist. Er arbeitet unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, Spiegel Online und die WirtschaftsWoche.  Mehr zu diesem Thema auf

streitfragen.de/szenario

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ESSAY • KLIMASCHUTZ

Hier hilft nur Schreien Das Abkommen von Paris ist unterzeichnet. Klimaschutz steht an zentraler Stelle, und alle sind in der Verantwortung. Erdgas kann einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten. Wir müssen handeln. Jetzt. Von LUDWIG MÖHRING

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KLIMASCHUTZ • ESSAY

Foto: Gettyimages

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o gut und richtig der Ausbau der Erneuerbaren ist, er Es bleibt fraglich, wie ein tatsächlich (nahezu) vollständig auf muss Teil einer umfassenden Strategie zur Kohlen- Erneuerbaren Energien beruhendes Energiesystem 2050 umgedioxid-Reduzierung sein. Und das haben wir in den setzt werden soll. Bislang jedenfalls liegt der Anteil regenerativer vergangenen fünf Jahren bei unserer Energiewende Energiequellen am Primärenergieverbrauch bei lediglich rund versäumt: Die CO2-Emissionen sind nicht gesunken, 12,5 Prozent (und lag bereits 2010 bei rund zehn Prozent). Gleichund das trotz eines milliardenschweren Subventions- zeitig spart der Entwurf die Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz programms für den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Wäh- der mit dem Klimawandel und der Energiewende einhergehenrend hier jeder weitere Ausbau gefeiert wurde, blieb der Zustand den Kostenbelastungen aus und lässt eine Gesamtbetrachtung des des Klimaschutzes erstaunlich unberücksichtigt – mit der Folge: europäischen Verbundsystems vollständig vermissen. Das CO2-Einsparziel für 2020 ist erkennbar nicht zu erreichen. Angesichts der Radikalität der gemachten Vorschläge wäre Trotz dieses Misserfolgs hat man den Eindruck, dass dies billi- eine Bewertung der genannten Aspekte unbedingt notwendig gend in Kauf genommen wird. Dies verwundert umso mehr, als gewesen. Zusätzlich wäre in jedem Fall noch abzuwägen, ob es hinreichend bekannt ist, dass das globale CO2-Budget für dieses andere, effektivere Optionen zur Kohlendioxid-Reduzierung Jahrhundert bei gleich bleibendem Kohlendioxid-Ausstoß bereits gibt – dies ist insbesondere unabdingbar, will Deutschland eine in den 30er/40er-Jahren erschöpft ist – worauf warten wir also? von der Bevölkerung und den Nachbarstaaten tolerierte EnergieNun also Paris: Der aktuell vorliegende Entwurf des Klima- wende auch wirklich umsetzen. Mit einer volkswirtschaftlichen schutzplans 2050 aus dem Bundesumweltministerium soll die Optimierung der CO2-Vermeidungskosten – und damit mit Klideutsche Antwort auf das Paris-Abkommen sein, mit dem die maeffizienz – hat das leider bislang nur verschwindend wenig zu Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindus- tun. So bleibt insbesondere die Position im Klimaschutzplan zur triellen Zeitalter begrenzt werden Erhaltung der Kohleverstromung soll. Das Papier soll die Grundin den nächsten Jahrzehnten nicht Um effektiv und kostengünstig lage für ein CO2-armes Deutscherklärbar. CO2-Emissionen einzusparen, land bilden. Ein begrüßenswertes Ernst gemeinter und bezahlmuss Klimaschutz technologieoffen Vorhaben – insbesondere vor dem barer Klimaschutz muss Erdgas gestaltet werden. Hintergrund des angesprochenen, bei einem weitreichenden Umbau bisher allenfalls marginalen Klimahin zu einer CO2-armen Welt eine schutzerfolgs der Energiewende. Das Pariser Klimaabkommen deutliche Rolle als „Systempartner“ einräumen. Denn Erdgas ist nicht nur Vision, es ist ein Handlungsauftrag: hin zu konse- (und zunehmend synthetisches Gas) hat erhebliches Potenzial quenter CO2-Reduzierung – und zwar jetzt. Wir können nicht für erfolgreichen Klimaschutz: weiter abwarten, wenn wir unseren Anspruch an die Vorreiter- – eine zeitnahe und bezahlbare CO2 -Vermeidung, die Kosten reduziert – verglichen mit einer umfassenden Elektrifizierung rolle im Klimaschutz erfüllen wollen. Effektiver Klimaschutz setzt aber auch Bezahlbarkeit voraus. aller Lebensbereiche, Die vom Grünen-Politiker Jürgen Trittin aufgeführte „Kugel Eis“ – die Vermeidung unnötiger (Strom-)Netzausbaukosten durch im Zusammenhang mit den Kosten der Erneuerbaren Energi- Nutzung der Erdgasinfrastruktur, en ist längst geschmolzen. Jetzt wird vorgeschlagen, die weiter – die Sicherstellung einer nachhaltigen gesellschaftlichen wachsenden Kosten entweder auf andere Energieträger abzuwäl- Akzeptanz, zen oder über eine „Fondslösung“ auf einen späteren Zeitpunkt – die Einbettung, insbesondere im europäischen (denn unsere zu verlagern. Das überzeugt nicht, zumal wenn nicht einmal der Energiewende hat Auswirkungen auf unsere Nachbarn) und Versuch unternommen wird, den Umbau der Energielandschaft auch im globalen Kontext. an Kostengesichtspunkten auszurichten. Ein solcher Ansatz ist dann auch Teil einer Strategie, die wirkDie Optimierung der CO2-Vermeidungskosten würde eine liche Sektorenkopplung im Auge hat: nämlich nicht nur auf der sinnvolle Messlatte bilden; sie wäre auch die Basis für die Sicher- Suche nach Nutzung von erneuerbarem Strom in anderen Märkstellung der Zustimmung der Bürger zu einer gut gemachten Ener- ten ist (siehe „Elektrifizierungsstrategie“), sondern die Strom giewende. Wenn wir das zur Grundlage einer modernen Ener- und gasförmige Energieträger in volkswirtschaftlich optimiergiepolitik machen, dann sind wir auch in der Lage, tragfähige ter Weise miteinander verzahnt. Kompromisse zu erzielen. Erdgas und zunehmend synthetisches Methan sind Eckpfeiler Was bringt uns in diesem Zusammenhang der Entwurf des eines ernst gemeinten Klimaschutzes, der zeitnah für bezahlbare Klimaschutzplans? Völlig richtig konstatiert er: „Das Klimasystem CO2-Einsparung sorgt und auf diese Weise zu einer erfolgreichen mit seiner inhärenten Trägheit verzeiht keine weiteren Verzöge- Umsetzung der Klimaschutzziele beiträgt. Wer stattdessen auf rungen.“ Als Lösung stellt der Entwurf dann auf eine „Elektrifizie- umfassende Elektrifizierung aller Sektoren setzt, muss beantworrungsstrategie“ ab, die sämtliche wesentlichen Verbrauchssekto- ten, zu welchen technischen und finanziellen Bedingungen und ren, nämlich die Bereiche Verkehr, Gebäude und Industrie, erfasst, mit welchen gesellschaftlichen Konsequenzen eine solche Vision und einhergehen soll mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien umgesetzt werden kann. bei der Stromerzeugung. Dieser Ansatz einer „All-electric World“ Paris ist Handlungsauftrag für zeitnahen Klimaschutz, und bleibt dann leider im Visionären. Das überrascht. Nicht angemessen danach sollten wir in Deutschland auch handeln. adressiert werden sowohl die Effektivität als auch die technische Machbarkeit oder Skalierbarkeit von Maßnahmen und die volks- DR. LUDWIG MÖHRING ist Mitglied der Geschäftsführung der WINGAS GmbH. wirtschaftlichen Gesamtkosten der anvisierten Veränderungen. STREITFRAGEN

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MEINUNG • E-AUTOS

Sind E-Autos der Schlüssel Das Auto mit seiner Transportaufgabe bleibt auch mit E-Antrieb Bestand­teil der Wertschöpfungskette. Hersteller sorgen für mehr attraktive Angebote. Von THOMAS BECKER

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STREITFRAGEN — November 2016

Durch die Nutzung regenerativer Ener­ gien und die Kopplung des Verkehrs mit der Transformation der Energiewirtschaft entstehen in Verbindung mit intelligen­ ten Lösungen hocheffiziente Systeme. Die Energiewende läuft damit komplementär mit dem Umbruch im Verkehrsbereich. Das Produkt Auto mit seiner Transport­ aufgabe ist dabei ein Bestandteil der Ge­ samtwertschöpfungskette. So bieten sich durch eine netzdienliche Integration von Fahrzeugspeichern deutliche Potenziale zur Kompensation der Auswirkungen des Ausbaus der volatilen Erneuerbaren Ener­ gien. Schließlich ist das E-Auto Teil eines verkehrlichen Gesamtsystems: Multimo­ dale Angebote, eCar Sharing und die in­ tegrierte Nutzung der Verkehrsressourcen reduzieren die Umweltbelastung, insbe­ sondere in den Städten. Die Digitalisie­ rung ist der Schlüssel, um die immensen systemischen Synergien umfänglich zu nutzen. Das Automobil wird auch in Zukunft Teil des Alltags sein. Die zunehmende Ausbreitung von E-Mobilen in Verbin­ dung mit einer intelligenten Netzinte­ gration sorgt maßgeblich für die Verrin­ gerung verkehrsbedingter Emissionen.

Die drei konvergierenden Entwicklungen Energiewende, Elektromobilität und Di­ gitalisierung bieten enorme Chancen, um unsere Energie- und Mobilitätssysteme zu integrieren und damit genauso sauber wie zukunftsfähig zu machen. Diese Aufgabe ist komplex, braucht Zeit und bedarf des gemeinsamen Zusammenwirkens aller – aber es lohnt sich.

»Das Streben nach individueller Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis.« Dr. Thomas Becker, Leiter Politik und Außenbeziehungen bei der BMW Group

Fotos: Istockphoto (5), Rainer Haeckl, Axel Kirchhof/Greenpeace

D

as Streben nach individueller Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis. Sie ermöglicht soziale Partizipation und wirt­ schaftliche Entwicklung. Die Automobilindustrie steht in der Verantwortung, ihren Beitrag zur nach­ haltigen Mobilität zu leisten und damit ge­ sellschaftliche Kompatibilität auch in der Zukunft sicherzustellen. Mit dem Klima­ gipfel von Paris ist die Unumkehrbarkeit der Dekarbonisierung klar geworden. Die Elek­ trifizierung der Verkehrsträger wird dazu einen signifikanten Beitrag leisten. Hinzu kommt der Effizienzgedanke: Eine vollständige Elektrifizierung kann zu ei­ ner Reduzierung des Energieverbrauchs im Pkw-Sektor um 75 Prozent führen. Die Elektrifizierung braucht Geduld. Trotzdem ist bereits heute klar: Nachhal­ tige Mobilität geht nur elektrisch. Techno­ logischer Fortschritt, die Preisdegression insbesondere bei den Speichern und das ver­ besserte Portfolio der Automobilhersteller sorgen für zunehmend attraktive Angebote. Gleichzeitig muss sich die Ladeinfrastruk­ tur schnell entwickeln. Schon heute ist für die meisten Nutzer eines Elektroautos der Grünstromvertrag Normalität.


E-AUTOS • MEINUNG

für individuelle Mobilität? Der elektrische Antrieb ist potenziell eine tolle Sache. Aber die Autoindustrie will weiter schwere und deshalb teure Autos verkaufen. Von WOLFGANG LOHBECK

J

a, es stimmt: Der elektrische An­ trieb ist potenziell eine tolle Sache. Leise, effizient, ohne Öl und ohne CO2. Leider ist „potenziell“ das Schlüsselwort. Denn wenn es nach den Vorstellungen der Autoindus­ trie geht, wird keines dieser Versprechen eingelöst. Das Problem: Die Autoindus­ trie will nicht „Elektromobilität“, sie will „Elektroautos“. Dass die heutigen Autos in Verruf ge­ raten sind, liegt zuallerletzt am Antrieb, es liegt an den Autos. Es ist das Auto, das alle potenziellen Errungenschaften des elektrischen Antriebs zunichtemacht, ja sogar in ihr Gegenteil verkehrt. Denn der elektrische Antrieb ist keine Wunderwaffe per se, sondern hat nur Sinn im Rahmen einer völlig anderen Mobilität: klein, in­ telligent, leicht, effizient. Denn für konventionelle, tonnen­ schwere Autos hat der Elektroantrieb ein paar unschöne Handicaps: Die Reichwei­ te für die derzeitigen Saurier ist lächerlich gering. Die permanenten Tankstopps dau­ ern Stunden. Die Fahrzeuge kosten mehr als das Doppelte. Es ist keine Überra­ schung, dass sie niemand will. Zusätzlich sind sie dann – dank der enormen Bat­

teriegewichte – auch noch schwerer und damit eher lauter als konventionelle Au­ tos. Und CO2? Beim derzeitigen Strom­ mix produzieren Elektroautos auch davon nicht weniger, sondern mehr. Bleibt das Öl-Argument, denn tat­ sächlich: Elektroautos brauchen kein Öl. Seit 20 Jahren ist allerdings bekannt, dass ein konventionelles Viersitzer-Auto mit weniger als drei Litern Sprit auskommen kann. Mit anderen Worten: Beim konven­ tionellen Auto lassen sich jetzt, hier, heute und ohne Mehrkosten, CO2 und Öl in ei­ nem Maße einsparen, von dem die trau­ rige Elektroautoflotte noch Lichtjahre ent­ fernt ist. Leider hat die Autoindustrie nicht das geringste Interesse daran, leichte, nachhaltige, saubere Elektrofahrzeuge zu vermarkten, sondern sie will wie bis­ her schwere und deshalb hochprei­ sige Autos. Und so wird das Thema „Elek­ tro“ zum Tarnmantel für das generelle „Weiter so“, gerichtet nicht nur gegen die überfällige Abkehr vom Auto, sondern auch gegen eine nachhaltige städtische Mobilität. Die Beruhigungspille „E-An­ trieb = Dekarbonisierung“ wirkt somit kontraproduktiv: Autos müssen nicht

mehr kleiner, leichter, effizienter werden: Sie dürfen weiter wachsen, wie neuere SUVs immer wieder aufs Neue vorfüh­ ren. Bei genauerem Hinsehen bleibt von den viel gerühmten Vorzügen des Elek­ troantriebs nichts mehr übrig – wenn man ihn für konventionelle, schwere Au­ tos einsetzt.

»Der elektrische Antrieb hat nur Sinn im Rahmen einer völlig anderen Mobilität.« Wolfgang Lohbeck, Verkehrsexperte, ehemals Greenpeace e. V.

STREITFRAGEN

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Fotos: Alamy, PR

ZUR SACHE • FRAUEN IN DER ENERGIEWIRTSCHAFT

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STREITFRAGEN — November 2016


FRAUEN IN DER ENERGIEWIRTSCHAFT • ZUR SACHE

Die neue Sicht

der Dinge D

er rasante Wandel in der Energiewirtschaft braucht auch eine neue „Denke“: Flexibilität und Diversifizierung bei den Geschäftsmodellen, eine komplett neue Definition der Kundenschnittstelle, Offenheit gegenüber neuen Strategien in der Personalentwicklung, bei Arbeitszeitmodellen & Co. Ist bei Frauen in der Top-Etage dieses besondere Gespür für neue Themen und Trends stär-

ker ausgeprägt als bei ihren männlichen Artgenossen? Haben sie, hoch qualifiziert und führungsstark, einen anderen und neuen Blick? Frauen prägen bereits heute die Strategie in immer mehr Unternehmen der Energie- und Wasserwirtschaft. „Streitfragen“ dokumentiert die Sicht von Topmanagerinnen auf die Herausforderungen von morgen. Fünf Managerinnen, fünf Themen, fünf Antworten.

Die Digitalisierung ist für die Stadtwerke neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien eine der größten Herausforderungen geworden. Wie gehen Sie strategisch mit der Digitalisierung um? Heike Heim

Vorstandsvorsitzende Energieversorgung Offenbach AG (EVO)

Digitalisierung ist kein neuer, gar disruptiver Trend, sondern vielmehr das Ergebnis einer sich stetig beschleunigenden Entwicklung von Technologie. Zugleich ist Digitalisierung ein exzellentes Beispiel dafür, dass sich neue Entwicklungen nicht ausschließlich in großen Fortschritten, sondern ganz praktisch im Alltag von Menschen und Unternehmen äußern. So sind Informationen dank mobiler Endgeräte heute quasi überall und jederzeit verfügbar – dabei kam das erste iPhone gerade mal im Jahr 2007 auf den Markt. Das Beispiel Smartphone zeigt auch, dass es durch Digitalisierung zur Konvergenz von Technologien und Branchen, zu neuen Partnerschaften, aber auch zu neuem Wettbewerb kommt. Bei der EVO verstehen wir unter Digitalisierung die Vereinfachung und

Automatisierung von (Kunden-)Prozessen durch die Bereit­ stellung, intelligente Verknüpfung und Analyse von Daten durch Nutzung geeigneter Technologien. Basierend auf diesem Verständnis und der Erkenntnis, sich jenseits von regu­ latorischen Anforderungen schlichtweg an geändertes Kun­ denverhalten anzupassen, verfolgt die EVO im Wesentlichen drei strategische Zielsetzungen. Erstens, durch Digitalisierung die Kosteneffi­zienz und Geschwindigkeit unserer Bestands­ prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette messbar zu steigern. Zweitens, durch die Optimierung unserer Schnittstellen zum Kunden letztendlich neue Produkte und Services anzubieten. Drittens, durch Digitalisierung Kollaboration, Kreativität und Innovationsfähig­keit unserer Mitarbeiter zu fördern. Letzteres macht deutlich, dass es sich bei Digitalisierung nicht um eine rein technologische Angelegenheit handelt. Die zunehmende Dynamik dieser Entwicklung greift tief in die Strukturen von Energieversorgungsunternehmen ein. Wir müssen unsere Geschäftsmodelle überdenken, Führung neu definieren und die Unternehmenskultur wandeln. Schon Aristoteles sagte: „Wir können den Wind nicht ändern. Aber wir können die Segel setzen.“ Genau das haben wir bei der EVO mit der Digitalisierung vor. STREITFRAGEN

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ZUR SACHE • FRAUEN IN DER ENERGIEWIRTSCHAFT

Welche Strategien entwerfen die Stadtwerke Rostock, um insbesondere Mädchen und Frauen für das Unternehmen zu begeistern?

Ute Römer

Vorstand Stadtwerke Rostock AG

Die Stadtwerke Rostock AG steht als technisch ge­präg­ tes Unternehmen vor einer besonderen Herausforderung beim demografischen Wandel unserer Gesellschaft. Das heißt, geeigneten Nachwuchs zu finden, der die Energiewende mitgestaltet und mit dem wir fit in die Zukunft gehen können. So werden bestehende Ausbildungsrichtungen hinterfragt und an die Zukunftsthemen angepasst. Industrialisierung 4.0 wird auch unsere Branche sehr gravierend beeinflussen. Die Unternehmensstrategie hat einen wichtigen Einfluss auf die Personalstrategie und die Personalplanung. Damit beschäftigen wir uns gerade sehr intensiv. Mit unserer Frauenquote haben wir eine

gute Ausgangsposition, profitieren von der gelebten Gleichstellung in der ­Vergangenheit. Und so sind Frauen in Führungspositionen, auch im technischen Bereich, eine Selbstverständlichkeit. Das möchten wir für die Zukunft erhalten und fortentwickeln. Ein „­regionales Bündnis Rostock“ zur „Chancengleichheit und Nachwuchsgewinnung“, insbesondere im weiblichen Bereich, wird uns auf diesem Weg helfen, diese Position auch in Zukunft zu sichern. Dabei stellen wir uns den Veränderungen in der Arbeitswelt und den neuen gesellschaftlichen Entwicklungen, neudeutsch als „Work-Life-Balance“ bezeichnet. Neben der Website sollen vielfältige Kanäle zur Kommunikation dieser ­Ziele und Strategien genutzt werden, die unser Unternehmen für seine Familienfreundlichkeit, Bezahlung und Aufstiegs­ chancen hervorheben. Neue Akquisewege bei der Gewinnung von Mitarbeiternachwuchs werden beschritten. Hier wünschen wir uns insbesondere für die technischen Bereiche mehr weiblichen Nachwuchs. Das reicht von Patenschaften für Studentinnen bis zu Kooperationen mit Universitäten, Fach- und Hochschulen und setzt sich fort mit einem Qualifizierungsprogramm für weibliche Führungsnachwuchskräfte und Fachkräfte.

Dr. Marion Kapsa Geschäftsführerin Stadtwerke Brühl GmbH

Die neuen Geschäftsmodelle der Stadtwerke Brühl stehen nicht im Widerspruch zur Idee der Daseinsvorsorge, sondern stellen eine Auffächerung der bisherigen Tätigkeitsfelder dar. Schon immer waren Stadtwerke Multi-Utility-Unternehmen. In Brühl gehören zu den Tätigkeitsfeldern der Stadtwerke unter anderem der Betrieb der Bäder, Stadtbus- und Parkhausbetrieb sowie die Kooperation mit dem Stadtservicebetrieb. Rein theoretisch lässt sich die Liste der Geschäftsfelder beliebig erweitern. Sinnvoll ist das alles aber nur, wenn das Ziel der Daseins38

STREITFRAGEN — November 2016

vorsorge nicht verfehlt wird und wenn es wirtschaftlich, steuerlich und in der Sache sinnvoll ist. Das kann von Stadt zu Stadt verschieden sein. Beim Kerngeschäft haben wir uns vom klassischen Zwei-Säulen-Modell (Verbreitung der Medien Gas, Wasser, Strom, Wärme sowie Netzbetrieb) mittlerweile hin zu einem Vier-Säulen-Modell entwickelt: Neu sind nun die beiden Säulen Dienstleistungen und Stromerzeugung. Hier ist Brühl schon länger tätig: Wir bieten im Dienstleistungsbereich Beratungen an, etwa Lastganganalysen für Gewerbekunden; wir erzeugen Strom in unseren BHKW im KarlsBad oder im Wohngebiet an der alten Zuckerfabrik. Mittelfristig wollen wir auch zwei eigene Windkraftanlagen auf dem Brühler Stadtgebiet betreiben. In ganz weiter Zukunft könnten wir aus dem selbst erzeugten Strom sogar den Wasserstoff erzeugen, den wir für den Betrieb unserer Wasserstoffbusse im Brühler ÖPNV benötigen. Diese modernen Fahrzeuge sind bereits aus der Erprobungs­phase heraus und laufen inzwischen im Regelbetrieb. Die Zukunft ist gleichermaßen spannend wie offen. Im Fokus bleibt stets die Daseinsvorsorge.

Fotos: PR

Mit der Energiewende mussten viele kleinere und mittlere Stadtwerke neue Geschäftsmodelle aus der Taufe heben. Wie vertragen sich diese aktuellen Herausforderungen mit den klassischen Aufgaben der Daseinsvorsorge?


FRAUEN IN DER ENERGIEWIRTSCHAFT • ZUR SACHE

Die Bundesnetzagentur hat den Eigenkapitalzinssatz für Strom- und Gasnetz­ investitionen gesenkt. Was bedeutet dies für die Investitionen in Ihrem Netzgebiet? Susanne Fabry

Leiterin Netzwirtschaft bei der Avacon AG, Tochter der E.ON Deutschland

Wir erkennen grundsätzlich an, dass die Bundesnetzagentur ihrem gesetzlichen Auftrag folgt. Dieser sieht vor, dass die Netzentgelte im Sinne einer effizienten Ausgestaltung unserer Aufgaben nach Möglichkeit gering gehalten werden. Es gibt klare Vorschriften, die die Bundesnetzagentur zu berücksichtigen

hat, auch bei der Festlegung des Eigenkapitalzinssatzes. Wir würden uns wünschen, dass die Bundesnetzagentur die Spielräume, die ihr in diesem Umfeld bleiben, so nutzt, dass gerade die großen Flächennetzbetreiber, die ein wesentliches Rückgrat der Energiewende bilden, mit den Zukunftsinvestitionen zumindest so viel Geld verdienen, dass das Kapital von den Eigentümern nicht anderweitig mit mehr E ­ rtrag angelegt wird. Ganz konkret heißt dies, dass wir realistische Annahmen erwarten und die derzeit angesetzte R ­ isikobewertung deutlich hinter­fragen. Der Wagniszuschlag sollte auch das nicht unerhebliche Risiko aus ­möglichen Änderungen des Regu­lierungsregimes abbilden, die unter Umständen dazu ­führen können, dass sich nachträglich eine Entwertung der ­Investitionen ergibt, wie wir sie gerade im Rahmen der ­Änderung der ARegV-Novelle mit dem Entfall des Sockeleffekts erlebt haben.

So wie viele andere Branchen kämpft auch die Energie- und Wasserwirtschaft mit Nachwuchsproblemen. Womit punkten Stadtwerke im „War for Talents“?

Claudia Junkers

Leiterin Personalentwicklung Stadtwerke Düsseldorf AG

Viele Branchen hat der „War for Talents“ bereits erreicht. Unternehmen kämpfen dabei nicht nur um die hoch qualifizierten Nachwuchskräfte, sondern auch um junge Auszubildende. Hierauf haben wir uns als Arbeitgeber frühzeitig eingestellt und nicht nur unsere Arbeit­gebermarke gestärkt, sondern auch attraktive Arbeitsmodelle entwickelt, beispielsweise das mobile Arbeiten oder auch die Arbeit in neuen Arbeitswelten. Mit Weitsicht und strategischer Ausrichtung werden weitere verschiedene Bausteine für die zukünftige Arbeitswelt entwickelt. Hierzu zählt unter anderem die Einrichtung von sogenannten Demografiestellen zur Wissenssicherung der zukünftigen Austritte im Zuge der Verrentung. Wir stellen uns auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Generationen ein. Dies bedeutet, auch im Rahmen des digitalen Zeitalters neue Wege zu gehen. Neben den ursprünglichen Rekrutierungswegen sind wir erfolgreich in den sozialen Medien als Unternehmen vertreten und haben verschiedene Kooperationen sowohl mit Schulen als auch

mit Hochschulen geschlossen. Ein Beispiel für die neuen Wege, die wir gehen: Wir haben in diesem Jahr unser Auswahlverfahren für Auszubildende mit dem „schnellsten Bewerbungsgespräch“ gestartet – beim gemeinsamen Joggen von Bewerberinnen und Bewerbern mit unseren Ausbildern hatten beide Seiten die Chance, sich in einem anderen Umfeld kennenzulernen und erste Eindrücke zu gewinnen. Eine Rekrutierungsidee, die gut ankam. Geworben haben wir verstärkt in den sozialen Medien, auf eine ausführliche, klassische Bewerbungsunterlage haben wir bei diesem Modell verzichtet. Die zahlreich eingegangenen Bewerbungen haben gezeigt, dass die junge Generation sich so gut angesprochen fühlt. Doch der „War for Talents“ endet für uns nicht bei der Nachwuchssuche: Für unsere Beschäftigten bieten wir nicht nur die Möglichkeit, mobil und flexibel zu arbeiten, sondern je nach Lebenssituation weitere freie Tage im Zuge einer prozentualen Entgeltverrechnung zu beantragen. Damit wird allen Beschäftigten wichtige Zeit für private Belange wie Pflegezeiten der Eltern, Schulwechsel der Kinder und vielfältige sonstige Auszeiten zur Verfügung gestellt – die Gründe sind hier vielschichtig und individuell. Umfangreiche Weiterbildungsangebote und das Thema Gesundheit sind uns im Hinblick auf die demografische Entwicklung ebenso wichtig und zahlen auf unsere Arbeitgebermarke ein. Fördern und fordern, um auf die zukünftigen Anforderungen vorbereitet zu sein und so die richtigen Talente für unser Unternehmen zu finden und zu binden. So lautet unsere Devise, um für den „War for Talents“ gut gewappnet zu sein. STREITFRAGEN

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Investitionen der Netzbetreiber Summe in Mrd. Euro

Entwicklung der Stromnetze in Deutschland Stromkreislängen in Mio. km

KARTE • STROMNETZE 4,0

1,6 0,11

3,2

2,0

2004

2009

2014

Einer für alle, alles für eins

2005

2015

Niederspannung

M übe IT TELS P r1b is A N N U 72 ,5 e in s c h li N G e K ilo vo lt ß li c h

DIE ERDVERKABELUNG umfasst eine Länge von 1,45 Millionen Kilometern. Das ist ein Anteil von fast 81 Prozent.

NIED b is e E R S PA N NU in s c 1 K il h li e ß li c N G ovo lt h

davon:

(Angaben in Prozent)

ZUVERLÄSSIGKEIT DER ­S TROMVERSORGUNG

5 Erdgas 9,4 Sonstige

Erneuerbare Energien

1,18

Mittelspannung

Bruttostromerzeugung 2015 in Deutschland: 645,6 Mrd. Kilowattstunden*

14,2

1,07

Hoch- und Höchstspannung

In Sachen Fleiß und Disziplin macht ihnen niemand etwas vor. Sie sind straff organisiert, jeder kennt arbeitsteilig seine Aufgaben. Ihre Bauwerke sind wahre Meisterwerke, oft dauert es Jahre, bis sie entstehen. Sie bauen oberirdisch oder graben Gänge und Schneisen in die Erde. Sie sind das Rückgrat des Gesamtsystems, ihre Emsigkeit ist schon legendär: Die Rede ist von den über 900 Netzbetreibern in Deutschland. Sie machen die Energiewende erst möglich, indem sie dafür sorgen, dass der dezentral erzeugte Ökostrom genutzt werden kann. Und dafür, dass der Strom stets zuverlässig sowohl die Haushalte als auch die Industrieanlagen erreicht. Damit das so bleibt, sind attraktive Investitionsbedingungen für den Netzausbau auf allen Ebenen notwendig. Entdecken Sie in der Grafik die unbekannte Welt der Netzbetreiber.

Kernenergie

0,52

zu 99,997 Prozent. Nur 12,7 Minuten Stromausfall im Jahr, damit Spitzenplatz in Europa.

42,3 Kohle 29

*Quelle: BDEW, AG Energiebilanzen Stand: 08/2016

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STREITFRAGEN — November 2016

Netzbetreiber

Endverbraucher

Stromnetz

Kraftwerk

Energie

übe H OCH S r 72 ,5 b is PA N N U 12 5 e in s c h N G K ilo vo lt li e ß li c h

KOMPLEXE SYSTEME

0,5

1,8 0,12


GESAMTLÄNGE

STROMNETZE • KARTE

Der Stromkreis ist insgesamt 1,8 Millionen Kilometer lang.

FÜR DIE ÜBER­ TRAGUNGSNETZE

NG N U lt AN S P K i lovo T S CH 25 ­H Ö b e r 1 ü

geht man von einem Investitionsbedarf von bis zu 34 Milliarden Euro bis zum Jahr 2025 aus.

AUSBAUBEDARF Bis 2020 muss das Höchstspannungsnetz um bis zu 4.300 Kilometer ausgebaut werden.

1,5 MILLIONEN ERNEUERBAREENERGIEN-ANLAGEN

Illustration: C3 Visual Lab

sind an das Verteilnetz angeschlossen. Das entspricht rund 90 Prozent der installierten Leistung aus EE-Anlagen.

ANTEIL VERTEILNETZ INVESTITIONSBEDARF Bis 2032 müssen bis zu 50 Milliarden Euro in die Verteilnetze investiert werden.

Der Anteil des Verteilnetzes macht 98 Prozent des gesamten Stromnetzes aus.

STREITFRAGEN

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jugendliche Migranten besuchten die DSW21-Betriebs­ teile in Dorstfeld und Brünninghausen und erhielten Schulungen am PC, Infos zu Schulabschlüssen und Bewerbungen.

14 Tage dauerte das Praktikum in der Ausbildungswerkstatt.

Mehdi Hoseini, 21 Jahre, aus Afghanistan (li.), Manfred Kossack (M.) und Alassane Doumbia, 19, von der Elfenbeinküste

10 Azubis begleiteten die Praktikanten.

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STREITFRAGEN — November 2016


INTEGRATION • NACHWUCHS

Nicht nur reden, machen Gemeinsam haben DSW21, DEW21 und DONETZ jugendlichen Migranten in den Sommerferien 2016 ein zweiwöchiges Praktikum in der zentralen Ausbildungswerkstatt ermöglicht. Davon haben alle profitiert. Interview MICHAELA HARNISCH

Ziel des Dortmunder Projekts MigrAzubis: junge Menschen fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Manfred Kossack, Arbeits­ direktor der DSW21-Gruppe, spricht über soziale Verantwortung und Ausbildung als Integrationsfaktor. Wie kamen Sie auf die Projekt-Idee?

Dortmund war 2015 ein Hotspot in Nordrhein-Westfalen für Flüchtlinge. Wir sind ein kommunales Unternehmen, das sehr stark in der Region verwurzelt ist und gesellschaftliche Verantwortung übernimmt – an vielen Ecken. Die Initialzündung kam von einer Mitarbeiterin, die sich stark in der Flüchtlingshilfe engagiert. Sie erzählte uns, dass Jugendliche während der Sommerferien in ihren Unterkünften sitzen würden, weil die Sprachschule Fe­ rien habe. Aber wir nicht. Wir haben eine zentra­ le Ausbildungswerkstatt mit über 100 Auszubildenden. Auf dieser Grundlage ist das Projekt MigrAzubis entstanden. Was haben die Praktikanten gemacht?

Foto: Julia Unkel

In einer Ausbildungswerkstatt hat man es ja mit verschiedenen Gewerken zu tun. Da konnten sie kleinere Werkstücke selbst fertigen. Tesa-Roller aus Metall zum Beispiel. Oder auch ein bisschen programmieren. Sie haben also vom ersten Tag an praktisch gearbeitet. Dann sind gemeinsame Exkursionen organisiert worden. Sie konnten sich unsere Unternehmen anschauen und waren in der Straßenbahnund Buswerkstatt. Das heißt, diese 14 Tage waren ganz schön prall gefüllt. Am Ende wollten sie das Praktikum gern verlängern, weil sie so begeistert waren. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Beide Seiten haben voneinander gelernt. Ich war beeindruckt, dass sich die Migranten in der Vorstellungsrunde am ersten Tag

alle in deutscher Sprache vorstellen konnten. Natürlich war das noch lange nicht perfekt, aber die Kommunikation funktionierte. Schon nach einem Tag war das Eis gebrochen. Sie konnten erleben, wie es in einem deutschen Unternehmen aussieht und wie wichtig es ist, sich verständigen zu können. Sie haben erfahren, was es heißt, eine Ausbildung zu machen – welche Aufgaben da zu bewältigen sind und welche persönlichen Chancen sich daraus ergeben können. Unsere Azubis haben gelernt, Verantwortung für jemandem zu übernehmen. Wenn sie ihren eigenen Alltag erklären, dann reflektieren sie sich auch selbst. Sie haben Gleichaltrige kennengelernt, die unter zum Teil sehr traurigen Umständen ihre Heimat verlassen haben und jetzt weitab von ihren Familien leben. Wie haben die Mitarbeiter reagiert?

Alles ist von unten nach oben organisiert worden. Darum war nicht nur die Akzeptanz, sondern auch das Engagement sehr groß. Der Werkstattleiter war sofort Feuer und Flamme, hat sich seine Azubis geschnappt, und die haben selbst einen Plan entwickelt, was sie mit ihren Altersgenossen machen. Könnten sich die Praktikanten für eine reguläre Ausbildung bewerben?

Sie müssen denselben Weg einhalten wie jeder normale Bewerber auch. Es gibt keinen Vorrang. Denn: Sie müssen Prüfungen bestehen, Anweisungen und Vorschriften verstehen. Wenn sie die Sprache beherrschen, dann schaffen sie das auch.

Deutschen auch. Als Bus- oder Bahnfahrer muss man kommunizieren können. Und da brauchst du eine perfekte Sprache und musst kulturell so getaktet sein, dass du mit den Fahrgästen umzugehen weißt. Im Grunde sind alle gefordert. Die meisten Arbeitsplätze in Deutschland gibt es im Mittelstand, und wir müssen die Handwerker und kleinen Unternehmen dafür gewinnen, sich mit an der Integration zu beteiligen, indem wir den Migranten eine Chance geben, in Arbeit zu kommen und so ein eigenes Leben aufzubauen. Wird nicht Personal gesucht, das hoch qualifiziert und fit für Industrie 4.0 ist?

Ja, könnte man so sehen. Aber ich halte dagegen. Denn es wird immer jemanden geben müssen, der Fahrzeuge repariert. Ich halte es für falsch, dass man die Migranten als gute Gelegenheit zur Bewältigung des Fachkräftemangels sieht. Da muss man Enttäuschung ernten. Es gibt viele – gerade junge Menschen –, die müssen erst mal fit gemacht werden. Zuerst die Sprache, dann die Kultur, das soziale Umfeld, und sie müssen es schaffen, in der Gesellschaft anzukommen. Egal ob sie dann später wieder zurückgehen oder nicht. Da setzen wir mit unserem MigrAzubis-Projekt an. Wollen Sie dieses Azubiprojekt fortführen?

Ja, unbedingt. Wir sehen ja, dass der Weg richtig ist. Unsere Azubis bleiben übrigens mit den Migranten über eine WhatsappGruppe in Kontakt. Das ist nicht Indus­ trie 4.0, sondern Kommunikation 4.0.

Gibt es Angebote an ältere Migranten?

Wir haben uns jetzt auf die Jugendlichen fokussiert. Wenn sich Erwachsene bewerben würden, dann müssten sie genau die gleichen Bedingungen erfüllen wie die

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STREITFRAGEN

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ZEITREISE • VERBRAUCHSMESSUNG

Die glorreichen Drei Der Strom-, Gas- und Wasserverbrauch wird seit Mitte des 19. Jahrhunderts ermittelt. In Zukunft sollen intelligente Messverfahren sogar das eigene Verhalten beeinflussen. Die Geschichte der Zähler.

Fotos: Gettyimages (2), Fotolia

Von JASMIN ELLIOT T

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Das durchströmende Gas im Gaszähler löst ein Zählwerk aus, das den Verbrauch zeigt.

STREITFRAGEN — November 2016


VERBRAUCHSMESSUNG • ZEITREISE

E

inmal im Monat stand der Gaslieferant vor der Tür. Er holte die „Gasgroschen“ aus dem Münzgaszähler. So steht es in dem Erzählband „Stube und Küche – Erlebtes und Erlesenes“ von John Stave. Anfang der 1930er war das die Art und Weise, in Berlin Energie abzurechnen – nämlich per Vorauszahlung. Erst musste eine Münze eingeworfen werden, bevor Gas in die Leitungen strömte. In Südafrika und Großbritannien existiert das Prinzip als Prepaid-Modell noch heute. Durch Industrialisierung und Urbanisierung entstanden verstärkt Mitte des 19. Jahrhunderts Ballungszentren. Strom-, Gas- und Wasserleitungen wurden in die Häuser gelegt. Und natürlich wollten die Lieferanten wissen, wie viel verbraucht wurde. Dafür benötigten sie Messgeräte. Das ist ihre Geschichte. DIE ANFÄNGE DER ZÄHLER Der erste Gaszähler kam aus England. Der Erfinder des sogenannten Gasometers war der britische Ingenieur und Chemiker Samuel Clegg. Er patentierte das Prinzip 1816. Eine mechanische Vorrichtung übertrug die Menge des durchströmenden Gases auf einen Zähler als Verbrauchsanzeige. In Deutschland hielt der erste Gaszähler 1847 in Dresden Einzug. Emil Haas, Mitinhaber der „Gasmesserfabrik Mainz, Elster & Co“, entwickelte 1887 das Gasometer weiter und nannte sein Gerät Trockener Balgengaszähler. „Im Jahr 1911 gab es bereits 15.000 dieser Geräte“, weiß Dr. Klaus Zschoke, der seit über 40 Jahren die Sammlung historischer Gasgeräte der TU Freiberg betreut. Den ersten Wasserzähler mit einer direkten Verbrauchsanzeige baute Carl Wilhelm von Siemens 1851 in England. Darin steckte eine Zahnradkonstruktion. Wasser strömte in ein Flügelrad, das sich

Wasser marsch! Die Fließgeschwindigkeit treibt den Zähler des Messgeräts an.

Nostalgisch: Der Ferraris-Zähler misst seit über 100 Jahren den Strom von Haushalten.

deshalb drehte. Damit verbunden war ein Zählerwerk, das den Wasserstand darstellte. Die Anzahl der Umdrehungen war proportional zur Wassermenge und so Bemessungsgrundlage. Sieben Jahre später wurde sein Flügelradwasserzähler in Deutschland und ganz Europa vertrieben. 1880 machte Thomas A. Edison Schlagzeilen, als er in New York einem erstaunten Publikum den ersten Elektrizitätszähler vorstellte. Das Gerät konnte in Privathaushalten und bei Indus­ triekunden den Stromverbrauch messen. Allerdings ohne direkte Anzeige für den Verbrauch. Der Strom floss über zwei Elektroden. Je nach Stromstärke lagerte sich Material von der einen auf die andere ab. Monatlich wurde die Box, in der sich die Elektroden befanden, von einem Mitarbeiter Edisons ausgebaut und gewogen. Der Gewichtsunterschied war die Basis für die Abrechnung. „Bei Edisons Idee genügte ein Kabel, um Haus und Hof an den Segnungen der Elektrizität teilhaben lassen zu können“, sagt Dr. Martin Kahmann, Fachbereichsleiter für „Elektrische Energiemesstechnik“ der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Der Maschinenbauunternehmer Emil Rathenau wurde auf Edisons grandiose Ideen aufmerksam. Er kaufte die Lizenzen für den deutschen Vertrieb und gründete 1883 die Deutsche Edison Gesellschaft (später AEG). Es war der Beginn der elektri­schen Messzähler in Deutschland. Die Mess­technik des Verfahrens war für Verbraucher ­ aber schwer nachzuvollziehen. Das rief 1888 den italienischen Physiker und Ingenieur Galileo Ferraris auf den Plan. Er baute einen elektromechanischen Zähler, in dem zwei Spulen den durchfließenden Strom in magnetische Flüsse umwandeln. Dadurch STREITFRAGEN

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ZEITREISE • VERBRAUCHSMESSUNG

DIE GESCHICHTE DES MESSWESENS IM ÜBERBLICK

1816 Erstes Gasometer von Samuel Clegg patentiert

1851 Flügelradwasserzähler von Carl von Siemens

1880 Erstes industrietaugliches Elektrizitätsmessgerät von T. A. Edison

Fotos: Gettyimages, Siemens, Bachrach/Library of Congress, Imago, Rainer Weisflog (2), ddp

1887 Gründung der Eichbehörde PhysikalischTechnische Bundesanstalt (PTB)

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rotiert eine Metallscheibe, die wiederum ein mechanisches Zählwerk zur Verbrauchsdarstellung antreibt. IM WANDEL DER ZEIT Anfang des 20. Jahrhunderts nahm die Industrialisierung und Verstädterung weiter Fahrt auf. Das erforderte auch eine Weiterentwicklung der Messtechnik. Kunststoffe für Gehäuse lösten immer häufiger die Metallboxen der Zähler ab. Seit den 1970erJahren gibt es elektronische Stromzähler, und seit 2010 ist es Pflicht, diese in Neubauten einzubauen. Sie arbeiten mit einem Analog-Digital-System. Der mechanische Ferraris-Zähler hängt dennoch in fast allen Haushalten. Der Flügelradwasserzähler von Siemens misst noch in einem Drittel der deutschen Haushalte den Wasserverbrauch. Auch Trockene Balgengaszähler sind laut Dr. Zschoke noch weit verbreitet. GERÄTE MÜSSEN GEEICHT SEIN Zum exakten Messen gehören ein Einheitensystem und exakte Messgeräte. Gralshüter physikalischer Einheiten in Deutschland ist seit 1887 die PhysikalischTechnische Bundesanstalt. Sie wurde von Werner von Siemens und Hermann von Helmholtz gegründet. 1898 beauftragte Kaiser Wilhelm II. das Institut mit der Prüfung der Messgeräte. Das war der Beginn des Eichwesens. Zähler müssen seit 1959 in Deutschland geeicht sein, um ihre Genauigkeit zu garantieren und Messfehler zu vermeiden. Je nach Zählerart muss alle acht bis 16 Jahre die Messgenauigkeit überprüft werden. Seit 2006 gibt es europäische Richtlinien dafür. Die geeichten Zähler messen den Stromverbrauch in Kilowattstunden und den Wasser- und Gasverbrauch in Kubikmetern. Diese Einheiten sind im interna­ tionalen Einheitensystem (SI) festgelegt.

1888 Wechselstromzähler von Galileo Ferraris 1970 Verbreitung von elektronischen Zählern 2010 Regelung des Einbaus elektronischer Zähler bei Neubauten und sanierten Altbauten 2016 Gesetzliche Regelung des Smart-Meter-Rollouts ab 2017

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Der intelligente Stromzähler liefert Echtzeitdaten des Verbrauchers an das Smart Grid und den Verbraucher selbst.


VERBRAUCHSMESSUNG • ZEITREISE

Funktechnik ermöglicht die Fernablese. Der Besuch des Wasserlieferanten ist überflüssig.

MESSEN IN DER ZUKUNFT Die Zähler werden immer schlauer. Moderne Gas- und Wasserzähler messen die Durchflussgeschwindigkeit mithilfe von Ultraschall. Ganz ohne mechanische Teile nehmen die Geräte akustische Wellenbewegungen auf und verarbeiten die Informationen. Eine digitale Datenübermittlung macht hierbei eine Fernablese möglich. Neueste Stromzähler arbeiten bereits intelligent. Ab 2017 müssen diese Smart Meter in Deutschland eingebaut werden. Zunächst bei Großverbrauchern in der Wirtschaft und Privathaushalten. Damit sollen die Verbräuche für Nutzer und Versorger sichtbarer werden. Wann verbrauche ich wie viel? Wo kann ich sparen? Solche Fragen soll die intelligente Erfassung des Energiebedarfs beantworten. Damit bekommen die Messgeräte auch eine weitere Aufgabe: Der Verbraucher soll zum effizienten und nachhaltigen Umgang mit Energie angespornt werden. „Die entscheidende Veränderung im Messwesen ergibt sich aus dem Übergang vom Gerät zum System, vom Isolierten zum Vernetzten, vom Abgeschlossenen zum Offenen“, sagt Dr. Martin Kahmann. Messwesen 2.0 also. Die intelligenten Stromzähler sind erst der Anfang. Irgendwann werden auch smarte Zähler für Wasser und Gas in Deutschland den Verbrauch kontrollieren. In Luxemburg läuft die landesweite Installation bereits. JASMIN ELLIOTT arbeitet als Redakteurin bei C3 und schreibt über Energiethemen. Mitarbeiter von Gaswerken können Daten nun digital mittels Apps speichern.

 Weitere Infos zu Smart

Metering auf streitfragen.de

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Smart Renewables vom 22.–23. Februar 2017 Die Energiewelt wird erneuerbarer, dezentraler und digitaler. Die Energiewirtschaft steht vor großen Herausforderungen, es gibt aber auch enorme Möglichkeiten für neue Geschäftsfelder. Der Strukturwandel der Branche steht im Mittelpunkt der Smart Renewables 2017. Die BDEW-Leitveranstaltung zu den Erneuerbaren Energien beschäftigt sich auch mit der künftigen Rolle der Energieunternehmen und mit den sich verändernden Kundenwünschen. Weitere Themen sind Energiespeicher, Sektorenkopplung und das Potenzial von Blockchain für die Energiewirtschaft. Seien Sie dabei!

IHRE TEILNAHME HABEN UNTER ANDEREM BEREITS ZUGESAGT: – Peter Altmaier, Chef des Bundeskanzleramts und Bundesminister für besondere Aufgaben – Uli Huener, Leiter Innovationsmanagement, EnBW Energie Baden-Württemberg AG – Thorsten Marquardt, Managing Director, E.ON :agile – Dr. Frank Pawlitschek, Geschäftsführer, ubitricity – Gesellschaft für verteilte Energiesysteme mbH – Gero Lücking, Geschäftsführung Energiewirtschaft, LichtBlick SE – Dr. Florian Bieberbach, Vorsitzender der Geschäftsführung Stadtwerke München GmbH  JETZT ANMELDEN UND WEITERE INFORMATIONEN UNTER www.smart-renewables.de

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TERMINE • VERANSTALTUNGEN

Was kommt Die Energie- und Wasserbranche ist in Bewegung. Fortwährend finden Kongresse, Tagungen und Foren zu aktuellen politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Themen statt. 7.–9. Februar 2017 E-world energy & water in Essen 22.–23. Februar 2017 Smart Renewables 2017 in Berlin 7.–8. März 2017 Treffpunkt Netze 2017 in Berlin 30. März 2017 Forum für kleinere und mittlere Stadtwerke in Krefeld 24.–28. April 2017 Hannover Messe mit dem Energieforum „Life needs Power“ und der „Integrated Energy Plaza“, unterstützt vom BDEW

Impressum Herausgeber BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. Reinhardtstraße 32 10117 Berlin streitfragen@bdew.de www.bdew.de

Hauptgeschäftsführung Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Haupt­­ge­schäftsführung und Mitglied des Präsidiums Gesamtverantwortung Mathias Bucksteeg Chefredaktion Henning Jeß Redaktionsschluss Oktober 2016 Konzept und Realisierung C3 Creative Code and Content GmbH, unter redaktioneller Mitarbeit von Ricarda Eberhardt, BDEW Autoren dieser Ausgabe Ralph Diermann, Jasmin Elliott, Michaela Harnisch, Tom Levine, Silke Mertins Druck und Verarbeitung Buch- und Offsetdruckerei H. Heenemann GmbH & Co. KG Bessemerstraße 83–91 12103 Berlin www.heenemann-druck.de

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OUTRO • NITRATEINTRAG

OUTRO Streitpunkt Wasser

»Die Massentierhaltung versaut uns das Grundwasser, das ist der Preis für die Billigschnitzel.«

Foto: Shutterstock

Bärbel Höhn (Grüne), Vorsitzende des Bundestags­ ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, gegenüber heute.de (ZDF) am 16. September 2016

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NITRATEINTRAG • OUTRO

»Allein die Landwirtschaft als Sündenbock hinzustellen, ist nicht nur unfair, sondern auch falsch.« Georg Wimmer, stellvertretender Generalsekretär des Bayerischen Bauernverbandes, auf der Tagung des Bayerischen Gemeindetags am 10. Mai 2016 STREITFRAGEN

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