Position
Besteuerung von digitalen Geschäftsmodellen EU-Vorschläge zur „Besteuerung der digitalen Wirtschaft“: Digitalsteuer und digitale Präsenz
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.
Stand: September 2018
Herausforderungen bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung................................................................................ 3 1. Aktuelle Diskussion zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft .. 4 2. EU-Vorschläge zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft........... 4 a) Digitalsteuer („Digital Services Tax“) ..................................... ……4 b) Signifikante digitale Präsenz ..........................................................7 3. Digitale Geschäftsmodelle in der deutschen Industrie ............... 9 a) Typische digitale Geschäftsmodelle ..............................................9 b) Beispiele für digitale Geschäftsmodelle der Industrie ..................10 4. Offene Fragen und langfristige Lösungen .................................. 12 Über den BDI........................................................................................ 13 Impressum ........................................................................................... 13
Herausforderungen bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
Zusammenfassung Der BDI unterstützt das Ziel international abgestimmter Standards für eine rechtssichere Besteuerung von Unternehmensgewinnen. Wettbewerbsverzerrungen und Besteuerungslücken sollten genauso vermieden werden, wie nationale und europäische Alleingänge in der Gesetzgebung. Die Besteuerung von Gewinnen aus digitalen Geschäftsmodellen ist im bestehenden System gesichert, jedoch wird eine zunehmende Debatte über die Verteilung des Steuersubstrats der Erträge aus digitalen Leistungen geführt. 1. Digitalsteuer begründet hohe Kollateralschäden für die deutsche Industrie
Der aktuelle EU-Richtlinienvorschlag für eine EU-Digitalsteuer zur „Besteuerung der digitalen Wirtschaft“ begründet das Risiko umfangreicher Kollateralschäden zu Lasten der deutschen Industrie und des deutschen Fiskus.
Die vorgeschlagene Digitalsteuer führt zu einer Doppelbesteuerung und wird der deutschen Industrie, die gerade mitten im Prozess der digitalen Transformation ihrer Geschäftsmodelle steht, eher schaden als nutzen.
Der vorgesehene Abzug der Digitalsteuer als Betriebsausgabe ist nicht ausreichend, um eine Doppelbesteuerung der Unternehmen zu vermeiden.
Der BDI warnt daher ausdrücklich vor einer vorschnellen Einführung einer EU-Digitalsteuer.
2. Keine Abgrenzung der „digitalen Wirtschaft“ von den digitalen Geschäftsmodellen der Industrie möglich
Eine Abgrenzung der „digitalen Wirtschaft“ ist nicht möglich, denn auch die „traditionelle Industrie“ wird mit der Industrie 4.0 digital, indem sie zunehmend digitale Geschäftsmodelle einsetzt.
Aufgrund der dynamischen Entwicklung der Geschäftsmodelle der deutschen Industrie droht neuen digitalen Geschäftsmodellen stets, von der zusätzlichen Steuerlast erfasst zu werden. Dies schadet der Wettbewerbsfähigkeit des EU-Standorts Deutschland.
3. Digitale Präsenz birgt hohe Risiken für die Unternehmen und den deutschen Fiskus
Auch die Einführung einer digitalen Präsenz als sog. langfristige Lösung birgt für die exportstarke deutsche Wirtschaft und den deutschen Fiskus erhebliche Risiken.
Eine effektive Besteuerung der digitalen Geschäftsmodelle kann langfristig nur global gelingen und darf nur im Einklang mit der OECD erfolgen.
www.bdi.eu
Seite 3 von 13
Herausforderungen bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
1. Aktuelle Diskussion zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft Seit dem „BEPS-Projekt“ von OECD und G20-Staaten (2012-2015) wird eine steuerpolitische Diskussion über die Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft geführt, die ursprünglich zum Ziel hatte, die Steuereinnahmen der Staaten zu sichern. Anlass sind die Geschäftsmodelle von US-amerikanischen Großunternehmen, die eine wirtschaftliche Aktivität in Staaten bzw. Absatzmärkten ohne physische Präsenz im klassischen Sinne – d.h. in Form einer Betriebsstätte – ermöglichen. Die EU-Kommission hat im März 2018 zwei Richtlinienentwürfe zur „Besteuerung der digitalen Wirtschaft“ veröffentlicht. Nach Ansicht der EU-Kommission besteht die Herausforderung einer „fairen Besteuerung“ insbesondere darin, dass durch den Nutzer einer digitalen Leistung – jedenfalls soweit er eigene Daten preisgibt – ein Wertschöpfungsbeitrag entsteht, der nicht im Ansässigkeitsstaat des anbietenden Unternehmens (Quellenstaat), sondern im Ansässigkeitsstaat des Nutzers (Marktstaat) liegt. Die OECD hat daraufhin im März 2018 einen Zwischenbericht zu den Herausforderungen der digitalen Wirtschaft veröffentlicht und angekündigt, bis zum Jahr 2020 einen Abschlussbericht hierzu vorzulegen. 2. EU-Vorschläge zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft Die EU-Kommission hat am 21. März 2018 mit dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Festlegung von Vorschriften für die Unternehmensbesteuerung einer signifikanten digitalen Präsenz“ (COM(2018) 147 final) und dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zum gemeinsamen System einer Digitalsteuer auf Erträge aus der Erbringung bestimmter digitaler Dienstleistungen“ (COM(2018) 148 final) zwei Entwürfe vorgelegt, mit denen sie eine Besteuerung von digitalen Geschäftstätigkeiten in der EU sicherstellen möchte. a) Digitalsteuer („Digital Services Tax“) Als kurzfristige Lösung soll eine umsatzabhängige Steuer von 3 % auf Umsätze aus digitalen Dienstleistungen eingeführt werden, sog. Digitalsteuer („Digital Services Tax“). Betroffene Dienstleistungen Besteuert werden sollen die weltweiten Erträge eines Unternehmens aus folgenden Dienstleistungen:
Verkauf von Online-Werbeflächen (Online-Werbung)
Digitale Vermittlungsgeschäfte, die es Nutzern erlauben, mit anderen Nutzern zu interagieren und die den Verkauf von Gegenständen und Dienstleistungen zwischen ihnen ermöglichen (Vermittlungsdienste bzw. Vermittlungsplattformen)
Verkauf von gesammelten Nutzerdaten, die aus den Aktivitäten der Nutzer auf digitalen Schnittstellen generiert werden (Verkauf bzw. Verwertung von Nutzerdaten).
www.bdi.eu
Seite 4 von 13
Herausforderungen bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
Begrenzung nach Größenordnung Die Steuerpflicht der Digitalsteuer wird auf Unternehmen ab einer bestimmten Größe begrenzt: Sie soll nur gelten für Unternehmen
mit einem weltweiten Gruppenumsatz in Höhe von mehr als 750 Mio. EUR pro Jahr, die gleichzeitig digitale Umsätze der oben beschriebenen Kategorien innerhalb der EU in Höhe von mehr als 50 Mio. EUR pro Jahr aufweisen.
Die Steuereinnahmen sollen von den Mitgliedstaaten erhoben werden, in denen die Nutzer ansässig sind. Hierzu soll in der Regel die IP-Adresse des Nutzers in dem jeweiligen Land oder andere Methoden der Geolokalisierung herangezogen werden. Danach soll dann eine entsprechende Aufteilung zwischen den EU-Mitgliedstaaten erfolgen. Der Steuersatz soll 3 % der dem Mitgliedstaat zugerechneten Bemessungsgrundlage betragen. Die Steuer soll von dem Unternehmen, das die Dienstleistung erbringt, selbst berechnet und erklärt werden. BDI-Bewertung Der BDI rät von der einseitigen Einführung einer Digitalsteuer in der EU dringend ab. Der aktuelle EU-Richtlinienvorschlag für eine EU-Digitalsteuer zur „Besteuerung der digitalen Wirtschaft“ begründet das Risiko umfangreicher Kollateralschäden zu Lasten der deutschen Industrie und des deutschen Fiskus. Im Übrigen ist es verfassungsrechtlich zweifelhaft, ob eine Gesetzgebungskompetenz zur Einführung der Digitalsteuer als neue Steuer in Deutschland besteht.1 Zu erwarten ist auch, dass die Digitalsteuer als neue Steuerart in Deutschland hohen zusätzlichen administrativen Aufwand für die Finanzverwaltung und die steuerpflichtigen Unternehmen hervorruft. Sollte keine Einigung über den Richtlinienvorschlag für eine DST erreicht werden und sollten trotzdem einzelne Mitgliedstaaten an der Idee einer „Besteuerung der digitalen Wirtschaft“ festhalten, könnten sich diese Staaten auf grobe Eckpunkte eines zusätzlichen Besteuerungsregimes ohne Implementierungszwang verständigen. Mit dieser unverbindlichen politischen Einigung würde zumindest mehreren unterschiedlichen Varianten einer DST vorgebeugt und damit verbundene administrative Lasten gemindert. Drohende Kollateralschäden zu Lasten der deutschen Industrie Der aktuelle EU-Richtlinienvorschlag zur Digitalsteuer begründet das Risiko umfangreicher Kollateralschäden zu Lasten der deutschen Industrie und des deutschen Fiskus. Eine Abgrenzung der „digitalen Wirtschaft“ von den digitalen Geschäftsmodellen der Industrie ist nicht möglich, denn die Industrie 4.0
1
BVerfG-Beschluss zur Kernbrennstoffsteuer vom 13.4.2017 (2 BvL 6/13)
www.bdi.eu
Seite 5 von 13
Herausforderungen bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
ist digital und es erfolgt ein zunehmender Wandel zu digitalen Geschäftsmodellen. In welchem Umfang digitale Geschäftsmodelle der Industrie von den EU-Vorschlägen zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft konkret betroffen sind, lässt sich aufgrund der dynamischen Entwicklung der Geschäftsmodelle zurzeit nicht ermitteln. Auch eine Eingrenzung der Digitalsteuer durch Umsatzgrenzen führt nicht zu einem Ausschluss der in Deutschland tätigen Unternehmen der Industrie 4.0, da die Grenze von jährlichen weltweiten Gesamtumsätzen i. H. v. mehr als 750 Mio. Euro und die Grenze von 50 Mio. Euro EU-Umsätzen pro Jahr von den Industrieunternehmen in Deutschland grundsätzlich überschritten wird. Doppelbesteuerung der Unternehmen Für die Unternehmen entsteht im Ergebnis eine Doppelbelastung von nationalen Ertragsteuern und der zusätzlichen Digitalsteuer. Die nachfolgenden Beispiele zeigen eine Überbesteuerung, die mit dem bisher vorgesehenen Betriebsausgabenabzug der DST nur zu einem geringen Teil beseitigt werden kann. Lediglich eine Anrechnung der ertragsteuerlichen Vorbelastung (Anrechnung der weltweit gezahlten Körperschaftsteuer auf die DST) kann zu einer deutlicheren Reduzierung einer Doppelbesteuerung der Unternehmen führen, sofern eine ausreichend hohe Umsatzrendite und damit Körperschaftsteuervorbelastung gegeben ist. Insbesondere Unternehmen mit niedriger Umsatzrendite in wettbewerbsintensiven Branchen sind durch die DST einer extrem hohen Belastung ausgesetzt. Im Ergebnis werden europäische Unternehmen, die im Regelfall deutlich niedrigere Margen als die US-Unternehmen der Digitalwirtschaft aufweisen, mit einer zusätzlichen Digitalsteuer erheblich stärker belastet werden. Beispiel 1 zur Wirkung der DST (Umsatzrendite 5 %)
www.bdi.eu
Seite 6 von 13
Herausforderungen bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
Beispiel 2 zur Wirkung der DST (Umsatzrendite 30 %)
b) Signifikante digitale Präsenz Als langfristige Lösung wird die Einführung einer sog. signifikanten digitalen Präsenz vorgeschlagen, die darauf abzielt, Gewinne, die in einem Mitgliedstaat erwirtschaftet werden, auch ohne eine physische Präsenz eines Unternehmens – zum Beispiel durch eine Tochtergesellschaft – dort zu besteuern. Im Ergebnis soll hiermit eine Ergänzung zum Begriff der Betriebsstätte nach nationalem Recht und DBA-Recht vorgenommen werden. Die Online-Wertschöpfung der Unternehmen soll an dem Ort des Nutzers zum Zeitpunkt des Verbrauchs stattfinden. Dabei soll ebenso wie bei der Digitalsteuer maßgeblich sein, in welchem Mitgliedsstaat der Nutzer ein Gerät benutzt (IP-Adresse). Von einer "digitalen Präsenz" wird ausgegangen, wenn digitale Dienstleistungen über eine digitale Schnittstelle erbracht werden. Definition „digitale Dienstleistungen“ Digitale Dienstleistungen sind elektronisch erbrachte Dienstleistungen, die über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz erbracht werden, deren Erbringung aufgrund ihrer Art im Wesentlichen automatisiert und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erfolgt und ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre (siehe Art. 7 MwStDVO). Der Ort soll durch die IP-Adresse dieses Geräts oder dessen genauere Geolokalisierung bestimmt werden. Folgende digitale Dienstleistungen sind exemplarisch umfasst: Überlassung digitaler Produkte allgemein, z. B. Software, Upgrades etc. Dienste, die in elektronischen Netzen eine Präsenz zu geschäftlichen oder persönlichen Zwecken, z. B. eine Website oder eine Webpage, vermitteln Von einem Computer automatisch generierte Dienstleistungen über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz auf der Grundlage spezifischer Dateninputs des Dienstleistungsempfängers Einräumung des Rechts, gegen Entgelt eine Leistung auf einer Website, die als Online-Marktplatz fungiert, zum Kauf anzubieten Webhosting, Bereitstellung von Werbeplätzen etc. Mindestgrenzen (Schwellenwerte) www.bdi.eu
Seite 7 von 13
Herausforderungen bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
Mit diesen Dienstleistungen müssen bestimmte Schwellenwerte überschritten werden, d.h. es müssen eine oder mehrere dieser Bedingungen erfüllt sein:
Jährliche Erträge von mehr als 7 Mio. EUR in einem Mitgliedstaat.
Mehr als 100.000 Nutzer in einem Steuerjahr in einem Mitgliedstaat.
Abschluss von mehr als 3.000 Geschäftsverträgen über digitale Dienstleistungen zwischen dem Unternehmen und gewerblichen Nutzern in einem Steuerjahr.
Gewinnzuordnung Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, sollen dieser „digitalen Präsens“ entsprechende Gewinne zugeordnet werden. Die Gewinnaufteilung soll nach den bisherigen Grundsätzen des AOA vorgenommen, aber modifiziert werden: Statt der Personalfunktionen sollen hierbei künftig „Nutzerfunktionen“ maßgeblich sein. Zu den „Nutzerfunktionen“ zählen u.a. folgende Tätigkeiten:
Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von Daten auf Nutzerebene Verkauf von Online-Werbeflächen Bereitstellen von digitalen Dienstleistungen oder von Inhalten Dritter über einen digitalen Marktplatz etc.
Daneben soll die transaktionsbezogene Gewinnaufteilungsmethode (Transactional Profit Split Method) zur Anwendung kommen, sofern der Steuerpflichtige nicht nachweist, dass eine andere Methode geeigneter ist. BDI-Bewertung Langfristige Systemänderungen, wie die Einführung einer digitalen Präsenz, können – wenn überhaupt – nur durch eine weltweite Harmonisierung steuerlicher Rahmenbedingungen erreicht werden. Aus guten Gründen wird bisher dem Ansässigkeitsstaat eines Unternehmens, in dem das Unternehmen mit erheblichem Ressourceneinsatz tätig ist, ein Besteuerungsrecht zugewiesen. Wenn die Besteuerung zukünftig nicht an die Produktion, sondern an den Absatz von Gütern anknüpft, entstehen grundlegende Besteuerungskonflikte zwischen den Staaten. Eine Neuverteilung von Besteuerungsrechten kann daher – entsprechend der Empfehlung der OECD – nur in einem internationalen Konsens erfolgen. Hohe Risiken für das deutsche Steuersubstrat Die Einführung einer digitalen Präsenz bzw. virtuellen Betriebsstätte birgt für die exportstarke deutsche Wirtschaft und den deutschen Fiskus erhebliche Risiken. Eine Besteuerung durch eine virtuelle Betriebsstätte am Absatzmarkt entspricht nicht dem traditionellen Betriebsstättenkonzept mit der Besteuerung des Unternehmensgewinns im Ansässigkeitsstaat. Eine Besteuerung von Unternehmensgewinnen am Ort des Kunden und nicht mehr am Ort der Wertschöpfung würde zu hohen Verlusten von Steuereinnahmen in Deutschland führen. www.bdi.eu
Seite 8 von 13
Herausforderungen bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
Rechtsunsicherheit und hoher Compliance-Aufwand für die Industrie Hinzu kommt hohe Rechtsunsicherheit für die Unternehmen sowie umfangreicher neuer Prüfungs- und Dokumentationsaufwand, um die steuerlichen Compliance-Vorgaben für eine solche „virtuelle Betriebsstätte“ effektiv umsetzen zu können. Ein mögliches Konzept für eine „virtuelle Betriebsstätte“ bedarf einer vertieften Diskussion über die Anforderungen einer Betriebsstätte, die auch die OECD in ihrem Zwischenbericht zu BEPS-Aktionspunkt 1 empfohlen hat. Wird eine „wirtschaftliche Präsenz“ als Anknüpfungspunkt zur Begründung eines Besteuerungsrechts herangezogen, bedarf es hierfür konkreter Kriterien. Mögliche Indizien sind das erwirtschaftete Umsatzvolumen, die Existenz einer lokalen digitalen Plattform, die Anzahl lokaler Nutzer einer digitalen Leistung, die Anzahl von Vertragsabschlüssen über eine digitale Plattform oder das Volumen an Daten, die von den Nutzern erhoben werden. Neue Maßstäbe für Gewinnaufteilung Auch hinsichtlich der Gewinnzuordnung enthält der Richtlinienvorschlag lediglich allgemeine Vorgaben und den Hinweis auf den Authorized OECD Approach (AOA), der hinsichtlich der Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen bzw. zwischen Stammhaus und Betriebsstätten im Außensteuergesetz geregelt ist. Die genaue Zuordnung von Erträgen aus digitaler Wertschöpfung und von Aufwendungen für immaterielle Wirtschaftsgüter ist jedoch ungelöst und bedarf einer vertieften Diskussion. 3. Digitale Geschäftsmodelle in der deutschen Industrie Eine Abgrenzung der „digitalen Wirtschaft“ von den digitalen Geschäftsmodellen der Industrie ist nicht möglich, denn die Industrie 4.0 ist digital und in allen Branchen verändern sich die konventionellen Geschäftsmodelle zu digitalen Geschäftsmodellen. In welchem Umfang digitale Geschäftsmodelle der Industrie konkret von den EU-Vorschlägen zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft konkret betroffen sind, lässt sich zurzeit nicht endgültig ermitteln. Hierfür ist eine detaillierte Ermittlung und Analyse der digitalen Geschäftsmodelle der Industrie notwendig. a) Typische digitale Geschäftsmodelle Die OECD hat folgende typische Geschäftsmodelle der „digitalen Wirtschaft“ identifiziert2: aa) Vermittlung zwischen Netzwerkteilnehmern und Nutzern (Multi-sided platforms)
2
OECD Abschlussbericht zu BEPS-Aktionspunkt 1, 52, 54 sowie OECD Zwischenbericht, 24, 51 ff. www.bdi.eu
Seite 9 von 13
Herausforderungen bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
Im Zentrum dieser Kategorie stehen digitale Plattformen, bei der die Wertschöpfung zwischen dem Plattformbetreiber und den Kunden bzw. Netzwerkteilnehmern entsteht. Beispiel: Airbnb, Facebook, Amazon Marketplace bb) Wiederverkäufer und Vertriebspartner (Reseller) Unternehmen dieser Kategorie erwerben Produkte einschließlich der entsprechenden Vertriebs- und Verwertungsrechte und vertreiben diese weiter. Beispiel: Spotify, Amazon e-commerce cc) Vertikal integrierte Unternehmen (Vertical integrated firms) Im Unterschied zu Unternehmen der voranstehenden Kategorie agieren diese Unternehmen nicht nur als Intermediäre, sondern treten auch als Anbieter auf, in dem sie auch eigene Produkte verkaufen. Beispiel: Netflix dd) Individuelle Kundenlösungen (Input suppliers) Diese Unternehmen liefern kundenspezifische Lösungen auf spezielle Anfrage. Durch die Bereitstellung weitgehend individualisierter Software, vernetzter Anwendungen oder digitaler Infrastruktur entstehen insbesondere in der Industrie neue digitalisierte Wertschöpfungsketten. Beispiel: Cloud Computing, Intel, Gmail Die genannten Fallgruppen für typische digitale Geschäftsmodelle bieten Anhaltspunkte für eine Klassifizierung von wirtschaftlichen Tätigkeiten. Im Ergebnis setzen alle Sektoren der Wirtschaft zunehmend Informationstechnologie ein und nutzen digitale Vermittlungsplattformen und Vertriebswege, um neue Märkte zu erschließen. Dies gilt auch für die deutsche Industrie, deren Geschäftsmodelle einem dynamischen Wandel unterliegen und sich zunehmend digitalisieren. b) Beispiele für digitale Geschäftsmodelle der Industrie Beispiel Elektroindustrie: Mit dem Community-Based Parking-System werden Daten von Fahrzeugen an eine Cloud gemeldet und zu digitalen Parkplatzkarten weiterverarbeitet. So erhalten die Empfängerfahrzeuge Angaben, wo freie Parkplätze verfügbar sind.
www.bdi.eu
Seite 10 von 13
Herausforderungen bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
Beispiel Automobilindustrie: Ein Automobilproduzent erhebt laufend Daten über die Nutzung seiner verkauften Fahrzeuge und kann auch per Datenanalysen feststellen, welcher Ersatzteilbedarf in einem Land bestehen wird. Die Daten werden ihm von der lokalen Vertriebsgesellschaft zur Verfügung gestellt und Vertragsabschlüsse über Lieferungen von Ersatzteilen erfolgen automatisch und direkt an lokale Vertragshändler.
www.bdi.eu
Seite 11 von 13
Herausforderungen bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
4. Offene Fragen und langfristige Lösungen Aus Sicht des BDI ist es nicht zielführend, mit einseitigen Richtlinienvorschlägen der EU den Arbeiten der OECD vorzugreifen. Langfristigen Entwicklungen wie der Digitalisierung von Geschäftsmodellen und den damit verbundenen steuerlichen Folgen kann – wenn überhaupt - nur durch eine weltweite Harmonisierung steuerlicher Rahmenbedingungen entsprochen werden. Der Abschlussbericht der OECD in 2020 sollte abgewartet und der Diskurs über eine langfristige Lösung zur steuerlichen Erfassung digitaler Wertschöpfung fortgesetzt werden. Neben der Einführung eines Mindestbesteuerungsniveaus für Kapitalgesellschaften in allen EU-Staaten nach dem Vorschlag des deutsch-französischen Konvergenzprojektes werden alternative ertragsteuerliche Lösungsansätze wie die Erhebung einer besonderen Quellensteuer für digitale Leistungen diskutiert. Hierbei stellen sich jedoch zahlreiche offene Fragen, wie zum Beispiel eine Abgrenzung der von einer solchen Quellensteuer umfassten Geschäftsmodelle und Fragen der Erhebung, insbesondere im B2C-Bereich. Klarstellungsbedarf besteht auch im Bereich Verrechnungspreise, insbesondere die Frage, nach welchen Regeln der Wertbeitrag von Datentransfer bestimmt werden soll und wie hierbei eine Fremdvergleichsprüfung digitaler Geschäftsmodelle ablaufen kann, insbesondere wenn geeignete Fremdvergleichsdaten nicht vorhanden sind.
www.bdi.eu
Seite 12 von 13
Herausforderungen bei der Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle
Über den BDI Der BDI transportiert die Interessen der deutschen Industrie an die politisch Verantwortlichen. Damit unterstützt er die Unternehmen im globalen Wettbewerb. Er verfügt über ein weit verzweigtes Netzwerk in Deutschland und Europa, auf allen wichtigen Märkten und in internationalen Organisationen. Der BDI sorgt für die politische Flankierung internationaler Markterschließung. Und er bietet Informationen und wirtschaftspolitische Beratung für alle industrierelevanten Themen. Der BDI ist die Spitzenorganisation der deutschen Industrie und der industrienahen Dienstleister. Er spricht für 36 Branchenverbände und mehr als 100.000 Unternehmen mit rund 8 Mio. Beschäftigten. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. 15 Landesvertretungen vertreten die Interessen der Wirtschaft auf regionaler Ebene.
Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Ansprechpartner Dr. Monika Wünnemann Abteilungsleiterin Steuern und Finanzpolitik T: +49 30 2028 1507 m.wuennemann@bdi.eu Cedric von der Hellen Stv. Abteilungsleiter Steuern und Finanzpolitik T: +49 30 2028 1602 c.hellen@bdi.eu BDI-Dokumentennummer: D 0960
www.bdi.eu
Seite 13 von 13