Die OECD-Vorschläge zur Besteuerung der „Digitalisierten Wirtschaft“

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Position

Die OECD-Vorschläge zur Besteuerung der „Digitalisierten Wirtschaft“

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.

Stand: Mai 2019


OECD zur Besteuerung der „Digitalisierten Wirtschaft“

Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung ................................................................................................... 3 Einleitung .................................................................................................................. 4 1.

Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft ohne Mehrbelastungen für die Industrie regeln ...................................................................................... 5

2.

Die 1. Säule der OECD-Vorschläge: Globale Neuverteilung von Besteuerungsrechten an Unternehmensgewinnen ........................................... 6

3.

Die 2. Säule der OECD-Vorschläge: Globale effektive Mindestbesteuerung von Unternehmensgewinnen ............................................................................ 8

4.

Digitalsteuer: Der (vorerst) gescheiterte europäische Alleingang .................. 11

Über den BDI .......................................................................................................... 13 Impressum .............................................................................................................. 13


OECD zur Besteuerung der „Digitalisierten Wirtschaft“

Zusammenfassung Die steuerlichen Herausforderungen der „Digitalisierung der Wirtschaft“ können nur durch einen umfassenden, weltweit koordinierten Konsens zwischen den Staaten gelöst werden. Eine Neuverteilung der Besteuerungsrechte aus Unternehmensgewinnen und die Sicherung einer globalen effektiven Mindestbesteuerung von Unternehmensgewinnen dürfen nicht zu Doppelbesteuerungen und administrativen Mehrbelastungen der Unternehmen führen.

Die OECD-Vorschläge auf einen Blick:

Die BDI-Position auf einen Blick: ▪

Globaler Konsens über die Besteuerung der Digitalisierung der Wirtschaft notwendig.

▪ Weitreichende Folgen für alle deutschen Unternehmen beachten. ▪ Grundlegende Besteuerungsprinzipien des internationalen Steuerrechts beibehalten und nur modifizieren.

▪ Doppelbesteuerungsrisiken und administrative Mehrbelastungen der Unternehmen vermeiden.

▪ Internationale Besteuerungskonflikte lösen: Verfahren zur Streitvermeidung und zur Streitbeilegung verbessern.


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Einleitung Werden Unternehmensgewinne aus digitalen Leistungen ausreichend besteuert und sind diese Steuern zwischen den Staaten angemessen verteilt? Selten hat es einen globalen Austausch von mehr als 120 Staaten über eine Neugestaltung des internationalen Steuerrechts gegeben, wie er zurzeit bei der OECD geführt wird. Der europäische Vorschlag für eine Digitalsteuer ist zunächst politisch „vom Tisch“. Nun wird die Diskussion auf OECD-Ebene fortgesetzt. Betroffen sind nicht nur die bekannten Internetunternehmen, sondern alle Unternehmen, deren Geschäftsmodelle sich zunehmend digitalisieren (Stichwort „Industrie 4.0“). Es ist daher dringend notwendig, diese Diskussion ernst zu nehmen und in Deutschland intensiv zu begleiten. Dabei muss vor allem das Risiko im Auge behalten werden, dass die OECD-Initiative zu Mehrfachbesteuerungen der Unternehmen in verschiedenen Staaten führen kann. Der BDI setzt sich mit Nachdruck dafür ein, dass ein weltweit koordinierter Konsens über die Besteuerung von Unternehmensgewinnen erreicht wird und für die Unternehmen keine Mehrbelastungen oder Rechtsunsicherheit entstehen.

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1. Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft ohne Mehrbelastungen für die Industrie regeln Die OECD ist seitens der G20-Staaten beauftragt worden, bis zum Jahr 2020 eine konsensfähige globale Lösung für die „steuerlichen Herausforderungen“ der Digitalisierung der Wirtschaft im Rahmen einers Abschlussberichts zu erarbeiten. Im Februar 2019 hat die OECD zwei parallele Vorschläge („Säulen“) vorgestellt: ▪ ▪

Globale Neuverteilung von Besteuerungsrechten an Unternehmensgewinnen („Säule 1“); Globale effektive Mindestbesteuerung von Unternehmensgewinnen („Säule 2“).

Beide Maßnahmen sollen kumulativ wirken. Im März 2019 fand eine öffentliche Konsultation zu diesen Vorschlägen statt. Weitreichende Folgen für alle Unternehmen Die von der OECD zu erarbeitenden Grundsätze werden weitreichende Folgen für alle deutschen Unternehmen haben, weil – vereinfacht dargestellt – die Besteuerungsrechte zwischen den Ansässigkeitsstaaten der Unternehmen und den Marktstaaten, in denen sich die Nutzer der digitalen Leistungen befinden, „umverteilt“ werden sollen. Eine Begrenzung der OECD-Vorschläge auf die „Digitalwirtschaft“ ist nicht möglich, da die Wirtschaft sich insgesamt digitalisiert. Fiskalische Alleingänge der EU oder gar einzelner EU-Mitgliedstaaten, wie dies Frankreich, Italien, Österreich und Spanien planen und teilweise bereits umgesetzt haben, dürften die Belastungsunterschiede und die internationale Steuerarbitrage weiter verschärfen. Ein globaler Konsens muss geschaffen werden Die „steuerlichen Herausforderungen“ der Digitalisierung der Wirtschaft können nur durch einen umfassenden, weltweit koordinierten Konsens zwischen den Staaten gelöst werden und nicht durch eine Vielzahl abweichender nationaler Einzellösungen. Dabei sollten die grundlegenden Prinzipien des internationalen Steuerrechts (Betriebsstättenprinzip, Besteuerung am Ort der Wertschöpfung, Fremdvergleichsgrundsatz etc.) beibehalten und mit Blick auf die Digitalisierung von Geschäftsmodellen lediglich modifiziert werden. Es muss sichergestellt werden, dass diese Modifikationen in allen Staaten gleichzeitig und gleichmäßig erfolgen. Die einzuführenden Regelungen müssen klar formuliert und rechtlich bindend für die teilnehmenden Staaten sein. Dafür wäre die Umsetzung im Rahmen eines übergeordneten internationalen Vertrags zwischen den Staaten wünschenswert.

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Es darf zu keiner Strafbesteuerung kommen Eine Neuverteilung der Besteuerungsrechte und die Sicherung einer globalen effektiven Mindestbesteuerung von Unternehmensgewinnen dürfen nicht zu Doppelbesteuerungen und administrativen Mehrbelastungen der Unternehmen führen. Um die wirtschaftliche Realität widerzuspiegeln, müssen bei den vorgeschlagenen Ansätzen nicht nur die Unternehmensgewinne, sondern auch mögliche Verluste wirtschaftlich berücksichtigt werden. Internationale Besteuerungskonflikte müssen gelöst werden Entscheidend ist, dass die Möglichkeiten, internationale Besteuerungskonflikte zu lösen, verbessert werden. Bereits die bisher umgesetzten BEPSMaßnahmen haben dazu geführt, dass internationale Besteuerungskonflikte zunehmen. Sollten die aktuellen OECD-Vorschläge umgesetzt werden, werden die zwischenstaatlichen Besteuerungskonflikte ohne effektive Verfahren – die eine Einigung sicherstellen – kaum mehr beherrschbar sein. Das gilt nicht nur für Verfahren zu einer frühzeitigen Streitvermeidung (Beispiel: Joint Tax Audits), sondern auch für Verfahren zu einer Streitbeilegung von Konflikten (Beispiel: internationale Verständigungsverfahren). Die aktuelle Diskussion sollte daher dringend zum Anlass genommen werden, zwischenstaatliche Streitvermeidungs- und Streitbeilegungsmechanismen zu verbessern. 2. Die 1. Säule der OECD-Vorschläge: Globale Neuverteilung von Besteuerungsrechten an Unternehmensgewinnen Die OECD schlägt als ersten Lösungsansatz eine globale Neuverteilung von Besteuerungsrechten vor. So sollen die Besteuerungsrechte und mithin das Steueraufkommen der „Marktstaaten“, in denen sich die Nutzer von digitalen Leistungen befinden, gestärkt werden, was zwangsläufig zu einer Schwächung der Position der Ansässigkeitsstaaten führt. Wie soll die Wertschöpfung aus digitalen Leistungen zukünftig ermittelt werden? Im Bereich der Nexus- bzw. Gewinnzuweisungsregeln werden drei alternative Modelle diskutiert: ▪

Gewinnzuweisung anhand der „Nutzerbeteiligung“ („User Contribution“);

Gewinnzuweisung anhand der Vermarktung von immateriellen Marketingwerten („Marketing Intangibles“);

Signifikante wirtschaftliche Präsenz („Significant Economic Presence“).

Alle drei Ansätze sollen eine Besteuerung in einem Marktstaat auch dann ermöglichen, wenn keine Präsenz im Sinne einer Betriebstätte nach den bisherigen Grundsätzen des OECD-Musterabkommens zur Vermeidung der www.bdi.eu

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Doppelbesteuerung vorliegt. Die vorgeschlagenen Ansätze sind sehr komplex und sorgen für Unklarheit. Ohne signifikante Vereinfachungen ist derzeit keine konkrete Beurteilung möglich. Die ersten zwei Ansätze werden zurzeit parallel verfolgt. Der dritte Ansatz hat sich nicht etabliert. Der „User Contribution“-Ansatz: Die aktive Beteiligung der Nutzer ist entscheidend für die Wertschöpfung Der von Großbritannien vorgeschlagene Ansatz würde die derzeitigen Nexus- bzw- Gewinnzuweisungsregeln insoweit modifizieren, als die physische Präsenz eines Unternehmens, als Voraussetzung für eine Betriebsstätte in einem Staat, allein nicht mehr ausschlaggebend für die Steuerpflicht wäre. Gewinne sollen künftig vielmehr dort besteuert werden, wo sich die Nutzer von digitalen Leistungen eines Unternehmens befinden. Entsprechend müssten die bisherigen Verrechnungspreisregeln überarbeitet werden: Im Sinne einer formelhaften Gewinnzerlegung müssten die „nicht-routinemäßigen“ Gewinne anhand der aktiven Nutzer zwischen den Staaten aufgeteilt werden. Der Fremdvergleichsgrundsatz wäre insofern suspendiert. Für die Routinetätigkeiten eines Unternehmens sollen die geltenden Verrechnungspreisregeln weiterhin Bestand haben. Der „Marketing Intangibles“-Ansatz: Die Vermarktung von immateriellen Wirtschaftsgütern ist entscheidend für die Wertschöpfung Der „Marketing Intangibles“-Ansatz wird von den Vereinigten Staaten vorgeschlagen. Um die Gewinne eines Unternehmens in einem (Markt-)Staat besteuern zu können, soll es nach diesem Ansatz ausreichend sein, dass die Gewinne unter Verwendung von immateriellen Marketingwerten (Beispiel: Lizenzen, Patente o.ä.) erzielt werden. Folglich müssten die „nicht-routinemäßigen“ Gewinne aus immateriellen Marketingwerten – unabhängig von der rechtlichen Zuordnung dieser Werte und den bestehenden Verrechnungspreisregeln – formelhaft auf die Marktstaaten aufgeteilt werden. Auch nach diesem Ansatz sollen die geltenden Aufteilungsgrundsätze für die Routinetätigkeiten eines Unternehmens bestehen bleiben. BDI-Bewertung zur Neuverteilung von Besteuerungsrechten Es ist zu beachten, dass bei digitalen Geschäftsmodellen eine Besteuerung im „Marktstaat“ bzw. im Staat des Konsumenten oftmals bereits durch indirekte Steuern erfolgt (so zum Beispiel Umsatzsteuerversteuerung von elektronischen Dienstleistungen im Ansässigkeitsstaat des Kunden). Sofern eine globale Neuverteilung von Besteuerungsrechten politisch erwünscht ist, muss sichergestellt sein, dass hierüber ein internationaler Konsens besteht und Doppelbesteuerungen der Unternehmen durch effiziente Verfahren ex ante vermieden bzw. ex post mit entsprechendem Einigungszwang gelöst werden. Hierbei ist an dem derzeit geltenden Grundsatz („Nexus-Approach“) festzuhalten und nur im Falle hierüber nicht zu lösender Allokationsfragen mit www.bdi.eu

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einer eindeutigen, international abgestimmten Definition eines neuen Steueranknüpfungspunktes („digitale Geschäftsmodelle“) das Besteuerungsrecht zuzuweisen. Für die Neuverteilung der Besteuerungsrechte der Höhe nach muss es konkrete Maßstäbe geben, bei denen bisherige internationale Besteuerungsgrundsätze, wie der Fremdvergleichsgrundsatz, beibehalten werden und diese nur punktuell für digitale Geschäftsmodelle durch einen klaren und abgestimmten Gewinnverteilungsschlüssel modifiziert werden. Der Gewinnverteilungsschlüssel muss hierbei die wesentlichen Werttreiber von digitalen Geschäftsmodellen abbilden können (so zum Beispiel R&D Aktivitäten i.S. Datenalgorithmen, Sach- & IP-Investitionen, datenschutzrechtliche Verpflichtungen). Hierbei muss jedoch sichergestellt sein, dass dessen Umsetzung in allen Staaten einheitlich erfolgt (zum Beispiel durch ein SuperMLI). Zudem ist es notwendig, dass hierbei künftigen wirtschaftlichen Entwicklungen Rechnung getragen wird und entsprechende Anpassungen der Formel möglich sind. BDI zur Neuverteilung von Besteuerungsrechten: ▪ ▪

Neue weltweit abgestimmte Maßnahmen für eine angemessene Aufteilung von Besteuerungsrechten müssen klar formuliert und von allen Staaten einheitlich umgesetzt werden. Die etablierten internationalen Besteuerungsgrundsätze, wie der Fremdvergleichsgrundsatz, sollten beibehalten werden und lediglich punktuell durch einen klaren und abgestimmten Gewinnverteilungsschlüssel modifiziert werden. Doppelbesteuerungsrisiken der Unternehmen müssen durch effiziente Verfahren vermieden bzw. gelöst werden.

3. Die 2. Säule der OECD-Vorschläge: Globale effektive Mindestbesteuerung von Unternehmensgewinnen Der zweite OECD-Vorschlag zielt darauf ab, eine globale effektive Mindestbesteuerung von Unternehmensgewinnen sicherzustellen. Hintergrund ist die Annahme, dass die Besonderheiten der digitalisierten Wirtschaft eine Verlagerung von Gewinnen in Niedrigsteuerländer ermöglichen und daher eine Begrenzung des Steuerwettbewerbs auf ein bestimmtes Mindestniveau rechtfertigen. Gleichzeitig soll die volle Souveränität von Staaten, Steuersätze festlegen zu können, erhalten bleiben. In diesem Zusammenhang werden auf OECD-Ebene aktuell zwei miteinander verbundene und parallel umzusetztende Maßnahmen diskutiert: ▪

eine Ausweitung der nationalen Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung sowie

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eine Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs, wenn ein effektives Mindestbesteuerungsniveau unterschritten wird.

Die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die einzelnen Staaten und die Steuerbelastung der Unternehmen werden signifikant davon abhängen, wie das effektive Steuerniveau vor der Einführung der neuen Regeln war und welches globale effektive Mindestbesteuerungsniveau angestrebt wird. Erweiterung der nationalen Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung Als erster Bestandteil ist vorgesehen, niedrigbesteuerte Gewinne von Auslandstöchtern eines Unternehmens dem Gewinn der Muttergesellschaft hinzuzurechnen und hierzu die nationale Hinzurechnungsbesteuerung nach dem US-Vorbild der „GILTI“ (Global Intangible Low-Taxed Income) auszuweiten. Ob hierbei die hinzuzurechnenden Einkünfte auf das Steuerniveau des Sitzstaates der Muttergesellschaft hochgezogen oder auf einem niedrigeren Steuerniveau besteuert werden, ist noch offen. Auf die Art der Einkünfte soll es ebenso wenig ankommen wie auf die Aktivität und die Substanz. Dies soll durch eine Anpassung der jeweiligen nationalen Steuergesetze erfolgen, bedarf aber auch einer internationalen Harmonisierung. Innerhalb der europäischen Union wäre dies durch eine primärrechtskonforme EU-Richtlinie denkbar und im Verhältnis zu Drittstaaten durch eine bilaterale Einigung im Rahmen eines Doppelbesteuerungsabkommens. Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs Als zweites soll der Betriebsausgabenabzug für Zahlungen ins Ausland beschränkt werden. Nach dem Vorbild der im Rahmen der US-Steuerreform eingeführten „BEAT“ (Base Erosion and Anti-Abuse Tax) soll diese Maßnahme gewinnmindernde Zahlungen an ausländische (verbundene) Unternehmen erfassen, die zum Ziel haben, die inländische Steuerschuld zu verringern. Der Steuer soll der Gewinn des Unternehmens vor dem Abzug der besagten schädlichen Zahlung unterliegen. Dies geht weit über den bei Lizenzen zu berücksichtigen Nexus-Approach hinaus und hat, da nicht gewinn- sondern ausgabenorientiert, erhebliche negative Auswirkungen mit überschießender Tendenz. Im Gegenzug dürften die entsprechenden Einkünfte nicht der Besteuerung unterliegen. Darüber hinaus entspricht ein Ansatz, pauschal alle konzernverbundenen Aufwendungen nicht zum Abzug zuzulassen, nicht den Entwicklungen einer globalisierten Welt. Die Unternehmen wären ohne Konzernverbund nicht so erfolgreich wie im Konzern; ggf. wären grenzüberschreitende Zahlungen an fremde Dritte erforderlich.

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BDI-Bewertung zur effektiven Mindestbesteuerung Das Ziel, schädliche Folgen des internationalen Steuerwettbewerbs durch ein globales Mindestbesteuerungsniveau zu verhindern, erfordert einen globalen Konsens der Staatengemeinschaft. Aus Sicht der Wirtschaft sollte dieser Schritt zu mehr globaler Steuerharmonisierung nur unter den folgenden Voraussetzungen erfolgen, damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen nicht behindert wird: Aufkommensverluste einzelner Staaten infolge der Neuverteilung von Besteuerungsrechten (Säule 1) dürfen nicht durch Erweiterung existierender Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung im Rahmen der Mindestbesteuerung (Säule 2) ausgeglichen werden. Eine weitere Verschärfung der ohnehin reformbedürftigen deutschen Regelungen würde zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen deutscher Unternehmen im Vergleich zu anderen Industriestaaten führen. Das zu schaffende globale Mindestbesteuerungsniveau muss moderat sein, damit lediglich extrem niedrige Besteuerungsniveaus in einzelnen Staaten erfasst und angehoben werden. Darüber hinaus muss es souveränen Staaten auch künftig möglich sein, ihre Steuersätze selbst zu bestimmen, ohne durch Abwehrmaßnahmen anderer Staaten sanktioniert zu werden. Die Schaffung eines Mindestbesteuerungssockels muss mit der Absenkung der Unternehmenssteuerbelastung in Deutschland zu einem sinnvollen Gesamtpaket geschnürt werden. Hierdurch könnte für einen Ausgleich zwischen fiskalischen und unternehmerischen Interessen gesorgt werden, so dass das Besteuerungsgefälle und damit verbundene Gestaltungsanreize (Steuerarbitrage) spürbar gesenkt werden. Die im Rahmen der globalen effektiven Mindestbesteuerung geplanten Maßnahmen – Ausweitung der Hinzurechnungsbesteuerung und Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs – dürfen nicht gleichzeitig angewendet werden und damit zu einer inakzeptablen Mehrfachbelastung führen. Die Kombination einer erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung mit einem steuerlichen Betriebsausgabenabzugsverbot kann zu einer deutlichen Höherbesteuerung führen, weshalb entsprechende Kollisionsregeln unverzichtbar sind. Das Gleiche gilt auch im Verhältnis zu bereits verabschiedeten „BEPS“Maßnahmen (Beispiele: Lizenz- und Zinsschranke, hybride Gestaltungen) oder auch zu nationalen Präferenzregimen (Beispiele: Patentbox, steuerliche Forschungsförderung), die mit den vorgeschlagenen Maßnahmen abgestimmt werden müssen. Im Übrigen müssten diese in den letzten Jahrzehnten zu einem kaum noch durchdringbaren Gestrüpp angewachsenen Missbrauchsregelungen stark beschnitten werden. Daher soll eine der wesentlichen Voraussetzung für die Einführung der globalen effektiven Mindestbesteuerung auch eine proaktive Vermeidung von www.bdi.eu

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Doppelbesteuerungsrisiken sein. Verfahrensdauern sind hierbei möglichst gering zu halten. Zudem müssen neben ertragsteuerlichen Doppelbesteuerungsrisiken auch anderweitige Mehrfachbelastungen durch indirekte Steuern und Strafzinsen in die entsprechenden Mechanismen zur Streitvermeidung einfließen. Schließlich ist es zwingend notwendig, dass der sog. Substanztest erhalten bleibt, wonach Unternehmen im Falle des Nachweises einer wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit keiner Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen werden (Stichwort: „Substance over Form“). Zudem sollten neue Maßnahmen zur Sicherung einer effektiven Mindestbesteuerung nur für verbundene Unternehmen gelten (Konzerne). BDI zu globaler effektiver Mindestbesteuerung: ▪

Das Ziel, schädliche Folgen des internationalen Steuerwettbewerbs durch ein globales Mindestbesteuerungsniveau zu verhindern, erfordert einen globalen Konsens der Staatengemeinschaft.

Voraussetzung ist, dass die konkrete Ausgestaltung einer globalen Mindestbesteuerung die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen im internationalen Vergleich nicht verschlechtert.

Das globale Mindestbesteuerungsniveau muss moderat sein und darf nicht zu einer Verschärfung bisheriger Regelungen führen.

Das Ziel eines Mindestbesteuerungsniveaus muss mit der Absenkung der Unternehmenssteuerbelastung in Deutschland zu einem sinnvollen Gesamtpaket geschnürt werden, das fiskalische und wirtschaftliche Interessen miteinander in Ausgleich bringt.

4. Digitalsteuer: Der (vorerst) gescheiterte europäische Alleingang Als kurzfristige Lösung hatte die europäische Kommission im März 2018 eine sog. Digitalsteuer vorgeschlagen, für die jedoch keine Einigung der EUMitgliedstaaten erzielt werden konnte. Im März 2019 wurde auch ein Kompromiss für eine Digitalsteuer abgelehnt, deren Anwendungsbereich auf Online-Werbung begrenzt war. Allerdings kann dieser Vorschlag wieder auf die Tagesordnung kommen, sollte auf globaler Ebene bis 2020 keine gemeinsame Position gefunden werden. Als Reaktion planen einige EU-Mitgliedstaaten nationale Alleingänge. Frankreich hat bereits angekündigt, rückwirkend zum Beginn des Jahres 2019 eine nationale Digitalsteuer einzuführen. Auch Italien, Spanien und Österreich möchten zeitnah eine vergleichbare Steuer einführen. In Deutschland

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ist dies zunächst nicht zu erwarten, da eine einheitliche Lösung auf OECDEbene angestrebt wird. Eine Digitalsteuer begründet hohe Kollateralschäden für die deutsche Industrie Eine einseitige europäische Digitalsteuer auf Bruttoumsätze ist nicht als globale Lösung zur Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle geeignet, ruft zahlreiche ungeklärte Fragen hervor und begründet das Risiko umfangreicher Kollateralschäden zu Lasten aller Unternehmen, insbesondere Doppelbesteuerungen. Dies gilt auch bei einer Begrenzung des Anwendungsbereichs auf die Fälle reiner Online-Werbung („Digital Advertising Tax“). In welchem Umfang die digitalen Geschäftsmodelle der Unternehmen langfristig von einer solchen Sondersteuer konkret betroffen wären, lässt sich aufgrund der dynamischen Entwicklung der Geschäftsmodelle zurzeit nicht exakt quantifizieren, so dass das Risiko von Kollateralschäden bleibt. Im März 2019 wurde die Diskussion zu der Digitalwerbesteuer zunächst auf Eis gelegt. Die EU-Staaten wollen die Entwicklungen auf der OECD-Ebene abwarten. Die Einführung einer „digitalen Präsenz“ soll den Betriebsstättenbegriff erweitern Langfristig möchte die Europäische Union das „Problem“ der digitalen Wirtschaft mit der Einführung der sogenannten „signifikanten digitalen Präsenz“ lösen. Dazu wurde im März 2018 ein zweiter EU-Richtlinienvorschlag veröffentlicht. Der nationale und abkommensrechtliche Betriebsstättenbegriff soll dahingehend ergänzt werden, dass die physische Präsenz eines Unternehmens nicht mehr ausschlaggebend ist für die Begründung der Besteuerungsrechte in einem Staat. Besteuert werden soll die Online-Wertschöpfung des Unternehmens, welche an dem Ort des Nutzers zum Zeitpunkt des Verbrauchs stattfindet. Langfristige Systemänderungen, wie die Einführung einer digitalen Präsenz, können – wenn überhaupt – nur durch eine weltweite Harmonisierung steuerlicher Rahmenbedingungen erreicht werden. Aus guten Gründen wird bisher dem Ansässigkeitsstaat eines Unternehmens, in dem das Unternehmen mit erheblichem Ressourceneinsatz tätig ist, ein Besteuerungsrecht zugewiesen. Wenn die Besteuerung zukünftig nicht an die Produktion, sondern an den Absatz von Gütern anknüpft, entstehen grundlegende Besteuerungskonflikte zwischen den Staaten. Eine Neuverteilung von Besteuerungsrechten kann daher – entsprechend der Empfehlung der OECD – nur in einem internationalen Konsens erfolgen.

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Über den BDI Der BDI transportiert die Interessen der deutschen Industrie an die politisch Verantwortlichen. Damit unterstützt er die Unternehmen im globalen Wettbewerb. Er verfügt über ein weit verzweigtes Netzwerk in Deutschland und Europa, auf allen wichtigen Märkten und in internationalen Organisationen. Der BDI sorgt für die politische Flankierung internationaler Markterschließung. Und er bietet Informationen und wirtschaftspolitische Beratung für alle industrierelevanten Themen. Der BDI ist die Spitzenorganisation der deutschen Industrie und der industrienahen Dienstleister. Er spricht für 36 Branchenverbände und mehr als 100.000 Unternehmen mit rund 8 Mio. Beschäftigten. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. 15 Landesvertretungen vertreten die Interessen der Wirtschaft auf regionaler Ebene. Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Ansprechpartner Dr. Monika Wünnemann Abteilungsleiterin Steuern und Finanzpolitik T: +49 30 2028 1507 m.wuennemann@bdi.eu Satenik Melkonyan Referentin für Internationales Steuerrecht T: +49 30 2028 1585 s.melkonyan@bdi.eu

BDI Dokumentennummer: D 1035

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