WTO-Reform dringend geboten

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POSITION | AUßENWIRTSCHAFTSPOLITIK

WTO-Reform dringend geboten Welthandelsorganisation (WTO) stärken und Gleichgewicht im multilateralen Handelssystem herstellen

August 2019 Aktuelle Krise der WTO 23. Oktober 2017

Die WTO ist die Hüterin des Welthandels, die es ihren 164 Mitgliedern ermöglicht, im Konsens transparente und verlässliche Handelsregeln zu schaffen. Zudem überwacht die WTO die Umsetzung der verhandelten Regeln und schlichtet Streitfälle. Protektionismus, Uneinigkeit über das weitere Vorgehen und Unzufriedenheit über die Effektivität gefährden zunehmend das Funktionieren der WTO. Um ihre zentrale Rolle für das Welthandelssystem nicht zu verlieren, muss die WTO dringend reformiert werden. Dafür müssen die G20 und G7 ihrer Führungsrolle besser gerecht werden.

99

…der 100 größten börsennotierten Unternehmen in China sind mehrheitlich in Staatshand.

55%

…der WTO-Mitglieder haben 2017 keine Subventionen notifiziert

Quellen: WTO Trade Policy Review China < https://www.wto.org/english/tratop_e/tpr_e/s375_e.pdf>; WTO Dokument G/SCM/W/546/Rev.9, Seite 4.

Plurilaterale Initiativen für moderne WTO-Regeln (basierend auf Beschlüssen von Dez. 2017) Elektronischer Handel: Verhandlungen über die bislang eingereichten Textentwürfe zur Regelung verschiedenster Aspekte des elektronischen Handels, ohne existierende Abkommen und Mandate zu beeinträchtigen. Heimische Regeln im Dienstleistungssektor: Verhandlungen über den Abbau nicht-tarifärer Hürden im internationalen Dienstleistungshandel (für Transparenz, gegen unnötige Bürokratie), um am Ende ein multilaterales Ergebnis zu erzielen. Investitionserleichterungen: Entwicklung eines Rahmens für die Förderung ausländischer Direktinvestitionen (nicht verhandelt wird Marktzugang, Investitionsschutz, Investor-Staat-Streitschlichtung). Mikro, Kleine und Mittlere Unternehmen: Fortführung der Arbeit der informellen Arbeitsgruppe für MKMUs mit dem Ziel, für die nächste Ministerkonferenz (06/2020) ein formales multilaterales Arbeitsprogramm für MKMUs zu erstellen.

BDI-Forderungen: Multilaterales Handelssystem ins Gleichgewicht bringen Beseitigung marktverzerrender Praktiken Die Arbeitsgruppe Handel und Wettbewerbspolitik sollte wiederbelebt und effektive Regeln gegen erzwungenen Technologietransfer, Lokalisierungsanforderungen, Cyber-Diebstahl und Joint-Venture-Bestimmungen eingeführt werden. Es muss prinzipiell auf neutrale Wettbewerbsbedingungen zwischen privaten und staatlichen Firmen hingewirkt werden.


Erhöhte Transparenz und Einhaltung von Notifikationsvorgaben WTO-Reform dringend Meldepflichten sollten besser durchgesetzt werden, z.B. durch effektivere Unterstützungsmaßnahmen, Prozesse undgeboten Anreize. Das WTO-Sekretariat sollte erweiterte Kompetenzen erhalten, um öffentlich über die Einhaltung der Regeln durch die Mitglieder berichten (naming and shaming) und neue Sanktionsmöglichkeiten einleiten zu können (Entzug von Mitgliederrechten, Erhöhung des Mitgliederbeitrags).

Unfairen Wettbewerb bekämpfen Umfassende Regeln gegen marktverzerrende Subventionen für Industrie und Dienstleistungen sind überfällig. Staatsunternehmen, öffentliche Körperschaften und staatlich kontrollierte Unternehmen müssen klar definiert werden. Marktverzerrende Unterstützung von bzw. für Staatsunternehmen gilt es einzuschränken. Die Transparenz über Staatskontrolle und -besitz sollte erhöht werden. Auch plurilaterale Abkommen gegen staatlich verursachte Wettbewerbsverzerrungen im internationalen Handel sollten geprüft werden.

Flexibilität in WTO-Abkommen neu definieren Mitglieder sollten ihrem Wirtschaftsgewicht, ihren Kapazitäten und ihrer Wettbewerbsfähigkeit entsprechend, Verpflichtungen zustimmen. Der Status oder das Niveau der Verpflichtung des Mitglieds sollte regelmäßig nach objektiven Kriterien überprüft werden. Ausgenommen der am wenigsten entwickelten Länder, sollte Flexibilität streng bedarfsorientiert zugelassen werden. Kernpunkte eines Abkommens sollten am Ende durch alle Unterzeichner angewandt werden.

Protektionismus nimmt zu Protektionistische Maßnahmen wie Importzölle oder Lokalisierungszwang diskriminieren ausländische Unternehmen, behindern das Wirtschaftswachstum und können Arbeitsplätze kosten. Aktuelle Handelsberichte zeigen einen seit Jahren zunehmenden Protektionismus. Er lässt sich an der kontinuierlich wachsenden Zahl der Handelsbeschränkungen ablesen (s. Graphik). Von Oktober 2018 bis Mai 2019 ergriffen die G20 Staaten restriktive Maßnahmen auf ein geschätztes Handelsvolumen von 335,9 Milliarden US-Dollar. Das ist die zweithöchste Summe seit Beginn der Berechnung im Jahr 2012. In der Vorperiode von Mai bis Oktober 2018 war sogar ein Handelsvolumen von 480,9 Milliarden US-Dollar betroffen.

Anzahl an handelsbeschränkungen Maßnahmen Diagrammtitel G20-Staaten, bis Mitte Mai 2019 787

806

2018

2019

714

654 598

508 441

355 278 163

69

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

2017

Quelle: WTO, Trade Monitoring Reports, <https://www.wto.org/english/news_e/archive_e/trdev_arc_e.htm>; BDI-Analyse.

Streitschlichtungsmechanismus (Dispute Settlement, DS) unter Druck Der DS stellt eine weitgehend entpolitisierte und strukturierte Beilegung von Handelskonflikten und die Durchsetzung des WTO-Regelwerks sicher. Die Zahl der Streitfälle erreichte im Jahr 2018 mit 39 einen Spitzenwert. In der ersten Jahreshälfte 2019 verzeichnete die WTO zwölf Streitfälle (s. Graphik).

WTO: Gesamtanzahl an Klagen 2019: Nur bis Mitte Juli 27

26 20

19 12

Die USA blockieren aktuell die Ernennung neuer Mitglieder für das Berufungsgremium, was im Dezember 2019 zu einer Lähmung der wichtigsten Instanz des DS führen könnte. Dies würde die Glaubwürdigkeit der gesamten WTO in Frage stellen.

39

37

20

19 13

17

17 17

14

14 13

12

8

Quelle: WTO, Chronological list of disputes cases <https://www.wto.org/english/tratop_e/dispu_e/dispu_status_e.htm>; BDI-Analyse.

Streitschlichtungsmechanismus reformieren ▪

▪ ▪ ▪

Die Blockade der Nachbesetzung des Berufungsgremiums muss dringend aufgelöst werden, indem US-Kritikpunkte aufgegriffen werden (Übergangsregelung für ausscheidende Mitglieder, Prozesslänge, Fokus der Berichte, Präzedenzwirkung). Solange keine Lösung der Blockade absehbar ist, muss ein Plan B entwickelt und umgesetzt werden, z.B. Berufungsverfahren basierend auf Artikel 25 der DS-Übereinkunft. Im zweiten Schritt sollte der DS substanziell reformiert werden, z.B. um vermeintliche Kompetenzüberschreitung durch die Berufungsinstanz zu verhindern, Prozessabläufe effizienter zu gestalten und Ressourcen aufzustocken. Die Unabhängigkeit des DS, die Berufungsinstanz und die Verbindlichkeit der Regeln müssen gewahrt bleiben. Der BDI unterstützt die Modernisierungsvorschläge der EU von September 2018 und die darauf aufbauenden Initiativen zu Transparenz und Reform der Streitschlichtung.


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