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Bewertung des Programmentwurfs zur Bundestagswahl 2021 von B90/Die Grünen „Wenig Licht – viel Schatten“
April 2021 ▪
Der Programmentwurf zur Bundestagswahl 2021 von Bündnis 90/Die Grünen gibt aus Sicht der deutschen Industrie Anlass zur Sorge. Die soziale Marktwirtschaft soll zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft unter dem alleinigen Leitgedanken eines sogenannten „klimagerechten Wohlstands“ umgebaut werden, was nur mit einer grundlegend veränderten Gesellschaft möglich ist. Die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft werden kategorisch mit Profitstreben gleichgesetzt. Das Zerrbild eines ungleichen und ungerechten Gemeinwesens wird gezeichnet, und damit die Grundlagen der deutschen und europäischen Erfolgsgeschichte in Frage gestellt.
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Das Programm ist durchzogen von einem prinzipiellen Misstrauen gegen marktwirtschaftliche Mechanismen und Akteure, deren Agieren durch einen steuernden Staat eingegrenzt werden soll. Nicht näher definierte Wohlhabende oder Reiche sollen in die Pflicht genommen werden, Ärmere sollen durch noch mehr Transferleistungen bessergestellt werden. Gedanken zu Unternehmenszerschlagungen auf den bloßen Verdacht einer zu großen Marktmacht hin, lassen grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen aufkommen. Welche Auswirkungen eine solche Grundhaltung auf die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft haben wird, bleibt unbeantwortet.
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Im Ergebnis setzt dieser Programmentwurf nicht auf eine kluge Mischung aus Anreizen, Regeln und marktwirtschaftlichen Instrumenten, sondern auf dirigistische Preissetzungsmechanismen und ordnungsrechtliche Vorgaben. Positiv sind die Forderungen nach einem Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen, um die Folgen der Corona-Pandemie zu überwinden und den Standort Deutschland zu stärken. Ob dieses richtige Ziel mit dem vorgeschlagenen Handlungsprogramm allerdings erreichbar ist, muss stark bezweifelt werden. Denn höhere Steuern mindern die Investitionskraft und behindern Zukunftsinvestitionen auch in klimafreundliche Technologien. Forderungen nach höheren und auch einseitigen nationalen CO2-Preisen schwächen die Wettbewerbsfähigkeit der in Deutschland produzierenden Unternehmen. Die vorgeschlagene Klimaverträglichkeitsprüfung für Genehmigungen wird jeden Aufbruch in die Zukunft weiter erschweren.
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Die Vielzahl von Verboten, Quoten und Technologievorgaben sind Bausteine einer anderen Gesellschaftsordnung, in der der Staat das Leben und Wirtschaften der Menschen steuert, losgelöst von der tatsächlichen Verfügbarkeit entsprechender Alternativen und wirtschaftlicher Machbarkeit. Die Zuteilung von Wasserstoffkontingenten und die gezielte Steuerung individueller Mobilität sind nur zwei Beispiele für dieses dirigistische Staatsverständnis.
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In der Handelspolitik führen die Vorschläge des Programmentwurfs für internationale Abkommen Deutschland in die Isolation. Mit überfrachteten Anforderungen an die europäische Handelsagenda würden Handelsabkommen gänzlich verhindert. Das Plädoyer für europäische CO 2-Grenzausgleichmaßnahmen unterschätzt das Potenzial neuer Handelskonflikte. Die Grünen verkennen, wie stark die deutsche und europäische Bevölkerung von Export, offenen Märkten und funktionierenden Lieferketten profitiert und in welch großem Umfang deutsche Unternehmen in aller Welt zum sozialen und ökologischen Fortschritt beitragen.