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Globalisierung muss Effizienz mit Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit vereinen
Deutschlands Wirtschaft ist in hohem Maße international vernetzt. Deutschland exportierte 2020 Güter im Wert von 570 Milliarden Euro ins Nicht-EU-Ausland und importierte von dort Waren im Wert von 478 Milliarden Euro.1 Mit knapp der Hälfte seiner Aus- und Einfuhren (47,35 Prozent und 46,61 Prozent) ist Deutschland damit auch mit Ländern außerhalb der EU wirtschaftlich eng verzahnt. Für die deutsche Wirtschaft, in der jeder vierte Arbeitsplatz vom Export abhängt,2 gilt dies umso mehr.
Die genannten Zahlen sind unter anderem das Ergebnis eines bislang erfolgreichen Geschäftsmodells auf Basis günstiger Energieimporte und wachsender Ausfuhrzahlen Deutschland und die Europäische Union müssen sich im geopolitischen Wettbewerb auf Basis ihrer Werte und Interessen neu positionieren – auch wenn das eine Abkehr von lupenreiner Ordnungspolitik bedeuten kann
Ausländische Investitionen sind in Deutschland und der EU willkommen. Allerdings scheuen sich andere Staaten nicht, im Systemwettbewerb wirtschaftliche Hebel zugunsten eigener geostrategischer Interessen zu nutzen. Ausländische Unternehmenskäufe sollten in Einzelfällen mit dem Abbau von Investitionshindernissen im Land des ausländischen Investors verknüpft werden können. Bei ausländischen Investitionen in kritische Infrastruktur sollten Lokalisierungsanforderungen möglich sein, wenn dies sicherheitspolitisch sinnvoll ist (z. B. Datenspeicherung und dazu nötige technische Ausrüstung nur innerhalb der EU zulässig) Ausgewählte Investitionsprojekte könnten zudem mit einer „Government to Government“-Regelung versehen werden, um internationale Ausschreibungen zu vermeiden und den Kreis der Anbieter oder der Investoren zu begrenzen. Dabei ist strikt darauf zu achten, nicht in einen dauerhaften Investitionsprotektionismus zu verfallen.
Deutsche und europäische Unternehmen behaupten sich erfolgreich mit Investitionen im internationalen Wettbewerb Die Politik täte weiterhin gut daran, Unternehmen zuzutrauen, mit den Herausforderungen einer hybriden Wirtschaft zurechtzukommen. Die sehr wenigen Fälle von in Anspruch genommenen Investitionsgarantien geben dazu guten Anlass.
Politik, Unternehmen und Gesellschaft sind gefordert, den bestehenden Systemwettbewerb mit autokratisch regierten Staaten, vielfältige Handelskonflikte sowie die Transformation der Wirtschaft entlang von ESG-Erfordernissen3 zu meistern. Gleichzeitgig sollten auch die Qualität globaler Lieferketten und die Widerstandsfähigkeit internationaler Handelsbeziehungen mehr im Fokus stehen und nicht nur auf dem Parameter Effizienz entsprechen. Im Ergebnis ließe sich neues Wachstum und mehr Profitabilität erreichen. Der Transformationsdruck auf die Unternehmen ist enorm Für das Umlenken multinationaler Handelsströme muss jedoch mehr Zeit in Anspruch genommen werden dürfen, als das von der Politik erwartet wird
1 Destatis (2021) Pressemitteilung Nr. 054 vom 9. November 2021: Exporte im Dezember 2020; URL: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/02/PD21_054_51.html (eingesehen am 6.12.2021).
2 Destatis, Exportabhängigkeitsquote der Erwerbstätigen, 2019, https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Globalisierungsindikatoren/schluesselindikatoren.html#246062 (eingesehen am 1.11.2022)
3ESG meint die Berücksichtigung von Kriterien aus den Bereich Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance).