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6 Schlussbetrachtung

Deutschland hat auf der Absatzseite lange von der wirtschaftlichen Verflechtung mit China profitiert. Die Exportperspektiven nach China könnten in Zukunft jedoch schwieriger werden. Dazu trägt bei, dass China von deutschen Investoren dort zunehmend durch Produktion vor Ort anstelle von Exporten bedient werden soll. Bei Zulieferstrukturen und Forschung zeigen sich ebenfalls klare Lokalisierungstendenzen. Zudem wird China stärker als Exportplattform nach Asien gesehen. Diese Tendenzen belegt eine für diese Studie durchgeführte nicht repräsentative Umfrage unter rund drei Dutzend großen deutschen Firmen. Damit ist für die Zukunft zu fragen, wie stark der Standort Deutschland noch über Exporte und damit Wertschöpfung und Beschäftigung direkt vom chinesischen Absatzmarkt profitieren wird. Umso bedeutsamer wird, welche Gewinne durch die deutschen Auslandsinvestitionen in China entstehen und in welchem Ausmaß sie nach Deutschland fließen und hier den Standort stärken. Diese Frage stand im Zentrum der vorangegangenen Analyse.

Die Ergebnisse zeigen, dass China in der letzten Dekade als Investitions- und Produktionsstandort für deutsche Unternehmen deutlich wichtiger geworden ist. Die deutschen Direktinvestitionsbestände in China haben sich laut Angaben der Deutschen Bundesbank von 29 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf knapp 90 Milliarden Euro im Jahr 2020 mehr als verdreifacht. Gleichwohl entfielen 2020 nur knapp 7 Prozent der gesamten deutschen Direktinvestitionsbestände im Ausland auf China. Im Vergleich zur EU+VK (34 Pro- zent) und zu den USA (27 Prozent) ist Chinas Bedeutung als Investitionsstandort für deutsche Unternehmen damit deutlich geringer.

Das Verarbeitende Gewerbe ist mit Abstand der wichtigste Wirtschaftszweig für deutsche Investoren in China mit einem Anteil von über zwei Dritteln an allen Branchen. Besonders für die Automobilindustrie ist China ein herausragender Investitionsstandort. Auf sie entfallen knapp 30 Prozent aller deutschen Direktinvestitionen in China. Und knapp 27 Prozent der weltweiten Direktinvestitionsbestände in der Automobilindustrie sind in China investiert. Überdurchschnittliche Anteile in Relation zum Verarbeitenden Gewerbe (rund 14 Prozent) weisen auch die Herstellung von elektrischen Ausrüstungen und der Maschinenbau auf.

Zur Frage, wie die Beziehung zwischen Mutterunternehmen in Deutschland und Tochterfirmen in China mit der Gewinnentstehung in China und der Gewinnverwendung aus dieser Investitionsverflechtung zusammenhängt, wurde ein anschauliches Analyseschema entwickelt. Viele Bereiche dieser Übersicht erweisen sich als Black Box und lassen sich mit verfügbaren empirischen Daten nicht oder nur ansatzweise ausleuchten (vgl. Übersichten 1 und 2).

Mithilfe der Daten der Deutschen Bundesbank ließ sich feststellen, dass weit über 90 Prozent der deutschen Direktinvestitionen im Jahr 2020 unmittelbar und damit nicht über andere Länder in China investiert sind. Gut 7 Prozent dieser In- vestitionen und der darauf bezogenen Gewinnflüsse konnte die Analyse damit nicht abdecken.

Im Fünfjahreszeitraum von 2017 bis 2021 erwirtschafteten deutsche Direktinvestitionen in China jährlich Gewinne in Höhe von 11 bis 15 Milliarden Euro. Davon entfielen 2 bis 7 Milliarden Euro auf in China reinvestierte Gewinne. 7 bis 11 Milliarden Euro bzw. zwischen 53 und 80 Prozent flossen nach Deutschland zurück. Das sind 12 bis 16 Prozent aller von deutschen Direktinvestitionen im Ausland erzielten und nach Deutschland ausgeschütteten Gewinne. Im internationalen Vergleich liegen die in China erzielten Gewinne in ähnlicher Größenordnung wie Gewinne aus Direktinvestitionen in den USA, sind aber deutlich geringer als die Gewinne deutscher Unternehmen in der EU+VK.

Da in den BUBA-Statistiken zu ausländischen Direktinvestitionen die in Deutschland erzielten Gewinne nicht enthalten sind, erfolgte hier eine grobe Schätzung mithilfe der Jahresabschlussstatistik der Bundesbank. Diese zeigt, dass der China-Anteil an den Gesamtgewinnen deutscher Unternehmen im niedrigen einstelligen Bereich liegt. Für den Zeitraum von 2016 bis 2020 – aktuellere Angaben liegen nicht vor – waren es im Durchschnitt ca. 4 Prozent.

Grob beziffern lässt sich zudem der Anteil der ausgeschütteten Gewinne aus dem gesamten Gewinntopf. Laut DividendenAdel et al. (2022) lagen die Ausschüttungsquoten für den Durchschnitt der börsennotierten Aktiengesellschaften im DAX, MDAX und SDAX zwischen 2003 bis 2022 (vorläufige Werte) bei zwischen 37 und 45 Prozent, im Jahresdurchschnitt bei 42 Prozent. Ein erheblicher Teil der Gewinne auch aus China dürfte damit ausgeschüttet werden und damit nicht direkt der Stärkung der Wertschöpfungsund Beschäftigungsbasis hierzulande zugutekommen.

Soweit Gewinne aus China ausgeschüttet werden, stellt sich die Frage, ob diese bei den inländischen Eigentümern verbleiben oder ins Ausland fließen. Hier lässt sich über empirische Daten zum Anteilsbesitz an großen deutschen Aktiengesellschaften eine grobe empirische Eingrenzung vornehmen. Demnach profitieren von den Ausschüttungen vorwiegend ausländische Anleger, auf die nach Angaben von EY (2022) im Jahr 2021 deutlich mehr als 53 Prozent des Anteilsbesitzes an den DAX-40-Unternehmen entfielen.

So könnten sie der Quersubventionierung und damit dem Erhalt bedrohter bestehender, ansonsten defizitärer Aktivitäten in Deutschland dienen, für neue Investitionen und damit Arbeitsplätze in Deutschland verwendet. Wie aufgezeigt lässt sich die Black Box nur an verschiedenen Stellen ausleuchten. Forschungsbedarf besteht daher insbesondere bei der Frage, wie wichtig die in China erzielten Gewinne für einzelne Unternehmen und den Standort Deutschland sind. Zum Beispiel wäre es wichtig, besser zu verstehen, ob und in welchem Maße Gewinne in China der Quersubventionierung und damit dem Erhalt bestehender, ansonsten defizitärer Aktivitäten in Deutschland dienen oder für neue Investitionen und damit Arbeitsplätze in Deutschland verwendet werden.

Gewinne deutscher Investoren in China – eine erste empirische Bestandsaufnahme

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