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Auswirkungsstudien mit begrenzter Aussagekraft
Auswirkungsstudien mit begrenzter Aussagekraft
Die EBA1 und private Institute, wie Copenhagen Economics2 , hatten in den vergangenen Jahren auf Basis des damaligen Regulierungsvorschlags der Kommission Auswirkungsstudien durchgeführt. Diese gingen noch von zusätzlichen Kapitalbedarfen von circa 33 bis 400 Milliarden Euro aus. Die große Differenz ergab sich unter anderem aus der Frage, inwieweit die von Banken über die harten Anforderungen („hartes Kernkapital“) hinausgehenden gehaltenen Kapitalpuffer berücksichtigt wurden. Um ein vollständiges Bild der möglichen zusätzlichen Kapitalbedarfe zu zeichnen, sind diese unserer Meinung nach zu berücksichtigen, da sie einen ebenso verpflichtenden Charakter besitzen und gleichermaßen mit „hartem Kernkapital“ zu erfüllen sind.
Basierend auf ihrem aktuellen Vorschlag schätzt die Kommission den Mindesteigenkapitalbedarf der europäischen Banken nicht mehr so hoch ein. Im EU-weiten Durchschnitt soll sich dieser bis 2030 um 6,4 bis 8,4 Prozent erhöhen. Mittelfristig, also bis zum Jahr 2025, fällt der zusätzliche Kapitalbedarf mit 0,7 bis 2,7 Prozent geringer aus, was vor allem an den bis dahin noch greifenden Übergangsvorschriften liegen dürfte. Es wird geschätzt, dass dieser Anstieg bei circa zehn von insgesamt 99 europäischen Großbanken, die 75 Prozent der Vermögenswerte im EU-Bankenmarkt halten, zu einem zusätzlichen Kapitalbedarf von 27 Milliarden Euro führt. Dies klingt auf den ersten europäischen Blick nicht viel. Da sich die Effekte jedoch unter den Bankmärkten der Mitgliedsländer sehr ungleich verteilen und Deutschland neben skandinavischen Ländern eines der am stärksten betroffenen Länder ist, dürfte ein großer Anteil dieser 27 Milliarden auf große deutsche Bankhäuser entfallen, zusammen mit allen möglichen Effekten auf deren Kunden. Zugleich gilt es zu beachten, dass hierbei weder die von Banken aufgebauten und vom Markt erwarteten zusätzlichen Kapitalpuffer noch die vorgezogenen Markterwartungen enthalten sind. Der eigentliche Betrag dürfte demnach deutlich über 27 Milliarden liegen und die Verteilung der Effekte auf die Jahre sich ebenfalls anders gestalten.
Die Deutsche Bundesbank schätzt den Mindestkapitalanforderungsanstieg für den deutschen Bankensektor bis 2032 auf circa zehn Prozent. Würde man sogenannte Ausreißer herausrechnen, wäre dieser sogar nur halb so groß. In absoluten Zahlen rechnet man mit einem zusätzlichen Mindestkapitalbedarf von 20 Milliarden Euro. Von einer Verschlechterung der Unternehmensfinanzierungskonditionen geht man nicht aus, da Banken über 165 Milliarden Euro mehr an Kapital vorhielten als aufsichtsrechtlich vorgeschrieben und die wesentlichen Effekte der Regelanpassungen letztlich nur wenige deutsche Banken beträfen. 3 Dieser Einschätzung stehen wir mit größerer Skepsis gegenüber, sind doch, wie oben bereits erwähnt, über die aufsichtsrechtlich verlangten Vorschriften gehaltene Kapitalpuffer ein vom Markt fest eingepreister Bestandteil. Eine Erhöhung der Kapitalanforderungen dürfte demnach auch eine Erhöhung dieser Puffer mit sich bringen; zugleich sollte der 165 Milliarden-Topf an „freien Mitteln“ aufgrund jener Markterwartung in der Realität deutlich geringer ausfallen. Das Argument von nur wenig betroffenen Banken mag in absoluter Betrachtungsweise stimmen. Wirft man jedoch einen Blick auf die Finanzierungsvolumina, besonders im Bereich der Unternehmensfinanzierung, tragen nur wenige große deutsche Banken, die interne Modelle nutzen, einen Löwenanteil. Gemäß den Supervisory Banking Statistics der Europäischen Zentralbank (EZB) entfielen im Bereich der Unternehmensfinanzierung („Exposure to Corporates“) im dritten Quartal 2021 453 Milliarden Euro von insgesamt 582 Milliarden Euro auf mit Modellen errechnete Risikopositionen.4 Hierbei gilt es zu beachten, dass die EZB-Statistik nur die von ihr beaufsichtigten Banken abbildet, die jedoch gemessen am
1 European Banking Authority, Basel 3 Reforms: Auswirkungsstudie auf Basis von Bankstatistiken per 31. Dezember 2019 2 Copenhagen Economics, EU Implementation of the Final Basel 3 Framework, November 2019 3 Prof. Dr. Joachim Wuermeling, „Weckruf für alle Aufseher“, Interview mit der Börsen-Zeitung, 28. Dezember 2021 4 EZB, Supervisory Banking Statistics - Third quarter 2021 (europa.eu), Seite 59