EU-Verordnungsvorschlag zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr

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Stellungnahme

Entwurf der Europäischen Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (Kommissionsentwurf für eine Zahlungsverzugsverordnung)

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.

Stand: 09.11.2023


Kommissionsentwurf für eine Zahlungsverzugsverordnung

Inhaltsverzeichnis Allgemeines.......................................................................................3 1. Einzelfallgerechte Zahlungsfristen über 30 Tage hinaus ermöglichen.......................................................................................5 2. Notwendigkeit von längeren Abnahme- und Überprüfungsfristen.......................................................................10 3. Anwendungsbereich................................................................11 4. Beibehaltung der bestehenden Systematik zu Verzugszinsen.................................................................................11 5. Keine Sonderregelung für das öffentliche Bauwesen..........13 6. Konzept „grob nachteilig“ beibehalten und konkretisieren 17 7. Kein Bedürfnis für neue behördliche Überwachungs- und Durchsetzungsmechanismen........................................................17 8. Kein Bedürfnis für eine Verbandsklagebefugnis..................19 Über den BDI...................................................................................20 Impressum.......................................................................................20


Kommissionsentwurf für eine Zahlungsverzugsverordnung

Allgemeines Der BDI begrüßt grundsätzlich das Ziel der Europäischen Kommission, Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und unangemessen langen Zahlungsfristen entgegenzuwirken. Für die Unternehmen der deutschen Industrie ist eine fristgemäße Zahlungskultur von enormer Bedeutung. Sie ist essenziell für die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und/oder staatlichen Akteuren sowie funktionierende Lieferketten. Hierzu gehören sowohl zügige Abnahmen als auch Vergütungen von Produkten oder Dienstleistungen. Hinsichtlich Zahlungen von staatlichen Akteuren bestehen in einigen Staaten jedoch weiterhin Probleme; staatliche Akteure tragen eine besondere Verantwortung und sollten als gutes Beispiel einer zügigen und pünktlichen Zahlungskultur vorangehen, indem sie Verzug bei ihren Zahlungen vermeiden. Im Übrigen könnte auch der Einsatz moderner digitaler Zahlungsinstrumente zur Förderung einer pünktlichen Zahlungskultur beitragen. Positiv sehen wir auch die Wahl einer Verordnung als Rechtsinstrument zur Neuregelung der Zahlungsverzugsvorgaben. Insbesondere in grenzüberschreitenden Lieferketten mit Vertragspartnern in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ist es für Unternehmen wichtig, dass im gesamten EU-Raum die gleichen Vorgaben zu Zahlungsfristen und Verzugsfolgen gelten. Eine Neuregelung der Zahlungsverzugsvorgaben in einer Verordnung darf jedoch nicht dazu führen, dass bewährte Mechanismen in den nationalen Rechtsordnungen, insbesondere aufgrund des Zusammenspiels von Zahlungsverzugsvorschriften – gemäß der aktuellen Zahlungsverzugsrichtlinie (2011/7) – und anderen nationalen Zivilrechtsbestimmungen unterlaufen oder ausgehebelt werden. Es darf insofern auch zu keiner Fragmentierung zusammenhängender Zivilrechtsbestimmungen kommen, z. B. zivilrechtliche Konzepte, wie Stundungen oder einen Anspruch hindernde Einreden, müssen weiterhin zulässig und wirksam sein, auch in Bezug auf zahlungsverzugsbedingte Rechte und Pflichten. Den Unternehmen muss es auch weiterhin möglich sein, individualvertraglich im beiderseitigen Interesse liegende, längere Zahlungsfristen zu vereinbaren, um besonderen Situationen sowie branchen- und lieferkettenspezifischen Bedürfnissen Rechnung tragen zu können. Bereits die bisherige Zahlungsverzugsrichtlinie sieht im Grundsatz


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eine Zahlungshöchstfrist von 30 Tagen vor, erlaubt aber Ausnahmen zugunsten einer längeren Zahlungsfrist durch individuelle vertragliche Vereinbarungen zu verabreden. Es ist nicht ersichtlich, warum von diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis abgewichen werden muss und es zwingend erforderlich ist, dass Zahlungsfristen nicht länger als 30 Tage sein dürfen. Eine starre Zahlungshöchstfrist von 30 Tagen sowie der grundsätzliche Ausschluss von Abnahme- und Überprüfungsverfahren erscheint aus Sicht der deutschen Industrie daher unangemessen1. Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Mitgliedsverband BUSINESSEUROPE

Lobbyregisternummer R000534 Hausanschrift Breite Straße 29 10178 Berlin Postanschrift 11053 Berlin Ansprechpartner Sebastian Freimuth T: +493020281455

E-Mail: S.Freimuth@bdi.eu Ansprechpartnerin Dr. Stefanie Espitalier T: +3227921010 E-Mail: S.Espitalier@bdi.eu Internet www.bdi.eu

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Abweichende Auffassung WSM Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V.

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1. Einzelfallgerechte Zahlungsfristen über 30 Tage hinaus ermöglichen Das Kernstück des Kommissionsentwurfs für eine Zahlungsverzugsverordnung (im Folgenden: VO-E) stellt deren Art. 3 dar, welcher die Fristen regelt, innerhalb derer vertraglich erworbene Produkte oder Dienstleistungen zu bezahlen sind. Mit Art. 3 Abs. 1 VO-E soll zukünftig für nahezu alle Geschäftsvorgänge eine starre Zahlungshöchstfrist von 30 Tagen gelten. Im Gegensatz zu den geltenden Bestimmungen der Zahlungsverzugsrichtlinie soll es auch keine Möglichkeit mehr geben, eine längere Zahlungsfrist individualvertraglich zu vereinbaren. Verschärft wird diese Regelung zusätzlich dadurch, dass auch Abnahmeund Überprüfungsfristen, welche zu einem späteren Beginn der Zahlungsfrist führen würden, grundsätzlich ausgeschlossen werden; eine Ausnahme besteht nur dann, wenn im nationalen Recht für Produkte oder Dienstleistungen aufgrund ihrer besonderen Beschaffenheit die Möglichkeit zur Vereinbarung einer Abnahme- und Überprüfungsfrist vorgesehen ist (Art. 3 Abs. 2 VO-E). Selbst in einem solchen Ausnahmefall dürfen Abnahme- und Überprüfungsfristen jedoch 30 Tage nicht überschreiten (Art. 3 Abs. 3 VO-E). Die starre Fristenregelung des Art. 3 VO-E stellt aus Sicht der Industrie nicht nur eine unangemessene Beschränkung der Vertragsfreiheit dar, sie ist darüber hinaus auch nicht geeignet, adäquat die Bedürfnisse und wirtschaftlichen Gegebenheiten in den verschiedenen Branchen und Lieferketten zu berücksichtigen2. Zugleich ist zu erwarten, dass bei einer starren 30-Tage-Zahlungsfrist Stundungen und andere nachträgliche Verlängerungen von Zahlungsfristen, um (vorübergehend) in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Geschäftspartnern entgegenzukommen – auch im Hinblick auf die Pflege von dauerhaften und vertrauensvollen Geschäftsbeziehungen – nicht mehr möglich wären. Dies steht insofern auch im Widerspruch zu dem mit der Anpassungen der Zahlungsverzugsvorschriften bezweckten Ziel, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vor existenzgefährdenden finanziellen Schwierigkeiten zu bewahren. 2

Abweichende Auffassung WSM Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V.

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Eine Frist von 30 Tagen – in Ausnahmefällen aufgrund von Abnahme- und Überprüfungsverfahren ggf. bis zu maximal 60 Tagen – kann bereits in bestimmten Branchen nicht dem beiderseitigen Willen der Vertragsparteien gerecht werden, z. B. sind Landwirte regelmäßig erst nach erfolgter Ernte in der Lage die Kaufpreise für Saatgut und Düngemittel zu bezahlen, so dass in dieser Branche durchaus Zahlungsfristen von bis zu 160 Tagen üblich sind; der Gläubiger räumt eine solch lange Zahlungsfrist dabei zur Pflege von positiven und langfristigen Geschäftsbeziehungen freiwillig ein. Würden in derartigen Konstellationen die Zahlungsfristen auf 30 Tage begrenzt, verlören die Gläubiger wesentliche Mittel zur Kundenpflege und dem Aufbau langfristiger Geschäftsbeziehungen und die Schuldner (Landwirte) wären gezwungen Kredite aufzunehmen, um die für ihre Ernte erforderlichen Mittel zu beschaffen. Eine Beeinträchtigung der Liquidität wirtschaftlicher Zulieferer im Agrarsektor könnte weitere Folgen für die Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von Lebensmitteln in der EU haben, einem Bereich, der mehr denn je von großer Bedeutung für die strategische Autonomie der EU ist. Auch in anderen Branchen existieren etablierte Praxen mit Regelungen, die eine längere Zahlungsfrist, z. B. in Höhe von 60 Tagen, vorsehen, wobei diese Regelungen sowohl im Interesse des Schuldners als auch des Gläubigers liegen, wie Skontovereinbarungen oder Vereinbarungen im Rahmen eines sog. „reverse factoring“. Um auf die Bedürfnisse besonderer Sektoren, in denen eine kürzere Zahlungshöchstfrist angemessen sein kann, zu reagieren, ist es ausreichend, dass im nationalen Recht kürzere Zahlungshöchstfristen geregelt werden können (Art. 3 Abs. 4 VO-E), so dass es auch insofern keiner starren Zahlungshöchstfrist von 30 Tagen bedarf.

a) Attraktivität von „factoring“ und „reverse factoring“: Sowohl beim factoring als auch „reverse factoring“ können Zulieferer bereits kurz nach Auslieferung ihres Produkts oder Dienstleistung noch vor Ablauf der Zahlungsfrist ihre Zahlungsforderung an ein sog. „factoring“Unternehmen verkaufen, wodurch sie bereits nach ein paar Tagen die Vergütung erhalten, beim „reverse factoring“ in der Regel sogar in weniger als sieben Tagen.

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Im Gegensatz zum normalen „factoring“ wird beim „reverse factoring“ das „factoring“-Unternehmen nicht vom Zulieferer gewählt, sondern vom Schuldner. Beim „reverse factoring“ kann der Zulieferer seine Forderung zu günstigeren Konditionen (ohne Belastung von Kreditlinien des Zulieferers) an ein „factoring“-Unternehmen verkaufen und der Schuldner erhält im Gegenzug eine längere Zahlungsfrist. Für weniger finanzkräftige Zulieferer, welche oftmals KMU sind, ist dieses Angebot von erheblicher Bedeutung, um gegenüber herkömmlichem Methoden der Finanzierung günstigere Konditionen und Vergütung noch vor Ablauf der Zahlungsfrist zu erhalten. Auf „reverse factoring“-Programme greifen zudem auch Zulieferer zurück, die sich nicht in finanziellen Engpässen befinden, sondern für die es wegen der geringen Factoringmarge auch bei längeren Zahlungsfristen wirtschaftlich vorteilhaft ist, einen Forderungsverkauf zu tätigen. Sie erreichen damit innerhalb einer Woche den Liquiditätszufluss und einen positiven Bilanzeffekt und halten ihre bestehenden Kreditlinien bei ihren Banken unbelastet. Mit Einführung einer Zahlungshöchstfrist von 30 Tagen würde das Angebot der in zahlreichen Branchen bestehenden Arten von „factoring“ und „reverse factoring“ als Finanzierungsmöglichkeiten erheblich an Attraktivität einbüßen, insbesondere „reverse factoring“-Programme wären für Schuldner nicht mehr attraktiv. Für weniger finanzkräftige Unternehmen bestünde auch das Risiko, dass sie keine ausreichenden alternativen Finanzierungslösungen am Markt finden würden oder zumindest nur solche, die mit wahrscheinlich höheren Finanzierungskosten verbunden wären.

b) Skontovereinbarung: Auch die wirtschaftliche Attraktivität von Skontovereinbarungen würde bei einer starren Zahlungshöchstfrist von 30 Tagen erheblich gemindert. Dies hätte zur Folge, dass eine einfache Finanzierungsmöglichkeit – durch Erlass des rabattierten Teils der Forderung – für Schuldner wegfiele, was wiederum insbesondere weniger finanzkräftige Unternehmen belasten würde.

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Im Rahmen von Skontovereinbarungen wird ein Abschlag bzw. „Rabatt“ auf die geschuldete Zahlung gewährt, wenn diese vor Ablauf der jeweils vereinbarten Zahlungsfrist geleistet wird.

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c) Besonderheiten im internationalen Geschäftsverkehr berücksichtigen Eine Zahlungshöchstfrist von 30 Tagen berücksichtigt zudem nicht angemessen die Besonderheiten in internationalen Lieferketten oder nach deutschem bzw. europäischem Recht geschlossenen Verträgen mit Geschäftspartnern im EU-Ausland, z. B. China: In Jurisdiktionen außerhalb der EU sind in der Praxis oftmals deutlich längere Zahlungsfristen als 30 Tage die Regel, so dass deutsche und europäische Unternehmen, die in internationalen Lieferketten als Schuldner Vertragsbeziehungen zu Geschäftspartnern innerhalb der EU und als Gläubiger Vertragsbeziehungen zu Geschäftspartnern außerhalb der EU unterhalten, benachteiligt werden, da sie ihre Zahlungen innerhalb von 30 Tagen leisten müssten, aber ihrerseits von Geschäftspartnern außerhalb der EU in der Regel Zahlungen erst später – aufgrund der außerhalb der EU üblichen längeren Zahlungsfristen – erhalten. Weiterhin sind negative Auswirkungen auf nach deutschem bzw. europäischem Recht geschlossene Verträge mit Geschäftspartnern in außereuropäischen Jurisdiktionen, wie China, in denen der Kapitalverkehr einer staatlichen Kontrolle unterliegt, zu erwarten; aufgrund der Verfahrensdauer für die Kapitalkontrolle kann es zu erheblichen Verzögerungen bei der Zahlung kommen, die eine Zahlungsfrist von 30 Tagen überschreiten.

d) Negative Auswirkungen auf bestehende Vertragsbeziehungen Die Einführung einer starren 30-Tage-Zahlungsfrist würde für Abnehmer mit Sitz in der EU auch Nachteile in Bezug auf bestehende Verträge verursachen, in denen Zahlungsfristen von mehr als 30 Tagen vereinbart sind: Im Rahmen von Einkaufsabschlüssen berücksichtigen Lieferanten die in der Ausschreibung eines Projekts enthaltenen Zahlungsfristen bereits in der Kalkulation ihrer Angebote. Wird das Angebot eines Lieferanten von einem Abnehmer angenommen, ist im konkreten Preis für die Lieferungen und Leistungen auch die Zahlungsfrist berücksichtigt. Durch eine ausnahmslose 30-Tage-Zahlungsfrist würde zugunsten von Lieferanten einseitig in bereits verhandelte Verträge eingegriffen, mit der Folge, dass

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Lieferanten zwar weiterhin eine auf Grundlage einer längeren Zahlungsfrist kalkulierte Vergütung erhielten, anderseits der Abnehmer aber nach Art. 3 Abs. 1 VO-E spätestens nach 30 Tagen zahlen müsste. 2. Notwendigkeit von längeren Abnahme- und Überprüfungsfristen Verschärft wird die Regelung einer starren Zahlungsfrist von 30 Tagen (Art. 3 Abs. 1 VO-E) zusätzlich dadurch, dass auch Abnahme- und Überprüfungsfristen, welche zu einem späteren Beginn der Zahlungsfrist führen würden, grundsätzlich ausgeschlossen werden; eine Ausnahme besteht nur dann, wenn im nationalen Recht für Produkte oder Dienstleistungen aufgrund ihrer besonderen Beschaffenheit die Möglichkeit zur Vereinbarung einer Abnahme- und Überprüfungsfrist vorgesehen ist (Art. 3 Abs. 2 VO-E). Selbst in einem solchen Ausnahmefall dürfen Abnahme- und Überprüfungsfristen jedoch 30 Tage nicht überschreiten (Art. 3 Abs. 3 VO-E). Bei Abnahmeprüfungen kann sich die Erforderlichkeit zur Vereinbarung längerer Fristen als 30 Tage bereits aus zwingenden technischen Gründen ergeben. Es sollte daher möglich bleiben, je nach Umfang und Komplexität der Leistungserbringung mit entsprechend aufwendiger Abnahmeprüfung sachgerechte Fristen einzelvertraglich zu vereinbaren. Es kann sich zudem die Notwendigkeit ergeben, Abnahmefristen einvernehmlich nachträglich zu verlängern, auch dies sollte weiterhin möglich bleiben. Bei größeren Projekten, z. B. im IT-Bereich, die nicht auf StandardProdukten basieren, oder bei komplexen Integrationsleistungen, Implementierungen oder Konfigurationen kann eine starr vorgegebene Abnahmefrist – unabhängig ob innerhalb der Zahlungsfrist von 30 Tagen oder im Rahmen eines ausnahmsweise zulässigen Abnahmeverfahrens von maximal 30 Tagen nach Art. 3 Abs. 2, 3 VO-E – zu kurz sein, um die erforderlichen Abnahmetests überhaupt durchführen zu können und dem Auftragnehmer auch noch Zeit zu lassen, ggf. Fehler zu beheben. Im Übrigen kann es durchaus im Interesse beider Parteien liegen, eine Abnahmefrist nachträglich einvernehmlich zu verlängern, z. B. für den Fall, dass gravierende Mängel auftreten, deren Behebung innerhalb der (ursprünglichen) Abnahmefrist nicht zu leisten ist. In diesem Fall wäre der Auftraggeber bei einer starren 30-Tage-Frist für die Abnahme ggf.

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gezwungen, die Abnahme zu verweigern, was zu einer eigentlich unnötigen und von beiden Seiten nicht gewollten rechtlichen Eskalation führt. 3. Anwendungsbereich Der Kommissionsentwurf für eine Zahlungsverzugsverordnung steht politisch insbesondere im Zeichen des Schutzes von KMU. So wurde die Überarbeitung der Zahlungsverzugsrichtlinie in der Rede zur Lage der Union von 2022 insbesondere im Hinblick auf den Schutz von KMU vor zahlungsverzugsbedingten Insolvenzen angekündigt und der Kommissionsentwurf für eine Zahlungsverzugsverordnung wurde 2023 im Rahmen eines KMU-Entlastungspakets veröffentlicht. Die Zahlungsverzugsverordnung soll allerdings nicht nur bei Beteiligung von KMU gelten, sondern Geschäftsbeziehungen von Unternehmen jeglicher Größe erfassen, unabhängig davon, ob ein KMU an der konkreten Geschäftsbeziehung beteiligt ist. Da mit der Zahlungsverzugsverordnung maßgeblich der Schutz von KMU vor fremdverschuldeten finanziellen Engpässen verfolgt wird, erschließt sich nicht, weshalb die starre Zahlungsfrist von 30 Tagen sowie der grundsätzliche Ausschluss von Abnahme- und Überprüfungsverfahren auch für Geschäftsbeziehungen gelten soll, an denen keine KMU beteiligt sind. Während wir grundsätzlich dafür plädieren, keine ausnahmslose 30-tägige Zahlungshöchstfrist sowie grundsätzliches Verbot für Abnahme- und Überprüfungsfristen einzuführen, sollten zumindest jedoch in Verträgen zwischen ausschließlich größeren Unternehmen auch weiterhin längere Zahlungs- sowie Abnahme- und Überprüfungsfristen vereinbart und bei Bedarf einvernehmlich nachträglich verlängert werden können.

4. Beibehaltung Verzugszinsen

der

bestehenden

Systematik

zu

Die mit Art. 5 VO-E vorgeschlagene automatische Fälligkeit von Verzugszinsen widerspricht der Systematik der zivilrechtlichen Geltendmachung von Rechten gegenüber einer anderen Vertragspartei. Grundsätzlich muss für den Verzug ein „vollwirksamer Anspruch“ zu Grunde liegen. Einem solchen Anspruch dürfen u. a. keine Einreden

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entgegenstehen. Zahlungsansprüche aus der Lieferung eines Produkts oder eine Dienstleistung stehen in einem synallagmatischen Verhältnis zum Anspruch auf Lieferung des Produkts oder der Dienstleistung. Dieses grundlegende Verhältnis einer synallagmatischen Leistungsbeziehung und das ihm innewohnende Äquivalenzinteresse der Parteien muss in einer gesetzlichen Regelung hinreichend und vor allem klar geregelt sein. Der in Art. 5 VO-E vorgeschlagene Automatismus berücksichtigt die synallagmatische Leistungsbeziehung und das Äquivalenzinteresse nicht ausreichend; allein die Regelung des Art. 5 Abs. 1 VO-E „… es sei denn, der Schuldner ist nicht für die Zahlungsverzögerung verantwortlich.“ reicht nicht aus, diesem Erfordernis zu genügen, wenn gleichzeitig das Mahnerfordernis und die Geltendmachung des Verzuges durch Etablierung eines Automatismus entfällt. Denn durch den Wegfall eines Mahnerfordernisses bei der Geltendmachung eines Verzuges entfällt nicht nur die aus unserer Sicht einem Gläubiger zumutbare „Warnfunktion“ gegenüber dem Schuldner, sondern auch der Anknüpfungspunkt zur Geltendmachung von Einreden und damit die grundlegende Klärung der Existenz des Primäranspruches dem Grunde und der Höhe nach insgesamt. Das originäre Interesse des Gläubigers einer Geldschuld ist aber der Anspruch auf eine vertragsgemäße Zahlung, nicht auf Zinsen. Des Weiteren ist zu befürchten, dass die Neuregelung in der Praxis zu einer unbeabsichtigten Eskalation innerhalb der Vertragsund Geschäftsbeziehungen führt. Denn Art. 5 Abs. 2 lit. a) VO-E setzt (lediglich) voraus, dass „der Gläubiger […] seine vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt“ hat, womit nur die unmittelbare Transaktion gemeint sein dürfte, aus welcher der Zahlungsanspruch des Gläubigers herrührt. Nach der Neuregelung in Art. 5 VO-E könnte somit ein Zahlungsanspruch trotz bestehender Einrede, beispielsweise wenn dem Schuldner aus der laufenden Geschäftsbeziehung allgemein die Einrede des Zurückbehaltungsrechts gem. § 273 BGB wegen einer früheren mangelhaften Lieferung zusteht, den Verzug begründen. Da sich der Schuldner mit der bloßen Erhebung dieses Zurückbehaltungsrechts gem. § 273 BGB nicht vor dem Verzugseintritt schützen kann, wird er alternative Verteidigungsstrategien bemühen. Der Schuldner wird nun beispielsweise umgehend versuchen, seinen eigenen Gewährleistungsanspruch aus einem früheren Kaufvertrag mit dem Gläubiger in einen Zahlungsanspruch umzuwandeln, z. B durch

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Rücktrittserklärung und damit Begründung eines Rückgewährschuldverhältnisses oder einer Minderungserklärung zur Auslösung von eigenen Rückzahlungsansprüchen – jeweils nach Ablauf einer nicht allzu lang bemessenen Frist zur Nacherfüllung. Ein automatischer Verzugseintritt trotz bestehender Einreden würde dementsprechend eine weitere Zuspitzung der Auseinandersetzung zwischen Gläubiger und Schuldner begünstigen. Einer Verschärfung durch einen Automatismus bedarf es zudem nicht, da die Durchsetzung des Gläubigerinteresses durch die bestehenden rechtsstaatlichen Möglichkeiten, wie das Mahnverfahren und zivilrechtliche Klagemöglichkeiten, hinreichend geschützt ist. In den Fällen des Bestehens des Anspruches führen diese Möglichkeiten regelmäßig nicht nur dazu, dass der Zahlungsanspruch zuzüglich Zinsanspruch vollstreckbar durchgesetzt werden kann, sondern zusätzlich eine Verpflichtung zur Kostentragung von Anwalts- und Gerichtskosten zu Lasten des säumigen Schuldners entsteht. Dies hat bereits ausreichende Disziplinierungswirkung auf den Schuldner, so dass es keiner weiteren Maßnahmen zu Lasten des Schuldners bedarf. Es wäre daher angezeigt und auch angemessen, gegenüber des in Art. 5 Abs. 2 VO-E vorgeschlagenen Automatismus eine mildere Maßnahme zu treffen und das Konzept der Mahnung und der Geltendmachung eines Verzuges beizubehalten sowie eine klare Definition von Fällen vorzunehmen, in denen eine Mahnung ausnahmsweise entbehrlich ist. Art. 8 Abs. 1 VO-E sieht eine unverzichtbare, automatisch fällige Pauschalentschädigung in Höhe von 50 Euro für jeden Verzugsgeschäftsvorgang vor. Eine solche Pauschalentschädigung, ohne dass es auf das tatsächliche Bestehen von verzugsbedingten Betreibungskosten in Höhe von (mindestens) 50 Euro ankommt, liefe zumindest in Fällen in denen Betreibungskosten des Gläubigers keine 50 Euro erreichen auf einen dem Zivilrecht fremden Strafschadensersatz hinaus, was wir ablehnen. Aus praktischer Sicht ist im Übrigen zweifelhaft, ob höhere Zinszahlungen oder Pauschalvergütungen zu einer besseren Zahlungsmoral führen werden oder lediglich zu einem höheren Verwaltungsaufwand. Es wäre stattdessen wünschenswert, im VO-E Anreize für die frühzeitige Zahlung zu schaffen und ein solches Verhalten zu privilegieren.

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5. Keine Sonderregelung für das öffentliche Bauwesen In der Praxis kann es zu Missverständnissen und Verzögerungen führen, wenn laut Art. 4 VO-E ein Bauunternehmen eine Leistung erst abrechnen darf, wenn es dem öffentlichen Bauherrn spätestens mit der Zahlungsaufforderung nachweist, dass die direkten Unterauftragnehmer des Bauunternehmens innerhalb der Fristen und gemäß den Bedingungen des VO-E bezahlt wurden. Laut ausführlicher Erläuterung der Europäischen Kommission handelt es sich bei Art. 4 VO-E (Zahlungen an Unterauftragnehmer im öffentlichen Auftragswesen) um eine neue Bestimmung, mit der die Weitergabe von Zahlungen in der Lieferkette bei öffentlichen Bauaufträgen unterstützt werden soll. Dieses Ziel, eine „Weitergabe“ von Zahlungen zu unterstützen, ist richtig und auch die englische Fassung der ausführlichen Erläuterung des VO-E bestätigt dies: “Article 4 (Payments to subcontractors in public procurement) is a new provision to support that payments are passed down the supply chain in contracts for public works.” Eine solche „Weitergabe von Zahlungen“ (englisch: „that payments are passed down the supply chain“) setzt gerade für öffentliche Bauherren einen wichtigen Anreiz, die Leistung zügig abzunehmen und zu bezahlen. Sie ermöglicht den Bauunternehmen, die Zahlung des Bauherrn für das Bauvorhaben zu verwenden und stärkt so die Liquidität aller beteiligten Unternehmen. Diesem wichtigen Ziel widerspricht es jedoch sprachlich und inhaltlich, wenn es in Art. 4 VO-E heißt: „…der Hauptauftragnehmer nachweisen muss, dass seine direkten Unterauftragnehmer bezahlt wurden“ (englisch: “by requiring the main contractor to prove that direct subcontractors have been paid“). Dieser Vorschlag erschwert eine zügige Bezahlung von Bauunternehmen durch eine neue zusätzliche Voraussetzung, die der Bauherr prüfen und das Bauunternehmen über den bislang ausreichenden Nachweis – dass die vereinbarte Bauleistung mit der vereinbarten Qualität zum vereinbarten Preis erbracht wurde – hinaus erfüllen muss. Ein neuer zusätzlich geforderter Nachweis von Bauunternehmen und eine neue zusätzlich geforderte Prüfung durch Bauherren beansprucht auf beiden Seiten zusätzliche Zeit sowie fachliche, finanzielle und personelle Ressourcen. Der dadurch verursachte zusätzliche administrative,

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wirtschaftliche und zeitliche Aufwand widerspricht dem eigentlichen Ziel des VO-E, für eine zügigere Abnahme und Bezahlung von Leistungen zu sorgen. Hinzu kommen neue inhaltliche Fragen zur Bezahlung direkter Unterauftrag-nehmer, die für eine Bezahlung von Bauleistungen bislang keine Rolle gespielt haben und zu Konflikten sowie weiteren Verzögerungen führen können: 

Erhält der Bauherr keinen Nachweis zur Bezahlung direkter Unterauftragnehmer oder liegen ihm Informationen über eine verspätete Zahlung an direkte Unterauftragnehmer des Bauunternehmens vor, muss der Bauherr unverzüglich die – vom Vorschlag neu eingeführte Durchsetzungsbehörde seines Mitgliedstaates darüber informieren (Art. 4 Abs. 2 VO-E). Unklar bleibt insbesondere, woher etwaige Informationen über eine verspätete Zahlung an direkte Unterauftragnehmer stammen sollen und welche Qualität diese Informationen haben müssen. Reicht die bloße Behauptung einer verspäteten Zahlung oder muss diese nachgewiesen werden? Wer entscheidet, ob die Informationen richtig sind?

Was ist, wenn das Bauunternehmen zu Recht nicht gezahlt hat, etwa weil der direkte Unterauftragnehmer nicht, nicht rechtzeitig oder nur mangelhaft geleistet hat?

Was ist, wenn der direkte Nachunternehmer (noch) keine Rechnung erstellt hat, die das Bauunternehmen bezahlen kann?

Unklar bleibt auch, ob und gegebenenfalls wann das Bauunternehmen bezahlt wird, falls dem Bauherrn Informationen über eine verspätete Zahlung an direkte Unterauftragnehmer des Bauunternehmens vorliegen. Insofern stellt sich auch die Frage nach Regressansprüchen des Bauunternehmens für wirtschaftliche Schäden, die entstehen, falls sich die Informationen als unrichtig erweisen.

Die vorgeschlagene Regelung des Art. 4 VO-E weist dem Bauherrn eine neue Doppelrolle zu: Einerseits bleibt der Bauherr verpflichtet, eine vertragsgemäß erbrachte Bauleistung zügig abzunehmen und zu bezahlen. Andererseits soll der Bauherr künftig auch noch zusätzlich prüfen, ob das Bauunternehmen nachgewiesen hat, alle direkten Unterauftragnehmer bezahlt zu haben.

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Probleme aus diesen Vertragsverhältnissen, etwa weil ein direkter Unterauftragnehmer seine Leistung möglicherweise nicht, nicht rechtzeitig oder nur mangelhaft geleistet oder (noch) keine Rechnung erstellt hat, werden so zum Prüfungsgegenstand einer Bezahlung des Bauunternehmens, obwohl diese Punkte möglicherweise inhaltlich sehr schwer zu klären sind und keine Aus-wirkung auf die dem Bauherrn vertragsgemäß erbrachte Leistung haben. Ohne erkennbaren Grund werden nur Bauunternehmen zusätzlich damit belastet, die Bezahlung ihrer direkten Unterauftragnehmer spätestens mit der Zahlungsaufforderung an den Bauherrn nachzuweisen. Allein ihnen entsteht der damit verbundene zusätzliche Aufwand und daraus etwaige zusätzliche Nachteile. Ebenfalls ohne erkennbaren Grund belastet der Vorschlag allein solche Bau-unternehmen zusätzlich, die für öffentliche Bauvorhaben tätig sind. Warum in dieser Gruppe nur solche Unternehmen zusätzlich belastet – und folglich benachteiligt – werden, die mit „direkten Unterauftragnehmern“ arbeiten, wird nicht begründet. Auch kleine und mittelständische Bauunternehmen arbeiten regelmäßig mit „direkten Unterauftragnehmern“ und wären so erfasst. Durch den VO-E erhalten beispielsweise solche Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, die bereits lange auf einem Markt tätig sind und selbst über ausreichende frühere Referenzen verfügen, um sich unmittelbar am Vergabeverfahren für das Bauvorhaben zu beteiligen. Benachteiligt werden all diejenigen Unternehmen, die sich im Wettbewerb auf neue Märkte begeben und dort nur mit Hilfe direkter Unterauftragnehmer tätig werden können, welche dem Bauunternehmen im Wege einer „Eignungsleihe“ bislang fehlende Referenzen zur Verfügung stellen. In Erwägungsgrund 14 des VO-E wird ausgeführt: „ … Vor allem bei öffentlichen Bauvorhaben werden Unterauftragnehmer oft nicht rechtzeitig vom Hauptauftragnehmer bezahlt, selbst wenn die öffentlichen Auftraggeber oder die Auftraggeber die vertraglich vereinbarten Zahlungen an sie geleistet haben, wodurch ein schädlicher Domino-Effekt in der Lieferkette entstehen kann. Es ist daher angebracht, dass die Auftragnehmer den … Auftraggebern Nachweise über die Zahlungen an ihre direkten Unterauftragnehmer vorlegen.“

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Belege für diese Auffassung, wie konkrete Fälle in Deutschland oder anderen Mitgliedstaaten sowie europaweite oder nationale Statistiken oder Umfragen, sind uns nicht bekannt. Des Weiteren sind uns auch keine konkrete Zahlen bekannt, dass Unterauftragnehmer „oft“ nicht rechtzeitig bezahlt werden, noch dass dies „vor allem bei öffentlichen Bauvorhaben“ vorkäme, insbesondere „selbst wenn“ öffentliche Bauherren die vertraglich vereinbarten Zahlungen an Bauunternehmen bereits geleistet haben. In der Praxis kommt es häufig vor, dass gerade öffentliche Bauherren Rechnungen später bezahlen als andere Kunden. Eine Umfrage der deutschen Creditreform aus dem Herbst 2023 bestätigt dies; als Anlage ist eine Übersicht zu dieser Umfrage beigefügt. Im Übrigen würde die in Erwägungsgrund 14 zum VO-E dargelegte Ansicht – Bauunternehmen würden Zahlungen öffentlicher Bauherren zu Unrecht nicht an Unterauftragnehmer weitergeben – unseres Erachtens jedenfalls nicht die Regelung des Art. 4 VO-E rechtfertigen, welche zur Folge hätte, dass Zahlungen öffentlicher Bauherren zukünftig noch später erfolgen können, nämlich erst nachdem nachgewiesen wurde, dass direkte Unterauftragnehmer bezahlt wurden. Selbst wenn eine „fehlende Weitergabe“ der Zahlungen an Unterauftragnehmer nicht nur in absoluten Ausnahmefällen vorkommt, rechtfertigt dies unserer Ansicht nach keine Verpflichtung des Bauunternehmens zur „Vorauszahlung“, bevor dieses selbst vom Bauherrn bezahlt wurde.

6. Konzept „grob nachteilig“ beibehalten und konkretisieren Wir plädieren dafür, den Begriff "grob nachteilig" beizubehalten und an dessen Definition anzusetzen bzw. diese zu präzisieren, so wie es auch die Ex-post-Bewertung der Zahlungsverzugsrichtlinie ausdrücklich empfohlen hat. Im Gegensatz zu einer Liste an verbotenen Klauseln erlaubt ein näher konkretisiertes Beurteilungskriterium „grob nachteilig“ einen besseren Umgang mit besonderen Konstellationen und Einzelfällen, die in einer Verbotsliste nicht adäquat erfasst werden können.

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7. Kein Bedürfnis für neue behördliche Überwachungs- und Durchsetzungsmechanismen Art. 13 VO-E verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, nationale Durchsetzungsbehörden zu benennen, die dann entsprechend Art. 14 VO-E mit hoheitlicher Gewalt bei Verstößen gegen die Verordnung vorgehen können und dabei u. a. Bußgelder verhängen sowie unangekündigte Untersuchungen durchführen können. Eine solche Praxis würde auf Unternehmensseite unnötigen Verwaltungsaufwand verursachen und erscheint für den angestrebten Zweck weder erforderlich noch angemessen. Dies wären systemfremde, erhebliche hoheitliche Eingriffe in privatrechtliche Rechtsbeziehungen, die einer besonderen Rechtfertigung bedürften, welche wir nicht als gegeben sehen. Die bestehenden privatrechtlichen Rechtsschutz- und Durchsetzungsmöglichkeiten haben sich als ausreichend erwiesen, so dass es keiner weiteren Durchsetzungsund Überwachungsmechanismen bedarf. Ebenso sind keine neuen Berichtspflichten von Unternehmen hinsichtlich ihrer Zahlungsstandards erforderlich, da bereits die Corporate Sustainability Reporting-Richtlinie eine zusätzliche Berichterstattung hierzu vorsieht. Des Weiteren sehen auch die geplanten EU-Regelungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verbindliche Offenlegungspflichten in Bezug auf die Zahlungspraxis von Unternehmen vor. In besonderen Problemkonstellationen, z. B. wenn ein marktbeherrschendes oder marktstarkes Unternehmen seine Marktmacht missbraucht und seine Vertragspartner durch besonders lange (oder kurze) Abnahme- und Zahlungsfristen benachteiligt, können derzeit bereits die nationalen und europäischen Kartellbehörden tätig werden; gemäß dem europäischem – und nationalem – Kartellrecht kann ein Missbrauch von Marktmacht insbesondere in der unmittelbaren oder mittelbaren Erzwingung unangemessener Einkaufs- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen bestehen. Zu „sonstigen Geschäftsbedingungen“ gehört insofern auch die Abnahme und Bezahlung vertraglicher Leistungen. Neben den bestehenden privatrechtlichen Durchsetzungsmechanismen, Stellen zur außergerichtlichen Streitbeilegung sowie den bereits bestehenden Aufsichtsbehörden mit entsprechenden Befugnissen bedarf es daher keiner weiteren neuen nationalen „Durchsetzungsbehörden“.

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Im Hinblick auf Art. 4 Abs. 2 VO-E würden sich zudem weitere Unklarheiten ergeben. Nach dieser Regelung muss der öffentliche Bauherr die neu zu schaffende nationale „Durchsetzungsbehörde“ unverzüglich informieren, wenn ihm entsprechende Informationen vorliegen, dass eine verspätete Bezahlung direkter Unterauftragnehmer vorliegt. Es ist insofern unklar, ob und gegebenenfalls wie ein öffentlicher Bauherr beurteilen soll, ob ihm vorliegende Informationen zu einer verspäteten Bezahlung direkter Unterauftragnehmer richtig sind. Des Weiteren ist unklar, wie ein konkretes Entscheidungsverfahren der „Durchsetzungsbehörde“ – diese hätte innerhalb einer „angemessenen Frist“ zu entscheiden – ausgestaltet wäre. Dies betrifft nicht nur die Frage von konkreten Verfahrensfristen, sondern auch der Verfahrensbeteiligung und Beurteilungsmaßstäbe; allein nach Aktenlage wird es kaum möglich sein, zu entscheiden. Unklar ist insofern, ob Beweise erhoben, Ortstermine durchgeführt sowie Sachverständige und Zeugen angehört werden sollen, wie es sonst vor einem Gericht üblich wäre, und welche Verfahrensregeln dafür gelten. Unklar wäre zudem, in welchem Verfahren und mit welcher Frist das Bauunternehmen eine etwaige Entscheidung der nationalen „Durchsetzungsbehörde“ überprüfen lassen kann. Auch welche Folgen dies auf die nach Art. 4 Abs. 1 VO-E geforderten Zahlungsnachweise an den öffentlichen Bauherrn und dessen daran geknüpfte Bezahlung des Bauunternehmens hätte bedürfte näherer Regelung. Die vorgeschlagenen neuen „Durchsetzungsbehörden“ würden im Ergebnis die Bezahlung von Bauunternehmen durch öffentliche Bauherren verzögern. Dies widerspricht dem eigentlichen Ziel des VO-E, Leistungen zügig abzunehmen und zu bezahlen. Im Übrigen bestünden auch rechtsstaatliche Bedenken im Hinblick auf den Gewaltenteilungsgrundsatz, wenn Verwaltungsbehörden (Exekutive) verbindlich darüber entscheiden, ob und gegebenenfalls wann Vertragspartner eine Vertragsleistung abnehmen und bezahlen müssen. Eine solche Entscheidung ist in einem Streitfall eine Aufgabe der staatlichen Gerichte (Judikative) oder einer – von den Vertragspartnern freiwillig in Anspruch genommenen – außergerichtlichen Streitlösung. Etwaige „Durchsetzungsbehörden“ hätten als Teil der Exekutive hingegen die Aufgabe, die von den staatlichen Gerichten für vollstreckbar erklärten Entscheidungen durchzusetzen.

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Kommissionsentwurf für eine Zahlungsverzugsverordnung

8. Kein Bedürfnis für eine Verbandsklagebefugnis Eine Erweiterung von Klage- und Vertretungsbefugnissen ist nicht erforderlich: Es bestehen bereits hinreichende rechtsstaatliche Möglichkeiten in Form von Mahnverfahren und zivilrechtlichen Klagen, welche aus unserer Sicht angemessen und ausreichend sind. Es ist aber zudem nicht nachvollziehbar, warum eine Leistung hinsichtlich der Durchsetzungsmöglichkeiten durch Organisationsklageberechtigung und andere Beitreibungsverfahren privilegiert sein soll, wenn sie eine Geldleistung betrifft. Denn das Leistungsinteresse des Gläubigers ist in diesem Falle nicht schützenswerter als das Leistungsinteresse an einer ordnungsgemäßen Gegenleistung (Lieferung oder Leistung im Austauschvertrag). Die Durchsetzbarkeit dieser Gegenleistung ist aber regelmäßig aufgrund der mit ihr verbundenen erhöhten faktischen Nachweisschwelle schon heute zivilprozessual ungleich schwieriger als die Durchsetzung einer (einfachen) Geldschuld.

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Kommissionsentwurf für eine Zahlungsverzugsverordnung

Über den BDI Der BDI transportiert die Interessen der deutschen Industrie an die politisch Verantwortlichen. Damit unterstützt er die Unternehmen im globalen Wettbewerb. Er verfügt über ein weit verzweigtes Netzwerk in Deutschland und Europa, auf allen wichtigen Märkten und in internationalen Organisationen. Der BDI sorgt für die politische Flankierung internationaler Markterschließung. Und er bietet Informationen und wirtschaftspolitische Beratung für alle industrierelevanten Themen. Der BDI ist die Spitzenorganisation der deutschen Industrie und der industrienahen Dienstleister. Er spricht für 40 Branchenverbände und mehr als 100.000 Unternehmen mit rund acht Mio. Beschäftigten. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. 15 Landesvertretungen vertreten die Interessen der Wirtschaft auf regionaler Ebene. Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Lobbyregisternummer: R000534 Ansprechpartner Sebastian Freimuth Referent, Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik Telefon: +493020281455 S.Freimuth@bdi.eu Dr. Stefanie Espitalier Senior Manager, Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik Telefon: +3227921010 S.Espitalier@bdi.eu BDI Dokumentennummer: D1857

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