I. Vorwort der Vorsitzenden des Forums #Zukunftsstrategie
II. Executive Summary
III. Einordnung der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation
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IV. Erfahrungen mit dem neuen Politikansatz der Zukunftsstrategie und daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen
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V. Schlusswort
VI. Anlagen: Zukunftsbilder aus den Missionen
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I. Vorwort der Vorsitzenden des Forums #Zukunftsstrategie
In einer Welt voller großer Herausforderungen – vom Klimawandel bis zu geopolitischen Verschiebungen und Kriegen – hat die Bundesregierung 2023 die “Zukunftsstrategie Forschung und Innovation” verabschiedet. Deutschland als größte europäische Volkswirtschaft mit einer einzigartigen Forschungslandschaft kommt eine Schlüsselrolle zur Bewältigung der Krisen zu. Dazu bedarf es auch einer Stärkung der Innovationskraft der Wirtschaft, die eine tiefgreifende Transformation bewältigen muss, sowie sozialer Innovationen in der Zivilgesellschaft. Mit der “neuen” Missionsorientierung der Zukunftsstrategie und einer insgesamt agileren Forschungs- und Innovationspolitik sollten Antworten auf die vorgenannten Herausforderungen gegeben werden.
Als Vorsitzende des Begleitgremiums der Zukunftsstrategie, dem sogenannten Forum #Zukunftsstrategie, haben wir zusammen mit 18 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und zivilgesellschaftlichen Organisationen den Auftrag angenommen, die Bundesregierung in der Umsetzung ihrer Strategie zu beraten und zu unterstützen. Uns war bewusst, dass die Einführung agiler Methoden und ressortübergreifender Zusammenarbeit auf unterschiedlichen Hierarchieebenen einen langfristigen Kulturwandel bedeutet und mitunter Geduld erfordern würde. Zum (vorläufigen) Ende des Strategieprozesses müssen wir dennoch feststellen, dass es bisher nicht gelungen ist, mit der Umsetzung des neuen Politikansatzes genug Kräfte für die Entfachung des Innovationsgeschehens freizusetzen. Im Umsetzungsprozess zeigten sich vielfältige Hemmnisse und strukturelle Defizite, die die Entfaltung der Potentiale missionsorientierter Politik und jener ressortübergreifender Zusammenarbeit für eine veränderte FuI-Politik maßgeblich verlangsamt haben.
Prof.‘in Dr. Tanja Brühl Präsidentin
Technische Universität Darmstadt
Gleichwohl bestärken wir alle individuellen Kräfte in den Ministerien sowie die kommende Bundesregierung nachdrücklich darin, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Es gilt, die vor uns liegenden Herausforderungen entschlossen und kraftvoll mit einer Strategie für Forschung und Innovation anzugehen. Wissenschaft und Forschung sind entscheidend für die Stärkung der Innovationsfähigkeit unseres Landes. Sie leisten einen wesentlichen Beitrag für Resilienz in allen gesellschaftlichen Bereichen. Nur ein innovatives, wettbewerbsfähiges und resilientes Deutschland kann seiner Rolle und Verantwortung in Europa und in globalen Zusammenhängen angesichts einschneidender geopolitischer Verschiebungen gerecht werden. Dazu braucht es gute und förderliche Rahmenbedingungen für Forschung und Innovation. Die in der Zukunftsstrategie angelegten Veränderungen waren ein erster Impuls, diese Rahmenbedingungen zu verändern. Dieser Impuls sollte in kommenden Legislaturperioden konsequent weiterverfolgt werden, um zu grundlegend und nachhaltig veränderten Voraussetzungen für Forschung und Innovation in Deutschland zu gelangen. Es braucht in Zukunft eine fokussierte, an wenigen klar umrissenen Missionen orientierte FuI-Strategie. Die Erfahrungen mit dem Umsetzungsprozess der Zukunftsstrategie können dabei helfen, die Ausgestaltung einer solchen Strategie so anzugehen, dass sie ihre volle Wirksamkeit entfalten kann.
Unsere auf unseren Erfahrungen mit der Zukunftsstrategie beruhenden Empfehlungen legen wir als die 21 Mitglieder des Begleitgremiums Forum #Zukunftsstrategie mit diesem Reflexionsbericht vor.
Dr. Wolfgang Rohe Vorsitzender der Geschäftsführung Stiftung Mercator GmbH
Prof. Dr.-Ing. Siegfried Russwurm
Vizepräsident Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI)
II. Executive Summary
Mit dem Reflexionsbericht “Zukunft braucht Strategie” legen die 21 Mitglieder des Forums #Zukunftsstrategie ihre Empfehlungen zur zukünftigen Ausgestaltung einer Strategie für Forschung und Innovation in Deutschland vor. Diese Empfehlungen basieren auf den Erfahrungen der Mitglieder im Umsetzungsprozess der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation der Bundesregierung in der 20. Legislaturperiode.
Um mit einer FuI-Strategie nachhaltig wirksame Impulse für eine Stärkung der Innovationskraft Deutschlands zu erzielen, sind fünf Empfehlungen wesentlich:
1. Gesamte Bundesregierung hinter einer FuIStrategie versammeln und unter Berücksichtigung der gemachten Erfahrungen missionsorientiert fortsetzen: Eine künftige Strategie für Forschung und Innovation darf nicht nur das Anliegen eines federführenden Ressorts sein, sondern muss als echte Priorität von der gesamten Regierung getragen und verantwortet werden. Wesentliches Merkmal der Strategie muss die konsequente Umsetzung einer Missionsorientierung in Formulierung und Umsetzung sein. Dazu sollten die spezifischen Erfahrungen und Empfehlungen aus vorangegangenen Strategieprozessen ausdrücklich berücksichtigt werden.
Eine Missionsorientierung impliziert notwendigerweise eine Fokussierung der FuI-Politik auf durch die Missionen definierte Themenfelder. Einer solchen Fokussierung in den Missionen ist eine Fokussierung zur Umsetzung notwendiger Finanzmittel kongruent zur Seite zu stellen.
2. Missionen thematisch und inhaltlich umsetzungsorientiert fokussieren und auf kleinere Anzahl beschränken: In einer FuI-Strategie definierte Missionen sind klar umrissen zu formulieren. Die in der Zukunftsstrategie erfolgte Gleichsetzung von politischen Zielvorstellungen auf dem Abstraktionsniveau großer Transformationsaufgaben (z.B. “Gesundheit für alle verbessern”) mit ergebnisorientierten Missionen ist für deren erfolgreiche Bearbeitung nicht zielführend und daher zu vermeiden. Zu Beginn einer Strategie muss eine handhabbare Zahl an fokussierten Zielen priorisiert werden. Für diese
Ziele sollten spezifische Maßnahmen zur Zielerreichung definiert und ergriffen werden. Sowohl für die Gesamtstrategie als auch für die Erreichung spezifischer Ziele sind zu Beginn des Umsetzungsprozesses konkrete Meilensteine (in Form einer Roadmap) und Verantwortlichkeiten festzulegen.
3. Eingeschlagenen Weg beim Aufbrechen von Silos fortsetzen, Missionsteams stärken: Eine intensivierte inter- und intraministerielle Zusammenarbeit ist entschlossen weiterzuverfolgen. Mit einer Strategieumsetzung beauftragte Missionsteams brauchen starke und klare Handlungsvollmachten. Dies gelingt durch Stärkung ihrer Autonomie sowie durch angemessene zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen.
4. Rollen und Verantwortlichkeiten von Beginn an klären: In Ausgestaltung und Umsetzung einer FuI-Strategie sind führende Wissenschaftler:innen, Ministerien auf Leitungsebene und Stakeholder mit eindeutigen Rollen und Mandaten einzubinden. Agilität von Strukturen und Arbeitsweisen ist zu verbinden mit einer klaren Definition von Rollen und Verantwortlichkeiten der am Prozess beteiligten Akteur:innen. Diese sind zu Beginn des Prozesses transparent zu kommunizieren.
5. Akteure im Innovationssystem einbinden und zum Handeln bewegen: Stakeholder aus dem Außenraum sollen frühzeitig und kontinuierlich im Strategieprozess und an dessen verschiedenen Umsetzungselementen sowie Formaten (z.B. Initiativen oder Projekte) beteiligt werden. Die Beteiligung ist über alle relevanten Gruppen und Ökosysteme zu organisieren. Die Umsetzung einer FuI-Strategie ist durch eine differenzierte Kommunikationsstrategie zur Information und Beteiligung der breiten Öffentlichkeit zu begleiten.
III. Einordnung der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation
Das Bundeskabinett hat am 8. Februar 2023 die „Zukunftsstrategie Forschung und Innovation“ beschlossen. Dem Beschluss war erstmals eine im Oktober 2022 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ausgehende Stakeholderbeteiligung (Gelegenheit zur Stellungnahme zum Entwurf) vorausgegangen. Mit der Zukunftsstrategie beabsichtigte die Bundesregierung, ihre Forschungs- und Innovationspolitik bis 2025 neu auszurichten. Als ressortübergreifende Strategie löste sie die „HightechStrategie 2025“ der vorausgehenden Legislaturperiode ab. Das BMBF fungierte als federführendes Ressort.
Nach der Bundestagswahl 2021 hatten SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP in ihrem Koalitionsvertrag sechs Zukunftsfelder benannt, die sie mit der Zukunftsstrategie missionsorientiert adressieren wollten:
● Ressourcenbewusstes Wirtschaften, saubere Energie und nachhaltige Mobilität
● Klimaschutz und Bewahrung der Artenvielfalt (Biodiversität)
● Gesundheitsversorgung für alle verbessern
● Technologische Souveränität Deutschlands und Europas sichern und Potenziale der Digitalisierung nutzen
● Weltraum und Meere nachhaltig nutzen
● Gesellschaftliche Resilienz, Diversität und Zusammenhalt stärken
In der Zukunftsstrategie wurden diese Zukunftsfelder in sechs Missionen mit 30 Teilmissionen übersetzt. Den Missionen wurden 188 Ziele für ihre Erreichung zugeordnet. Ferner griff die Strategie vor dem Hintergrund der Gleichzeitigkeit der damaligen und teils andauernden Krisen und Herausforderungen (Klimakrise, Corona-Pandemie, Digitalisierung, internationaler Systemwettbewerb, Überfall Russlands auf die Ukraine) innovations- und forschungspolitische Handlungsfelder heraus (u.a. Innovationsförderung und Transfer sowie die Stärkung des Gründungsgeschehens) und benannte notwendige Veränderungen, die mit der Zu-
kunftsstrategie erreicht werden sollen. Diese Handlungsfelder fungierten in der Zukunftsstrategie unter dem Label “Querschnittsthemen”. In Summe wurden sechs solcher Themen benannt und um breite Zielbilder und Perspektiven für eine Weiterentwicklung der FuI-Politik ergänzt.
Mit den aus der Analyse der Vorgängerstrategie abgeleiteten Umsetzungs- oder Verbesserungsvorschlägen ebenso wie angesichts der akuten Herausforderungen erforderlichen Impulse wollte die Zukunftsstrategie neuen Wind in die Forschungs- und Innovationspolitik bringen. So führte sie beispielsweise Elemente wie ressortübergreifende Missionsteams, die Gestaltung der Zukunftsstrategie als lernende Strategie, Hackathons und Challenges sowie die bessere Verknüpfung der Innovationspolitik mit anderen Politikfeldern in ihr Konzept ein.
Zur Unterstützung der Umsetzung der Strategie berief das BMBF im August 2023 das 21-köpfige Beratungsgremium „Forum #Zukunftsstrategie“. Unter dem Vorsitz von Prof.‘in Dr. Tanja Brühl (Präsidentin der TU Darmstadt), Dr. Wolfgang Rohe (Vorsitzender der Geschäftsführung der Stiftung Mercator) sowie Prof. Dr.-Ing. Siegfried Russwurm (Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie 2021-2024) sollten seine weiteren 18 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft die „Umsetzung und Weiterentwicklung der Zukunftsstrategie eng begleiten und sowohl die Bundesregierung zu forschungs- und innovationspolitischen Themen beraten als auch die Missionsteams fachlich und strategisch unterstützen.“ (Quelle: BMBF, Briefing Forum #Zukunftsstrategie, August 2023).
Die in der Planung bis zu 15 Mitglieder starken Missionsteams vereinigten ressortübergreifend Vertreter:innen aus den Arbeitsebenen all der Ministerien, welche sich für ein Zukunftsfeld in der Zukunftsstrategie zuständig fanden. Ihnen kam die Aufgabe der Umsetzung der sechs Missionen zu. Je drei Mitglieder des Forums #Zukunftsstrategie sollten je eine Mission und das zugehörige Missionsteam der Zukunftsstrategie als fachliche Patinnen und Paten beraten.
Um diese Aufgabe zu erfüllen, hat sich das Forum #Zukunftsstrategie unter anderem in diversen selbstorganisierten Arbeitstreffen abgestimmt, seine Empfehlungen zur Umsetzung der Zukunftsstrategie in nachfolgenden Forumssitzungen mit der BMBF-Hausleitung vorgetragen und im Plenum unter teilweiser Teilnahme von Mitgliedern aus den Missonsteams diskutiert.
Das federführende BMBF übernahm die Prozessbegleitung der Strategie. Hierbei wurde es durch ein von ihm beauftragtes „Projektbüro“ der Projektträger VDI/ VDE-IT und PT Jülich unterstützt. Dieses sollte auch organisatorische und inhaltliche Aufgaben für die Missionsteams und das Forum #Zukunftsstrategie übernehmen.
Mit dem Bruch der Regierungskoalition am 6. November 2024 kam auch die Arbeit der Zukunftsstrategie und seines Begleitgremiums zu einem Ende.
Mit dem vorliegenden Reflexionsbericht legt das Forum #Zukunftsstrategie als unabhängiges Beratungsgremium seine Erfahrungen und Empfehlungen mit dem neuen Politikansatz und seiner Umsetzung durch die Bundesregierung vor. Die Empfehlungen fokussieren darauf, wie die Formulierung und Umsetzung einer ressortübergreifenden und missionsorientierten Strategie für Forschung und Innovation in kommenden Legislaturperioden so ausgestaltet werden kann, dass ihre Potentiale möglichst umfänglich gehoben werden können.
Bundestagswahl Verabschiedung Zukunftsstrategie
Erstes Treffen Forum #Zukunftsstrategie
Verbändeanhörung Berufung Forum #Zukunftsstrategie
Vernetzungsveranstaltung im BMBF Bruch der Regierungskoalition
Abbildung 1 stellt die wesentlichen Meilensteine in der Umsetzung der Zukunftsstrategie aus Sicht des Forums #Zukunftsstrategie dar.
Mitglieder des Forums #Zukunftsstrategie
VORSITZ
MISSION 1
Ressourceneffiziente und wettbewerbsfähige und auf kreislauffähiges Wirtschaften ausgelegte Industrie und nachhaltige Mobilität ermöglichen
Prof.‘in Dr. Tanja Brühl Technische Universität Darmstadt
Dr. Wolfgang Rohe Stiftung Mercator GmbH
Prof. Dr.-Ing. Siegfried Russwurm Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI)
Prof.‘in Dr.-Ing Christine Ahrend Technische Universität Berlin
Dr.‘in Alexandra Dehnhardt Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (gemeinnützig)
Dr. Helmut Winterling BASF SE
MISSION 2
Klimaschutz, Klimaanpassung, Ernährungssicherheit und Bewahrung der Biodiversität voranbringen
MISSION 3
Gesundheit für alle verbessern
MISSION 4
Digitale und technologische Souveränität Deutschlands und Europas sichern und Potentiale der Digitalisierung nutzen
MISSION 5
Raumfahrt stärken; Weltraum und Meere schützen, erforschen und nachhaltig nutzen
Prof. Dr. Ottmar Edenhofer Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) e. V.
Prof. Dr. Frank Ewert Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V.
Dr. Christian Wirth Universität Leipzig
Prof. Dr. med. Wolfgang Hoffmann, MPH Universitätsmedizin Greifswald
Dr. med. Benedikt Westphalen Medizinische Klinik und Poliklinik III, LMU Klinikum
Prof.‘in Dr. Irene Bertschek ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim
Dr. Stefan Joeres
Robert Bosch GmbH
Verena Pausder Deutscher Start-up-Verband e. V.
Prof.‘in Dr. Antje Boetius Alfred-Wegner-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI)
Prof. Dr. Günther Hasinger Deutsches Zentrum für Astrophysik
Dr.‘in Anke Pagels-Kerp Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR)
Paulina Fröhlich
Das Progressive Zentrum e. V.
MISSION 6
Gesellschaftliche Resilienz, Vielfalt und Zusammenhalt stärken
Dr. Axel Salheiser Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft
Prof. Dr. Andreas Zick Universität Bielefeld
IV. Erfahrungen mit dem neuen Politikansatz der Zukunftsstrategie und daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen
Die Erfahrungen und Empfehlungen, die die Mitglieder des Forums #Zukunftsstrategie mit dem neuen Politikansatz und seiner Umsetzung gemacht haben, sollen in fünf Spannungsfeldern skizziert werden. Diese spannen jeweils einen Bogen von den mit der Zukunftsstrategie verfolgten Ambitionen einer grundlegenden Neuausrichtung der Forschungs- und Innovationspolitik in Deutschland hin zu den in der Umsetzung beobachteten Herausforderungen. Aus Sicht des Forums #Zukunftsstrategie sollten folgende Spannungsfelder für eine künftige FuI-Strategie behoben und Änderungen herbeigeführt werden:
● Das strategische Bekenntnis zu Missionsorientierung und ressortübergreifender Zusammenarbeit konsequent umsetzen
● Ziele in komplexen Realitäten von Anfang an priorisieren und fokussieren
● Den Status Quo verändern – Klare Zukunftsperspektiven entwickeln und vorantreiben
● Agilität ermöglichen – Rollen klären und starre Strukturen verlassen
● Kommunikation und Beteiligung stärken – Den Blick nach innen mit der Expertise von außen verbinden
Das Forum #Zukunftsstrategie empfiehlt insgesamt, zu einer weiterentwickelten strategischen Ausrichtung der Forschungs- und Innovationspolitik dezidiert die Empfehlungen aus den Analysen der Hightech-Strategien und der Zukunftsstrategie einfließen zu lassen.
SPANNUNGSFELD 1
Das strategische Bekenntnis zu Missionsorientierung und ressortübergreifender Zusammenarbeit konsequent umsetzen
Die Ausgangssituation in der Zukunftsstrategie
Zur Umsetzung der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation wurden ressortübergreifende Missionsteams eingerichtet. Diese Teams setzen sich aus bis zu 15 Vertreter:innen aus verschiedenen Ressorts der Bundesregierung zusammen. In der Hierarchie der einzelnen Häuser sind die Beteiligten auf der Ebene von Referent:innen oder Referatsleitungen verortet. Die Missionsteams etablierten Formate zur regelhaften Zusammenarbeit und erprobten agile Kollaborationsformen.
Mit diesen ressortübergreifenden Missionsteams wurde eine grundlegende Veränderung der interministeriellen Zusammenarbeit in der Bundesregierung erprobt. Sie ist die logische Konsequenz zur Umsetzung einer missionsorientierten Politik. Bestehende drängende Transformationsaufgaben können nur durch ein abgestimmtes systemisches und synergetisches Politikhandeln bearbeitet werden. Die Bearbeitung von großen Zukunftsaufgaben erfordert notwendigerweise, dass eine mit dem Ressortprinzip einhergehende Silomentalität innerhalb der Bundesregierung aufgebrochen und neue Kooperationsmechanismen dauerhaft etabliert werden.
Unsere Erfahrung
Die Etablierung von Missionsteams stellt eine begrüßenswerte qualitative Veränderung der Zusammenarbeit zwischen den Ressorts dar (vgl. EFI 2024).
In der Umsetzung der Zukunftsstrategie in der zu Ende gehenden Legislatur war gleichwohl eine Diskrepanz zwischen strategischem Anspruch und realer Ausgestaltung zu beobachten.
Dies begründet sich darin, dass die Etablierung neuer Kooperationsformen und -formate erhebliche Ressourcen der Beteiligten gebunden hat. Ressourcen waren erforderlich, um notwendige organisationale Veränderungen umzusetzen, persönliche Beziehungen zu etablieren und Anpassungen an veränderte Arbeitsweisen und eine veränderte Arbeits- und Organisationskultur nachzuvollziehen. Eine umfassende Wirksamkeit und Wirkmächtigkeit des neuen Instruments von Missionsteams zur ressortübergreifenden Zusammenarbeit kann daher erst in mittelfristiger Perspektive erwartet werden.
Außerdem bestanden in der Umsetzung der Zukunftsstrategie Zustimmungserfordernisse innerhalb der ministeriellen Linienorganisation fort. Die Mitglieder der Missionsteams und die Missionspat:innen waren ob ihrer unterschiedlichen Verortung in den Hierarchien der Herkunftsinstitutionen mit unterschiedlichen Handlungsvollmachten ausgestattet. Der ausgeprägte Gestaltungswille und im eigenen Handeln mögliche Gestaltungsspielraum der Pat:innen trifft in der aktuellen Ausgestaltung auf sehr beschränkte Befugnisse der Missionsteams sowie ein unklares Mandat. In Summe war so die Entfaltung von Potentialen agiler und ressortübergreifender Kooperation ebenso wie jener der Kooperation mit externen Expert:innen erschwert.
Unsere Empfehlungen
● Die veränderte intensivierte Zusammenarbeit zwischen den Ressorts gilt es fortzusetzen. Der damit eingeleitete Kulturwandel ist ebenso konsequent weiterzuverfolgen (vgl. auch Kaschke et al. 2025).
● Eine missionsorientierte und ressortübergreifende Zusammenarbeit bedarf im Sinne eines wholeof-government Ansatzes einer konsequenten Unterstützung durch die gesamte Bundesregierung. Der neue Politikansatz muss willentlich und entschlossen durch die Hausspitzen aller beteiligten Häuser und die jeweils involvierten Leitungsebenen unterstützt werden.
● Missionsteams sind in ihrer Rolle zu stärken. Dazu sollten ihnen umfassende Handlungsvollmachten erteilt werden.
→ Mitglieder der Missionsteams sind in ihrer Autonomie zu stärken. So können sie bisher Unbekanntes ausprobieren und Initiativen kooperativ mit Vertreter:innen aller Häuser und Missionstpat:innen weiterentwickeln. Ein solches Vorgehen kann auch dazu beitragen, Imbalancen zwischen Mitgliedern der Missionsteams und Missionspat:innen mit Blick auf die hierarchische Verortung in den Herkunftsorganisationen abzufedern.
→ Zur Stärkung der Entscheidungsfreiheit und Ausweitung der Entscheidungskompetenzen vonMitgliedern in Missionsteams trägt auch die Bereitstellung ausreichender personeller, zeitlicher und budgetärer Ressourcen für die Missionsteams bei (vgl. EFI 2024). Diese Unterstützung gilt es in der weiteren Ausgestaltung ressortübergreifender Zusammenarbeit initial mitzudenken und nachhaltig umzusetzen.
→ Die Interaktion innerhalb von Missionsteams ebenso wie mit weiteren beteiligten externen Akteur:innen sollte durch die Implementierung eines für alle friktionsfrei in eigene Arbeitsabläufe (und Anforderungen an die in den Ministerien erforderliche Dokumentation (“Veraktung”)) integrierbares technisches Tool befördert werden.
→ Der Missionsorientierung in der Gestaltung der Forschungs- und Innovationspolitik kann durch ihre Berücksichtigung beim Zuschnitt von Ressorts stärker Rechnung getragen werden. Diese Option wird bereits verschiedentlich öffentlich diskutiert. Eine Abbildung der gesamten Innovationskette von der Grundlagenforschung bis zur Ausgründung und Anwendung in der unternehmerischen Praxis kann im besten Sinne zu Synergieeffekten und geschlossenen Förderketten über TRL-Stufen hinweg führen.
SPANNUNGSFELD 2
Ziele in komplexen Realitäten von Anfang an priorisieren und fokussieren
Die Ausgangssituation in der Zukunftsstrategie
Die Zukunftsstrategie bildet mit der Vielzahl ihrer Missionen, Teilmissionen und Ziele die Komplexität der in Deutschland und Europa zu adressierenden Transformationsaufgaben ab. Weitere Strategien und strategieähnliche Maßnahmen der Bundesregierung sind ergänzend Teil des Referenzrahmens der Zukunftsstrategie.
Die Missionen sind sehr umfassend angelegt und auf durchgehend hohem Abstraktionsniveau angesiedelt. Die Ziele der Strategie sind unterschiedlich konkret gefasst und nehmen unterschiedlich umfassende Veränderungsbedarfe in den Blick. Einige könnten durch einzelne Politikmaßnahmen erreicht werden. Andere Ziele hingegen erfordern die Entwicklung neuer strategischer Zugänge und die Kooperation nicht nur innerhalb der Ressorts der Bundesregierung, sondern mit weiteren Akteur:innen im Mehrebenensystem der Europäischen Union sowie darüber hinaus im internationalen Raum.
Die in der Zukunftsstrategie skizzierten Ziele und die ebenfalls aufgespannten Querschnittsthemen mit Blick auf die Forschungs- und Innovationspolitik in Deutschland allgemein sind nur in Ansätzen miteinander verzahnt dargestellt, gegenseitige Bedingungen und Synergien bleiben weitgehend im Abstrakten.
Unsere Erfahrung
Die Abbildung von Komplexität der aktuellen Transformationsaufgaben in der Zukunftsstrategie ist ein Alleinstellungsmerkmal und eine beachtliche Leistung zur Systematisierung. Diese Komplexität, ebenso wie die mit ihr einhergehende Abstraktion, ist allerdings gleichzeitig auch eine substantielle Herausforderung für eine gelingende und effektive Umsetzung. Mit solch einem umfassenden Geltungsbereich und -anspruch leidet die Klarheit hinsichtlich spezifischer Umsetzungsschritte.
Das eigentliche Ziel des Strategieprozesses ist die Entwicklung von Maßnahmen zur erfolgreichen Umsetzung der in der Strategie definierten Ziele. Die Breite der Missionen der Zukunftsstrategie und ihr umfassender Geltungsanspruch erschweren die Formulierung spezifischer und konkret umsetzbarer Ziele – mit der Konsequenz der bereits skizzierten unterschiedlichen Abstraktionsniveaus auf der Zielebene. Um schließlich von der Identifikation und Beschreibung von Zielen
hin zu Maßnahmen zur Zielerreichung zu gelangen, bedarf es einer Auswahl und Priorisierung von Zielen zu Beginn des Prozesses. Sollen konkrete und auch im Außenraum wahrnehmbare Schritte für neue oder veränderte FuI-Maßnahmen eingeleitet werden, müssen notwendigerweise einige Ziele prioritär bearbeitet und andere auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.
In der Zukunftsstrategie liegen Ownership und Umsetzungsverantwortung für individuelle Ziele bei unterschiedlichen Ressorts der Bundesregierung. Dies erschwert eine Priorisierung von Zielen erheblich. Der Erfolg der Beteiligung eines Ressorts am Umsetzungsprozess der Zukunftsstrategie wird maßgeblich über die Erreichung eigener Ziele bewertet. Dadurch fokussiert der Blick auf Ziele in der jeweils individuellen Zuständigkeit statt auf Ergebnisse in Umsetzung der Gesamtstrategie, die durch Priorisierung erreicht werden können. Zur Zielpriorisierung ist zudem eine ressortübergreifende Abstimmung und schließlich eine konsensuale Entscheidung erforderlich, da dem federführenden Ressort Möglichkeiten strategischer Steuerung und Weisungsbefugnis jenseits des eigenen Ressorts fehlen.
Neben der Priorisierung von Zielen ist die Definition von Meilensteinen zu deren Erreichung ein weiteres wesentliches Element für den Erfolg einer Strategie. Umsetzungsimpulse und spezifische Maßnahmen sind zwar aus der Zukunftsstrategie abzuleiten, nicht aber in dieser selbst umfassend dargestellt. Es ist also ein wesentlicher Schritt der Umsetzung, für zu Beginn priorisierte Ziele umsetzbare und wirksame Ansätze und Maßnahmen zur Zielerreichung zu erarbeiten und anschließend deren effiziente Umsetzung voranzutreiben. Im Prozess zur Umsetzung der Zukunftsstrategie wurde eine Roadmap für die Umsetzung für die Strategie in ihrer Gesamtheit erst auf Anregung des Forums #Zukunftsstrategie und mit nicht unerheblichem zeitlichen Abstand zur Strategie selbst vorgelegt. Für einzelne Ziele der Strategie konnte eine Definition von Milestones zur Zielerreichung bis zum Ende des Prozesses nicht erarbeitet werden.
Unsere Empfehlungen
● Die Missionen einer FuI-Strategie sollten fokussierter formuliert werden, um eine Ableitung von Teilmissionen und konkreten Zielen zu erleichtern.
● Zu Beginn des Umsetzungsprozesses einer Strategie muss eine handhabbare Zahl an Zielen priorisiert werden. Für diese Ziele können in Folge spezifische Maßnahmen zur Zielerreichung definiert sowie wirksam und mit sichtbarem Erfolg umgesetzt werden.
● Eine Änderung und Streichung von Zielen sollte einfacher möglich sein; Zustimmungserfordernisse in der Hierarchie umfassend reduziert und vereinfacht werden. Dies trägt dem Gedanken einer agilen, sich an verändernde Rahmenbedingungen anpassenden Strategie Rechnung.
● Eine Roadmap zur Umsetzung der Gesamtstrategie sollte künftig unmittelbar mit der Strategie selbst vorgelegt werden, um sicherzustellen, alle Beteiligten zum Handeln zu motivieren und Verzögerungen durch (Selbst)organisationsprozesse zu reduzieren.
● Auch für einzelne Ziele der Strategie ist die Definition von Milestones wichtig, zu denen die für die Zielerreichung als erforderlich identifizierten Maßnahmen zu initiieren und umzusetzen sind. Auch hier sollte das Instrument des Roadmappings zum Einsatz kommen, um Erwartungssicherheit für alle handelnden und beteiligten Akteur:innen und Akteursgruppen herzustellen.
● Mit Blick auf die in einer Strategie etwaig formulierten Querschnittsthemen für die Forschungs- und Innovationspolitik in Deutschland sollte gelten: Diese Querschnittsthemen sind zu konkretisieren und mit den Zielen in den Missionen der Strategie zu verknüpfen. Eine Reduktion und Integration der Querschnittsthemen und der Anzahl und Konkretisierung der Missionen macht sie bearbeitbar und umsetzbar. So können spezifische Handlungsempfehlungen und Veränderungsimpulse abgeleitet werden und in Form von spezifischen Roadmaps eine Umsetzung initiiert werden.
● Partizipative Elemente und die substantielle und wirksame kontinuierliche Beteiligung von Stakeholdern in der Zielpriorisierung, ebenso wie im Roadmapping und Monitoring, tragen wesentlich zu Akzeptanz und Erfolg einer FuI-Strategie bei. Die Bereitschaft zu eigenem Handeln steigt, wenn Milestones und Maßnahmen kollaborativ erarbeitet wurden und Erfolge in der Umsetzung sichtbar werden. Ownership erzeugt Verbindlichkeit und (Mit-) Verantwortung an Umsetzung und Ergebnis. Gemeinsame Prozesse sollten punktuelle Konsultationen ablösen.
● Zur Umsetzung einer missionsorientierten FuIStrategie der Bundesregierung braucht es das inhaltlich und zeitlich aufeinander abgestimmte Handeln aller beteiligten Ressorts. Dazu sollte eine mit klaren Befugnissen ausgestattete, übergeordnete koordinierende Stelle in der Bundesregierung eingerichtet werden. Eine solche Stelle kann etwaige Blockaden in der Kooperation erkennen und beheben (vgl. zu dieser Empfehlung auch EFI 2024). Die Priorisierung von Zielen und eine fokussierte Umsetzung werden erleichtert.
SPANNUNGSFELD 3
Den Status Quo verändern – Klare Zukunftsperspektiven entwickeln und vorantreiben
Die Ausgangssituation in der Zukunftsstrategie
Die Zukunftsstrategie ist getragen vom Anspruch, die Komplexität der vor Deutschland und Europa liegenden Transformationsaufgaben umfassend abzubilden. Sie sollen durch die Darstellung von Missionen und in diesen Missionen definierten Zielen bearbeitbar gemacht werden. Eine systematische Bestandsaufnahme des Status Quo ist eine wesentliche Grundlage, um den Blick auf Veränderungen nach vorne richten zu können. Diese Bestandsaufnahme erfolgte im Rahmen der Umsetzung der Zukunftsstrategie durch eine Abfrage von in den beteiligten Ressorts bereits vorhandenen Maßnahmen, Förderprogrammen, Gesetzesvorhaben und Strategien. Als Ergebnis entstand eine Liste von knapp 1000 Maßnahmen, die im Zusammenhang mit den Zielen der Zukunftsstrategie in den sechs Missionen bereits in den Ressorts der Bundesregierung vorhanden oder geplant sind.
Unsere Erfahrung
Diese Bestandsaufnahme ist ein wertvolles Instrument, um die Umsetzung einer Strategie möglich zu machen und informiert zu gestalten. Damit dies gut gelingen kann, sollten allerdings mehrere Bedingungen und Voraussetzung beachtet und in der Planung und Durchführung einer solchen Status-Quo-Erhebung berücksichtigt werden. Im Rahmen der vorgenannten Maßnahmenabfrage zur Zukunftsstrategie sind aus Sicht des Forums #Zukunftsstrategie wesentliche Punkte nicht beachtet worden. Dadurch war die strategische Nutzbarkeit des Instruments erheblich eingeschränkt.
Obgleich die Beschreibung vorhandener Maßnahmen an sich einen informatorischen Nutzen hat und damit wertvoll ist, muss einer Beschreibung eine zielgerichtete Analyse folgen. Nur so können Leerstellen, Lücken und Bedarfe in der aktuellen FuI-Politik ermittelt werden, die durch neue Instrumente und Maßnahmen adressiert werden können. Im Rahmen der Umsetzung der Zukunftsstrategie blieben die Auswertungskategorien der Deskription verhaftet, ein strategischer Blick nach vorne war so erschwert. Insbesondere fehlten Informationen zur (aktuellen und zukünftigen) finanziellen Unterfütterung der einzelnen Maßnahmen. Eine differenzierte und priorisierte Analyse von Maßnahmen je nach vorhandenem Fördervolumen war so nicht möglich.
Die Erfassung des Status Quo wurde in der Zukunftsstrategie als Teil des Umsetzungsprozesses selbst verstanden und durchgeführt. Sie folgte außerdem bisweilen dem politisch nachvollziehbaren Interesse, zu dokumentieren, wie weitgehend die Ziele bereits berücksichtigt worden seien. Diese Erhebung und die mit ihr intendierte möglichst lückenlose und umfassende Dokumentation von Einzelmaßnahmen hat bei den Beteiligten in den Ressorts der Bundesregierung über einen nicht zu vernachlässigenden Zeitraum umfassende Ressourcen gebunden. Der Fokus auf den Status Quo, der durch die Massivität der Maßnahmenabfrage impliziert wurde, hat in Teilen Perspektiven auf Veränderungen für die Zukunft verstellt; mögliche Innovationspotentiale blieben ungenutzt.
Unsere Empfehlungen
● Eine Bestandsaufnahme bestehender Maßnahmen, Förderprogramme und Initiativen ist bereits mit Verabschiedung einer FuI- Strategie, spätestens aber vor Beginn ihrer Umsetzung vorzulegen.
● Sowohl bei der Planung einer Status-QuoErhebung als auch bei deren Auswertung sollte die Partizipation externer Expert:innen, in Gestalt eines Beratungsgremiums und weiterer Stakeholder, zwingend vorgesehen werden.
● Vor Erfassung des Status Quo an Maßnahmen und Förderprogrammen in der FuI-Politik sind analytische Kategorien und ein der Erhebung zu Grunde liegendes Erkenntnisinteresse zu definieren. Die Auswertung der Erhebung muss über eine reine Deskription hinausgehen und entlang der vorab definierten Analysekategorien erfolgen.
● Im Rahmen einer Status-Quo-Erhebung sollte Transparenz darüber hergestellt werden, mit welchen finanziellen Mitteln einzelne Maßnahmen und Strategien hinterlegt sind. Darzustellen ist, welcher Planungshorizont für einzelne Maßnahmen zugrunde gelegt wird. So ist eine Bewertung der Effizienz des Mitteleinsatzes ebenso möglich wie eine Abschätzung des Impacts einer Veränderung.
Eine Fokussierung auf die Erhebung des Status-Quo an Einzelmaßnahmen der FuI-Politik in Deutschland lässt die in der Zukunftsstrategie skizzierten großen Transformationsaufgaben zwangsläufig in den Hintergrund treten. Unterentwickelt bleiben durch eine solche Herangehensweise insbesondere auch Vorstellungen für eine positive Zukunft von und durch Forschung und Innovation. Statt eines Verharrens im Status Quo gilt es vielmehr, spezifische und im Vergleich zum Jetzt-Stand veränderte Wege aufzuzeigen und zu entwickeln, die von heute in diese Zukunft führen. Solche positiven Zukunftsbilder braucht es, um von einer Beschreibung ins Handeln zu kommen und dabei auch Stakeholder und andere Akteur:innen zur Beteiligung zu motivieren und zu aktivieren. Die Mitglieder des Forums #Zukunftsstrategie haben die Erarbeitung solcher Zukunftsbilder als einen möglichen Ansatz zur Umsetzung der Strategie ins Auge gefasst. Zukunftsbilder können als Zielpunkte dienen, um zu ihrem Erreichen Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden und so auch zu einer Priorisierung von Zielen und Maßnahmen beitragen. Eine Darstellung von für einzelne Missionen durch die Missionspat:innen entwickelten Zukunftsbildern findet sich in der Anlage.
SPANNUNGSFELD 4
Agilität ermöglichen – Rollen klären und starre Strukturen verlassen
Die Ausgangssituation in der Zukunftsstrategie
Mit der Zukunftsstrategie hat die Bundesregierung eine differenzierte Governance-Struktur zur Umsetzung der strategischen Ziele vorgelegt. Diese Governance definiert eine Vielzahl neuer Interaktionszusammenhänge, sowohl innerhalb der Ressorts als auch mit Expert:innen aus dem Außenraum. Agilität und der Anspruch des miteinander und voneinander Lernens innerhalb einer in Gänze “lernenden Strategie” sollten wesentliche Merkmale der (Zusammen)arbeit sein.
Unsere Erfahrung
Die Offenheit für eine bedarfsgerechte und sich an ändernde Rahmenbedingungen anpassende Zusammenarbeit und Etablierung entsprechender Strukturen ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Sie ist Voraussetzung für eine dynamische Anpassung an veränderte Anforderungen und erleichtert das Überwinden von Silodenken.
Die Einführung neuer Governance-Strukturen erfordert anfangs notwendigerweise Verständigungsprozesse zwischen den beteiligten Akteur:innen. Definierte Rollen und Verantwortlichkeiten sind zu konkretisieren und in spezifisches Handeln zu übersetzen. Zu Beginn des Umsetzungsprozesses der Zukunftsstrategie war allerdings unzureichend transparent, welche Aufgaben und Einflussmöglichkeiten für die am Prozess Beteiligten bestehen. Die Pat:innen konnten ihre Expertise daher nicht ausreichend zielgerichtet und mit wahrnehmbarem Impact einbringen. Diese unklaren Erwartungen ebenso wie im Prozess durch verschiedentliche Kommunikation veränderte (reduzierte oder erweiterte) Rollenzuschreibungen haben die Beteiligung am Umsetzungsprozess wahrnehmbar gehemmt. Die durch diesen Umstand entstandenen Irritationen bei allen am Prozess Beteiligten haben eine produktive Zusammenarbeit erschwert.
Im Rahmen der Zukunftsstrategie wurde ein personell stark ausgestattetes Projektbüro eingerichtet, um die Beteiligten in der Ausgestaltung ihrer individuellen Rollen inhaltlich und operativ zu unterstützen. Ziel war
zudem die systematische Förderung der Vernetzung zwischen externen Expert:innen und Vertreter:innen aus den Ressorts der Bundesregierung. Das Projektbüro war dem BMBF als federführendem Ressort zugeordnet. Durch diese Verortung waren die Möglichkeiten des Projektbüros zur transparenten und zeitigen Interaktion mit dem Forum ebenso wie zur Bereitstellung von Informationen erheblich eingeschränkt. Anforderungen und Anfragen, die aus dem Kreis des Forums formuliert wurden, bedurften in ihrer Abarbeitung durch das Projektbüro einer vorherigen Zustimmung durch das federführende Ressort.
Unsere Empfehlungen
● Der Anspruch des miteinander und voneinander Lernens im Prozess der Strategieumsetzung sollte auch für die zukünftige Governance der FuI-Politik beibehalten werden. Anpassungsfähige und agile Strukturen ebenso wie Arbeitsweisen erleichtern die Kooperation über Ressortgrenzen hinweg und mit Expert:innen im Außenraum.
● Eine nachhaltige und zukunftsorientierte FuI-Politik muss führende Wissenschaftler:innen, Ministerien auf Leitungsebene und Stakeholder mit eindeutigen Rollen und Mandaten einbinden: Einer Offenheit und Agilität von Strukturen und Arbeitsweisen ist eine klare Definition von Rollen und Verantwortlichkeiten der am Prozess beteiligten Akteur:innen zur Seite zu stellen. Diese Rollen, Verantwortlichkeiten und Aufgaben sind zu Beginn des Prozesses transparent zu kommunizieren.
● Die strukturelle Verortung eines Projektbüros ist zu reflektieren und anzupassen. Eine Zuordnung des Projektbüros nicht zum federführenden Ressort, sondern beispielsweise zu einem externen Beratungsgremium, kann die Rolle des Projektbüros als wirkungsvolle Akteurin, die Prozesse zur Umsetzung der Strategie proaktiv koordiniert und unterstützt, wesentlich stärken. Eine solche Verortung kann auch die Transparenz und Zeitigkeit von Informationsflüssen verbessern und damit die inhaltliche Arbeit zur Zielerreichung fördern.
SPANNUNGSFELD 5
Kommunikation und Beteiligung stärken –Den Blick nach innen mit der Expertise von außen verbinden
Die Ausgangssituation in der Zukunftsstrategie
Mit Umsetzung der Zukunftsstrategie hat die Bundesregierung eine doppelte Herausforderung angenommen: Es sollte zum einen die Zusammenarbeit zwischen den Ressorts neu organisiert und an den definierten sechs Missionen der Zukunftsstrategie orientiert werden. Gleichzeitig sollten auch die Stakeholder der FuIPolitik in Deutschland aktiv in die Umsetzung der Missionsziele eingebunden werden. Ihre Expertisen und möglicherweise bisher unberücksichtigten Blickwinkel sollten umfassend genutzt werden. Eine Veränderung der Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung war insofern mit einer geplanten Veränderung der Zusammenarbeit mit dem Außenraum verkoppelt.
Unsere Erfahrung
Beide Prozesse sind als unbedingt begrüßenswert und notwendig einzustufen, um nachhaltige Veränderungen in der FuI-Politik zu implementieren. Nur durch das Zusammenwirken von Regierungshandeln und einer Umsetzung sowie aktiven Beförderung durch interessierte und betroffene Stakeholder kann ein echter Politikwandel gelingen. Gleichwohl liegt in der Gleichzeitigkeit dieser beiden Veränderungsprozesse eine nicht zu negierende Herausforderung.
Die Intensivierung der ressortübergreifenden Zusammenarbeit bedeutet eine qualitative Veränderung der Kooperation innerhalb der Bundesregierung. Die dazu erforderlichen Anpassungsprozesse haben erhebliche Ressourcen der Vertreter:innen der Ressorts gebunden. Eine mit gleicher Intensität vorangetriebene Ausweitung partizipativer Prozesse zur Nutzbarmachung externer Expertisen schien damit schwer umsetzbar. Mit der Zukunftsstrategie wurde eine solche Ausweitung aber explizit in Aussicht gestellt. Die Erwartungen externer Akteur:innen kollidierten daher mit den Herausforderungen des Umsetzungsprozesses. Für die Gruppe der externen Stakeholder:innen stellte sich insgesamt die Geschwindigkeit des Umsetzungsprozesses der Zukunftsstrategie als zu gering dar angesichts der Tragweite der Transformationsaufgaben und der zu ihrer Bewältigung notwendigen Anstrengungen.
Stakeholderworkshops sind ein wesentliches Element zur Aktivierung verschiedener Communities. Sie wurden im Rahmen der Zukunftsstrategie als
Methode zur Einbindung externer Expert:innen jenseits der Missionspat:innen genutzt. In den einzelnen Missionen wurden sie mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung und zu unterschiedlichen Zeitpunkten durchgeführt. Die Formate fanden in den Missionen einmalig statt und konnten daher nur einen ausgewählten Kreis externer Expert:innen erreichen und zur Mitarbeit einladen. Die Dokumentation der WorkshopErgebnisse erfolgte in Form eines detaillierten Veranstaltungsberichts. Aus Perspektive der Mehrzahl der Stakeholder fehlte die konkrete Definition von aus den Ergebnissen der Workshops abzuleitenden nächsten Schritten und deren konsequente Nachverfolgung (vgl. auch Roadmapping). Es war unklar, welche Veränderungen und neuen Impulse durch den eigenen Input entstanden sind. Da die Wirksamkeit der eigenen Beteiligung vielfach nicht nachvollziehbar war, sank die Bereitschaft zur Mitwirkung.
Zur Interaktion mit dem Außenraum zählt auch die Einbindung einer breiteren Öffentlichkeit jenseits interessierter Stakeholder-Gruppen. Forschung und Innovation sind entscheidend für gute Zukunftsperspektiven und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland. Ein grundlegendes Verständnis über die Prozesse und Politiken ist daher ebenso essentiell wie eine inhaltliche Begeisterung in breiten Teilen der Bevölkerung. Mit Blick auf die Zukunftsstrategie bleibt zu konstatieren, dass dieser Anspruch im Rahmen der Umsetzung nicht erfüllt werden konnte. Informationen zur Zukunftsstrategie waren nur an wenigen Stellen auf einschlägigen Seiten der Bundesregierung zu finden. Punktuelle Informationen via Social Media zielten stärker auf ein informiertes Publikum. Auch die Umsetzungsberichte zur Zukunftsstrategie adressierten in Form und Inhalte spezifische Zielgruppen.
Unsere Empfehlungen
● Die eingeleiteten (kommunikativen) Prozesse zur aktiven Einbindung von Stakeholdern in die Umsetzung und Beförderung von Regierungshandeln gilt es über die Legislaturperiode hinaus fortzuführen und zu intensivieren. Ziel einer verstärkten Aktivierung von externen Stakeholdern sollte sein, sie zu etwas zu bewegen, das sie ohne die Anreize einer Strategie nicht getan hätten. Diese Anreize müssen nicht notwendig materieller Art sein.
● Stakeholder sollten sowohl frühzeitig als auch kontinuierlich im Strategieprozess und an dessen verschiedenen Umsetzungselementen beteiligt werden.
● Die unterschiedlichen Handlungslogiken und -imperative der beteiligten Akteur:innen müssen besser verstanden und berücksichtigt werden. Dazu braucht es ein transparentes und klares Erwartungsmanagement, das auf die unterschiedlichen Systemlogiken des Handelns der Bundesregierung im Inneren und der Stakeholder:innen im Außen eingeht und diese einordnet.
● Stakeholderworkshops als Instrumente der Beteiligung externer Akteur:innen sollten fortgesetzt werden. Ihre Ausgestaltung gilt es anzupassen:
→ Die Beteiligung ist noch stärker über alle relevanten Gruppen und Ökosysteme zu organisieren.
→ Eine regelhafte und wiederholte Beteiligung erzielt größere Wirksamkeit. Eine solche Form der Ausgestaltung sollte daher bevorzugt werden.
→ Auf Grundlage von in Stakeholderworkshops gewonnenen Erkenntnissen entwickelte Initiativen und Maßnahmen sind konsequent nachzuverfolgen.
→ In der Interaktion mit Stakeholdern entwickelte Ergebnisse wie Förderprogramme, Initiativen oder Branchenstrategien sind transparent (nach außen) zu kommunizieren und als Ergebnis des Prozesses kenntlich zu machen.
→ Eine Ausweitung des Pools an externer Expertise könnte durch Implementierung weiterer Expert:innen-Interviews oder die vermehrte Nutzung von Desk Research durch Projektbüro und Projektbegleitung erzielt werden.
● Die Entwicklung einer differenzierten Kommunikationsstrategie zur Information und Beteiligung der breiten Öffentlichkeit muss eine zentrale Aufgabe für die Umsetzung einer FuI-Strategie sein.
V. Schlusswort
In einer Situation vielfältiger globaler Krisen ist eine missionsorientierte FuI-Politik und die dazu notwendige ressortübergreifende Zusammenarbeit unerlässlich, um den komplexen und interdependenten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen durch einen spiegelbildlichen Politikansatz zu begegnen. Ein Ernstnehmen der Zukunftsorientierung in der FuI-Politik bedeutet dabei grundlegend auch, die Missionsorientierung unabhängig von Legislaturperioden institutionell zu verankern und unterbrechungsfrei sowie dauerhaft auszugestalten.
Eine solche Missionsorientierung befähigt politisches Handeln und politisch Handelnde flexibel auf dynamische und disruptive Veränderungen zu reagieren. Durch die Fokussierung auf fokussierte Missionen können priorisierte Themenfelder und darin identifizierte langfristige Ziele konsequent verfolgt und deren Umsetzung im Zusammenwirken mit allen gesellschaftlich relevanten Akteur:innen nachhaltig und wirksam vorangetrieben werden.
Eine solche Fokussierung auf konkrete Missionsziele steigert mithin die Resilienz des FuI-Ökosystems in Deutschland – als wesentliche Voraussetzung für tatkräftiges und wirkungsvolles Handeln Deutschlands in multinationalen Kontexten.
Die mit der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation (wie auch bereits in Teilen angelegt in den Hightech-Strategien) bekräftigte Missionsorientierung sollte auch über die zu Ende gehende Legislaturperiode hinaus in einer FuI-Strategie der Bundesregierung konsequent fortgeführt werden. Ganz im Sinne der “lernenden Strategie” sollten dabei allerdings wesentliche Elemente der Ausgestaltung, Strukturen und Prozesse auf Grundlage der mit der Umsetzung der Zukunftsstrategie gemachten Erfahrungen angepasst werden. Ein Lernen aus vorangegangenen Strategieprozessen ermöglicht eine Fokussierung auf die notwendige inhaltliche Gestaltung und Diskussion ebenso wie auf die Entwicklung einer Zukunftsvision für eine grundlegende Veränderung von Rahmenbedingungen für FuI in Deutschland. Mit dem vorliegenden Reflexionsbericht haben wir als Forum #Zukunftsstrategie eine Reihe von Empfehlungen formuliert, die Grundlage für solche Ausgestaltung sein können und dazu beitragen, das volle Potential einer missionsorientierten FuI-Politik für die Entfachung der Innovationskräfte Deutschlands auszuschöpfen.
Quellen Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) (Hrsg.) (2024): Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2024, EFI, Berlin.
Kaschke, Michael; Haug, Gerald H.; Schütte, Georg (2025): Standort Deutschland. Zukunft durch Forschung und Innovation. Thesenpapier zum „Forum Innovation zur Richtungswahl 2025“, Stifterverband / Leopoldina. Nationale Akademie der Wissenschaften / VolkswagenStiftung, Berlin.
VI. Anlagen: Zukunftsbilder aus den Missionen
Um von einer Beschreibung des Status Quo von Forschung und Innovation in Deutschland zu handlungsleitenden Perspektiven für die Zukunft zu gelangen, haben einige Missionspat:innen-Teams Zukunftsbilder entworfen. Diese Zukunftsbilder umreißen einen Zielzustand und adressieren aus der Perspektive der jeweiligen Mission zugleich die Frage, welche Herausforderungen in Deutschland in den nächsten ca. 15 Jahren zugunsten des Zielzustand zu bewältigen sein werden. Die Darstellungen skizzieren, welche Gestaltung und Veränderung von Forschung- und Innovationspolitik es braucht, um diese Herausforderungen erfolgreich zu bestehen.
Die vorliegenden Zukunftsbilder und die mit Ihnen verbundenen Zielpunkte wollen wir als Impulse für die Entwicklung einer FuI-Strategie für Deutschland in dieser Anlage zum Reflexionsbericht dokumentieren.
Klimaschutz, Klimaanpassung, Ernährungssicherheit und Bewahrung der Biodiversität voranbringen
Prof. Dr. Ottmar Edenhofer • Prof. Dr. Frank A. Ewert • Prof. Dr. Christian Wirth
Bei der Zielpriorisierung der Mission 2 sind folgende drei Besonderheiten zu beachten:
B1 → Politischer Rahmen: Bindende internationale Abkommen und daraus abgeleitete nationale Ziele und Gesetze (siehe Dokument „Instrumente zu Zielerreichung der Mission 2“) setzen die politischen und ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Erreichung der Missionsziele im Bereich Klimaschutz/Energie (z. B. Paris Abkommen) sowie Biodiversität (z. B. Kunming-Montreal GBF „30-30“, Gesetz zur Wiederherstellung der Natur, NATURA 2000, Wasserrahmenrichtlinie). Die Gemeinsame Agrarpolitik dient als zentrales Instrument der Steuerung im Agrarsektor. Der EU Green Deal setzt Ziele zur Reduktion des Einsatzes von mineralischen Düngern und chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln.
B2 → Von der Flächenkonkurrenz zur nachhaltigen Flächensynergie: Die Umsetzung der Ziele ist flächenwirksam und der Flächenbedarf für den Ausbau der regenerativen Energien, die Ernährungssicherung und die Förderung der Biodiversität ist hoch. In einem rein segregativen (räumlich getrennten) Ansatz können die Ziele nicht erreicht werden. Innovation muss darauf abzielen, rechtliche und ökonomische Instrumente sowie Verfahren und Technologien zu entwickeln, die eine nachhaltige multifunktionale Nutzung unserer Landschaft ermöglichen.
B3 → Transformation gestalten: Die Maßnahmen zu Erreichung der Ziele werden das Leben der Menschen heutiger und zukünftiger Generation deutlich verbessern, aber auch signifikant verändern. Innovation kann sich nicht allein auf technologische, ökonomische und ordnungsrechtliche Entwicklungen beschränken, sondern muss die soziale Dimension der Transformation aktiv und positiv gestalten.
Notwendigkeit zur Überarbeitung der Ziele der Mission 2:
● Der Bezug zu den politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen sollte klarer hergestellt werden (siehe B1)
● Die Ziele der Teilmissionen sind in Bezug auf die Anzahl noch unausgewogen (Klimaschutz und -anpassung: 17, Ernährungssicherung 14, Biodiversität: 3, Digitalisierung: 8). Der Konkretisierungsgrad ist sehr heterogen (Klimaschutz und -anpassung/Ernährungssicherheit: eher konkret; Biodiversität: eher generisch).
● Weitgehend fehlende Integration der Ziele (siehe B2)
● Die soziale Dimension muss deutlicher adressiert werden (siehe B3)
Leitbilder für die Zukunft (ca. 2040):
● Lebenswelten: Die multifunktionale nachhaltige Landnutzung (Ernährung, Rohstoffproduktion, regenerative Energie, Biodiversität, Tourismus) hat im ländlichen Raum zu einer starken Diversifizierung und Erweiterung der Wirtschaftszweige und Verdienstmöglichkeiten geführt. Unterstützt durch neue Mobilitäts- und Infrastrukturkonzepte ist eine wirtschaftliche, demographische und kulturelle Renaissance des ländlichen Raums die Folge. Gemeinsame positive Transformationserfahrungen, u.a. in Reallaboren, schaffen eine ländliche Identität, die Traditionen integriert. In urbanen Räumen haben sich die positiven Trends hin zur Nachhaltigkeit (z. B. Baubiologie, Konsumverhalten, Ernährung, Mobilität) weiter verstärkt und dienen als Motor für die Transformation im ländlichen Raum. Das Wohlstandsgefälle zwischen Stadt und Land hat sich verringert.
● Landnutzung der Zukunft: Biodiversität ist nicht mehr nur ein Schutzgut und essentielle Grundlage für einen rasanten Anstieg des Inlandstourismus. Sie bildet auch den funktionalen Kern für ein innovatives Eco-Engineering in Land- und Forstwirtschaft, das Biodiversität als zentralen Wirkmechanismus einer nachhaltigen, klima-stabilisierenden und klima-
resilienten Landnutzung etabliert und weiterentwickelt. Dies wird unterstützt durch Grundlagenforschung und durch technologische Revolutionen im Zuge der Digitalisierung bei Land- und Forstmaschinen, der Umwelt- und Biodiversitätssensorik (s.u.) und in der verarbeitenden Industrie (z. B. Lebensmittelproduktion, Holzverarbeitung, Bioökonomie, Bioenergie).
● Ernährungssicherheit / Ernährung: Ernährungssicherheit ist (nach Definition der FAO) nicht nur in Deutschland und Europa sondern auch im Globalen Süden weitestgehend (vollständig) umgesetzt. Ernährungsempfehlungen zu reduziertem Fleischkonsum und einer stärker pflanzenbasierten Ernährung (u.a. der DGE) sind umgesetzt. Der Anteil pflanzlicher Proteine ist entsprechend gestiegen und zeigt positive Wirkungen auch im Bereich der Landnutzung (Diverses Fruchtartenspektrum). Nahrungsmittel werden größtenteils regional produziert und konsumiert und regionale und globale Lieferketten stehen in einem ausgewogenen Verhältnis.
● Industrie der Zukunft: Investitionen in innovative Technologien und Verfahren haben neue Absatzmärkte geschaffen und Deutschland den Rang als Exportnation bewahrt. Dies umfasst nicht nur die Elektromobilität, Wasserstoffwirtschaft, die nachhaltige Chemie, das energieeffiziente Bauen (siehe Mission 1), sondern auch neue Technologien im Bereich der nachhaltigen Landnutzung, der Bioökonomie und der CDR-Technologie. Die Herausforderungen des Klimawandels und der Biodiversitätskrise sind so groß, dass die Innovationsrate noch deutlich erhöht werden muss, um der globalen Bedarfsentwicklung zu folgen und die internationale Konkurrenz zu minimieren.
● Informationsbasis: Die Digitalisierung und die Fortschritte in der KI, bilden die Grundlage für ein umfassendes Informationssystem, das Daten zu Regionalklima und weiteren Umweltparametern (z. B. Bodenfeuchtigkeit, Treibhausgasbilanzen, Nährstoffund Fremdstoffkonzentrationen), Daten einer weitgehend automatisierten Biodiversitätsdetektion sowie sozio-ökonomische Daten assimiliert und in einem Digitalen Zwilling auch als Analyse- und Planungsinstrument für Landnutzer und Politik verfügbar macht (siehe Governance). Ein Großteil der Datenerfassung erfolgt dezentral durch die Landnutzer und Bürger. Es werden nicht mehr „Klimamodelle“ entwickelt, sondern integrierte Erdsystemmodelle, die das Zusammenspiel von Klima- und Biodiversitätskrise und soziökonomischen Prozessen abbilden.
● Neue Governance-Mechanismen: Die positiven Effekte der CO2-Bepreisung sind belegt und wissenschaftlich verstanden. Sie werden erfolgreich auf andere Sektoren übertragen (z. B. Zertifikathandel für Pflanzenschutzmittel und den Einsatz von Düngemitteln). Die technische Revolution hat einen Paradigmenwechsel in der Vergabe von Fördermitteln eingeleitet, die nun ergebnisbasiert ausgezahlt werden. Landnutzer können sich so durch die Optimierung der Ergebnisse (z. B. Reduktion von Lachgasemissionen, Kühlungswirkung, Förderung der Biodiversität) ein neues Wirtschaftsfeld erschließen. Ein sprunghafter Anstieg der Expertise und Ownership sowie ökonomische Verbesserung sind die Folge. Dies kann auch mit Zertifizierungssystemen kombiniert werden, sodass auch die Produkte gewinnbringender abgesetzt werden können. Klimaund biodiversitätsschädliche Subventionen sind weitestgehend abgeschafft, weil sie durch den Innovationsschub nicht mehr gebraucht werden.
● Leben mit Risiken: Der Klimawandel hat die Intensität und Häufigkeiten von Extremereignissen stark erhöht. Der notwendige Umbau der Landschaft und der Städte zur Klimaresilienz ist in vollem Gange und wurde durch Vereinfachungen im Planungsrechts beschleunigt. Wichtige Komponenten sind die Wiederherstellung von „Schwamm“-Landschaften und die Neuanlage von Schwamm-Städten, die Wassers für Kühlung, Bewässerungsfeldbau, Grundwasseranhebung zur Abpufferung von Trockenheiten, zur Hochwasservermeidung und für die Paludikultur zwischenspeichern. Dies zeitigt auch enorm positive (synergetische) Effekte für die Biodiversität und die Kohlenstoffsequestrierung. Eine Anpassung der Landnutzung (neue Kulturen, Entwicklung neue Sorten, weite Fruchtfolgen, Mischfruchtanbau, AgroForstsysteme, Mischwälder) stabilisiert Erträge mithilfe einer Diversifizierung und Risikostreuung.
● Erfolge mit internationaler Sichtbarkeit: Deutschland hat sowohl seine Klimaziele erreicht (65% Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030) als auch auch seine Biodiversitätsziele (u.a. 30% der Landschaft unter wirksamen Naturschutz gestellt (strikter Schutz 10%, angepasste Nutzung 20%), Wiederherstellung degradierter Ökosysteme auf 20% der Fläche, Indikatoren der Biodiversität und Ökosystemleistungen belegen eine Trendwende). Die Verbesserung der blau-grünen Infrastruktur in Städten hat auch eine deutliche Verbesserung der physischen und mentalen Gesundheit der Bevölkerung bewirkt.
Aus den Leitbildern abgeleitete vorläufige Zielpriorisierung:
1. Technologien zur Reduktion von CO2/TreibhausgasEmission und CDR
2. Landnutzung für das 21. Jahrhundert: Synergien von Klimaschutz, Klimaanpassung, Ernährungssicherung und Biodiversität im Sinne einer multifunktionalen Landnutzung durch technologische, verfahrensund prozess-bezogene, und soziale Innovationen schaffen.
3. Weiterentwicklung der Governance-Ansätze und rechtlichen Rahmenbedingungen (v.a. Planungsrecht und Förderung) für die Beschleunigung der konzertierten (d.h. gemeinsam gedachten) Innovation in allen drei Bereichen der Mission (Klima, Biodiversität, Ernährung), einschließlich der Schaffung von Experimentierklauseln für Co-Design von disruptiven Innovationen im Reallaborkontext.
4. Entwicklung eines umfassenden und integrierten Monitoringsystems mit hoher und synchronisierter raumzeitlicher Auflösung für alle Komponenten der Mission (Treibhausgase, Biodiversität, Landnutzung). Entwicklung von Datenassimilations- und Analysesystemen und integrierten Erdsystemmodellen (Klima, Biodiversität, Landnutzung) für die globale und regionale Anwendung in Politik und Praxis.
5. Entwicklung einer breiten Palette von Instrumenten zur Unterstützung der Transformation, um die Menschen für die Ideen zu gewinnen, zu Akteuren zu machen und neue Identifikationsmöglichkeiten zu bieten.
Gesundheit für alle verbessern
Prof. Dr. med. Wolfgang Hoffmann, MPH • Dr.‘in Isabel Nahal Schellinger • Dr. med. Benedikt Westphalen
Ziel 1: Datentransparenz zur Schaffung eines selbstlernenden & selbstkritischen Gesundheitssystems
Der Erfolg einer zukunftsorientierten Forschungs- und Innovationsstrategie für Deutschland hängt von einer klaren Ausrichtung an ressortübergreifenden Zielen ab. Alle Maßnahmen der verschiedenen Ressorts müssen darauf geprüft werden, ob und wie sie zur Gesamtstrategie beitragen. Eine enge Abstimmung stellt sicher, dass Maßnahmen nicht isoliert, sondern koordiniert umgesetzt werden.
Ein zentraler Erfolgsfaktor ist die transparente, datengestützte Planung, Umsetzung und Erfolgskontrolle. Maßnahmen sollten klar definiert, kontinuierlich überwacht und bei Bedarf angepasst werden. Hierfür sind objektive, messbare Indikatoren unerlässlich, mit denen Qualität und Erfolg der Maßnahmen bewertet werden können.
Die Erhebung von Prozess- und Ergebnis-Daten muss nach bundesweit einheitlichen Standards erfolgen, um Transparenz und Vergleichbarkeit sicherzustellen. Diese Daten sollen allen relevanten Akteuren –Ministerien, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft – zeitnahzugänglich sein. Dadurch wird eine faktenbasierte Entscheidungsfindung unterstützt und der Fortschritt der Strategie regelmäßig überprüfbar gemacht.
Eine klare Datengrundlage und deren transparente Nutzung sind wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung und Optimierung der Maßnahmen. Nur so können die gesteckten Ziele der deutschen Forschungs- und Innovationsstrategie nachhaltig erreicht und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gestärkt werden.
Ziel 2: Mittelstand 2.0
Deutschland verfügt im Bereich der Lebenswissenschaften über eine starke Basis, die für den Aufbau eines „Mittelstand 2.0“ genutzt werden kann. Renommierte Universitäten, Forschungsinstitute und zahlreiche innovative KMUs treiben Fortschritte in der
Biotechnologie, Medizintechnik und Pharmazie voran. Diese Unternehmen profitieren von der engen Verzahnung mit der Forschungslandschaft und arbeiten an der Entwicklung neuer Diagnostik- und Therapieansätze sowie medizinischer Technologien.
Frankreich geht mit der „Agenda 2030“ voran, indem es klare nationale Innovationsziele setzt und gezielt internationale Investoren anzieht, um in Zukunftstechnologien zu investieren. Ein ähnlicher Ansatz könnte Deutschland helfen, den Technologietransfer weiter zu beschleunigen und die Lebenswissenschaften als zentralen Innovationssektor zu stärken.
Auch Japan setzt hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung ein, um gesellschaftliche Herausforderungen wie die alternde Bevölkerung durch neue medizinische Lösungen zu bewältigen. Diese strategischen Investitionen zeigen, wie gezielte F&E-Förderung sowohl Innovation als auch wirtschaftliches Wachstum vorantreiben kann.
Deutschland hat bereits eine solide Grundlage im Bereich der Lebenswissenschaften. Um den Technologietransfer in KMUs weiter zu stärken, ist der Abbau bürokratischer und regulatorischer Hürden und die Förderung strategischer Partnerschaften entscheidend. Eine verstärkte Vernetzung zwischen Forschung und Industrie in Innovationsclustern könnte den Austausch beschleunigen und neue Technologien schneller zur Marktreife bringen.
Durch eine klare Innovationspolitik und die Stärkung bestehender Strukturen kann Deutschland seine Position in den Lebenswissenschaften weiter ausbauen und den Mittelstand 2.0 nachhaltig fördern. Dies wird entscheidend sein, um global wettbewerbsfähig zu bleiben und die gesundheitlichen Herausforderungen der Zukunft erfolgreich zu bewältigen.
Ziel 3: Zukünftige Innovationsmärkte selbst definieren und gezielt stärken
Deutschland und Europa stehen im globalen Wettbewerb und müssen sich strategisch positionieren, um ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem und einen starken Innovations- und Wirtschaftsstandort zu sichern. Die Fokussierung auf bisher unerschlossene Innovationsfelder bietet die Möglichkeit, sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und neue Märkte zu entwickeln. Dabei sollten vor allem Forschungs- und Entwicklungsbereiche im Vordergrund stehen, die bislang als schwer kommerzialisierbar gelten, jedoch zukünftig einen erheblichen Beitrag zur Gesundheitsversorgung leisten könnten.
Ziel ist es, Strukturen zu schaffen, die den Technologietransfer aus der primär akademischen Forschung in wirtschaftlich tragfähige Innovationen fördern. Dazu bedarf es einer verlässlichen an Zielen und Prioritäten orientierten Forschungsförderung ebenso wie frühzeitiger public-private Partnerships, die durch gezielte Förderprogramme unterstützt werden. Solche Partnerschaften ermöglichen es, wissenschaftliche Erkenntnisse in marktfähige Produkte zu überführen und die Gesundheitsversorgung mit neuen Lösungen zu verbessern.
Durch eine gezielte Förderung dieser Innovationsfelder und den Aufbau eines dynamischen Innovationsökosystems kann Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig stärken. Evidenzbasierte strategische Investitionen in Zukunftstechnologien wie Biotechnologie, Medizintechnik und digitale Gesundheit bieten die Chance, neue Märkte zu erschließen und zugleich globalen Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung zu begegnen.
Die strategische Ausrichtung auf weniger kompetitive Märkte, eine auf diese ausgerichtete mittel- und langfristige Förderung von Forschung und Entwicklung und die Förderung von öffentlich-privaten Kooperationen sind dabei entscheidende Hebel, um langfristig wirtschaftlichen Erfolg und technologische Führerschaft zu sichern. Dies stärkt nicht nur den Wissenschafts- und Innovationsstandort Deutschland, sondern leistet auch einen nachhaltigen Beitrag zur Modernisierung des Gesundheitssystems.
Raumfahrt stärken; Weltraum und Meere schützen, erforschen und nachhaltig nutzen
Prof.‘in Dr. Antje Boetius • Prof. Dr. Günther Hasinger • Dr.‘in Anke Pagels-Kerp
Ozean-, Raumfahrt- und Weltraumforschung umfassen sowohl Aufgaben fundamentaler Entdeckungen der Grundlagenforschung wie auch eine immer wichtigere Rolle in Systemlösungen für nachhaltige Entwicklung der Menschheit und ihrer planetaren Grenzen. Dazu werden besondere Forschungsinfrastrukturen gemeinsam in verschiedenen multilateralen und internationalen Konsortien betrieben, wettbewerblich wie auch gemeinsam durch staatliche und private Institutionen. Gerade Fragen nach dem Ursprung des Lebens wie seines Gedeihens unter extremen Bedingungen, zur Dynamik des Universums, zur Überwindung von Wissensgrenzen über alle Skalen in Raum und Zeit durch technologischen Fortschritt in internationaler Kooperation machen dieses Missionsfeld so faszinierend und ambitioniert. Zuletzt haben die Forschungsfelder auch beigetragen, Utopien für eine nachhaltige Entwicklung zur Bewältigung von Multikrisen zu entwickeln und zu erproben. Kombinationen von langfristiger öffentlicher und privater Forschungsförderung im internationalen Wettbewerb hat zudem neue Akteure vorgebracht und Reallabore jenseits von High Tech - Einzellösungen entstehen lassen. Erprobt werden dabei auch eine Vielzahl von Szenarien, in denen planetare Ressourcen nicht mehr zu Lasten kommender Generationen verbraucht werden, sondern die Extraktion von Wertstoffen ersetzt werden durch Kreislaufverfahren, die ein Leben im Gleichgewicht mit den planetaren Gemeingütern zu ermöglichen sollen. Die Ozean- und Weltraumforschung sowie die Raumfahrt treiben viele solcher technologischen Entwicklungen. Missionsorientierte Forschungsansätze entwickeln und erproben dabei Zukunftsbilder mit Fokus auf Technologieentwicklung und Innovation, die als Utopien für nachhaltige Entwicklung faszinieren. Dabei spielen Robotik, Sensorik und eine Reihe von Deep Tech Innovationen eine große Rolle und treiben das Interesse an MINT-Bildung wie das Verständnis von sozioökonomischen und politischen Rahmenbedingungen. Zuletzt sind auch konfliktreiche Themen in den Vordergrund gerückt wie Schutz von Infrastrukturen, sowie Forschung an Dual Use Technologien.
So könnten schon jetzt Daten der Fernerkundungssatelliten nutzbar gemacht werden durch niedrigschwellige Technologien wie Mobiltelefone, um auf
Hitzewellen, Sturmfluten und Waldbrände zu reagieren, um präzise Angaben zum Status von Äckern, Wäldern, und Küstenzonen zu Düngung, Bewässerung oder ökologischer Vielfalt und Gesundheit zu erheben. Mit Hilfe regenerativer Energien aus Sonne, Wind, Wasser und Geothermie sowie nachhaltigen Materialien können klein- und großskalige Lösungen für produktive Systeme geschaffen werden. Robotik spielt nicht nur eine zunehmende Rolle in der Erkundung ferner Himmelskörper, sondern auch in der Pflege und Wiederaufbau von gefährdeten Ökosystemen wie Böden, Gewässer, Wälder, Riffe. Die Möglichkeit, technische Entwicklungen des Missionsthemas für akute Erdprobleme zu nutzen ist gigantisch. Zum Beispiel können mit Hilfe von Satellitendaten für die Energiewende Solaratlanten generiert werden, die anhand von Position und Dachneigung das Potential von Dachflächennutzung und anderen Nutzungen für Solaranlagen wiedergeben und Dörfern, wie Städten bei der Planung der Energiewende unterstützen. Inseln, Küstenstädte sowie schwimmende Ozeanstädte können auch in extremen Regionen Kreislaufsysteme rund um die Ressource Wasser, Wind und Sonnenlicht entwickeln. Blaues Wachstum kann ermöglichen, daß Meeresalgen und Plankton als neue Hauptquelle für Nahrungsmittel, Biomaterialien und CO2-Speicherung dienen und daß nachhaltige Aquakultur eine wichtigere Rolle in der Ernährung und planetaren Gesundheit spielt. Die Tiefseeforschung wäre in der Lage bisher unbekannte Lebensformen nicht nur zu entdecken und zu beschreiben, sondern daraus Inspiration für neue Biotechnologien und medizinische Anwendungen zu gewinnen und die Entwicklung des Lebens unter Extrembedingungen begreifbar machen. Aus Anwendung von Raumfahrttechnologien auf der Erde entstehen immer wieder Applikationen aus der Explorationsrobotik: autonome Systeme, die von Astronauten oder von einem Kontrollzentrum auf Planetenoberflächen kommandiert würden, finden in der Pflege- und Assistenzrobotik, aber auch in der Chirurgie ihren Einsatz. Weltraumstationen werden jetzt schon als Forschungslabore für klimaneutrale Technologien und Landwirtschaft unter extremen Bedingungen entwickelt, sie beteiligen Menschen aus aller Welt im Lern und Erprobungsprozess. Mit Netzwerken aus Teleskopen wird es möglich, in die Tiefen
des Universums und damit in Richtung seiner Entstehung zu blicken. Astronautische Raumfahrt, Missionen zu anderen Himmelskörpern aber auch Instrumente zur Erforschung der Erde und des Universums fördern den Umgang mit knappen Ressourcen und stärken das Verständnis für planetare Lösungen.
Für das Missionsfeld Meere, Raumfahrt und Weltraum braucht es vielfältige Förderansätze, vor allem auch im Bereich von digitalen, materialen und robotischen Fortschrittsfeldern, um von kleineren technischen Einzellösungen zu größeren gesellschaftlich wirksame Systeminnovation zu kommen. Zu dynamischer Innovationsförderung braucht es aber auch gezielte Förderinstrumente für internationale Zusammenarbeit mit langem Atem, um Technologien mit geringem Reifegrad aber hohem Potential auf ein breites Anwendungsniveau bringen und somit den Einzug in die Gesellschaft ermöglichen.
Um die Potentiale von Meeres- Raumfahrt- und Weltraumforschung auszubauen, spielen folgende Faktoren eine wichtige Rolle:
Stärkung der internationalen Zusammenarbeit in Deep Tech. Deutschland sollte verstärkt aktiv an multilateralen Forschungsprogrammen teilnehmen und Koalitionen zur Umsetzung internationaler Ozean – und Weltraumschutzabkommen und – Infrastrukturen bilden. Flächendeckende Beobachtung ist unerlässlich für den Schutz und die Pflege von Lebensräumen und benötigen digitale Netzwerke und breitenwirksame Nutzbarkeit. Es ist essenziell, dass die Meeresforschung und Weltraumerforschung interdisziplinär angelegt sind und von Forschung in anderen Themenfeldern (z.B. Klimaforschung, Teilchenphysik, Kern- und Atomphysik, Laserforschung und Photonik, Biotech) profitieren und begleitet werden.
„Silo“ Denken beenden und systemisch fördern. Deutschland und die EU brauchen für den Wettbewerb mit Tech-Giganten bessere Rahmenbedingungen sowie langfristige und nachhaltige Förderung von DeepTech Entwicklungen. Den Krisenpotentialen von Klimawandel, Verschmutzung, nicht-nachhaltige Ressourcennutzung und Biodiversitätsverlust werden so systemisch und strategisch Lösungen entgegengesetzt und die Potentiale von Technologien einschließlich sozialer Innovationen durch verschiedenste Bildungs- und Beteiligungsformate gehoben. Durch die vielfältigen Aufgaben im Bereich von Klima und Umweltschutz, aber auch Sicherung ziviler Infrastrukturen entsteht auch ein Bedarf, sich mit Dual Use Forschung auseinanderzusetzen und sozioökonomische wie auch ethische und politische Rahmenlinien für Forschungsaufgaben und -Partnerschaften zu entwickeln. Dabei spielt die Unterstützung von Innovationsaktivitäten von
kleinen und mittleren Unternehmen und Start ups eine wichtige Rolle.
Förderung integrativer, transdisziplinärer Forschung und Ansätze sowie Mut zu Risikoförderung. Das Wissen aus verschiedenen Disziplinen wird integriert für den Blick auf effektive Lösungen. Die Berücksichtigung und Einbeziehung von Stakeholdern und lokalen Wissenträger:innen in Diskussionen und Entscheidungen sind wichtiger Bestandteil von Zukunftsbildern. Jede neue technologische Lösung birgt auch Risiken hinsichtlich Verwundbarkeit und ethischen Aspekten, daher muss umfassend an Chancen und Risiken geforscht werden. Dabei sind auch hohe regulatorische Hürden, Controlling- und andere Bürokratiekosten zu überwinden, die der nötigen Innovationsdynamik entgegenwirken. Freiräume für Pilotvorhaben sind dabei unerlässlich.
Stärkung digitaler Infrastrukturen und Kapazitäten für KI, Big Data und schnellem adaptivem High Performance Computing. Der Ausbau von Dateninfrastrukturen und die Anwendung von Simulationen und KI-basierten Analysewerkzeugen sind unerlässlich, auch für die Entwicklung von Szenarien Bildungen und Vorhersage- Werkzeugen wie „digitalen Zwillingen“. Angesichts des wachsenden Energieverbrauchs von Datengewinnung und -pflege müssen die Ressourcenprobleme gelöst werden, um nachhaltige Datenflüsse zu ermöglichen. Kritische Infrastruktur wie Datentransfer und -speicherung muss auf nationaler und internationaler Ebene besser geschützt werden.
Stärkung von Bildung und Nachwuchsförderung sowie lebenslanges Lernen durch Beteiligungsformate und gesellschaftlichen Dialog. Die Ausbildung zukünftiger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler muss transdisziplinäre Kompetenzen langfristig fördern und stärken. Transfer von Wissen zwischen Forschung, Gesellschaft, Politik und Industrie gewinnt immer größere Bedeutung, um gesellschaftliche Entscheidungen kontinuierlich und konsequent auf faktenbasiertem Wissen aufzubauen. Dabei gilt es nicht nur das Verständnis für technologische Entwicklungen zu entwickeln, sondern gerade auch für Fragen von sozioökonomischen Rahmenbedingungen, Akzeptanz und Beteiligung.
Gesellschaftliche Resilienz, Vielfalt und Zusammenhalt stärken
Paulina Fröhlich • Dr. Axel Salheiser • Prof. Dr. Andreas Zick
Im Rahmen einer Zukunftsstrategie der Bundesregierung muss die Stärkung von interdisziplinärer Forschung und Innovation zu den wichtigen sektoren- und ressortübergreifenden Themenfeldern gesellschaftliche Resilienz, Vielfalt und Zusammenhalt einen zentralen Stellenwert erhalten. In einem mittleren Zeithorizont bis 2040 ist die Weiterentwicklung des deutschen Wissenschaftssystems so zu gewährleisten, dass es gelingt, angemessen auf globale Megatrends zu reagieren und den darauf bezogenen Bedarfen aus allen Gesellschaftsbereichen nach fundiertem, empiriegestütztem Wissen und Handlungsorientierungen gerecht zu werden.
Jene Megatrends, von denen wir erwarten, dass sie die nahe und mittelfristige Zukunft der Gesellschaft maßgeblich prägen werden und entlang derer sich die Zukunfts- und Innovationsstrategie ausrichten sollte, sind:
● Dekarbonisierung und sozialökologische Transformation (als gesellschaftliche Anstrengung und existenzielle Notwendigkeit); die planetaren Grenzen müssen dabei Handlungsgrundlage allen politischen Handelns sein.
● Digitalisierung und technologischer Wandel, inkl. des Einsatzes künstlicher Intelligenz (als grundlegende Veränderung der Informationsverarbeitung).
● Demografischer und sozialstruktureller Wandel der Gesellschaft.
● Demokratie unter Druck: Herausforderungen der innergesellschaftlichen Konfliktregulation sowie der globalen und nationalen Sicherheit.
Gegenwärtig erlebt die liberale und plurale Demokratie einen gravierenden Strukturbruch. Ihre Krisenfestigkeit wird zunehmend infrage gestellt: Sie erfährt Anfechtungen und ist Bedrohungen ausgesetzt, die von aktuellen Krisendynamiken sowie längerfristigen gesellschaftlichen Transformationsprozessen gerahmt, bedingt oder induziert werden. In der komplexen Gemengelage politischer und sozialer Konflikte der Gegenwart kulminieren langfristige strukturelle und systemische Pfadab-
hängigkeiten. Zahlreiche Analysen gesellschaftlicher Zustände und Veränderungen, Zeitdiagnosen sowie Untersuchungen der empirischen Politikwissenschaft, der Wirtschaftswissenschaft und der Klimaforschung zeichnen ein alarmierendes Bild: Unsere Gesellschaft steht vor elementaren, existenziellen Herausforderungen. Für die Demokratie ist daraus eine Bewährungsprobe erwachsen, die sich als Interdependenz multipler Steuerungs-, Repräsentations- und Legitimitätskrisen charakterisieren lässt.
Folglich ist es dringend geboten, in der Forschung und Politik nach Modellen und Wegen zu suchen, die diese Krisen zuverlässig diagnostizieren, Wege der effektiven Prognose und Begrenzung zu erkunden und Möglichkeiten zur Stärkung einer nachhaltigen Krisenresilienz zu entwickeln. Denn auf dem Spiel stehen die Gewährleistung zentraler Staatsaufgaben wie der Friedenssicherung, der Durchsetzung und Aufrechterhaltung von Rechts- und Wohlfahrtsstaatlichkeit, der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne umfassender staatlicher Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung sowie die Verteidigung der Normen und Institutionen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Forschung und Innovation, einschließlich eines dialogischen, anwendungs- und lösungsorientierten Transfers zwischen Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft, müssen in Verantwortung für die gesamte Gesellschaft einen wesentlichen Beitrag leisten, um den Zusammenhalt in Vielfalt zu stärken.
Das Missionsziel „Gesellschaftliche Resilienz, Vielfalt und Zusammenhalt stärken“ der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation ist auch für alle anderen Missionen von hoher Bedeutung. Eine Fokussierung des Ziels ermöglicht es, den gegenwärtigen sektorenübergreifenden Strukturbruch der liberalen demokratischen Gesellschaft zu verstehen, ihn zu vermessen, konstruktive Umgänge zu bewerten, Schutzfaktoren für die interdisziplinäre Forschung und Innovationen zu entwickeln und stabilisierende Reformen auszuloten. Ein vertiefendes Verständnis gegenwärtiger Zustände und möglicher demokratischer Zukünfte ist dabei gleichermaßen Rahmen und Voraussetzung anderer Forschungsfelder sowie ein eigenes Forschungs- und
Innovationsfeld. Jene Doppelrolle zeichnet die Mission 6 im Speziellen aus. Um das daraus erwachsende Potenzial bestmöglich zu nutzen, ist ein produktiver intersektoraler Austausch zwischen Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft zu intensivieren. Die Zukunft der Forschung in Deutschland muss resilient gegen Angriffe sein, sie sollte auf den Prinzipien von Vielfalt und Zusammenhalt der Forschungsgemeinschaft und Gesellschaft basieren und diese stärken.
Einen besonderen Stellenwert innerhalb einer Zukunftsstrategie für Forschung und Innovation sollten unseres Erachtens soziale Innovationen erhalten, die alle Bereiche der Gesellschaft betreffen und die deshalb auch von zukünftigen Bundesregierungen als interministerielle und ressortübergreifende Querschnittsaufgabe fokussiert werden sollten. Vor dem Hintergrund disruptiven gesellschaftlichen Wandels, mittel- und langfristiger Transformationsprozesse und der Kulmination politischer, sozialer und ökologischer Krisendynamiken globalen Maßstabs gibt es hier nicht nur dringenden Forschungsbedarf und erhöhte Anforderungen hinsichtlich des Reaktionsvermögens, der Flexibilität und der Anpassungsfähigkeit eines anwendungs- und lösungsorientierten, interdisziplinären Wissenschaftssystems, sondern insbesondere die Notwendigkeit, den in der bisherigen Zukunftsstrategie eingeschlagenen Weg der Verständigung über Fachressorts und Wissenschaftsdisziplinen hinweg systematisch weiterzuentwickeln und zu verstetigen.
Insbesondere der unbedingt notwendige multidirektionale Wissenstransfer zwischen Wissenschaft, Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Teilbereichen erfordert eine zentrale Koordination und den Einsatz aller beteiligten Akteur:innen, um einen kontinuierlichen, zielorientierten, ergebnisoffenen und partizipativen Prozess auszugestalten.
Danksagung
Herzlichen Dank an alle Kolleg:innen, die die Mitglieder des Forums #Zukunftsstrategie in den jeweiligen Organisationen im Rahmen der gemeinsamen Arbeit unterstützt haben.
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Mona Ernst
Koordinations- und Expert:innenteam der Vorsitzenden
Simone Lehmann • Stiftung Mercator GmbH
Dr.‘in Anne Schäfer • TU Darmstadt
Dr. Carsten Wehmeyer • Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI)
Redaktion
Simone Lehmann • Stiftung Mercator GmbH
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Dr. Carsten Wehmeyer • Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI)
Kontakt
ForumZukunftsstrategie@bdi.eu
Vorgeschlagene Zitierweise
Forum #Zukunftsstrategie (Hrsg.) (2025): Zukunft braucht Strategie. Reflexionsbericht des Forums #Zukunftsstrategie. Handlungsempfehlungen des Forums #Zukunftsstrategie auf Grundlage der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation der Bundesregierung in der 20. Legislaturperiode, Berlin.
Redaktionsschluss 7. März 2025
Die in diesem Bericht dargelegten Positionen geben nicht notwendigerweise die Meinung der Bundesregierung wieder. Dieses Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die über die engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes hinausgeht, ist ohne schriftliche Zustimmung des Herausgebers unzulässig. Herausgeber und Autorinnen und Autoren übernehmen keine Haftung für inhaltliche oder drucktechnische Fehler.