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VORWORT

Der Sturz aller deutschen landesfürstlichen Dynastien im November 1918 stellte die entthronten Monarchen vor neue, bisher unbekannte Herausforderungen. Keiner von ihnen verlor in der Revolution sein Leben. Doch manche verließen ihr Land und residierten hinfort weit entfernt von der angestammten Heimat. Einige nahmen Teil am politischen Geschehen in Deutschland und unterstützten Hitlers Weg zur Macht. Andere wiederum distanzierten sich vom Nationalsozialismus und knüpften lockere Kontakte zu einzelnen Regimegegnern und Attentätern vom 20. Juli 1944. Vermögensrechtlich gelang den meisten ein erträglicher finanzieller Ausgleich mit den nunmehr republikanisch regierten Freistaaten. In den kleineren Residenzen war und blieb der gesellschaftliche Einfluss der früheren Landesherrn erheblich. Hoffnungen auf eine Rückgewinnung des verwaisten Thrones hegten hingegen nur die wenigsten.

Während dem großen Monarchiesterben, das vor gut einem Jahrhundert stattfand, jubiläumsbedingt eine ganze Reihe neuerer Darstellungen gewidmet wurde, fanden die Lebenswege der Entthronten nach ihrem Sturz in der Regel nur geringe Beachtung. Stärkeres allgemeines Interesse erregten neben den Hohenzollern – hier zuletzt vor allem wegen ihres Verhältnisses zum Nationalsozialismus – lediglich noch die Wittelsbacher in Bayern und das Haus Hessen. Das Nachleben der meisten anderen depossedierten landesstaatlichen Dynastien liegt hingegen abseits der öffentlichen Wahrnehmung und wird selbst von der regionalgeschichtlichen Forschung eher nur am Rande zur Sprache gebracht. Zumeist versickert es in den Niederungen der Regenbogenpresse.

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Überhaupt tut sich Deutschland erheblich schwerer damit, sein royales Erbe in die offiziell gepflegte Erinnerungskultur einzubinden als manch andere einst monarchisch verfassten Länder Europas. Der Umgang mit diesem Erbe erscheint oft merkwürdig verkrampft, nicht selten zeugt er von erheblichen Kenntnislücken. Darin unterscheidet sich das kulturelle Gedächtnis hierzulande etwa von dem des republikanischen Frankreich, wo die royalen und imperialen Traditionen des Landes nicht marginalisiert und verdrängt, sondern als integrale Bestandteile der eigenen Nationalgeschichte akzeptiert werden. Auch jene Staaten des europäischen Südostens, die im Gefolge des Ersten und Zweiten Weltkriegs ihre Königshäuser einbüßten – Rumänien und Bulgarien, Serbien, Albanien und Montenegro – beziehen die Erinnerung an die Zeiten der Könige ganz selbstverständlich in das öffentliche Leben ein. Dort weiß man das nach 1989 wiedererlangte symbolische Kapital der Monarchie – oftmals nostalgisch verklärt, doch ohne jeden politisch aufgeladenen Subtext – zur Stärkung nationaler Identität ebenso zu schätzen, wie man die Nachkommen früherer Königsdynastien als willkommene Bindeglieder zur Beförderung internationaler Kontakte nutzt.

Die deutsche politische Kultur hat sich in eine andere Richtung entwickelt, und dafür gibt es gute Gründe. Wenn daher auf den folgenden Seiten die späteren Lebenswege der im November 1918 entthronten deutschen Herrscherfamilien nachgezeichnet werden, so geschieht dies nicht in der Absicht, einem monarchischen Revisionismus das Wort zu reden. Die Herrschaft der Fürsten ist unwiderruflich vorbei, und niemand kann ernsthaft mit ihrer Wiederkehr rechnen. Hier soll vielmehr eine von der historischen Forschung bisher weitgehend unerkundete Geschichtslandschaft erschlossen und – eigentlich erstmals zusammenhängend – einem breiten Lesepublikum vorgestellt werden. Dass dies nur in groben Umrissen und unter Vernachlässigung zahlreicher Details geschieht, mag angesichts der Fülle des Stoffes entschuldbar sein: Immerhin werden 19 bis zur Revolution amtierende Fürsten in 22 landesstaatlichen Monarchien und die dem Novembersturm nachfolgenden Entwicklungswege ihrer Dynastien vorgestellt.

Viele der damals Entthronten besaßen persönliches Format und ausgewiesenes Verantwortungsgefühl, entfalteten rege kultur-, bildungs- und wohlfahrtspflegerische Aktivitäten und waren aufs Ganze gesehen doch weit mehr als bloße Winkelfürsten einer Duodezherrschaft. Im Fokus dieses Buches steht nicht nur die Frage, wie sie nach ihrem Abgang den Verlust von Amt und Würden bewältigten und in einer neuen, nunmehr republikanisch geprägten Umgebung gesellschaftlich »oben« zu bleiben versuchten. Es geht auch darum, mit welch unterschiedlichen Strategien ihre jeweiligen Nachfolger als Familienchefs die teils als Verpflichtung, teils als Belastung empfundenen Traditionen ihres Hauses fortführten und wie sie sich in den unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Systemen bewährten – oder ihnen gegenüber versagten. So entsteht ein facettenreiches Kaleidoskop hochadliger Lebenswege, mit ihren Kontinuitäten und Brüchen, ihren Höhepunkten und ihren Verirrungen, die auf ihre Weise deutsche Schicksale im 20. Jahrhundert widerspiegeln.

Chemnitz, im August 2022 Frank-Lothar Kroll

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